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46 Ausnützungsberechnung (§ 9 ABauV). Fairness im Verfahren (§ 22 KV). - Ratio legis von § 9 Abs. 5 ABauV; Begriff der parzellenübergreifenden Überbauung (Erw. 2/a/bb). - Auf Grund einer Baurechtsdienstbarkeit errichtete Bauten (i.c. Gara- gen) zählen nach Massgabe von § 9 Abs. 4 ABauV zur anrechenbaren Grundstücksfläche (Erw. 2/a/cc). - Ratio legis von § 9 Abs. 2 lit. a al. 3 ABauV; Begriff der Angemessen- heit (Erw. 2/b/aa). - Auslegung einer kommunalen Norm, welche in Ausnützung der Re- gelungskompetenz gemäss § 9 Abs. 3 Satz 1 ABauV die Fläche in Dach-, Attika- und Untergeschossen als nicht anrechenbar erklärt, wenn sie zur Fläche der Vollgeschosse eine bestimmte Relation wahrt (Erw. 2/b/bb). - Rechtsstaatliche Anforderungen, wenn der Sachbearbeiter, der eine Verhandlung durchführt, mit dem Sachbearbeiter, der den Ent- scheidentwurf verfasst, nicht identisch ist (Erw. 6/a/aa,bb); Heilung des Verfahrensmangels, um einen prozessualen Leerlauf zu vermeiden (Erw. 6/a/cc).
Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 9. Dezember 2002 in
Sachen B. und Mitb. gegen Baudepartement.
Aus den Erwägungen
1. Das am 6. September 1999 bewilligte erste Baugesuch um fasst eine hangseitige Erweiterung des Ober- und des Dachgeschos ses um eine Bruttogeschossfläche (BGF) von 49.97 m2 bzw.
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78.25 m2. Das neue Dachgeschoss kommt dabei grösstenteils auf das erweiterte Obergeschoss, teilweise auch auf das bisherige Oberge schoss zu liegen und verfügt über ein eigenes Satteldach, das auf dem unteren Teil der bestehenden nordwestlichen Dachseite aufliegt. Die Firsthöhe des Anbaus beträgt 10.10 m. Das abgeänderte Bauge such vom 6. September 2000 unterscheidet sich vom ersten Bauge such in erster Linie hinsichtlich der äusseren Gestaltung, indem die Flucht des talseitigen Dachs mit einer Dachneigung von 43° bis zu einer Firsthöhe von 11.05 m nach oben gezogen wird; die übrigen Aussenmasse bleiben unverändert, ebenso die Grundrisse. 2. Hauptstreitpunkt bildet die Ausnützungsberechnung. a) aa) Bei der Ermittlung der anrechenbaren Grundstücksfläche ging der Gemeinderat davon aus, dass von der Fläche der Parzelle Nr. 608 von 806 m2 keine Abzüge zu machen seien, namentlich auch nicht in Bezug auf die drei Doppelgaragen auf der Parzelle Nr. 608, an welchen den Eigentümern der Parzellen Nrn. 2678, 2679 und 2680 seinerzeit eine Baurechtsdienstbarkeit eingeräumt worden ist. Das Baudepartement schloss sich dem an und stellte unter Verwei sung auf § 9 Abs. 5 ABauV gleichzeitig fest, dass es sich vorliegend um eine parzellenübergreifende Überbauung handle, bei der die Aus nützungsziffer gesamthaft, ohne Aufteilung des Baugrundstücks in Einzelparzellen, einzuhalten sei. Die Beschwerdeführer sind der Meinung, dass diese Bestimmung hier nicht zur Anwendung kommt. bb) aaa) Aus dem Amtsbericht des Baudepartements (Rechts abteilung) vom 26. November 2002 ist ersichtlich, dass hinter dem Erlass von § 9 Abs. 5 ABauV offenbar die Zielsetzung stand, im Interesse der haushälterischen Nutzung des Bodens (§ 46 BauG) Überbauungen zu ermöglichen, die nicht an vorhandene Parzellen strukturen gebunden sind und auch nicht zwingend die Vorausset zungen einer Arealüberbauung erfüllen müssen. Die Materialien zu den §§ 46 und 50 BauG enthalten dem Vernehmen nach keine ein schlägigen Aussagen; lediglich in der politischen Diskussion sei zum Ausdruck gekommen, dass die Siedlungsqualität trotz verdichteter Bauweise gewährleistet bleiben solle. Rein von der Wortwahl her wäre unter einer "parzellenüber greifenden" Überbauung im Sinne von § 9 Abs. 5 ABauV am ehesten
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eine Überbauung zu verstehen, bei der bereits eine bestimmte Auf teilung von Grundstücken besteht und über die Grundstücks grenze(n) hinweg gebaut wird. So betrachtet fiele die hier in Frage stehende Überbauung nicht darunter, bestand doch im Zeitpunkt der Baubewilligungserteilung am 22. August 1988 nur die Parzelle Nr. 608 mit einer Grundstücksfläche von 2'472 m2 und erfolgte die Aufteilung in die vier Parzellen Nrn. 608, 2678, 2679 und 2680 erst ungefähr ein Jahr später. In einem Entscheid vom 11. Dezember 1996 in Sachen E. u.M. (publiziert in AGVE 1997, S. 309 ff.) hat nun allerdings das Verwaltungsgericht eine Überbauung als "parzel lenübergreifend" qualifiziert, die ebenfalls auf einem ungeteilten Grundstück entstanden war. Als massgebend erachtete das Gericht dabei, dass die - nach der Realisierung der letzten Bauetappe - 12 Häuser umfassende Überbauung einem einheitlichen Konzept folge, was namentlich aus ihrem Erscheinungsbild sowie den gemeinsamen Infrastrukturanlagen (Autoabstellplätze, Kinderspielplatz) ersichtlich sei (AGVE 1997, S. 312). Diese Sicht der Dinge erscheint nach wie vor zutreffend. Die "parzellenübergreifende" Überbauung zeichnet sich also weniger durch die sachenrechtliche Konstellation als durch ein qualitatives Kriterium aus, nämlich die Einheitlichkeit der Über bauung, die haushälterische Planung der Erschliessung (einschliess lich der Autoabstellplätze) und weiterer gemeinsamer Anlagen (z.B. Spielplätze) usw. Eine solche Auslegung stimmt auch damit überein, dass in § 9 Abs. 5 ABauV primär die Arealüberbauungen erwähnt werden (in einem ersten Entwurf von Absatz 5 war nebst den Arealüberbauungen von "Überbauungen nach Gesamtkonzept" die Rede). bbb) Auch bei Zugrundelegung dieses Normverständnisses kann im vorliegenden Falle nicht von einer "parzellenübergreifen den" Überbauung gesprochen werden. Wohl gehorchen die vier Einfamilienhäuser äusserlich einem einheitlichen Muster, doch fin den sich ausser dem Garagentrakt auf der Parzelle Nr. 608 (ein der Erschliessung der oberen Grundstücke dienender Fussweg fällt in diesem Zusammenhang kaum ins Gewicht) keine gemeinsamen An lagen, und diese Planung diktierte wohl weniger das (öffent lichrechtliche) Anliegen einer möglichst rationellen Erschliessung,
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sondern vielmehr eine simple Zweckmässigkeitsüberlegung, indem sich die Erstellung sämtlicher Autogaragen direkt am Schürbergweg als die kostengünstigste Lösung anbot. Demnach ist die Ausnüt zungsberechnung pro Grundstück vorzunehmen, und es ist belanglos, ob auf der Parzelle Nr. 2680 - auf einem andern Grundstück der Überbauung - ausnützungsrelevante Um-, Aus- Anbauten vor genommen wurden. cc) Die Beschwerdeführer halten dafür, die Fläche der drei Doppelgaragen samt Vorplätzen (211.50 m2) zählten nicht zur anre chenbaren Grundstücksfläche. Die vom Baurecht erfassten Flächen und Bauten dienten den Eigentümern der Parzellen Nrn. 2678, 2679 und 2680 und dürften von den Beschwerdegegnern nicht belastet werden, auch nicht in Form eines Einbezugs in die massgebliche Grundstücksfläche. Der Anspruch der Beschwerdeführer, sich bei der Ermittlung der massgebenden Fläche ihrer Grundstücke die auf den betreffenden Baurechtsflächen ruhende Ausnützungsreserve zurech nen zu lassen, ergebe sich aus der erwähnten subjektiv-dinglichen Verknüpfung. Die anrechenbare Grundstücksfläche ist die Fläche der von der Baueingabe erfassten, baulich noch nicht ausgenützten Grundstücke Grundstücksteile innerhalb der Bauzone; Flächen bestehender und projektierter öffentlicher Strassen und ihrer Bestandteile werden nicht angerechnet (§ 9 Abs. 4 ABauV). Grundsätzlich ist danach stets von der gesamten Grundstücksfläche auszugehen. Die nicht anre chenbaren Flächen sind klar und abschliessend definiert. Bauten, die wie im vorliegenden Falle auf Grund einer Baurechtsdienstbarkeit errichtet worden sind, werden in § 9 Abs. 4 ABauV nicht erwähnt und sind demgemäss anrechenbar. Der von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang als Beleg angeführte Fall E. u.M. lag in sachenrechtlicher Hinsicht insofern anders, als die Autoabstellplätze und der Kinderspielplatz auf je einem separaten Grundstück angelegt und entsprechende Anteile subjektiv-dinglich mit den betreffenden Hausgrundstücken verknüpft worden waren (AGVE 1997, S. 311 f.). b) Kontrovers ist auch die Ermittlung der anrechenbaren BGF: aa) Als anrechenbare BGF gilt die Summe aller ober- und un terirdischen Geschossflächen, einschliesslich der Mauer- und Wand-
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querschnitte; nicht angerechnet werden u.a. angemessene Einstell räume für Motorfahrzeuge (§ 9 Abs. 2 lit. a al. 3 ABauV). Die Be schwerdeführer sind der Meinung, auf Grund dieser Bestimmung müsse die Fläche der drei nicht der Parzelle Nr. 608 dienenden Dop pelgaragen samt Vorplätzen ebenfalls der BGF zugeschlagen werden. Das Baudepartement argumentiert, da mit den fraglichen Garagen plätzen bezüglich aller vier Liegenschaften die Parkplatzstellungs pflicht erfüllt werde, seien bei der Beurteilung der Angemessenheit nur die beiden der Parzelle Nr. 608 dienenden Einstellräume zu be rücksichtigen. Der Gemeinderat ist gleicher Ansicht. Das Verwaltungsgericht teilt den Standpunkt der Vorinstanzen. In Fällen wie dem vorliegenden ist die "Angemessenheit" von Gara gen auf sämtliche Baurechtsberechtigten und nicht allein auf den Eigentümer des mit dem Baurecht belasteten Grundstücks zu be ziehen. Andernfalls würde dieser dafür "bestraft", dass auf seinem Grundstück Fremdgaragen erstellt worden sind, und das kann nicht der Sinn von § 9 Abs. 2 lit. a al. 3 ABauV sein. Diese Bestimmung will offensichtlich nur verhindern, dass auf einem Grundstück ohne entsprechende Anrechnung überdimensionierte Einstellräume für Motorfahrzeuge erstellt werden. Im Übrigen führt es nicht zu einem Widerspruch, wenn die Fläche der Fremdgaragen einerseits zur anre chenbaren Grundstücksfläche gerechnet (siehe vorne Erw. a/cc) und anderseits bei der Ermittlung der anrechenbaren BGF nicht berück sichtigt wird. Dies zeigt folgende einfache Überlegung: Wären im vorliegenden Falle statt der Sammelgarage die einzelnen Doppelga ragen auf den betreffenden Grundstücken erstellt worden, wäre das Ergebnis der Ausnützungsberechnung genau dasselbe; aus dieser "Neunerprobe" ist ersichtlich, dass es für die Auffassung der Be schwerdeführer keine öffentlichrechtlich relevante Begründung gibt. bb) Als anrechenbare BGF gilt wie bereits erwähnt grundsätz lich die Summe sämtlicher ober- und unterirdischen Geschossflä chen, also auch jener in Dach- und Untergeschossen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 ABauV). Die Gemeinden können nun aber die Anrechenbarkeit von Räumen in Dach-, Attika- und Untergeschossen abweichend regeln (§ 9 Abs. 3 Satz 1 ABauV). Die Gemeinde Brittnau hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und in § 28 der Bau- und
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Nutzungsordnung (BNO) vom 27. November 1998 / 15. Juni 1999 Folgendes festgelegt:
"Betreffend Ausnützungsziffer gelten die Definitionen gemäss kantonalem Recht. Zudem wird die Fläche in Dach-, Attika- und Untergeschossen nicht zur anrechenbaren Bruttogeschossfläche gezählt, sofern sie gesamthaft die Fläche von 1½ Vollgeschossen nicht überschreitet". Der Gemeinderat hat aus dieser Bestimmung abgeleitet, dass im vorliegenden Falle das Dachgeschoss nicht angerechnet werden muss. Das Baudepartement ist dieser Auffassung beigetreten und hat dazu ausgeführt, nach Sinn und Zweck von § 28 BNO könne es sich nur um diejenigen Flächen von Dach-, Attika- und Untergeschossen handeln, welche gemäss § 9 ABauV für die Ausnützungsberechnung relevant seien. Die Beschwerdeführer sind demgegenüber der Mei nung, dass diese Auslegung durch den Wortlaut der Bestimmung nicht gedeckt sei. Bei der Auslegung einer kommunalen Norm darf sich die be treffende Gemeinde auf ihre autonome Stellung innerhalb des Staats gefüges berufen (§ 106 Abs. 2 KV; siehe AGVE 1998, S. 319 f. mit Hinweisen; VGE III/92 vom 11. November 2002 [BE.2002.00055] in Sachen M., S. 13). Dies bedeutet, dass von der Interpretation, welche der Gemeinderat als richtig ansieht, nicht ohne Not abgewichen wer den darf bzw. im Wesentlichen nur, wenn das Ergebnis in der Sache nicht zu überzeugen vermag. Dies trifft im vorliegenden Falle nicht zu. Schon der Wortlaut führt zu einem klaren Ergebnis. So gelten gemäss § 28 Satz 1 BNO "die Definitionen gemäss kantonalem Recht", also namentlich jene von § 9 Abs. 1 ABauV, wonach die Ausnützungsziffer die Verhältniszahl zwischen der anrechenbaren BGF und der anrechenbaren Grundstücksfläche ist. Dass nur die anrechenbaren Geschossflächen gemeint sein können, ist auch daraus zu folgern, dass bei einer Überschreitung von 1½ Vollgeschossflä chen logischerweise nur die gemäss § 9 Abs. 2 ABauV anrechenba ren Flächen der betreffenden Dach- und Untergeschosse in die Aus nützungsberechnung eingestellt werden können. Dazu kommen te leologische Gesichtspunkte. Die in § 9 Abs. 3 Satz 1 ABauV enthal tene Regelungskompetenz ist nämlich vor dem Hintergrund zu se-
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hen, dass der Gesetzgeber die verdichtete Bauweise gefördert wissen wollte (§ 46 Satz 2 BauG) und die Gemeinden dementsprechend u.a. ermächtigte, für Neubauten vorzusehen, dass Dach- und Unterge schoss bei der Berechnung der Ausnützungsziffer nicht berücksich tigt werden (§ 50 Abs. 2 Satz 3 BauG; siehe auch die Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 17. August 1992 zur 2. Be ratung des neuen Baugesetzes, S. 20 oben zu § 48). § 28 BNO stellt gemessen an dieser Ermächtigung eine mildere Variante dar, indem die Privilegierung bei der Ausnützungsziffer davon abhängig ge macht wird, dass die Fläche in Dach- und Untergeschossen zur Flä che der Vollgeschosse eine bestimmte Relation wahrt. Es ist nun offensichtlich, dass das gesetzgeberische Verdichtungsziel weitge hend toter Buchstabe bliebe, wenn - wie die Beschwerdeführer mei nen - die in § 28 BNO vorgegebene Verhältniszahl auf der Basis der betreffenden Grundrissflächen ermittelt werden müsste. Gerade in Wohnzonen, namentlich in Zonen für Einfamilienhäuser, besteht die herkömmliche Bauweise darin, dass neben einer Unterkellerung auf der gesamten Grundfläche auch ein Dachgeschoss geschaffen wird; die Grundflächen des Dach- und des Untergeschosses würden hier die Fläche von 1½ Vollgeschossen regelmässig überschreiten. Die von den Beschwerdeführern befürchtete und am Augenschein vom 9. Dezember 2002 mit einer Skizze erläuterte Missbrauchsgefahr hält das Verwaltungsgericht nicht für gegeben. Die erwähnten Bedenken beziehen sich einzig darauf, dass gemäss § 28 Satz 2 BNO das arithmetische Mittel der Dach- und Untergeschossflächen massge bend ist, was beispielsweise ein überproportioniertes Dachgeschoss ermögliche. Dabei wird übersehen, dass jedes Bauvorhaben die all gemeinen öffentlichrechtlichen Randbedingungen wie maximale Gebäude- und Firsthöhen, Grenzabstände, Einordnung in das Orts bild usw. (§ 6 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 BNO) zu beachten hat und dass dies in aller Regel wirksame Schranken gegen eine exzessive Bau weise sind. c) Gemäss der Ausnützungsberechnung der Beschwerdegegner vom 31. August 2000, auf welche sich auch die Beschwerdeführer abstützen, betragen die anrechenbare BGF des bestehenden Erdge schosses 85.27 m2 (ohne Gartensitzplatz [siehe § 9 Abs. 2
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lit. a al. 5 ABauV]), jene des bestehenden Obergeschosses 88.47 m2, gesamthaft also 173.74 m2 bzw. im Mittel 86.87 m2. Dies ist die nach § 28 BNO massgebende Fläche eines Vollgeschosses. Der Schwellenwert für die Anrechnung bzw. Nichtanrechnung des Dach und des Obergeschosses beträgt demgemäss 130.31 m2 (86.87 m2 x 1½). Die anrechenbare BGF des Dachgeschosses beträgt 78.25 m2, jene des Untergeschosses 37.04 m2, was eine Gesamtfläche von 115.29 m2 ergibt, womit der erwähnte Schwellenwert nicht überschritten wird und das Dach- wie das Untergeschoss bei der Ausnützungsberechnung ausser Betracht zu bleiben haben. (...). 6. Die Beschwerdeführer erheben verschiedene Rügen formeller Art: a) aa) Die Beschwerdeführer machen geltend, dass einer der Entscheide des Baudepartements von einem andern Sachbearbeiter redigiert worden sei als demjenigen, der die Augenscheinsverhand lung vom 23. Mai 2001 geleitet habe; zudem habe der Entscheidver fasser nicht über die Abschrift der Protokollnotizen verfügt. Das Baudepartement räumt ein, dass die Entscheidredaktion zumindest teilweise von einem mit der Beschwerdesache vorher nicht befassten Sachbearbeiter besorgt wurde, erachtet dies aber als formell korrekt, weil der Fall wegen des Gesuchs um Baueinstellung dringlich gewe sen sei. bb) Nach aargauischem Recht wird im Verwaltungsverfahren das Unmittelbarkeitsprinzip durchbrochen. Gemäss § 22 Abs. 1 VRPG dürfen Beweiserhebungen auch durch "Beauftragte" der Verwaltungsbehörden vorgenommen werden. Im Weiteren hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass - mit Ausnahme lediglich der Fälle von Vorbefassungen - Beschwerdeentscheide des Regierungsrats durch eine untergeordnete Behörde, beispielsweise ein Departement, instruiert werden dürfen (§ 50 VRPG; § 28 des Gesetzes über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung [Organisationsgesetz; SAR 153.100] vom 26. März 1985); in derartigen Fällen handelt es sich regelmässig um Geschäfte, die vom Regierungsrat "am grünen Tisch" entschieden werden. Von da her ist die Identität zwischen dem Sachbearbeiter, der die Augenscheinsverhandlung durchführt, und dem
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Sachbearbeiter, der den Entscheidentwurf verfasst, ebenfalls nicht zwingend; der Grundsatz, dass die betreffende Verwaltungsbehörde in der vom Gesetz vorgeschriebenen Zusammensetzung entscheidet (siehe Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 [Textausgabe mit Kommentar], Aarau 1986, § 22 N 19), ist gewahrt. Allerdings verlangt der Anspruch der Betroffenen auf ein faires Verfahren (§ 22 Abs. 1 KV), dass in derartigen Fällen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Sachverhaltsermittlung (§ 20 Abs. 1 VRPG) ein besonderes Augenmerk zu richten ist. Insofern sind Konstellationen, wie sie hier gerügt werden, auch nicht ganz unproblematisch. U.a. hängt einiges von der Qualität der betreffenden Verhandlungsprotokolle ab; diese müssen überdies dem Entscheidverfasser in endgültig ausgefertigter Form vorliegen, d.h. blosse Handnotizen genügen nicht (siehe zum Ganzen den VGE III/28 vom 26. Februar 1998 [BE.1996.00194] in Sachen B. AG u.M., S. 5 f.; AGVE 2000, S. 341 ff.). Gemessen an diesen Vorgaben ist das Vorgehen des Baudepar tements in der Tat zu beanstanden. Es genügte nicht, dass der Verfas ser des Augenscheinsprotokolls im Zeitpunkt der Entscheidredaktion greifbar war; vielmehr hätten die Handnotizen in gedruckter Form vorliegen müssen, was auf Grund der Datierung (22. Oktober 2001) klarerweise nicht der Fall war. Da der verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV; § 22 Abs. 1 KV) den Anliegen der wirkungsorientierten Verwaltung vorgeht (AGVE 2000, S. 346), ist der Einwand der Dringlichkeit nicht stichhaltig; abgesehen davon nimmt das Diktieren eines durch schnittlich langen Verhandlungsprotokolls erfahrungsgemäss nicht viel Zeit in Anspruch. cc) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur; seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Be schwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Ent scheids (BGE 120 Ib 383 mit Hinweisen). Eine Heilung in einem Rechtsmittelverfahren ist nur ausnahmsweise möglich; dies hängt namentlich von der Schwere und Tragweite der Gehörsverletzung so wie davon ab, ob die Rechtsmittelinstanz den angefochtenen Ent scheid in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht frei überprüfen kann
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(BGE 120 V 362 f. und 121 V 156, je mit Hinweisen; AGVE 1997, S. 374). Wird die Heilungsmöglichkeit bejaht, so ist die Gehörsver letzung jedenfalls beim Kostenentscheid zu berücksichtigen (AGVE 1974, S. 362; siehe zum Ganzen auch den VGE III/4 vom 10. Januar 2002 [BE.2000.00349] in Sachen H., S. 13). Dem Verwaltungsgericht steht die Ermessensüberprüfung im vorliegenden Falle nicht zu. Trotzdem ist der festgestellte Verfah rensmangel heilbar, da sonst klarerweise ein prozessualer Leerlauf betrieben würde (vgl. BGE 107 Ia 2 f.; Bundesgericht, in: ZBl 90/1989, S. 367; VGE III/141 vom 21. November 2000 [BE.1999.00189] in Sachen Einwohnergemeinde B., S. 17); der Be schwerdeführer stellt denn auch keinen Rückweisungsantrag. Die Gehörsverletzung ist aber beim Kostenentscheid angemessen zu berücksichtigen. (...).
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