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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2003 117)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2003 117: Verwaltungsgericht

Der Rechtsdienst des Migrationsamts Kanton Aargau hat entschieden, dass die Einsprecherin unrechtmässig gehandelt hat, indem sie die Personalrekrutierung auf Frauen beschränkt hat. Dies verstösst gegen die Verfassung, die Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Arbeitswelt verlangt. Die Einsprecherin konnte keine sachlichen Gründe vorbringen, um die Suche nur auf Frauen zu beschränken. Die Bewerberinnen Nr. 9-22 wurden abgelehnt, weil sie als unflexibel betrachtet wurden, was jedoch als indirekte Diskriminierung von Personen mit familiären Verpflichtungen angesehen wird. Der Richter entschied, dass die Rekrutierungsbemühungen der Einsprecherin gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstossen, und wies die Einsprache als unbegründet ab.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2003 117

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2003 117
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsbehörden
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2003 117 vom 06.10.1986 (AG)
Datum:06.10.1986
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE 2003 117 S.479 2003 Ausländerrecht 479 II. Ausländerrecht 117 Arbeitsbewilligung für Asylsuchende. Rechtliche Voraussetzungen...
Schlagwörter: Einsprecherin; Frauen; Prüfung; Schweiz; Arbeit; Ausländer; Schweizerische; Ausländerrecht; Personalrekrutierung; Produktion; Bundesverfassung; Recht; Männer; Asylsuchende; Schweizerischen; Eidgenossenschaft; Betriebsarbeiter; Rechtsdienst; Vertragsfreiheit; Element; Gallen; Partnerwahlfreiheit; Bewerber; Risiko; ühren
Rechtsnorm: Art. 7 BV ;Art. 8 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2003 117

2003 Ausländerrecht 479

II. Ausländerrecht



117 Arbeitsbewilligung für Asylsuchende. - Rechtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitszeitbewil- ligung für Asylsuchende (arbeitsmarktliche Prüfung) - Die Personalrekrutierung gemäss Art. 7 f. der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer vom 6. Oktober 1986 (BVO; SR 823.21) ist verfassungskonform auszugestalten. Art. 8 der Bundes- verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101) wird verletzt, wenn der Arbeitgeber ohne sachli- che Gründe die Personalrekrutierung auf Frauen beschränkt.
Auszug aus dem Entscheid des Rechtsdienstes des Migrationsamts Kanton Aargau vom 19. März 2003 in Sachen X.
Aus den Erwägungen

2. Zu prüfen ist, ob die Einsprecherin bei der Personalrekrutie-
rung rechtmässig vorgegangen ist.
2.1
2.1.1 Gemäss "Bestätigung Stellenmeldung" der RAV vom 24.
Januar 2003 wurde nach einem Betriebsarbeiter einer Betriebs-
mitarbeiterin bzw. einem Hilfsarbeiter Produktion einer Hilfsar-
beiterin Produktion gesucht. Am 31. Januar 2003 wurde die Stellen-
meldung dahingehend geändert, als die Suche auf Frauen einge-
schränkt wurde. Mit Verfügung vom 26. Februar 2003 forderte der
Rechtsdienst die Einsprecherin auf zu erklären, warum die Suche auf
Betriebsarbeiterinnen eingeschränkt worden sei.
2.1.2
(...)
2.1.3 Die Vertragsfreiheit stellt ein zentrales Element der Wirt-
schaftsfreiheit dar (KLAUS
A. VALLENDER, in: Die Schweizerische
2003 Verwaltungsbehörden 480

Bundesverfassung, Kommentar, St. Gallen 2002, Rz. 10 zu Art. 27
BV). Ein wichtiges Element der Vertragsfreiheit ist die Partnerwahl-
freiheit, d.h. das Recht, sich selber den (Arbeits-)Vertragspartner
auswählen zu können, wobei diese Partnerwahlfreiheit auf den pri-
vatrechtlichen Bereich beschränkt ist. Weil es sich bei der arbeits-
marktlichen Prüfung gemäss Art. 7 f. BVO um eine öffentlich-
rechtliche Prüfung handelt, sind der Partnerwahlfreiheit daher Gren-
zen gesetzt. So ist nicht nur die Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom
18. April 1999 (BV; SR 101) zu beachten, sondern ebenfalls Art. 8
BV. Diese Bestimmung verlangt, dass Mann und Frau in der Ar-
beitswelt gleich zu behandeln sind. Art. 8 wird dann verletzt, wenn
ohne sachliche Gründe die Personalrekrutierung auf Frauen be-
schränkt wird.
2.1.4 Solche sachlichen Gründe kann die Einsprecherin nicht
vorbringen: Es mag zwar zutreffen, dass viele Männer eine Vollzeit-
beschäftigung anstreben. Aus den Angaben der Einsprecherin geht
jedoch erstens nicht hervor, ob die männlichen Bewerber Nr. 1 bis 8
allesamt eine Vollzeitbeschäftigung anstreben ob einer oder
mehrere, z.B. wegen geteilter Verantwortung bei der Kinderbetreu-
ung, nicht auch an einer Teilzeitstelle (ca. 50 % gemäss Inserat) in-
teressiert sind. Die Hypothese der Einsprecherin, diese Kandidaten
würden nur kurze Zeit bleiben, mag zwar auch eine Erfahrungstatsa-
che sein. Sie stellt aber keinen schützenswerten Grund dar, die Suche
nur auf Frauen zu beschränken. Zweitens legt die Einsprecherin nicht
dar, wie kostspielig und aufwändig die Schulung der Hygiene- und
Betriebsordnung ist, dass sich die "Zeitinvestition" nur langfristig
lohnt. Überdies kann das Risiko, dass auch eine Frau nach kurzer
Zeit wieder kündigt, nicht ausgeschlossen werden. Dieses Risiko
liegt ausschliesslich beim Unternehmer und tangiert die arbeits-
marktliche Prüfung nicht. Drittens ist unbeachtlich, dass die geschil-
derte leichte Produktionsarbeit (Absetzen der Produkte auf Bleche,
Qualitätskontrolle, allgemeine Reinigungsarbeit etc.) nicht von Mit-
arbeitern (scil. Männern) erledigt wird, da sich diese sonst benach-
teiligt fühlen würden, was sich in der Gruppendynamik so ergeben
habe. Inwiefern sich ein Mann benachteiligt fühlen soll, wenn er sol-
2003 Ausländerrecht 481

che Arbeiten auszuführen hat, ist schleierhaft. Die Einsprecherin ge-
steht mit dieser Aussage vielmehr ein, dass (meist) nur Frauen bereit
sind, zu einem Stundenlohn von mindestens Fr. 17.65 diese Arbeiten
zu erledigen. Der Hinweis auf angeblich gruppendynamische Er-
kenntnisse vermag diese Lohndiskriminierung nicht zu kaschieren
(grundsätzlich zu dieser Problematik: MARGRITH BIGLER-EG- GENSCHWILER, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, Kom- mentar, St. Gallen 2002, Rz. 91 - 99 zu Art. 8 BV). Wenn sich trotz-
dem Männer finden lassen, die hier bereits zur Erwerbstätigkeit be-
rechtigt sind (Art. 7 Abs. 1 - 3 BVO) und zu diesem Lohn arbeiten
wollen, ist diesen zwingend der Vorrang gegenüber Frauen zu ge-
währen, die wie X. erstmals in der Schweiz eine Arbeit suchen.
2.2 Die Einsprecherin lehnte die Bewerberinnen Nr. 9 - 22
ab, weil diese nur an speziellen Tagen/Zeiten einsetzbar, folglich sehr
unflexibel seien. Auch diese Argumentation ist mit Nachdruck zu-
rückzuweisen: Im Rahmen der arbeitsmarktlichen Prüfung darf der
Einsprecherin entgegen gehalten werden, dass sie bei der Ausarbei-
tung der Einsatzpläne nicht bloss auf die betrieblichen Bedürfnisse
abstellt. Ihr kann gestützt auf Art. 1 lit. b und c BVO zugemutet wer-
den, die zeitliche Verfügbarkeit aller Stellensuchenden, die zum Ar-
beitsmarkt zugelassen sind und dem Anforderungsprofil entsprechen,
gebührend mitzuberücksichtigen. Das hat mit Unflexibilität der Ar-
beitnehmer(innen) nichts zu tun, sondern stellt eine weitere indirekte
Diskriminierung von Personen mit familiären Verpflichtungen dar
(vgl. MARGRITH
BIGLER-EGGENSCHWILER, a.a.O., Rz. 96 zu Art. 8 BV, wo sich die Autorin auch zu indirekten Diskriminierungen durch
vordergründig objektive Gründe wie z.B. Familienlasten und Ar-
beitszeit äussert. Dies gilt umso mehr, als die Einsprecherin Abrufar-
beit anbietet).
2.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Rekrutierungs-
bemühungen der Einsprecherin gegen Art. 7 Abs. 4 lit. a und b BVO
sowie Art. 8 BV verstossen. Die Einsprache erweist sich daher als
unbegründet und ist abzuweisen.
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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