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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2001 68)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2001 68: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass ein abgewiesenes Baugesuch aufgrund fehlender materieller Rechtskraft jederzeit erneut gestellt werden kann, solange keine Grenzen des Rechtsmissbrauchsverbots oder der Verwaltungsökonomie überschritten werden. Ein Gesuchsteller hat Anspruch auf eine materielle Beurteilung seines erneuerten Baugesuchs bei veränderter Ausgangslage. In einem konkreten Fall ging es um die Erneuerung eines Baugesuchs, das vom Baudepartement abgelehnt wurde. Der Streit drehte sich darum, ob das zweite Baugesuch ausreichend verändert war, um eine erneute materielle Beurteilung zu rechtfertigen. Der Stadtrat argumentierte, dass keine wesentlichen Veränderungen vorlägen, während die Beschwerdeführer betonten, dass wichtige Aspekte verbessert worden seien. Letztendlich wurde festgestellt, dass das zweite Baugesuch genügend verändert war, um eine erneute Prüfung zu rechtfertigen, und der Stadtrat hätte darauf eingehen müssen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2001 68

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2001 68
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2001 68 vom 17.12.2001 (AG)
Datum:17.12.2001
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE 2001 68 S.304 2001 Verwaltungsgericht 304 68 Erneuerung eines Baugesuchs. - Grundsätzlich kann ein abgewiesenes Baugesuch...
Schlagwörter: Baugesuch; Recht; Entscheid; Gesuch; Stadtrat; Sachen; Bauvorhaben; Vordächer; Verwaltungsgericht; Baugesuchs; Ästhetik; Baubewilligung; Auflage; Beurteilung; Raumplanungs; Interesse; Verweigerung; Gesuchs; Pläne; Einsprache; Überbaurecht; Rechtskraft; Anspruch; Ausgangslage; Zimmerlin; Rechts-
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2001 68

2001 Verwaltungsgericht 304

68 Erneuerung eines Baugesuchs. - Grundsätzlich kann ein abgewiesenes Baugesuch wegen fehlender materieller Rechtskraft jederzeit neu gestellt werden; Grenzen des Rechtsmissbrauchsverbots und der Rücksicht auf die Verwaltungs- ökonomie (Erw. 1). - Anspruch des Gesuchstellers auf materielle Beurteilung des erneuer- ten Baugesuchs wegen veränderter Ausgangslage bejaht (Erw. 2/b).

Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. Dezember 2001 in Sachen B. gegen Baudepartement.
Aus den Erwägungen
1. Die Baubewilligung wird im Allgemeinen als Polizeibewilli-
gung qualifiziert (Walter Haller/Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau-
und Umweltrecht, Band I, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 509; Chris-
tian Mäder, Das Baubewilligungsverfahren, Diss. Zürich 1991,
Rz. 23, 430; Erich Zimmerlin, Kommentar zum Baugesetz des Kan-
tons Aargau, 2. Auflage, Aarau 1986, § 152 N 5; AGVE 2000,
S. 247). Auf die Erteilung einer Baubewilligung besteht ein Rechts-
anspruch, wenn das Bauvorhaben dem massgebenden öffentlichen
Recht, insbesondere den baurechtlichen Vorschriften entspricht (vgl.
Zimmerlin, a.a.O., § 152 N 5; AGVE 2000, S. 247). Die Abweisung
des Baugesuchs ist als negativer Verwaltungsakt deklarativer Natur
und stellt fest, dass das Projekt nicht den Vorschriften entspricht
(Zimmerlin, a.a.O., § 152 N 6; Josef Schwere, Das Baubewilligungs-
verfahren nach aargauischem Recht, Diss. Zürich 1971, S. 127).
Grundsätzlich kann ein Baugesuch, das nicht bewilligt wurde, jeder-
zeit neu gestellt werden; es gibt keine (materielle) Rechtskraft eines
negativen Verwaltungsakts (VGE III/103 vom 16. Dezember 1981 in
Sachen G. AG, S. 6; Max Imboden/René A. Rhinow, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, Band I, 6. Auflage, Basel/Frankfurt
a. M. 1985, Nr. 42 B. I mit Hinweisen; Schwere, a.a.O., S. 127 f.).
Die Möglichkeit, jederzeit ein neues Gesuch stellen zu können, wird
in der Lehre unter Hinweis auf die Interessen Dritter (z.B. Nachbarn)
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am Bestand der ablehnenden Verfügung und auf das Interesse an der
Rechtssicherheit zum Teil als fragwürdig betrachtet. Es sei deshalb
auch beim Widerruf der Verweigerung einer Polizeierlaubnis (durch
spätere Bewilligungserteilung) eine Interessenabwägung vorzuneh-
men. Werde dagegen ein neues Gesuch eingereicht, dem ein neuer
Sachverhalt eine neue Rechtslage zugrunde liege, so stelle sich
die Frage des Widerrufs der Verweigerung der Polizeierlaubnis nicht,
da sich die Rechtskraft der Verweigerung nur auf den Gegenstand
des ersten Gesuchs erstrecke (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grund-
riss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Auflage, Zürich 1998,
Rz. 1985 f.).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts liegt die
Grenze beim Erneuern von Baugesuchen in allgemeinen Rechts-
grundsätzen wie dem Verbot des Rechtsmissbrauchs (vgl. § 3 Abs. 2
VRPG) und der Rücksicht auf die Verwaltungsökonomie (erwähnter
VGE in Sachen G. AG, S. 7; VGE III/130 vom 6. Dezember 1990 in
Sachen H., S. 7; III/89 vom 16. September 1992 in Sachen W., S. 7).
Ein Anspruch auf materielle Neubeurteilung besteht jedenfalls dann,
wenn "neue", d. h. nach dem Erlass des ersten Entscheides hinzuge-
tretene Umstände dargetan werden (erwähnter VGE in Sachen W.,
S. 7, vgl. auch AGVE 1986, S. 165; 1977, S. 259 f.). Im erwähnten
VGE in Sachen G. AG (S. 7) hat das Verwaltungsgericht Folgendes
festgehalten:
"Es muss also auf jedes Gesuch hin ein neuer Entscheid gefällt wer- den. Das gilt jedenfalls dann, wenn das zweite Baugesuch nicht genau mit dem ersten übereinstimmt. Es mag Fälle geben, wo diese Rege- lung missbraucht und vor allem die Nachbarn - ein typisch bau- und raumplanungsrechtliches Problem - durch solches Vorgehen übermäs- sig strapaziert werden. Dort kann unter Umständen eine andere Erledi- gung Platz greifen müssen." 2. a) Der Stadtrat begründet seinen Nichteintretensentscheid
damit, dass das neu eingereichte Baugesuch identisch sei mit dem
abgelehnten Baugesuch. Es lägen keine neuen Erkenntnisse vor, und
auch hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen seien keine Ver-
änderungen zu verzeichnen, die eine Wiedererwägung rechtfertigten.
Das erste Baugesuch sei abgewiesen worden, weil durch das Bau-
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vorhaben die Einheitlichkeit der Gesamtüberbauung gefährdet wor-
den sei; da sich diesbezüglich im zweiten Baugesuch nichts geändert
habe, könne nicht von einer zulässigen Erneuerung nach Ausmer-
zung von festgestellten Mängeln gesprochen werden.
Die Beschwerdeführer sind demgegenüber der Auffassung, das
Nichteintreten des Stadtrats auf ihr Baugesuch stelle eine Rechtsver-
weigerung dar. Das zweite Baugesuch sei nicht als Wiedererwä-
gungsgesuch im Sinne eines formlosen Rechtsbehelfs eingereicht,
sondern es sei ein neues Gesuch mit wesentlich veränderten rechtli-
chen Rahmenbedingungen gestellt worden. Zum Einen hätten neu
alle nötigen Zustimmungen der Nachbarn, insbesondere auch dieje-
nigen der Einsprecher gegen das erste Baugesuch, vorgelegen, zum
Zweiten seien auch die Plandarstellung verbessert sowie die vorher
fehlenden Vermerke und Unterlagen vollständig eingereicht worden,
und zum Dritten seien gegen das zweite Baugesuch keine Ein-
sprachen mehr eingegangen. Dass die Ästhetik des Bauvorhabens im
Gegensatz zu den genannten Punkten auch im zweiten Baugesuch
unverändert gleich geblieben sei, könne angesichts des den Baube-
willigungsbehörden in Einordnungsfragen immanent zukommenden
Ermessensspielraums kaum als rechtlich zulässiger Grund für die
Frage des Eintretens auf das zweite Baugesuch angesehen werden.
Im Übrigen präsentiere sich - wegen der fehlenden Einsprachen - die
Ausgangslage auch in Bezug auf die Ästhetikfrage anders.
b) Umstritten und im Folgenden zu prüfen ist, ob ein Anspruch
der Beschwerdeführer auf materielle Beurteilung ihres zweiten Bau-
gesuchs besteht.
aa) In formeller Hinsicht liegt ein neues Baugesuch vor, das
vom Stadtrat indessen als Wiedererwägungsgesuch behandelt wurde.
Klar erscheint zunächst, dass der Gegenstand des Baugesuchs, d.h.
das Bauvorhaben selbst, grundsätzlich nicht verändert worden ist. In
beiden Baugesuchen geht es um drei an die jeweilige Fassade mon-
tierte Vordächer, bestehend aus einer Stahlkonstruktion mit Draht-
glas, sowie um eine Glaswand. Im ersten Baugesuch betragen die
angegebenen Masse 95 cm x 534 cm, 95 cm x 115 cm und 95 cm x
370 cm; im zweiten Baugesuch werden 84 cm x 534 cm, 95 cm x
115 cm und 95 cm x 454 cm angegeben. Die unterschiedlichen
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Massangaben sind vorab auf die - von den Beschwerdeführern aner-
kannte - Ungenauigkeit und mangelnde Professionalität der zuerst
eingereichten Pläne und nicht etwa auf eine Projektänderung zurück-
zuführen. Letzteres wird auch von den Beschwerdeführern nicht
behauptet. Sie sehen die massgebenden Änderungen vielmehr darin,
dass mit dem zweiten Baugesuch die Zustimmungserklärungen der
Eigentümer der Parzellen Nrn. x, y und z beigebracht und zudem die
mangelhaften Pläne, aufgrund derer auch die konkrete Beurteilung
der Einordnungsfrage schwierig gewesen sei, verbessert worden
seien. Die Vorinstanzen bestreiten die Relevanz dieser Änderungen.
Das Fehlen der nachbarlichen Zustimmungserklärungen sei für die
Abweisung des ersten Gesuchs gar nicht ausschlaggebend gewesen;
ihre Beibringung hätte auch als Bedingung Auflage in die Bau-
bewilligung aufgenommen werden können. Auch die eingereichten,
etwas rudimentären Pläne seien nicht Ursache der Abweisung gewe-
sen (Erw. a hievor).
bb) Im Entscheid vom 15. Februar 2000, mit dem der Stadtrat
das ursprüngliche Baugesuch abgewiesen hat, wird unter dem Titel
"Überbaurechte" ausgeführt, das beabsichtigte Bauvorhaben erfor-
dere Überbaurechte zu Lasten der Parzellen Nrn. x und z. Die bishe-
rigen, zum Teil vorliegenden, Rechte seien nur für die bisherige
Überbauung (ohne Vordächer) rechtskräftig. Unter der Überschrift
"Einpassung/Ästhetik" wird anschliessend festgehalten, bei der sei-
nerzeitigen Beurteilung (der Terrassensiedlung) sei eine einheitliche
und harmonische Architektur vorausgesetzt worden. Ein mit den jetzt
vorliegenden Vordächern projektiertes einzelnes Terrassenhaus
(innerhalb der Überbauung) wäre nie bewilligt worden. Mit dem be-
absichtigten Anbau der drei Vordächer werde der einheitliche Aus-
druck der Gesamtüberbauung empfindlich gestört. Aufgrund der vor-
genannten Argumente werde der Anbau der Vordächer abgelehnt.
Das Entscheiddispositiv schliesslich lautet dahingehend, dass auf-
grund der vorstehenden Erwägungen die Einsprache von W. betref-
fend Einpassung (Ästhetik) gutgeheissen und das Baugesuch für die
Vordächer abgelehnt werde, während auf die Einsprache von L. unter
diesen Umständen nicht mehr eingetreten werden müsse.
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Nicht aus dem Dispositiv, wohl aber aus der Entscheidbegrün-
dung geht somit hervor, dass die für die Dächer fehlenden Überbau-
rechte doch eine Rolle gespielt haben und für die Verweigerung der
Baubewilligung mitentscheidend waren. Zumindest mussten und
durften die Beschwerdeführer dies aufgrund des Wortlauts der Be-
gründung des Entscheids annehmen. Schliesslich hatten ja auch die
Verfasser der beiden Einsprachen zur Hauptsache den nicht gewähr-
leisteten gesetzlichen Grenzabstand und das fehlende Näher- bzw.
Überbaurecht thematisiert; nur W. hatte zusätzlich ästhetische Grün-
de geltend gemacht. Insofern kann das Beibringen der Einwilligun-
gen der Nachbarn zum Bauvorhaben nicht als bloss irrelevante Än-
derung des neuerlichen Baugesuchs betrachtet werden, auch wenn
das Bauprojekt selbst dabei unverändert blieb.
Wenn die - inzwischen offenbar auch anwaltlich beratenen - Be-
schwerdeführer davon absahen, den für sie negativen Entscheid des
Stadtrats auf dem Beschwerdeweg weiterzuziehen, weil sie eine Be-
schwerde wegen der fehlenden Überbaurechte - wohl zu Recht - von
Vornherein als aussichtslos erachteten und es daher vorzogen, zu-
nächst die erforderlichen schriftlichen Zustimmungen der betroffe-
nen Nachbarn zum Bauvorhaben einzuholen und ein neues Bauge-
such einzureichen, so lässt sich dies - entgegen der Auffassung der
beiden Vorinstanzen - weder als mit dem Grundsatz der Verfahrens-
ökonomie unvereinbar noch als rechtsmissbräuchlich bezeichnen.
Dies würde selbst dann gelten, wenn die Beschwerdeführer das ver-
besserte Baugesuch allein deswegen eingereicht hätten, um auf dem
Rechtsmittelweg eine Überprüfung der vom Stadtrat negativ beur-
teilten Ästhetikfrage herbeiführen zu können. Mit einer Beschwerde
gegen den ersten Ablehnungsbeschluss hätten sie eine solche Beur-
teilung aus den genannten Gründen mit grösster Wahrscheinlichkeit
nicht erreicht. Im vorliegenden Fall weist allerdings der Umstand,
dass die Beschwerdeführer dem neuen Baugesuch nebst der Zustim-
mung der Nachbarn auch mehrere Pläne mit verbesserter Darstel-
lung, namentlich auch in Bezug auf die bemängelte Einordnung der
drei Vordächer in die bestehende Terrassensiedlung beifügten, darauf
hin, dass es ihnen primär um eine Neubeurteilung der Ästhetikfrage
aufgrund verbesserter Plangrundlagen durch den erstinstanzlich zu-
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ständigen Stadtrat selbst (im Hinblick auf einen positiven Entscheid)
ging und erst in zweiter Linie um die erneute Öffnung des Rechts-
mittelwegs.
cc) Aufgrund des Gesagten ist von einer für eine materielle Be-
urteilung des neuen Baugesuchs in ausreichendem Masse veränder-
ten Ausgangslage auszugehen. Es kann trotz Identität des Projekts
klarerweise nicht gesagt werden, dass das erste und das zweite Bau-
gesuch vollständig miteinander übereingestimmt hätten (vgl. auch
Erw. 1 hievor); vielmehr sind u.a. auch schwerwiegende Mängel
behoben worden, mit denen die erste Bewilligungsverweigerung mit-
begründet worden war. Richtigerweise hätte der Stadtrat daher auf
das Baugesuch vom 14. April 2000 eintreten und dieses materiell be-
handeln müssen. Im vorliegenden Fall sind überdies auch keine zu
schützenden nachbarlichen Interessen ersichtlich, die gegen eine
erneute Behandlung des Gesuchs gesprochen hätten; vielmehr haben
die direkt betroffenen Nachbarn - wie mehrfach ausgeführt - dem
Bauvorhaben ausdrücklich zugestimmt.
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