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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2005 114)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2005 114: Verwaltungsgericht

Im Jahr 2005 wurde ein Verstoss gegen das Entsendegesetz festgestellt, bei dem eine in Deutschland ansässige Firma im Baugewerbe tätig war und die Meldepflicht für entsandte Arbeitnehmer nicht rechtzeitig erfüllte. Die Firma wurde mit einer Geldstrafe von CHF 350 belegt. Die Einsprecherin argumentierte, dass sie sich auf die bisherige Praxis der Schweizer Behörden verlassen habe, jedoch wurde festgestellt, dass keine behördliche Zusicherung vorlag. Die Meldestelle bestätigte die Geldstrafe und wies den Einspruch als unbegründet ab.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2005 114

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2005 114
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsbehörden
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2005 114 vom 01.11.2005 (AG)
Datum:01.11.2005
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE 2005 114 S.527 2005 Ausländerrecht 527 II. Ausländerrecht 114 Widerhandlung gegen das Entsendegesetz - Tatbestand und...
Schlagwörter: Arbeitnehmer; Schweiz; Einsprecherin; Person; Arbeitnehmerinnen; Personen; Meldepflicht; Busse; Entsendegesetz; Verwaltung; Dienstleistung; EntsG; Meldestelle; Ausländerrecht; Meldung; EntsV; Schweizer; Personenverkehrs; Erbringung; Unternehmen; Weisungen; Behörden; Praxis; Verstösse; Bussen; Entscheid; Kanton; Abkommens
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:103 Ib 197;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2005 114

2005 Ausländerrecht 527

II. Ausländerrecht



114 Widerhandlung gegen das Entsendegesetz - Tatbestand und Rechtsfolgen eines Meldepflichtverstosses
Auszug aus dem Entscheid des Rechtsdienstes des Migrationsamts Kanton Aargau vom 1. November 2005 in Sachen X. GmbH
Aus den Erwägungen

1. 1.1 Gemäss Art. 5 Ziff. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681), Art. 17 und 21 Anhang I FZA, Art. 16 Anhang K / Anlage 1 des Abkommens vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäi- schen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen; SR 0.632.31), Art. 2 Abs. 3 und Art. 14 der Verordnung über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs vom 22. Mai 2002 (VEP; SR 142.203) benötigen selbständige EG/EFTA-Staatsangehörige so- wie entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unabhängig von deren Staatsangehörigkeit keine Bewilligung zur Erbringung einer grenzüberschreitenden Dienstleistung, sofern deren Dauer 90 Ar- beitstage im Kalenderjahr nicht übersteigt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten als entsandt, wenn sie vom Dienstleistungser- bringer (Unternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat) im Rahmen des arbeitsrechtlichen Subordinationsverhältnisses zur Erbringung von Dienstleistungen (Ausführung von Aufträgen Werkverträ- gen) gegenüber einem mehreren Dienstleistungsempfängern (natürliche juristische Personen) in einen anderen Vertragsstaat
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geschickt werden (Weisungen und Erläuterungen des Bundesamtes für Migration [BFM] über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs [VEP-Weisungen] Ziff. 5.3.1). Seit dem 1. Juni 2004 gelten für entsandte Arbeitnehmer die im Entsendegesetz und in der Entsendeverordnung vorgesehenen Kontrollvorschriften, na- mentlich eine Meldepflicht (VEP-Weisungen Ziff. 1.2). 1.2 Gemäss Art. 6 Abs. 1 der Verordnung über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom 21. Mai 2004 (EntsV; SR 823.201) ist das Meldeverfahren nach Art. 6 des Bundesgesetzes über die in die Schweiz entsandten Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer vom 8. Oktober 1999 (Entsendegesetz, EntsG; SR 823.20) für alle Arbeiten obligatorisch, die länger als acht Tage dauern. Bei Tätigkeiten im Bauhaupt- und Baunebengewerbe, im Gastgewerbe, im Reinigungsgewerbe sowie im Überwachungs- und Sicherheitsdienst hat die Meldung unabhängig von der Dauer der Arbeiten zu erfolgen (Art. 6 Abs. 2 EntsV). Die Meldung muss auf einem offiziellen Formular und spätestens eine Woche vor dem vorgesehenen Beginn der Arbeiten in der Schweiz erstattet werden (Art. 6 Abs. 3 EntsV). In Notfällen wie Reparaturen, Unfällen, Naturkatastrophen anderen nicht vorhersehbaren Ereignissen kann die Meldung ausnahmsweise spätestens am Tage des Beginns der Arbeiten erfolgen (Art. 6 Abs. 4 EntsV). Zuständige Stelle für das Hoheitsgebiet des Kantons Aargau ist das MKA (Art. 7 Abs. 1 lit. d EntsG i.V.m. § 8 Abs. 1 der kantonalen Vollziehungsverordnung zur Bundesgesetzgebung über die in die Schweiz entsandten Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer vom 15. Oktober 2003 [VEA; SAR 811.621]). 1.3 Die in Deutschland domizilierte Einsprecherin ist im Bauge- werbe tätig. Dementsprechend besteht die Meldepflicht für die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unabhän- gig von der vorgesehenen Arbeitsdauer. Die Bauarbeiten erfolgten vom 12. September 2005 bis 16. September 2005. Die Einsprecherin erstattete die Meldung indessen erst am 8. September 2005. Die vorgeschriebene einwöchige Frist wurde somit nicht eingehalten, was die Einsprecherin auch nicht bestreitet. Ein Notfall ist nicht er-
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sichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. Die Einsprecherin verletzte damit ihre Meldepflicht. 2. Es fragt sich, ob und wie dieser Meldepflichtverstoss zu ahnden ist. 2.1 Gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. a EntsG können die kantonalen Behörden bei Verstössen gegen Art. 3 und 6 EntsG eine Verwaltungs- busse bis CHF 5'000.-- aussprechen; Art. 7 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (VStR; SR 313.0) ist anwendbar. Dieser lautet wie folgt: "Fällt eine Busse von höchstens 5000 Franken in Betracht und würde die Ermittlung der nach Artikel 6 strafbaren Personen Untersuchungsmassnahmen bedingen, die im Hinblick auf die verwirkte Strafe unverhältnismässig wären, so kann von einer Verfolgung dieser Personen Umgang genommen werden und an ihrer Stelle die juristische Person, die Kollektiv- Kom- manditgesellschaft die Einzelfirma zur Bezahlung der Busse verurteilt werden." Voraussetzung ist, dass sich zeitraubende Nachforschungen nach dem Angestellten, der die Tat verübt hat und nach den Organen, welche allenfalls mitschuldig sind, nicht lohnen (HAURI KURT, Verwaltungsstrafrecht, Bern 1998, S. 19). Ein straf- rechtlich relevantes Verhalten einer natürlichen Person wird auch hier vorausgesetzt, wobei sich die Verwaltung beim Entscheid, wel- che Strafe im konkreten Fall als verwirkt zu gelten hat, einzig auf ob- jektive Kriterien abstützen kann, da die verantwortlichen Personen ja gerade nicht ermittelt werden (HAURI, a.a.O., S. 20 f.). Eine solche Fallkonstellation liegt hier vor, zumal die Einsprecherin ihr Geschäftsdomizil im Ausland hat und Untersuchungsmassnahmen im Rahmen der grenzüberschreitenden Rechtshilfe zu erfolgen hätten. 2.2 2.2.1 Die Einsprecherin bringt vor, sie hätte in diesem Jahr be- reits 83 Tage des Entsendegesetzes genutzt, ohne irgendwelche An- stände zu haben. Die Anmeldefrist habe selten eine Woche und mehr betragen. Ferner habe sie noch nie von Art. 6 Abs. 1 EntsG gelesen. Die Einsprecherin beruft sich damit sinngemäss auf ihr Vertrauen in die ihr bekannte Praxis der Schweizer Behörden sowie auf Rechtsirr-
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tum (Art. 20 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. De- zember 1937 [StGB; SR 311.0]). 2.2.2 Die Meldestelle hatte die vor September 2005 erfolgten Verstösse gegen die Meldepflicht aus Kulanzgründen tatsächlich nicht geahndet. Die ab September verhängten Bussen bedeuten somit eine Änderung der materiellrechtlichen Praxis. Gegen Änderungen der materiellrechtlichen Praxis gibt es nun aber nach konstanter bun- desgerichtlicher Rechtsprechung keinen allgemeinen Vertrauens- schutz. Es bedarf zusätzlich einer behördlichen Zusicherung ei- nes sonstigen, bestimmte Erwartungen begründenden Verhaltens der Behörden gegenüber dem Betroffenen, damit er aus dem Grundsatz von Treu und Glauben einen Anspruch ableiten kann (BGE 103 Ib 197 E. 4 S. 201 f.). Derartige Zusicherungen sind vorliegend nicht ergangen. 2.2.3 Die Meldevoraussetzungen sind auf den Internetseiten des BFM (www.bfm.admin.ch) und des MKA (www.ag.ch/migrations- amt) abrufbar. Es war und ist daher für jedes Unternehmen durchaus möglich, sich sach- und rechtskundig zu machen und allenfalls bei Unklarheiten bei der Meldestelle beim BFM Rücksprache zu nehmen. Dies kann von einem ausländischen Unternehmen, deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmässig in der Schweiz tätig sind, ohne weiteres verlangt werden. Dies gilt im vorliegenden Fall erst recht, weil die Muttergesellschaft der Einsprecherin in der Schweiz domiziliert ist. Die Berufung auf einen Rechtsirrtum kann daher nicht gehört werden. Allgemein gilt, dass ausländische Unter- nehmungen, die erleichtert zum schweizerischen Arbeitsmarkt zugelassen werden, fahrlässig handeln, wenn sie nur von ihren in Er- fahrung gebrachten Rechten profitieren, ohne sich gleichzeitig über ihre Pflichten (und deren Sanktionierung bei Nichtbeachtung) zu orientieren. 2.3 Die Ausfällung einer Busse sowie deren Bemessung liegen im Ermessen der Meldestelle. Weil das Entsendegesetz bezweckt, ein drohendes Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, das mit der Ein- führung des freien Personenverkehrs eintreten könnte, ist nicht zu be- anstanden, dass die Meldestelle nach einer - eigentlich unnötigen -
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Übergangszeit Verstösse gegen die Meldepflicht sanktioniert. Weil zweitens der Stellenwert der im Entsendegesetz erlassenen Massnah- men für die Schweizer Wirtschaft als gross zu betrachten ist, sollte die Bussenhöhe im Verhältnis zu dem durch die Erbringung der Dienstleistung durch die entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer erzielten Vorteile nicht als vernachlässigbar gering ausfallen. Deswegen und unter Berücksichtigung der Anzahl der verspätet ge- meldeten Arbeitskräfte sowie der Dauer des Arbeitseinsatzes in der Schweiz rechtfertigt es sich, die nach dem von der Amtsleitung ge- nehmigten Bussenkatalog vom 17. August 2005 auf CHF 350.-- festgesetzte Busse der Meldestelle zu bestätigen. Die von der Einsprecherin beantragte Verwarnung ist als Sanktion gesetzlich nicht vorgesehen und damit unzulässig. Nach dem Gesagten ist die Einsprache als unbegründet abzuweisen.
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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