E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2005 102)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2005 102: Verwaltungsgericht

Der Beschwerdeführer wurde mit einer fünftägigen Einschliessung bestraft, weil er die Nahrung verweigerte und dadurch den Betrieb im Ausschaffungszentrum störte. Er argumentierte, dass die Anordnung der Strafe nicht gerechtfertigt sei und die Massnahme untauglich sei. Das Gericht entschied, dass die Disziplinarstrafe aufgehoben werden muss, da keine Störung des Anstaltsbetriebs vorlag. Zudem wurde festgestellt, dass die Anordnung der maximal zulässigen Disziplinarstrafe unverhältnismässig war. Der Richter entschied zu Gunsten des Beschwerdeführers und hob die Disziplinarstrafe auf.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2005 102

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2005 102
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2005 102 vom 27.10.2005 (AG)
Datum:27.10.2005
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:102 Ausschaffungshaft; Beschwerde betreffend DisziplinarstrafeEine Disziplinarstrafe ist erst dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten desBetroffenen zu einer Störung des Anstaltsbetriebes führt. Aufgrund desStufensystems innerhalb des Disziplinarwesens darf die fünftätige Einschliessung als schärfst...
Schlagwörter: Disziplinarstrafe; Migrationsamt; Verhalten; Anordnung; Ausländerrecht; Disziplinarstrafen; Einschliessung; Nahrung; Rekursgericht; Störung; Anstaltsbetriebes; Probleme; Sinne; Ziffer; Nahrungsaufnahme; Disziplinarwesen; Stufensystem; Stufensystems; Massnahme; Verfügung; Kantons; Haus-; Ausschaffungszentrum
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2005 102

2005 Rekursgericht im Ausländerrecht 448

[...]

102 Ausschaffungshaft; Beschwerde betreffend Disziplinarstrafe
Eine Disziplinarstrafe ist erst dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des
Betroffenen zu einer Störung des Anstaltsbetriebes führt. Aufgrund des
Stufensystems innerhalb des Disziplinarwesens darf die fünftätige Ein-
schliessung als schärfst mögliche Disziplinarstrafe in der Regel nicht als
erste Massnahme angeordnet werden. Absichtlich selbst herbeigeführte
gesundheitliche Probleme können nicht mit Disziplinarstrafen sanktio-
niert werden (Erw. II/3-5).

Entscheid des Präsidenten des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom
27. Oktober 2005 in Sachen Z.Y. gegen die Verfügung des Migrationsamts des
Kantons Aargau vom 26. Oktober 2005 betreffend Disziplinarstrafe
(BE.2005.00055).



II. 1. Gemäss Verfügung des Migrationsamtes vom 26. Oktober
2005 wurde der Beschwerdeführer mit einer Einschliessung von fünf
Tagen bestraft, weil er sich renitent verhalte, indem er keine Nahrung
mehr zu sich nehme. Durch sein Verhalten werde der Betrieb im Aus-
schaffungszentrum stark erschwert. Um möglichen gesundheitlichen
Schaden abzuwenden, müsse der Beschwerdeführer betreffend Nah-
rungsaufnahme kontrolliert werden können. Dies sei nur möglich, in-
dem er in einer Einzelzelle eingeschlossen werde. ...
2. Der Beschwerdeführer geht davon aus, die gesetzlichen
Anforderungen an die Anordnung einer Disziplinarstrafe seien
vorliegend nicht erfüllt und die angeordnete Massnahme erweise sich
zudem als untauglich.
3. Gemäss § 26 EGAR sind Einschränkungen garantierter
Rechte im Sinne von § 25 Abs. 1 EGAR unter Vorbehalt von § 28
2005 Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht 449

EGAR nur soweit zulässig, als es die Sicherheit, insbesondere die
Fluchtverhinderung, erfordert.
Gemäss § 28 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 3 lit. c EGAR kann das
Migrationsamt Einschliessungen von maximal 5 Tagen anordnen,
wenn die inhaftierte Person gegen die Anstaltsordnung und gegen
Anordnungen der Anstaltsorgane im Einzelfall verstösst. Der Haus-
ordnung für das Ausschaffungszentrum des Kantons Aargau vom
31. Januar 1996 / 1. Juli 1998 ist in Ziffer 11.1 zu entnehmen, dass
renitentes Verhalten als Disziplinartatbestand gilt.
4. Das Migrationsamt begründet die Einschliessung des Be-
schwerdeführers mit seiner Verweigerung der Nahrungsaufnahme,
welche als renitentes Verhalten im Sinne von Ziffer 11.1 der Haus-
ordnung bezeichnet werden müsse. Die Vorinstanz verkennt dabei,
dass selbst wenn die Verweigerung der Nahrungsaufnahme als reni-
tentes Verhalten bezeichnet werden könnte, eine Disziplinierung des
Betroffenen nur dann gerechtfertigt wäre, wenn aus dem Verhalten
eine Störung des Anstaltsbetriebes resultieren würde. Wäre dem nicht
so, könnte jede noch so kleine Missachtung einer Anordnung zu ei-
ner Disziplinierung führen. Nachdem gemäss Schreiben des stellver-
tretenden Dienstchefs des Ausschaffungszentrums vom 26. Oktober
2005 an das Migrationsamt zur Zeit keine medizinischen Probleme
bestehen, ist nicht ersichtlich, inwiefern die angeblich verweigerte
Nahrungsaufnahme zu einer Störung des Anstaltsbetriebes führen
sollte. Allein schon deshalb ist die angeordnete Disziplinarstrafe auf-
zuheben.
5. Hinzu kommt, dass das Disziplinarwesen gemäss § 28 EGAR
ein Stufensystem darstellt. Die Anordnung von Disziplinarmassnah-
men fällt in den Kompetenzbereich des Bezirksamtes als
Haftvollzugsbehörde, wogegen Disziplinarstrafen nur durch das
Migrationsamt angeordnet werden dürfen. Die Einschliessung von
fünf Tagen stellt dabei die schärfst mögliche Disziplinarstrafe dar.
Dem Prinzip des Stufensystems folgend, sind gemäss Ziffer 11.1 der
Hausordnung Disziplinarmassnahmen nur anzuordnen, wenn mit den
ordentlichen Mitteln der Erziehung, Führung und Beeinflussung
keine Änderung im Fehlverhalten des Häftlings erreicht werden
kann. Im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips sind demnach Dis-
2005 Rekursgericht im Ausländerrecht 450

ziplinarmassnahmen und damit umso mehr Disziplinarstrafen erst
dann anzuordnen, wenn sich ein Betroffener nach eindringlicher Er-
mahnung uneinsichtig zeigt. Die unverzügliche Anordnung der maxi-
mal zulässigen Disziplinarstrafe allein wegen verweigerter Nah-
rungsaufnahme erweist sich damit als offensichtlich unverhältnis-
mässig.
Zwar erscheint verständlich, wenn das Migrationsamt im
Bemühen den gesetzlichen Vollzugsauftrag zu erfüllen, dafür besorgt
ist, die Reisefähigkeit eines Betroffenen zu erhalten. Dafür dient je-
doch das Disziplinarwesen nicht. Es soll einzig einen geordneten An-
staltsbetrieb sicherstellen, indem ein Fehlverhalten eines Inhaftierten
sanktioniert werden kann. Gesundheitliche Probleme von Inhaftier-
ten können - auch wenn sie absichtlich selbst herbeigeführt werden -
nicht mit Disziplinarstrafen sanktioniert, geschweige denn gelöst
werden. Keine Disziplinarmassnahmen stellen selbstverständlich
medizinisch angezeigte und durch einen Arzt angeordnete Eingriffe
in die persönliche Freiheit dar.

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.