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75 Geltungsbereich des Submissionsdekrets. - Dem SubmD unterstehen auch öffentliche Unternehmungen mit pri- vatrechtlicher Struktur sowie gemischtwirtschaftliche Unternehmun- gen, welche in personeller und finanzieller Hinsicht massgeblich von der öffentlichen Hand beherrscht werden und nicht in Konkurrenz zu (privaten) Dritten agieren (Erw. 1/b).
Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 25. September 2001 in Sachen ARGE C. AG und Mitbet. gegen die Verfügung der A. AG.
Aus den Erwägungen
1. a) Die Beschwerde an das Verwaltungsgericht ist zulässig ,,in den Fällen, welche dieses ein anderes Gesetz bestimmt" (§ 51 VRPG). Überdies kann durch Dekret des Grossen Rates die Zuläs- sigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf weitere Fälle ausge- dehnt werden (§ 51 Abs. 2 Satz 1 VRPG). b) aa) Gemäss Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BGBM richten sich die öf- fentlichen Beschaffungen durch Kantone, Gemeinden und andere Träger kantonaler kommunaler Aufgaben nach kantonalem interkantonalem Recht. Das kantonale Recht sieht wenigstens ein Rechtsmittel an eine verwaltungsunabhängige kantonale Beschwer- deinstanz vor (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BGBM). Aufgrund der Formulie- rung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BGBM (vgl. auch Art. 2 Abs. 2 und 11 Abs. 2 BGBM) ist davon auszugehen, dass sämtliche Ausgaben, die zur Erledigung von öffentlichen Aufgaben getätigt werden, vom BGBM erfasst werden. Die Rechtsform der Beschaffungsstelle (Ak- tiengesellschaft, Genossenschaft, Ausgestaltung als Anstalt etc.) sowie der Umfang der Beschaffung spielen dabei keine Rolle (Man- fred Wagner, Das Bundesgesetz über den Binnenmarkt [BGBM], in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [hrsg. von Heinrich Kol- ler/Georg Müller/René Rhinow/Ulrich Zimmerli], Band Schweizeri- sches Aussenwirtschafts- und Binnenmarktrecht, Basel / Genf / München 1999, S. 22 Rz. 62 [im Folgenden: Schweizerisches Bun- desverwaltungsrecht]; Evelyne Clerc, L'ouverture des marchés
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publics: Effectivité et protection juridique, Diss. Fribourg 1997, S. 436). bb) Gegen Verfügungen der Vergabestellen gemäss § 5 SubmD vom 26. November 1996 (in Kraft seit dem 1. Mai 1997) kann direkt beim Verwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden (§ 24 Abs. 1 SubmD). Dem Dekret unterstehen aufgrund von § 5 Abs. 1 SubmD der Kanton und seine Anstalten (lit. a), grundsätzlich die Gemeinden, deren Anstalten sowie die Gemeindeverbände (lit. d), andere öffent- lichrechtliche Organisationen (lit. e), öffentlichrechtliche Träger, sofern die Auftragsvergabe von der öffentlichen Hand subventioniert wird (lit. b) und ebenso privatrechtliche Träger, soweit der zu verge- bende Auftrag von Bund, Kantonen, Gemeinden, Gemeindeverbän- den anderen öffentlichrechtlichen Organisationen zu mehr als 40 % subventioniert wird (lit. c). Zusätzlich zu den in § 5 SubmD genannten Vergabestellen unterstehen Unternehmen und Organisa- tionen gleich welcher Rechtsform, die im Kanton Aargau in den Bereichen der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung der Telekommunikation tätig und durch Vergabestellen gemäss § 5 SubmD mehrheitlich beherrscht sind, den Bestimmungen des De- krets, soweit sie Bauaufträge über einem Gesamtwert von 5 Millio- nen Sonderziehungsrechten (SZR) und Dienstleistungs- und Lie- feraufträge über einem Gesamtwert von 400'000 SZR vergeben (§ 30 Abs. 1 SubmD). c) Auftraggeberin ist im vorliegenden Fall die A. AG. Es stellt sich die Frage, ob diese als (privatrechtliche) Aktiengesellschaft dem öffentlichen Submissionsrecht, namentlich dem Submissionsdekret, und damit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäss §§ 24 ff. SubmD untersteht. Die Verfahrensbeteiligten gehen zwar übereinstimmend von der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus; das Verwaltungsgericht hat seine Zuständigkeit indessen von Amtes we- gen zu prüfen (§ 6 VRPG). aa) Zweck der Aktiengesellschaft ist gemäss Handelsregister- Eintrag die ,,Übernahme von Abwässern von den angeschlossenen Abwasserverbänden und der C. AG sowie gegebenenfalls von ande- ren Gemeinden, Gemeindeverbänden Dritten zur Reinigung und jederzeitigen Sicherstellung der Verwertung bzw. Entsorgung der
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Reststoffe, insbesondere Betrieb der Abwasserreinigungsanlage R. in K. sowie gegebenenfalls Betrieb und Unterhalt von Teilen der Ka- nalnetze der Anschlussverbände; (...)". Der A. AG angeschlossen bzw. Aktionäre sind neben der C. AG, auf deren Werkareal sich die zu sanierende Abwasserreinigungsanlage befindet, derzeit die drei Abwasserverbände S., M. und S. Dem Verwaltungsrat der AG gehö- ren (auch) Gemeinderatsvertreter der beteiligten Gemeinden an. Bei der A. AG handelt es sich somit um eine gemischtwirtschaftliche Unternehmung, d.h. um eine Körperschaft in Form einer Gesellschaft des Privatrechts, in der sich ein mehrere Gemeinwesen und Private als Mitglieder zur Besorgung einer öffentlichen Aufgabe zu- sammengeschlossen haben (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Auflage, Zürich 1998, Rz. 1183). bb) Bei der gegebenen Sachlage muss davon ausgegangen wer- den, dass die A. AG trotz ihrer privatrechtlichen Rechtsform finan- ziell und personell massgeblich von der öffentlichen Hand mitbe- herrscht wird und öffentliche Aufgaben im Bereich der Abwasserbe- seitigung und -reinigung (vgl. Art. 10 GSchG; §§ 10 ff. EG GSchG) wahrnimmt. Sie ist daher ungeachtet ihrer Rechtsform jedenfalls als Trägerin kantonaler bzw. kommunaler Aufgaben zu betrachten und als solche verpflichtet, die Vorschriften des Binnenmarktgesetzes über die öffentlichen Beschaffung, insbesondere die Art. 5 Abs. 2 und 9 BGBM, zu beachten (vgl. Erw. b/aa hievor; ferner Peter Rech- steiner, TU-/GU-Verträge: Submissionsrechtliche Aspekte, in: gwa [Offizielles Organ des Schweizerischen Vereins des Gas- und Was- serfaches und des Verbandes Schweizer Abwasser- und Gewässer- schutzfachleute] 7/2001, S. 439 f.). Damit ist auch die Beschwerde- möglichkeit an das Verwaltungsgericht gegeben. cc) Im Submissionsdekret fehlt eine auf den vorliegenden Sachverhalt direkt anwendbare Norm, welche die Unterstellung die- ser Vergabe unter das Dekret begründen würde. Dies dürfte seinen Grund darin haben, dass der Dekretsgeber den Einbezug von ge- mischtwirtschaftlichen Unternehmen überhaupt nicht bedachte. Für den Fall der Privatisierung der Aargauischen Kantonalbank (AKB) und des Aargauischen Elektrizitätswerks (AEW) hat sich der Regie-
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rungsrat in der Botschaft vom 22. Mai 1996 zum Submissionsdekret eine Neubeurteilung ausdrücklich vorbehalten (Botschaft, S. 12). Es kann somit nicht von einem qualifizierten Schweigen des Gesetzge- bers bzw. einer bewussten Nichtunterstellung solcher Unternehmun- gen unter das Dekret ausgegangen werden. Wo nicht in Konkurrenz zu Dritten agiert wird und eine Finanzierung in erster Linie aus Ge- bühren und Abgeltungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen er- folgt, gibt es für eine Entlassung aus dem Geltungsbereich des öf- fentlichen Beschaffungsrechts trotz privatrechtlicher Rechtsform keine Rechtfertigung (Renate Scherrer-Jost, Öffentliches Beschaf- fungswesen, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, S. 11 f. Rz. 19 f.). Es drängt sich auf, die planwidrige Unvollständigkeit (wie eine solche Gesetzeslücke nach neuerer Methodenlehre bezeichnet wird [vgl. Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 200]) des Submissionsdekrets derart zu beheben, dass dem Dekret über die Bestimmung von § 5 SubmD hinaus auch öffentliche Unternehmungen mit privatrechtli- cher Struktur sowie gemischtwirtschaftliche Unternehmungen, wel- che in personeller finanzieller Hinsicht massgeblich von der öffentlichen Hand beherrscht werden, unterstehen, sofern sie selbst in ihrem Tätigkeitsbereich nicht in Konkurrenz zu (privaten) Dritten agieren. Andernfalls hätten es die Gemeinwesen in der Hand, durch die Gründung von privatrechtlichen Trägern die Vorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen auszuschalten bzw. zu umgehen (vgl. auch VGE III/25 vom 16. Februar 1998 [BE.97.00365] in Sa- chen ARGE R. AG und Mitbet., S. 4 f.). Die Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben und die massge- bende Beteiligung von drei Gemeindeverbänden führen im vorlie- genden Fall demnach zur Unterstellung der A. AG unter das Submis- sionsdekret, und zwar unabhängig von der Frage, ob der zu verge- bende Auftrag zu mehr als 40 % von der öffentlichen Hand subven- tioniert wird. Im Übrigen rechtfertigt sich vorliegend auch die An- nahme, dass die Finanzierung der Sanierung zu mehr als 40 % durch die öffentliche Hand (Bund, Kanton, beteiligte Gemeinden) erfolgt. dd) Hingegen handelt es sich bei der A. AG aufgrund ihres Tä- tigkeitsbereichs klarerweise nicht um eine Vergabestelle im Sinne von § 30 Abs. 1 SubmD (oder Art. 8 Abs. 1 lit. c IVöB, welcher der
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Kanton Aargau mit Beschluss des Grossen Rates vom 26. November 1996 beigetreten ist). Darunter fallen lediglich im Bereich der Was- serversorgung tätige Organisationen und Unternehmen, die das Be- reitstellen Betreiben fester Netze zur Versorgung der Öffent- lichkeit im Zusammenhang mit der Gewinnung, Fortleitung und Verteilung von Trinkwasser die Versorgung dieser Netze mit Trinkwasser zur Aufgabe haben (Botschaft, S. 18). Die Abwasserbe- seitigung fällt nicht darunter (vgl. auch den Entscheid des Verwal- tungsgericht Zürich, 1. Kammer, vom 17. Februar 2000 [VB.1999.00015], in: Baurechtsentscheide Kanton Zürich [BEZ] 2000 Nr. 25, S. 40; Rechsteiner, a.a.O., S. 439; derselbe, Vergabe eines Generalunternehmerauftrags - eine Reihe von Rechtsfragen [Kommentierung zum vorerwähnten Entscheid des Verwaltungsge- richts Zürich], in: Baurecht 2001, S. 98 f.).
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