[...]
102 Ausschaffungshaft; Unzulässigkeit der formlosen Wegweisung nach
neuem Asylgesuch.
Behauptet ein vormals abgewiesener Asylsuchender, er sei zwischenzeit-
lich im Ausland gewesen und reicht dieser ein neues Asylgesuch ein, darf
gestützt auf Art. 12 Abs. 1 ANAG keine formlose Wegweisung mehr aus-
gesprochen werden, da der Betroffene nach Art. 42 Abs. 1 AsylG während
des Asylverfahrens ein Aufenthaltsrecht hat. Das Aufenthaltsrecht ist
nicht davon abhängig, ob das Asylverfahren förmlich eröffnet wurde.
Gelingt dem Betroffenen jedoch der Nachweis nicht, dass er zwischen-
zeitlich im Ausland war, ist der im Rahmen des ersten Asylverfahrens
ausgesprochene Wegweisungsentscheid nach wie vor vollstreckbar
(Erw. II/2c).
Aus dem Entscheid des Präsidenten des Rekursgerichts im Ausländerrecht
vom 1. Dezember 2003 in Sachen Migrationsamt des Kantons Aargau gegen
B.S. betreffend Haftüberprüfung (HA.2003.00035).
II. 2. c) Der Haftrichter hat sich im Rahmen der Prüfung, ob die
Ausschaffungshaft rechtmässig ist, Gewissheit darüber zu verschaf-
fen, ob ein kantonaler Weg- Ausweisungsentscheid ein
Wegweisungsentscheid einer Bundesbehörde vorliegt (Pra 84 [1995]
Nr. 218, E. 2b, S. 724).
Das BFF wies das erste Asylgesuch des Gesuchsgegners am
30. Januar 2003 ab und wies den Gesuchsgegner - unter Androhung
von Zwangsmitteln im Unterlassungsfall - an, die Schweiz bis zum
27. März 2003 zu verlassen. Damit liegt grundsätzlich ein Wegwei-
sungsentscheid vor. Der Gesuchsgegner stellte in der Folge am
25. November 2003 an der Empfangsstelle Basel jedoch ein erneutes
Asylgesuch und behauptete, er sei in der Zwischenzeit aus der
Schweiz ausgereist.
Wäre erstellt, dass der Gesuchsgegner aus der Schweiz ausge-
reist war, müsste der Wegweisungsentscheid des BFF vom 30. Januar
2003 als bereits vollzogen betrachtet werden (Entscheid des Bundes-
gerichts vom 25. November 2003, 2A.538/2003, E. 1.2). Aufgrund
des am 25. November 2003 gestellten neuen Asylgesuches hätte das
Migrationsamt so so auf keinen Fall eine formlose Wegweisung
nach Art. 12 ANAG erlassen dürfen, da der Gesuchsgegner gemäss
Art. 42 Abs. 1 Asylgesetz berechtigt war, sich bis zum Abschluss des
laufenden zweiten Asylverfahrens in der Schweiz aufzuhalten. Dies
auch dann, wenn das BFF das Asylgesuch nicht entgegennehmen
wollte und den Gesuchsgegner an die Behörden des Kantons Aargau
verwies. Das Aufenthaltsrecht eines Asylgesuchstellers ist nicht da-
von abhängig, dass das Asylverfahren durch das BFF bereits eröffnet
wurde (Entscheid des Bundesgerichts vom 26. November 2003,
2A.548/2003, E. 2.2). Korrekterweise hätte das BFF auf jeden Fall
einen Entscheid fällen müssen, wobei selbstverständlich auch ein
Nichteintretensentscheid gestützt auf Art. 32 Abs. 2 lit. e Asylgesetz
verbunden mit dem Erlass einer sofortigen Wegweisung in Frage ge-
kommen wäre. Aufgrund der klaren Rechtslage ist festzuhalten, dass
die offenbar bestehende Praxis der Empfangsstellen, einen unterge-
tauchten, abgewiesenen Asylbewerber, der sich innert 90 Tagen wie-
der bei einer Empfangsstelle meldet und behauptet, er sei im Ausland
gewesen, ohne Eröffnung eines Asylverfahrens beziehungsweise
ohne Erlass eines Nichteintretensentscheides wieder dem zuvor zu-
ständigen Kanton zuzuweisen, klar rechtswidrig ist. Gelänge dem
Betroffenen in einem späteren Haftüberprüfungsverfahren betreffend
Ausschaffungshaft der Nachweis, dass er effektiv im Ausland war,
müsste die Anordnung der Ausschaffungshaft mangels eröffnetem
Wegweisungsentscheid verweigert werden.
Im vorliegenden Fall ändert jedoch der formelle Fehler des
BFF, das Asylgesuch des Gesuchsgegners gar nicht erst zu behan-
deln, nichts an der Zulässigkeit der Anordnung der Ausschaffungs-
haft, da - wie nachfolgend zu zeigen sein wird - die Ausreise des Ge-
suchsgegners aus der Schweiz nicht erstellt ist und somit nach wie
vor auf den Wegweisungsentscheid des BFF vom 30. Januar 2003
abgestellt werden kann. Es bleibt dem Gesuchsgegner überlassen, die
formelle Rechtsverweigerung des BFF allenfalls im Rahmen der im
Asylverfahren vorgesehenen Rechtsmittel zu rügen.