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16 Rechtsverweigerung; Begründungspflicht
Der Erlass vorläufiger Massnahmen i.S.v. § 294 ZPO bedarf mangels ei-
ner Weiterzugsmöglichkeit keiner Begründung (Erw. 2/c-e).
Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 20. Dezember
2000 i.S. Y.
2. Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss eine Rechtsver-
weigerung von Gerichtspräsident X. geltend, weil dieser mit der
Abweisung ihres Begehrens um vorläufige Massnahmen im Ehe-
schutz vom 19. Juni 2000 grundlegende Verfahrensgarantien in
schwerwiegender Weise verletzt habe, sodass eine Rechtsverweige-
rung vorliege. Zu prüfen ist vorliegend, ob das Verhalten von
Gerichtspräsident X. rechtmässig ist ob eine Amtspflichtverlet-
zung in Form einer Rechtsverweigerung vorliegt. Nicht Gegenstand
dieses Verfahrens indessen ist mangels Zuständigkeit der Inspek-
tionskommission die materielle Beurteilung der Begehren.
a) Eine formelle Rechtsverweigerung begeht die in der Sache
zuständige Behörde, wenn sie ein bei ihr gestelltes Gesuch nicht an
die Hand nimmt und behandelt (BGE 102 Ib 237 mit weiteren
Hinweisen). Als formelle Rechtsverweigerung gilt auch das Fehlen
von Entscheidungsgründen, wo das Gesetz eine Begründungspflicht
vorsieht wo es dem Betroffenen ohne Begründung nach den
Umständen nicht möglich ist, sich ein Bild über die Tragweite der
Verfügung zu machen und sie sachgemäss anzufechten (BGE 102 Ib
238, 98 Ia 464 ff. E. 5, 98 Ib 195 f. E. 2, je mit Hinweisen).
b) Gerichtspräsident X. erliess am 21. Juni 2000 folgende Ver-
fügung:
,,1. Der Antrag auf Erlass vorläufiger Massnahmen ist abgewie-
sen.
2.-4.(...)"
Der Verfügung waren weder eine Darstellung der Anträge der
Beschwerdeführerin noch eine eigentliche Begründung zu entneh-
men.
c) Im Fall dringender Gefahr kann der Richter im Verfahren um
Erlass vorsorglicher Verfügungen vor Anhörung der Gegenpartei
vorläufige Massnahmen treffen (§ 294 Abs. 1 ZPO). Solche Mass-
nahmen sind der Natur nach vorläufig und fallen mit Rechtskraft des
Entscheides über das im Summarverfahren gestellte Begehren dahin
(§ 294 Abs. 2 ZPO). Die Anordnung vorläufiger Massnahmen wird
nicht rechtskräftig und kann vom Richter jederzeit aufgehoben oder
abgeändert werden (Bühler/ Edelmann/Killer, Kommentar zur aar-
gauischen Zivilprozessordnung, 2. A., Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg
1998, N 5 zu § 294 ZPO). Weder die Anordnung noch die Ablehnung
vorläufiger Massnahmen ist weiterziehbar (AGVE 1990 S. 71).
d) Gerichtspräsident X. hat das Begehren der Beschwerdefüh-
rerin um Erlass einer vorläufigen Massnahme betreffend die
Unterhaltsverpflichtung ihres Ehemannes mit Verfügung vom
21. Juni 2000 abgelehnt (Ziff. 1) und diesen Enscheid nicht be-
gründet. Eine Begründung beim Erlass vorläufiger Massnahmen ist
in der ZPO nicht vorgesehen. Die Beschwerdeführerin leitet die
Begründungspflicht aus den §§ 276 und 277 ZPO ab. Ihr ist indessen
entgegenzuhalten, dass die Verfügung von Gerichtspräsident X. vom
21. Juni 2000 nicht einen Endentscheid, sondern einen - nicht
weiterziehbaren - Zwischenentscheid darstellt, weshalb die Regeln
von §§ 276 und 277 ZPO gar nicht zur Anwendung gelangen.
e) Nun verlangt die Praxis, wie erwähnt, auch dann eine
Begründung, wenn eine solche zwar nicht ausdrücklich vorgesehen
ist, es dem Betroffenen ohne diese aber nach den Umständen nicht
möglich ist, sich ein Bild über die Tragweite der Verfügung zu
machen und sie sachgemäss anzufechten. Vorliegend besteht diese
Anfechtungsmöglichkeit eben gerade nicht. Die betroffene
Verfahrenspartei hat somit kein geschütztes Interesse an einer
vollständig begründeten Verfügung, da sie weder über die Tragweite
der Verfügung im Ungewissen ist noch diese weiterziehen kann. Eine
Rechtsverweigerung kann daher im Fehlen einer Begründung beim
Erlass vorläufiger Massnahmen nicht erblickt werden.
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