X. Stimm- und Wahlrecht
129 Bezirkswahlen; sind im ersten Wahlgang weniger wählbare Kandidaten vorgeschlagen, als zu wählen sind, so ist keine Nachmeldefrist von 5 Tagen nach § 30a Abs. 1 GPR anzusetzen, sondern eine Urnenwahl durchzuführen.
Entscheid des Departementes des Innern vom 20. Oktober 2004 in Sachen X. gegen Bezirksamt Y.
Aus den Erwägungen
2. b) Es ist festzuhalten, dass die Bestimmung von § 30a Abs. 1 des Gesetzes über die politischen Rechte (GPR) vom 10. März 1992 die Frage, ob eine Nachmeldefrist von 5 Tagen auch in den Fällen anzusetzen ist, in denen weniger Kandidaturen angemeldet, als Sitze zu besetzen sind, nicht ausdrücklich regelt. Der Beschwerdeführer stützt seine Auffassung auf den Wortlaut der Bestimmung. Danach soll die Formulierung ,,sind nicht mehr wählbare Kandidaten vorge- schlagen" auch diejenigen Fälle mit umfassen, wo weniger Kandi- daturen vorgeschlagen werden, als zu wählen sind. Zu dieser Be- deutung der Bestimmung gelangt er durch (grammatikalische) Aus- legung. Die Gesetzesauslegung hat auch im Verwaltungsrecht zum Ziel, den rechtsverbindlichen Sinn eines Rechtssatzes zu ermitteln. Ausle- gung ist notwendig, wo der Gesetzeswortlaut nicht klar ist wo Zweifel bestehen, ob ein scheinbar klarer Wortlaut den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Für die Normen des Verwaltungsrechts gelten die üblichen Methoden der Gesetzesauslegung. Demnach bejahen Lehre und Rechtsprechung auch für das Verwaltungsrecht den Methodenpluralismus, der keiner Auslegungsmethode einen grund- sätzlichen Vorrang zuerkennt (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allge-
meines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, FN 214 ff.). So- mit ist zu prüfen, ob nicht dem vom Beschwerdeführer ins Feld ge- führten Ergebnis der grammatikalischen Auslegung eine andere Be- deutung der Norm vorzuziehen ist. Zur Ermittlung des Inhaltes von § 30a GPR sind deshalb wei- tere Elemente der Gesetzesauslegung heranzuziehen, insbesondere das historische, das systematische sowie das teleologische Element: Die regierungsrätliche Botschaft zur Teilrevision über die politischen Rechte bringt zum Ausdruck, dass die gegenüber stillen Wahlen ge- hegten Bedenken und Befürchtungen (Wahl nicht bekannter Perso- nen in Behörden, geringere demokratische Legitimität von stillen Wahlen) ernst genommen werden und diese Befürchtungen durch das Instrument der Nachmeldung entkräftet werden sollen. Unter Be- rücksichtigung der Entstehungsgeschichte ist deshalb davon auszu- gehen, dass einerseits die Wahl ohne Urnengang bloss restriktiv, d.h. als Ausnahmefall, zugelassen werden und andererseits die Nachmel- defrist ermöglichen sollte, mit einem einzigen Vorschlag eine Wahl mit Urnengang zu erzwingen. Die Botschaft hält in diesem Zusam- menhang fest, dass der Vorteil der Nachmeldefrist darin liegt, dass die Stimmberechtigten effektiv die Gelegenheit erhalten, auf Kandi- daturen mit einer weiteren zu reagieren und so eine Urnenwahl zu ermöglichen (Botschaft, S. 10 f.). Würden hingegen die stillen Wah- len bei weniger Wahlvorschlägen als zu besetzenden Stellen zugelas- sen, wäre es zwar auch möglich, einen Urnengang mittels Einreichen von weiteren Vorschlägen innert der Nachmeldefrist zu erzwingen. Dies wäre aber mit weit grösseren Schwierigkeiten verbunden, als wenn gerade soviel Personen vorgeschlagen werden, wie Stellen zu besetzen sind. Ausserdem wäre es bei weniger Wahlvorschlägen als zu besetzenden Stellen über das Instrument der Nachmeldefrist mög- lich, nicht nur die bereits vorgeschlagenen Kandidaten Kandi- datinnen, sondern auch weitere, innert der Nachmeldefrist eingege- bene Bewerber Bewerberinnen in stiller Wahl zu wählen, wenn gesamthaft nicht mehr Bewerbungen vorlägen, als Sitze zu vergeben sind. Gerade dies ist aber nach den erwähnten Ausführungen in der Botschaft nicht Sinn und Zweck der Nachmeldefrist gemäss § 30a Abs. 1 GPR. Diese Frist soll nämlich nicht dazu dienen, eine stille
Wahl zu ermöglichen, sondern eine solche zu verhindern. Mithin führt die Auslegung von § 30a GPR zum Resultat, dass nur dann eine Wahl ohne Urnengang durchgeführt werden kann, wenn gleichviel wählbare Kandidaten Kandidatinnen vorgeschlagen werden, als zu wählen sind, und innert der Nachmeldefrist von 5 Tagen keine weiteren Wahlvorschläge eingereicht werden. Liegen hingegen we- niger Wahlvorschläge vor, als Stellen zu besetzen sind, ist eine Wahl mit Urnengang durchzuführen. An dieser kann im ersten Wahlgang jede wahlfähige stimmberechtigte Person gültige Stimmen erhalten (§ 30 Abs. 1 GPR). Anders als bei der stillen Wahl erlaubt somit eine Urnenwahl die Ausgleichung einer zu tiefen Zahl von Wahlvorschlä- gen.