2000 Kantonales Steuerrecht 133
V. Kantonales Steuerrecht
36 Steuerbares Einkommen. - Der Erwerb einer Liegenschaft des Arbeitgebers zum Vorzugspreis stellt im Umfang des zugewendeten Vorteils (Differenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert) Einkommen aus unselbstständiger Er- werbstätigkeit dar (Erw. 1/a). - Anwendung der Vergleichspreismethode zur Ermittlung des Ver- kehrswerts (Erw. 2, 3). - Einfluss eines Vorkaufsrechts zugunsten des veräussernden Arbeit- gebers auf den Verkehrswert (Erw. 3/a).
Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 16. November 2000 in Sachen H.W. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts.
Sachverhalt
H.W. war in den massgeblichen Bemessungsjahren 1993/94 bei der Z. AG angestellt. Mit Vertrag vom 23. November 1993 erwarb er von seiner Arbeitgeberin in einer von dieser erstellten Überbauung eine Eigentumswohnung mit Autoeinstellplatz zum Preis von Fr. 550'000.--. Gleichzeitig wurde zugunsten der Verkäuferin ein auf 10 Jahre befristetes und auf den Betrag des Kaufpreises limitiertes Vorkaufsrecht (unter dem Vorbehalt allfälliger wertvermehrender Investitionen) vereinbart.
Aus den Erwägungen
1. a) Gemäss § 22 Abs. 1 StG ist das gesamte Einkommen jeder Art steuerbar, bei unselbstständig Erwerbenden u.a. das Arbeitsent- gelt mit sämtlichen Lohnzulagen und Nebenbezügen (lit. a). Alle
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Leistungen, welche dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis ausgerichtet werden, stellen steuerbares Einkom- men dar (vgl. Walter Koch, in: Kommentar zum Aargauer Steuerge- setz, Muri/Bern 1991, § 22 N 17, 422 ff.), wobei unerheblich ist, ob diese aus Verpflichtung freiwillig erbracht und in welcher Form sie ausgerichtet werden; entscheidend ist einzig, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil, der seinen Grund im Arbeitsverhältnis hat, erbringt, indem er ihm Vermögenswerte zu einem Vorzugspreis, wie er Dritten gegenüber nicht gewährt würde, veräussert, überlässt zur Verfügung stellt (vgl. AGVE 1972, S. 391; VGE II/64 vom 11. Dezember 1975 i.S. W.H., S. 7). Auch bei der Übertragung einer Liegenschaft vom Arbeitgeber auf einen Angestellten zum Vorzugspreis ist steuerbares Einkommen aufzu- rechnen. Dabei entspricht die Höhe der geldwerten Leistung des Arbeitgebers der Differenz zwischen dem effektiv bezahlten Kauf- preis und dem Verkehrswert der Liegenschaft (erwähnter VGE vom 11. Dezember 1975, S. 6; AGVE 1984, S. 500 ff. = StE 1984, B 22.2 Nr. 1). Auf die genannten, noch unter dem Gesetz über die direkten Staats- und Gemeindesteuern ... (altes Steuergesetz [aStG]) vom 17. Mai 1966 ergangenen Entscheide der Steuer-Rekurskommission und des Verwaltungsgerichts kann ohne weiteres zurückgegriffen werden, da die damalige Bestimmung (§ 23 Abs. 1 lit. a aStG) wört- lich mit der heute geltenden Regelung übereinstimmt. b) Der Verkehrswert entspricht dem Preis, welcher bei einer Veräusserung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr mutmasslich hätte erzielt werden können (Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, § 73 N 10 mit Hinweisen). Zur Ermittlung des Ver- kehrswerts einer Liegenschaft ist in erster Linie auf vergleichbare Verkäufe im massgeblichen Zeitraum zurückzugreifen (sog. Ver- gleichspreismethode), vorausgesetzt, dass Vergleichspreise in genü- gender Zahl für Objekte ähnlicher Beschaffenheit zur Verfügung stehen (vgl. BGE 122 I 173 f.; 114 I b 295 f.; diese Rechtsprechung des Bundesgerichts betreffend den Verkehrswert bei Enteignungen
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gilt nach der Praxis des Verwaltungsgerichts überall, wo der Verkehrswert massgebend ist [AGVE 1996, S. 235 f.; 1994, S. 311 f.]). Unterschieden der Vergleichsgrundstücke ist durch Zu- und Abschläge Rechnung zu tragen (BGE 122 I 173; AGVE 1994, S. 311). c) Vorliegend ist nur strittig, ob die Beschwerdeführer ihre Eigentumswohnung zu einem Vorzugspreis erhalten haben. 2. a) Die Vorinstanz ist nach der Vergleichspreismethode vorge- gangen und hat als Vergleichsgrössen fünf weitere Verkäufe inner- halb der gleichen Überbauung, die alle im Zeitraum von zehn Mo- naten nach dem Verkauf an die Beschwerdeführer abgewickelt wur- den, herangezogen. ... Zur Vergleichbarkeit rechnete sie den jeweili- gen Kaufpreis auf die Wertquote um, die von der Erbauerin für jede Wohnung festgelegt worden war. b) aa) ... Zu Recht hat die Vorinstanz auch den Kaufpreis für die Wohnung der Beschwerdeführer nicht in den Vergleich einbezogen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer darf der Kaufpreis, des- sen Höhe durch einen Vergleich mit anderen Preisen auf eine allfäl- lige Abweichung vom Verkehrswert überprüft werden soll, die Ver- gleichsgrössen nicht beeinflussen. Dagegen wird - zugunsten der Beschwerdeführer - der Verkauf L. in den Vergleich einbezogen, da eine Vorzugsbehandlung der Käufer zwar nicht auszuschliessen ist, aber nicht nachgewiesen wurde. Da die Wohnung der Beschwerdeführer und die verschiedenen Vergleichsobjekte sich hinsichtlich Grösse, Anzahl Zimmer etc. un- terscheiden, müssen zur Vergleichbarkeit die Kaufpreise auf eine Einheit umgerechnet werden. Bei Stockwerkeigentum drängt es sich in aller Regel auf, den Vergleich anhand der Wertquoten vorzuneh- men; selbst wenn bei deren Festsetzung gewisse subjektive Wertun- gen einfliessen mögen, dürften diese jeweils im Rahmen der Unge- nauigkeiten liegen, die einer Schätzung naturgemäss anhaften. Die Beschwerdeführer wehren sich denn auch nicht grundsätzlich dage-
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gen, verlangen jedoch zu Recht, dass den Besonderheiten ihrer Woh- nung Rechnung getragen wird (siehe dazu hinten Erw. 3/d). Die Rabatte, welche auf den Listenpreisen gewährt worden sein sollen, können entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer von den Vergleichspreisen nicht abgezogen werden; wurden diese effektiv gewährt, so sind sie in den bezahlten Preisen enthalten und damit im Vergleich schon berücksichtigt. bb) Betrachtet man die fünf - bezüglich des Kaufpreises nicht strittigen - Vergleichsverkäufe, ergeben sich pro Wertquote der Woh- nungen, ohne Autoabstellplätze, Beträge zwischen ... und ..., was einem Durchschnitt von Fr. 14'402.-- entspricht. Bei der Wohnung der Beschwerdeführer (Wertquote 41/1000) führt dies zu einem Wert von rund Fr. 590'000.--, mit dem Autoeinstellplatz (Fr. 31'500.--) gesamthaft Fr. 621'500.--. c) Die Beschwerdeführer wenden ein, dieser Durchschnittspreis könne deshalb nicht dem Marktwert entsprechen, weil sich sonst eine deutliche Mehrheit der 17 im selben Standard gebauten Objekte hätte verkaufen lassen müssen. Dass nicht alle Wohnungen verkauft werden konnten, ändert jedoch nichts daran, dass in der massgebenden Zeit tatsächlich vergleichbare Verkäufe stattfanden; es wird zu Recht nicht behauptet, diese seien zu übersetzten Liebhaber- preisen erfolgt. Veränderungen am Immobilienmarkt nach dem Herbst 1994 lassen keinen Rückschluss auf die Verhältnisse im No- vember 1993 und damit auf den Wert der Wohnung der Beschwerde- führer zu jener Zeit zu. 3. a) - d) (Fr. 19'000.-- Reduktion wegen verschiedener Abwei- chungen von den Vergleichskäufen) e) aa) Des weiteren verlangen die Beschwerdeführer, das limi- tierte Vorkaufsrecht sei wertmindernd anzuerkennen. Die Steuer- kommission B. hat dieses - analog der Praxis bei gebundenen Mitar- beiteraktien - mittels einer Diskontierung berücksichtigt, zu einem Satz von 4 %. Die Beschwerdeführer verlangen demgegenüber einen Satz von 10 %.
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bb) Durch ein Vorkaufsrecht räumt der Eigentümer eines Grundstücks einer anderen Person das Recht ein, bei einem allfälli- gen Verkauf durch einseitige Willenserklärung die Übertragung des Grundstücks zu Eigentum zu beanspruchen (vgl. Tuor/Schny- der/Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl., Zürich 1995, S. 714). Beim sog. limitierten Vorkaufsrecht kann der Berech- tigte die Eigentumsübertragung zu einem im Voraus bestimmten Preis verlangen. Ein Vorkaufsrecht bedeutet an sich keine Verfü- gungsbeschränkung. Doch kann der Eigentümer beim limitierten Vorkaufsrecht nicht damit rechnen, innert der Vorkaufsfrist einen höheren Erlös als das festgesetzte Preislimit zu erreichen; zu einem allfällig höheren Verkehrswert kann er nur verkaufen, wenn der Vorkaufsberechtigte auf die Geltendmachung seines Rechts verzich- tet. Dass dies eine gewisse Wertminderung darstellt, lässt sich nicht bestreiten. Sie ist bei der Besteuerung zu berücksichtigen, geht es doch um die Aufrechnung von tatsächlich erhaltenem Einkommen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichts die Statuierung des limitierten Vorkaufs- rechts beim gegebenen Sachverhalt durchaus dafür spricht (entgegen der Argumentation in der Beschwerde, S. 13), dass die Vertragspar- teien den Kaufpreis als Vorzugspreis betrachteten, den die Z. AG nur gewähren wollte, wenn die Wohnung den Beschwerdeführern selber zum Wohnen diente. Dass der Verkäufer beim Verkauf zu Marktprei- sen wegen des möglichen zukünftigen Gewinnpotentials ein limi- tiertes Vorkaufsrecht verlangt, wäre absolut unüblich. cc) Bei der Schätzung der Wertminderung kann nicht unbe- achtet bleiben, dass das Vorkaufsrecht keinerlei Auswirkungen zei- tigt, solange keine Verkaufsabsicht des Eigentümers besteht. Gerade beim selbstbewohnten Grundeigentum, das nicht zur Gewinnerzie- lung erworben wird, sondern in erster Linie Wohnzwecken dient, wird der Vorkaufsfall häufig nicht eintreten, sondern einzig dann ak- tuell werden, wenn sich die Lebensumstände, insbesondere die Ar- beits- familiäre Situation, ändern und ein "Notverkauf" erfolgt.
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Zudem steht nicht mit Sicherheit fest - gerade wenn zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten eine Beziehung (vorliegend eine geschäftliche) besteht -, ob der Vorkaufsberechtigte diesfalls sein Recht auch wirklich ausüben würde. Dies ist bei der Frage, wie gross die Wertminderung durch das Vorkaufsrecht ist, einzubeziehen. Die Beschwerdeführer berufen sich auf eine Analogie mit der steuerlichen Behandlung von Mitarbeiteraktien. Aktien dienen der Geldanlage; um daraus Gewinn zu schlagen, aber auch um Verluste abwenden zu können, ist es wegen der kurzfristigen Kursveränderun- gen an der Börse erforderlich, mittels Verkäufen schnell reagieren zu können. Eine Veräusserungssperre wirkt sich deshalb viel direkter aus als ein limitiertes Vorkaufsrecht beim Grundeigentum. Bei ge- bundenen Mitarbeiteraktien wird der Veräusserungssperre durch eine Diskontierung des Verkehrswerts Rechnung getragen, mit einem Dis- kontierungssatz von 10 % pro Jahr der Bindung (vgl. dazu ASA 65/1996-97, S. 741). Eine Übertragung dieser Berechnungsmethode auf den vorliegenden Fall ist mangels Vergleichbarkeit nicht sachge- recht. Im konkreten Fall erscheint es angemessen, unter Berücksich- tigung, dass die Liegenschaft selber bewohnt wird und dass nicht auszuschliessen ist, dass die Z. AG bei einem Notverkauf aufgrund der Arbeitsbeziehung auf die Ausübung des Vorkaufsrechts verzich- ten könnte, für das auf 10 Jahre eingeräumte limitierte Vorkaufsrecht einen Abzug von 5 % vom objektiven Verkehrswert (vorne Erw. 2/b), also rund Fr. 31'000.--, vorzunehmen. 4. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Besteuerung dürfe nicht schon jetzt erfolgen, weil ihnen bisher gar kein geld- werter Vorteil zugeflossen sei und so noch nicht realisiertes Einkom- men erfasst würde. Die geldwerte Leistung des Arbeitgebers erfolgte im Moment, in dem die Wohnung den Beschwerdeführern unter dem Verkehrswert verkauft wurde. Diese erlangten das uneingeschränkte Eigentum an der Wohnung. Die latente Gefahr, bei einem
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(Not)Verkauf mit Geltendmachung des Vorkaufsrechts keinen Ge- winn realisieren zu können, vermag daran nichts zu ändern. 5. Insgesamt sind vom objektiven Verkehrswert Abzüge von Fr. 50'000.-- vorzunehmen, was Fr. 571'500.-- ergibt. Die Differenz zum Verkaufspreis, Fr. 21'500.-- Fr. 10'750.-- im Durchschnitt der Bemessungsjahre, ist als geldwerte Leistung zum steuerbaren Ein- kommen aufzurechnen.
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