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93 Einkommenssteuertarif B; geschiedene Eltern (§ 17 Abs. 3 StG).
- Es ist beiden Elternteilen der Einkommenssteuertarif B zu gewähren,
wenn sich die gemeinsamen Kinder aufgrund der unmittelbaren Nähe
der getrennten Wohnsitze der geschiedenen Eltern etwa gleich viel bei
Vater und Mutter aufhalten und der Kinderabzug gemäss § 31 Abs. 1
lit. a StG halbiert wird.
13. April 2000 in Sachen Sch., RV.1999.50168/K 6173
2. Der Rekurrent beantragt, es sei ihm der Tarif B zu gewähren.
3. a) Der Einkommenssteuertarif B ist auch anwendbar auf
verwitwete, getrennt lebende, geschiedene und ledige Steuerpflich-
tige, wenn sie allein mit Kindern zusammenleben, für die ein steuer-
freier Betrag gemäss § 31 Abs. 1 lit. a gewährt wird (§ 17 Abs. 3
StG).
b) Der Rekurrent wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Baden
vom 18. Juni 1997 geschieden. Die Vorinstanz hat aufgrund dieser
Scheidung auf den 28. August 1997 (Zeitpunkt unbestritten; effekti-
ver Auszug der ehemaligen Ehefrau aus der ehelichen Wohnung)
eine Zwischenveranlagung vorgenommen. Für die Beurteilung der
Frage, ob dem Rekurrenten für die Veranlagung ab dem 28. August
1997 der Tarif A B zu gewähren ist, sind die Verhältnisse am
28. August 1997 massgebend (§ 17 Abs. 7 StG).
4. Die Vorinstanz gewährte dem Rekurrenten im Einsprache-
verfahren für seine Kinder I. und T. je einen halben Kinderabzug
gemäss § 31 Abs. 1 lit. a StG. Diese Voraussetzung für die Anwen-
dung des Tarifs B ist somit erfüllt. Damit bleibt die Voraussetzung
des Zusammenlebens zu prüfen.
5. a) Ob der Rekurrent am 28. August 1997 mit seinen Kindern
"zusammenlebte" (§ 17 Abs. 3 StG), hängt nicht vom formellen
Wohnsitz der Kinder (vgl. dazu Art. 25 Abs. 1 ZGB in der Fassung
vom 5. Oktober 1984), sondern davon ab, ob sie in seinem Haushalt
lebten (VGE vom 28. Februar 2000 in Sachen Z.).
b) Gemäss Scheidungsurteil vom 18. Juni 1997 wurden I. und
T. unter die elterliche Sorge der Mutter gestellt (weil gemäss dem
damals geltenden Scheidungsrecht ein gemeinsames Sorgerecht
[noch] nicht möglich war). Dem Rekurrenten wurde das Recht einge-
räumt, jeweils zwei Wochenenden im Monat sowie drei Wochen
Ferien im Jahr mit seinen Kindern zu verbringen. Er wurde ausser-
dem verpflichtet, für die beiden Kinder Unterhaltszahlungen zu
leisten (vgl. Ziff. 1 - 3 der richterlich genehmigten Scheidungskon-
vention).
c) Die ehemalige Ehefrau des Rekurrenten bezog nach der
Scheidung in der gleichen Liegenschaft, in welcher sich auch die
eheliche Wohnung befand, eine eigene Wohnung, bis sie sich dann
am 30. Juni 1998 in K. abmeldete und mit den Kindern wegzog.
Nach Auskunft des GStA K. darf aufgrund der unmittelbaren Nähe
der beiden Wohnungen davon ausgegangen werden, dass sich I. und
T. nach der Scheidung ihrer Eltern bis zum Wegzug der Mutter von
K. etwa gleich viel bei ihrem Vater und ihrer Mutter aufhielten (nach
Auffassung des StRG kann auf weitere Abklärungen zu den Wohn-
verhältnissen verzichtet werden, weil ohnehin ausschliesslich auf
Parteiaussagen abgestellt werden muss). Es spricht unter den vorlie-
genden Umständen nichts gegen die Darlegung des Rekurrenten,
dass die Kinder von beiden Elternteilen gemeinsam (je in der eigenen
Wohnung) betreut und offenbar auch finanziert wurden (und die
Regelung betreffend der elterlichen Gewalt, Besuchszeiten und Un-
terhaltbeiträge in der Scheidungskonvention für den Richter erstellt
werden musste; so der Rekurrent in der Replik vom 26. Januar
2000). Für eine gemeinsame Betreuung spricht auch die Tatsache,
dass der Rekurrent im Einspracheverfahren zugunsten seiner ehema-
ligen Ehefrau eine Halbierung der Kinderabzüge beantragte (im Ver-
anlagungsverfahren wurden ihm zwei volle Kinderabzüge gewährt).
Es ist unter diesen (vorallem auch durch die Nähe der beiden Woh-
nungen bedingten) speziellen Umständen davon auszugehen, dass am
vorliegend massgeblichen Stichtag sowohl der Rekurrent als auch
seine ehemalige Ehefrau im Sinne der verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung zu § 17 Abs. 3 StG allein mit den Kindern in ihrem
eigenen Haushalt "zusammenlebten". Es stellt sich daher die Frage,
ob auch dem Rekurrenten (wie seiner ehemaligen Ehefrau) der Tarif
B gewährt werden kann.
6. a) Dem Protokoll Plenum Grosser Rat vom 8. Juni 1993
(S. 122) kann zur vorliegend anwendbaren Fassung des § 17 Abs. 3
StG folgendes entnommen werden:
"Die Ihnen von Regierung und Kommission vorgeschlagene Revision
besteht in der Einfügung des Wortes 'allein'. Im weiteren soll der 2. Satz von
Absatz 3 wieder wegfallen. Dieser zweite Satz - etwas missverständlich
formuliert - ist in der Revision 1989 in das Gesetz hineingekommen und
wird nun mit der Ergänzung des ersten Satzes entbehrlich. Er wollte
gegenüber Konkubinatspartnern mit gemeinsamen Kindern festhalten, dass
nur einer der beiden Anspruch auf den Tarif B habe. Mit der Revision
entfällt nun der Anspruch für beide Partner."
Daraus kann für die vorliegend zu beantwortende Frage, ob bei
einer geschiedenen Ehe (wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt
sind) beiden Elternteilen der Tarif B gewährt werden kann, nichts
abgeleitet werden.
b) Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Be-
griff "Zusammenleben", wonach nicht der formelle Wohnsitz der
Kinder entscheidend ist, sondern in welchem Haushalt sie effektiv
lebten, muss der Tarif B aufgrund der vorliegenden Umstände so-
wohl dem Rekurrenten als auch seiner ehemaligen Ehefrau gewährt
werden. Dagegen sprechen weder der Wortlaut von § 17 Abs. 3 StG
noch die Materialien. Es sind auch keine steuersystematischen
Gründe ersichtlich, welche eine doppelte Gewährung des Tarifs B
ausschliessen. Es kommt hinzu, dass auch zweimal der Tarif B zu
gewähren wäre, wenn je ein Kind ausschliesslich bei einem Elternteil
leben würde. Der Rekurs ist folglich gutzuheissen.