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57 Nutzungsplanung; Beschwerde an den Regierungsrat gemäss § 26 BauG. - Die Beschwerde an den Regierungsrat gilt auch dann als zweit- instanzliches Verfahren, wenn die Beschwerde erst durch den Ent- scheid des nach § 25 BauG zuständigen Organs veranlasst wurde.
Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 10. Dezember 2000 in
Sachen A.L. gegen Entscheid des Regierungsrats.
Aus den Erwägungen
3. Unbestritten ist, dass die im Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat zu beurteilende Bestimmung in § 23 Abs. 3 der revi dierten Bauordnung der Stadt B. auf einen Änderungsantrag im Ein wohnerrat zurückging. In der öffentlichen Auflage und im Antrag des Gemeinderates war diese Bestimmung nicht enthalten. a) Gemäss § 4 BauG bildet die Einsprache einen Bestandteil des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens und dient zur Vorbereitung der noch nicht ergangenen Planungsmassnahme (vgl. Michael Mer ker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Zürich 1998, § 45 N 11 mit Hinweisen; § 24 Abs. 2 BauG). Die Einsprache hat nach der Konzeption des Baugesetzes nicht die Funktion eines "eigentlichen" Rechtsmittels, sondern dient der formalisierten Gewährung des Gehörsanspruches (Michael Merker, a.a.O., § 45 N 13). Durch die Einsprache sollen Fehlleistungen vermieden und eine einlässliche Prüfung der Ein wände erwirkt werden. Sie dient der Vorbereitung eines Verwal tungsaktes. Es handelt sich bei den Einsprachen um eine Prohibitiv massnahme (Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 4 N 1). Der durch die beab sichtigte Nutzungsplanung in rechtlich geschützten Interessen Be troffene muss zum Schutze des rechtlichen Gehörs die Möglichkeit haben, bereits von den Planentwürfen Kenntnis zu erhalten, sie ein zusehen und dagegen Einwendungen zu erheben, bevor der Pla nungsträger über die Nutzungsordnung entscheidet (Walter Hal ler/Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 406 ff.). Die Begründung des Regierungsrates, die Beschwerde gegen den Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans im Sinne von § 25 BauG eröffne ein "quasi-erstinstanzliches" Einspracheverfahren vor dem Regierungsrat ein erweitertes öffentliches Auflageverfah-
ren, erweist sich damit nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung von § 24 BauG als unrichtig. Das Verfahren der kommunalen Raumplanung ist im Baugesetz ge regelt. §§ 22 - 24 BauG bestimmen die Mitwirkungsrechte der Be völkerung; der Gemeinderat hat dem Baudepartement die Entwürfe zur Genehmigung vorzulegen, anschliessend werden die Entwürfe mit den notwendigen Erläuterungen öffentlich aufgelegt. Wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse besitzt, kann zu diesem Zeitpunkt Einsprache erheben. Über die Einsprache entscheidet der Gemeinde rat. Das Verfahren findet seine Fortsetzung, indem das nach der Ge meindeorganisation zuständige Organ die allgemeinen Nutzungs pläne und -vorschriften erlässt. Der Gemeinderat legt seine Einspra cheentscheide diesem Organ vor, welches aber nicht daran gebunden ist (§ 25 BauG). Damit ist das Verfahren zum Erlass von Nutzungs plänen und -vorschriften auf kommunaler Ebene abgeschlossen. Das Verfahren wird einerseits durch das Genehmigungsverfahren fortge setzt und abgeschlossen (§ 27 BauG). Anderseits ist der individuelle Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren gemäss § 26 BauG gewähr leistet, wobei die Unterlassung der Einsprache in der Regel zum Verlust der Beschwerdebefugnis führt (§ 4 Abs. 2 Satz 3 BauG). Beide Verfahren finden vor kantonalen Instanzen statt. Im vorliegen den Fall hat sich das zuständige Gemeindeorgan, der Einwohnerrat, nicht an die Vorlage des Gemeinderates gehalten und den umstritte nen § 23 Abs. 3 BNO, der für die Überbauung am B. Quartierricht pläne verlangte, erlassen. Dies zwang den Beschwerdeführer, zu diesem Zeitpunkt mit einer Beschwerde an den Regierungsrat ge mäss § 26 BauG seine individuellen Interessen geltend zu machen. Der Zeitpunkt einer Intervention hat indessen keinen Einfluss auf die funktionale Verfahrensordnung der §§ 22 ff. BauG. Das erstinstanzli che Verfahren vor den kommunalen Planungsträgern mit dem Ein spracheverfahren fand ordnungsgemäss statt. Auch wenn ein Betrof fener seine Anliegen erst mittels Beschwerde beim Regierungsrat geltend macht, ändert sich deshalb an der Verfahrensordnung des
Baugesetzes nichts. Das Beschwerdeverfahren vor dem Regierungs rat bleibt gemäss Baugesetz funktional das zweitinstanzliche Verfah ren. Abgesehen von diesen eindeutigen Zuständigkeitsvorschriften ist die Prüfungsbefugnis des Regierungsrates beschränkt und er ent scheidet nicht mit der umfassenden Kognition einer erstinstanzlich verfügenden Behörde (§§ 26 und 27 Abs. 2 BauG). Die Beschwerde instanz kann ihr Ermessen - trotz bestehender Ermessenskontrolle nicht an die Stelle desjenigen der Gemeindebehörden setzen (vgl. auch Art. 2 Abs. 3 RPG, der den übergeordneten Planungsträgern ge bietet, den nachgeordneten Behörden die nötige Freiheit zu belassen; AGVE 1994, S. 369; BGE 112 Ia 271). b) Vorliegend hat der Regierungsrat im Beschwerdeverfahren entschieden. Auch im Sinne von § 33 Abs. 1 VRPG, ist er funktional nicht "erste" Instanz. Wie das Verwaltungsgericht in AGVE 1992, S. 389 ff. (insbesondere Erw. 1/b) entschieden hat, ist § 33 Abs. 1 VRPG dahingehend auszulegen, dass als erste Instanz die im betref fenden Sachgebiet "als unterste Instanz wirkende Behörde" zu ver stehen ist. Die "unterste" Instanz ist im kommunalen Nutzungsplan verfahren das zuständige Gemeindeorgan (§ 25 BauG). Deshalb er gibt sich auch aus § 33 Abs. 1 VRPG keine hinreichende Grundlage, das regierungsrätliche Beschwerdeverfahren allgemein in jenen Fällen, in denen von einem Betroffenen keine Einsprache vor dem Gemeinderat erhoben wurde, als erstinstanzlichen Verfahren zu qua lifizieren. Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des VRPG sind gegenüber den baugesetzlichen Verfahrensregeln subsidiär (§ 4 Abs. 1 BauG). Ebenfalls sprechen die Verfahrensregeln gemäss § 5 ABauV, wonach der Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans vom Gemeinderat zu publizieren ist und Eigentümer sowie weitere Betroffene über Änderungen unter Hinweis auf die Beschwerde möglichkeit an den Regierungsrat schriftlich zu informieren sind, für das Vorliegen eines Rechtsmittelverfahrens vor der übergeordneten Instanz (§ 45 VRPG).