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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2000 117)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2000 117: Verwaltungsgericht

Es geht um eine Beschwerde gegen einen Entscheid der Fremdenpolizei bezüglich der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Art. 13 lit. f BVO. Die Beschwerdeführer haben Einspruch erhoben, nachdem ihr Gesuch abgelehnt wurde. Das Rekursgericht hat festgestellt, dass die Anstellung nicht zwingend erforderlich ist, um die Bewilligung zu erhalten. Die Mindestaufenthaltsdauer für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 13 lit. f BVO wird diskutiert, wobei die Integration, finanzielle Unabhängigkeit und das tadellose Verhalten der Betroffenen berücksichtigt werden. Der Entscheid des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom 24. November 2000 betrifft den Fall S.O. gegen die Fremdenpolizei.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2000 117

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2000 117
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht  Entscheid AGVE 2000 117 vom 18.12.1991 (AG)
Datum:18.12.1991
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:II. Beschwerden gegen Einspracheentscheide derFremdenpolizei117 Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 13 lit. f BVO.- Für die Erteilung einer Härtefallbewilligung nach Art. 13 lit. f BVOist nicht vorausgesetzt, dass der Betroffene bereits über eineAnstellung verfügt (Erw. II/4).- Von...
Schlagwörter: Schweiz; Härtefall; Aufenthalt; Fremdenpolizei; Praxis; Aufenthaltsdauer; Jugendliche; Rekursgericht; Einsprache; Erteilung; Anstellung; Anwesenheitsdauer; Entscheid; Ausländer; Voraussetzung; Betroffener; Erwachsene; Beschwerden; Einspracheentscheide; Voraussetzungen; Integration; Gesuch; Familie; Jugendlicher
Rechtsnorm: Art. 13 BV ;Art. 36 BV ;
Referenz BGE:119 Ib 33; 124 II 110;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2000 117

2000
Beschwerden gegen Einspracheentscheide der Fremdenpolizei
489

II. Beschwerden gegen Einspracheentscheide der
Fremdenpolizei



117 Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 13 lit. f BVO.
- Für die Erteilung einer Härtefallbewilligung nach Art. 13 lit. f BVO
ist nicht vorausgesetzt, dass der Betroffene bereits über eine
Anstellung verfügt (Erw. II/4).
- Von einem Härtefall nach Art. 13 lit. f BVO ist bei Erwachsenen, die
sich 9 Jahre in der Schweiz aufhalten und bei Familien mit Kindern,
die älter als 13 Jahre sind und länger als fünf Jahre in der Schweiz
weilen, auszugehen, falls die übrigen Voraussetzungen der guten
Integration, der finanziellen Unabhängigkeit und des tadellosen
Verhaltens erfüllt sind (Erw. II/5/b/aa).
- Bei der Berechnung der Anwesenheitsdauer von Personen, die in der
Schweiz mündig geworden sind, zählen die Jahre als Unmündige
doppelt (Erw. II/5/b/cc).

Aus dem Entscheid des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom 24. Novem-
ber 2000 in Sachen S.O. gegen einen Entscheid der Fremdenpolizei
(BE.1999.00003).



A. Der Beschwerdeführer 1 reiste am 25. September 1992 in die
Schweiz ein, die Beschwerdeführer 2, 3 und 4 am 7. Dezember 1992.
Mit Verfügung des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) vom 2. No-
vember 1992 beziehungsweise 15. März 1993 wurden die Asylgesu-
che der Beschwerdeführer abgelehnt. Das BFF verfügte gleichzeitig
die Wegweisung der Beschwerdeführer aus der Schweiz und, gestützt
auf einen Beschluss des Bundesrates vom 18. Dezember 1991, ihre
gruppenweise vorläufige Aufnahme wegen Unzumutbarkeit des
Vollzuges der Wegweisung.
2000 Rekursgericht im Ausländerrecht 490

Nachdem der Beschwerdeführer 1 aufgrund seiner schweren
Erkrankung bereits 1995 erfolglos um Erteilung einer Jahresaufent-
haltsbewilligung ersucht hatte, beantragten er und die Beschwerde-
führerin 2 am 24. Februar 1998 für sich und ihre Kinder die Um-
wandlung der vorläufigen Aufnahme in eine Jahresaufenthaltsbewil-
ligung. Sie begründeten das Gesuch im Wesentlichen mit der nicht
ausreichenden Behandlungsmöglichkeit des Schilddrüsenkarzinoms
des Beschwerdeführers 1 in Bosnien, der kritischen Lage im ehema-
ligen Wohnort und der guten Integration - vor allem der beiden Kin-
der - in der Schweiz. Mit Verfügung der Fremdenpolizei, Sektion
Aufenthalt, vom 30. Juni 1998 wurde das Gesuch abgewiesen.
B. Gegen diese Verfügung erhoben die Beschwerdeführer am
21. Juli 1998 Einsprache. Am 17. Dezember 1998 wies der Rechts-
dienst der Fremdenpolizei die Einsprache ab.
C. Am 25. Januar 1999 reichten die Beschwerdeführer gegen
den vorinstanzlichen Entscheid beim Rekursgericht Beschwerde ein.
Am 22. September 1999 orientierte die Fremdenpolizei das Rekurs-
gericht, der Beschwerdeführer 1 sei am 14. September 1999 verstor-
ben.



II. 4. Die Vorinstanz geht davon aus, dass ein Gesuch um Er-
teilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 13 lit. f BVO
nur dann bewilligt werden könne, wenn die Betroffenen über eine
ausreichende Anstellung verfügen würden. Die Anstellung sei für
einen auf Dauer hin angelegten Verbleib der Familie in der Schweiz
vorausgesetzt. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zwar
kann aus der systematischen Stellung von Art. 13 BVO der Schluss
gezogen werden, dass es sich beim Gesuchsteller um einen inskünf-
tig erwerbstätigen Ausländer handeln muss. Dies im Gegensatz zu
Art. 36 BVO, bei dem es ebenfalls um die Erteilung einer "Härtefall-
2000
Beschwerden gegen Einspracheentscheide der Fremdenpolizei
491

bewilligung" geht, jedoch ohne Erwerbstätigkeit. Daraus die Voraus-
setzung abzuleiten, nur einem Betroffenen mit bereits bestehender
Anstellung könne eine Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 13
BVO erteilt werden, ist nicht zulässig. Dies ergibt sich auch aus der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 13 lit. f BVO, wonach
eine Bewilligung gestützt auf diese Bestimmung sogar dann erteilt
werden kann, wenn der Betroffene noch gar nicht in der Schweiz
weilt und damit selbstredend noch nicht über eine Anstellung verfügt
(BGE 119 Ib 33, E. 4c, S. 43).
Unter diesen Umständen ist nachfolgend zu prüfen, ob die Be-
schwerdeführer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufent-
haltsbewilligung gemäss Art. 13 lit. f BVO erfüllen.
5. (...) b) aa) Das Bundesgericht ist in BGE 124 II 110, E. 3, S.
113 davon ausgegangen, dass ein Härtefall gestützt auf Art. 13 lit. f
BVO aufgrund der Anwesenheitsdauer in der Schweiz gegeben ist,
wenn ein in beruflicher und sozialer Hinsicht gut integrierter Aus-
länder, der nicht von der staatlichen Fürsorge abhängig ist und sich
tadellos verhalten hat, seit 10 Jahren in der Schweiz lebt. Gemäss
schriftlicher Auskunft des Bundesamtes für Ausländerfragen (BFA)
an das Rekursgericht vom 27. April 2000 zur Praxis der Härtefall-
bewilligung gemäss Art. 13 lit. f BVO, die sich an der bundes-
gerichtlichen Praxis orientiert, ist davon auszugehen, dass bei gut
integrierten, unbescholtenen ledigen Personen die Voraussetzungen
für einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall in der Regel
bereits bei einem Aufenthalt von 9 Jahren erfüllt sind. Bei sozial und
wirtschaftlich integrierten Familien mit Kindern und Jugendlichen,
die älter als 13 Jahre sind und länger als 5 Jahre in der Schweiz
weilen, ist gemäss Praxis ebenfalls von einem Härtefall auszugehen.
Diese Praxis wurde durch die Fremdenpolizei des Kantons Aargau
übernommen (Entscheid des Rekursgerichts vom 10. November
2000 i.S. A.Z., BE.1999.00033, E. 4b, S. 7).
bb) Die heute über 16-jährige Beschwerdeführerin 4 lebt seit 8
Jahren in der Schweiz und erfüllt somit die gemäss Praxis für die
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Annahme eines Härtefalls erforderliche Voraussetzung der Mindest-
aufenthaltsdauer bei weitem.
cc) Fraglich ist, wie es sich verhält, wenn ein Betroffener als
Jugendlicher einreiste, während weniger als 5 Jahren als Jugendli-
cher in der Schweiz weilte und insgesamt noch nicht 9 Jahre hier
war. Die Festlegung einer bestimmten Aufenthaltsdauer, nach der -
unter der Bedingung der in beruflicher und sozialer Hinsicht guten
Integration, der Unabhängigkeit von der staatlichen Fürsorge und des
tadellosen Verhaltens - in der Regel davon ausgegangen wird, es
liege ein Härtefall vor, hängt damit zusammen, dass nach einer ge-
wissen Aufenthaltsdauer in der Schweiz die Vermutung besteht, ein
Betroffener, der sich über eine lange Zeitdauer in einem Land auf-
halte, gewöhne sich derart stark an dieses Land, dass eine unfreiwil-
lige Rückkehr in sein Heimatland für ihn eine eigentliche Entwurze-
lung darstelle. Durch Festlegung einer bestimmten Mindestaufent-
haltsdauer soll eine messbare Grösse definiert werden, um eine mög-
lichst rechtsgleiche Behandlung der Betroffenen sicherzustellen.
Dabei wird für Jugendliche rund eine halb so lange Mindestaufent-
haltsdauer definiert als für Erwachsene, da sich Jugendliche in einer
für ihre Entwicklung prägenden Phase befinden und sich in der Regel
während dieser Zeit stärker verwurzeln als Erwachsene. Diese Praxis
ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Hingegen darf sie im kon-
kreten Fall nicht zu einem stossenden Ergebnis führen. Unzulässig
wäre insbesondere, aufgrund einer knapp zu kurzen Aufenthaltsdauer
das Vorliegen eines Härtefalles zu verneinen und das Element der
Aufenthaltsdauer später im Rahmen der Gesamtbetrachtung ausser
Acht zu lassen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass nach Über-
schreiten der Mindestaufenthaltsdauer grundsätzlich ein Härtefall
vorliegt, wenn ein Betroffener in beruflicher und sozialer Hinsicht
gut integriert ist, er nicht durch staatliche Fürsorge unterstützt wer-
den muss und sich zudem tadellos verhalten hat. In diesem Falle
muss die persönliche Notlage des Betroffenen nicht mit zusätzlichen
Argumenten belegt werden. Je weniger lange ein Betroffener aber in
2000
Beschwerden gegen Einspracheentscheide der Fremdenpolizei
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der Schweiz weilte, je länger es demzufolge dauert, bis er die fest-
gelegte Mindestaufenthaltsdauer erreicht, umso mehr müssen andere
Elemente für die Begründung der Notlage beziehungsweise zur An-
nahme eines Härtefalles hinzukommen.
Weilt ein Betroffener längere Zeit als Jugendlicher und an-
schliessend als junger Erwachsener in der Schweiz, wäre es stossend,
erst nach neunjähriger Anwesenheitsdauer ein Härtefall anzunehmen.
Geht man davon aus, dass die Aufenthaltsdauer als Jugendlicher
gemäss Praxis doppelt zu zählen ist, ergibt sich für den Beschwerde-
führer 3 eine anrechenbare Aufenthaltsdauer als Jugendlicher von 14
Jahren. Zählt man die Aufenthaltsdauer als junger Erwachsener
hinzu, erhellt klar, dass der Beschwerdeführer die erforderliche Min-
destaufenthaltsdauer von 9 Jahren bei weitem überschritten hat.
Seine Anwesenheitsdauer begründet damit in analoger Anwendung
der Praxis des BFA und der Fremdenpolizei - unter der Vorausset-
zung der guten Integration, der finanziellen Unabhängigkeit und des
tadellosen Verhaltens - für sich allein bereits eine derart enge Bezie-
hung zur Schweiz, dass ein Härtefall im Sinne von Art. 13 lit. f BVO
vorliegt.
c) Die Anwesenheitsdauer der Beschwerdeführerin 4 und auch
diejenige des Beschwerdeführers 3 begründen - unter Vorbehalt der
erfüllten anderen Voraussetzungen - je für die ganze Familie einen
schwerwiegenden persönlichen Härtefall nach Art. 13 lit. f BVO
(unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichtes vom 21. Novem-
ber 1995, 2A.187/1995, E. 4, S. 10). Unter diesen Umständen ist
nachfolgend noch zu prüfen, wie sich die Beschwerdeführer 2 bis 4
gesellschaftlich und beruflich in die hiesigen Verhältnisse integriert
haben, ob sie finanziell unabhängig sind und sich tadellos verhalten
haben.

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