Zusammenfassung des Urteils AG 3-RV.2019.105: Spezialverwaltungsgericht Steuern
Das Gerichtsverfahren drehte sich um eine Einsprache der A. GmbH gegen einen Nachsteuerbescheid des Steueramtes des Kantons Aargau betreffend Kantons- und Gemeindesteuern 2017. Die Rekurrentin argumentierte, dass die Erhöhung des Kaufpreises einer Liegenschaft durch einen Nachtrag steuerlich nicht akzeptiert werden sollte. Trotz korrigierter Steuerfaktoren ergab sich kein Steuerausfall, weshalb die Nachsteuerverfügung aufgehoben wurde. Das Gericht entschied zugunsten der Rekurrentin, hob die Nachsteuerverfügung auf, übernahm die Kosten des Verfahrens und sprach eine Parteientschädigung von CHF 600.00 zu.
Kanton: | AG |
Fallnummer: | AG 3-RV.2019.105 |
Instanz: | Spezialverwaltungsgericht Steuern |
Abteilung: | - |
Datum: | 22.12.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Steuer; Steuer; Rekurrentin; Apos; Recht; Steuern; Kantons; Veranlagung; Steuerverfügung; Einsprache; Rekurs; Gemeindesteuern; Stellung; Leistung; Gericht; Steuererklärung; Stellungnahme; Entscheid; Parteien; Darlehens; Steuerpflicht; Einspracheentscheid; Sektion; Steueramt; Kapital; Steuerpflichtigen; Spezialverwaltungsgericht; Liegenschaft |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
3-RV.2019.105 P 173
Urteil vom 22. Dezember 2022
Besetzung
Präsident Heuscher Richter Mazzocco Richter Schorno Gerichtsschreiberin Bernhard
Rekurrentin
A._____ GmbH vertreten durch K-Vis AG, Herr David Kunz, Mitteldorfstrasse 22, 5442 Fislisbach
Gegenstand
Einspracheentscheid des Steueramtes des Kantons Aargau, Sektion Rechtsdienst, Nachsteuern und Bussen, vom 2. Mai 2019 betreffend Kantons- und Gemeindesteuern 2017; Nachsteuern
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Das Gericht entnimmt den Akten: 1. Gestützt auf eine Meldung von B., Revisor der Sektion juristische Personen des Kantonalen Steueramtes (nachfolgend: KStA JP), wonach geldwerte Leistungen der A. GmbH in der Steuererklärung 2017 nicht deklariert worden seien, eröffnete das Steueramt des Kantons Aargau, Sektion Nachsteuern und Bussen (nachfolgend: KStA), mit Schreiben vom 12. September 2018 ein Nachsteuerverfahren betreffend Kantons- und Gemeindesteuern 2017. Den Organen der A. GmbH wurde bis zum 10. Oktober 2018 die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme einzureichen. 2. Innert Frist liess die A. GmbH eine Stellungnahme einreichen. 3. Auf Aufforderung des KStA würdigte das KStA JP die Stellungnahme der A. GmbH. 4. Mit Eingabe vom 11. Februar 2019 liess die A. GmbH Stellung zum Schreiben des KStA JP nehmen. 5. Mit Verfügung vom 22. Februar 2019 korrigierte das KStA den steuerbaren Reingewinn auf CHF 6'844.00 und das steuerbare Kapital auf CHF 250'000.00, stellte jedoch gleichzeitig fest, dass keine Nachsteuern der Kantons- und Gemeindesteuern 2017 der A. GmbH resultieren. 6. Gegen die Nachsteuerverfügung (Feststellungsverfügung) vom 22. Februar 2019 liess die A. GmbH mit Schreiben vom 18. März 2019 Einsprache erheben. Sie liess folgende Rechtsbegehren stellen: "1. Die Nachsteuerverfügung vom 22. Februar 2019 sei aufzuheben. Die Rechtskraft der Steuerveranlagung 2017 vom 12. März 2018 sei zu bestätigen. 2. Der steuerbare Reingewinn der Steuerpflichtigen für das Steuerjahr 2017 für die Kantons- und Gemeindesteuern 2017 sei auf den veranlagten CHF 6'237 zu belassen. 3. Das steuerbare Kapital der Steuerpflichtigen für das Steuerjahr 2017 für die Kantons- und Gemeindesteuern 2017 sei auf den veranlagten CHF 277'977 zu belassen."
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7. Mit Entscheid vom 2. Mai 2019 wies das KStA die Einsprache ab. 8. Den Einspracheentscheid vom 2. Mai 2019 (Zustellung am 3. Mai 2019) liess die A. GmbH mit Rekurs vom 31. Mai 2019 (Postaufgabe am gleichen Tag) an das Spezialverwaltungsgericht, Abteilung Steuern (im Folgenden: Spezialverwaltungsgericht), weiterziehen mit den Anträgen: "1. Die Nachsteuerverfügung vom 22. Februar 2019 sei aufzuheben. Die Rechtskraft der Steuerveranlagung 2017 vom 12. März 2018 sei zu bestätigen. 2. Der steuerfreie Reingewinn der Steuerpflichtigen für das Steuerjahr 2017 sei auf den veranlagten CHF 6'237 zu belassen. 3. Das steuerbare Kapital der Steuerpflichtigen für das Jahr 2017 sei auf den veranlagten CHF 277'977 zu belassen."
Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. 9. Das KStA beantragt die Abweisung des Rekurses. 10. Die A. GmbH hat eine Replik erstatten lassen.
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Das Gericht zieht in Erwägung: 1. Der vorliegende Rekurs betrifft die Nachsteuern zu den Kantons- und Gemeindesteuern 2017. Massgebend für die Beurteilung ist das Steuergesetz vom 15. Dezember 1998 (StG). 2. 2.1. Das KStA führte in der Nachsteuerverfügung, im Einspracheentscheid und in der Vernehmlassung aus, dass der im Jahr 2013 abgeschlossene Kaufvertrag zwischen der Rekurrentin als Käuferin und D. als Verkäuferin betreffend Liegenschaft GB Q. aaa im Jahr 2017 durch einen Nachtrag ergänzt worden sei. Durch diesen Nachtrag sei der ursprüngliche Kaufpreis von CHF 900'000.00 auf neu CHF 975'000.00 erhöht worden. Bei der Erhöhung handle es sich um eine nicht notwendige und nicht geschäftsmässig begründete Vereinbarung zum Nachteil der Rekurrentin und zum Vorteil von D.. Die Rekurrentin hätte diesen Nachtrag mit einer Drittperson nicht abgeschlossen. Der Nachtrag sei nur aufgrund der besonderen Nähe (bzw. Personalunion) zwischen den Parteien vereinbart worden. Die nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises sei als steuerbarer Aufwertungsgewinn zu betrachten. Da dieser Aufwertungsgewinn über das Darlehenskonto von D. realisiert worden sei, liege eine geldwerte Leistung an die Inhaberschaft der Rekurrentin (D.) vor. Da der Nachtrag dem für die Veranlagung der Rekurrenten zuständigen Revisor erst nach Rechtskraft der Veranlagung 2017 bekannt geworden sei, liege eine neue Tatsache vor. Das Darlehenskonto von D. habe sich lediglich um CHF 1'000.00 statt um CHF 75'000.00 erhöht. Darum sei der tatsächliche Grund für die Darlehenserhöhung weder aus Formular 112 noch aus der Jahresrechnung erkennbar gewesen. Mit der Steuererklärung seien nur die Bilanz und die Erfolgsrechnung, nicht jedoch das Journal und die Kontodetails eingereicht worden. Die von der Vertreterin erwähnte Einzelbuchung über CHF 75'000.00 sei damit nicht aus den Akten ersichtlich gewesen. Eine Meldung durch das Grundbuchamt an das KStA JP sei ausgeblieben. Der Revisor habe, ohne sich sorgfaltspflichtwidrig zu verhalten, davon ausgehen dürfen, dass die Höherbewertung der Liegenschaft auf Leistungen durch Dritte (wertvermehrende Aufwendungen) zurückzuführen gewesen sei. Die nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises könne steuerlich nicht akzeptiert werden. Da trotz der korrigierten Steuerfaktoren bei der Rekurrentin keine Nachsteuer resultiere, werde mit den neuen Werten eine Feststellungverfügung eröffnet.
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2.2. Die Rekurrentin lässt mit Schreiben vom 25. September 2018, Stellungnahme vom 11. Februar 2019, ihrer Einsprache, ihrem Rekurs und Stellungnahme zur Vernehmlassung vom 20. Juni 2019 geltend machen, im Rahmen der privaten Grundstückgewinnsteuerveranlagungen von D. habe das KStA, Sektion Grundstückschätzung, die Anlagekosten verbindlich festgelegt. Die Rekurrentin habe gestützt darauf feststellen müssen, dass sie bei der Festlegung des Verkaufspreises von falschen Kalkulationen ausgegangen sei. Die Rekurrentin habe darum mit öffentlicher Urkunde vom 13. November 2017 mit D. einen Nachtrag zum Kaufvertrag vom 21. März 2013 abgeschlossen. Die Parteien hätten sich darauf geeinigt, die falschen Kalkulationsgrundlagen im Umfang von CHF 75'000.00 teilweise zu korrigieren. Die Verkäuferin sei sich bewusst gewesen, dass es sich dabei um ein der Grundstückgewinnsteuer unterliegendes Geschäft handle. Der Vertrag habe festgehalten, dass die Nachzahlung von CHF 75'000.00 durch Erhöhung des Darlehens von D. an die Rekurrentin abgegolten werde. Die Rekurrentin habe am 16. Januar 2018 die Steuererklärung 2017 vollständig ausgefüllt und eingereicht. Der Steuererklärung habe unter anderem die Bescheinigung über Leistungen von Aktionären/Gesellschaftern (Form. 112) beigelegen, welche zu Gunsten von D. eine Darlehensforderung von CHF 383'000.00 bescheinige. Zudem sei die unterschriebene Jahresrechnung eingereicht worden, welche die bilanzierten Werte der einzelnen Liegenschaften transparent ausgewiesen hätte. Die fragliche Transaktion sei aus der Jahresrechnung und der Steuererklärung ersichtlich gewesen. Der Nachtrag sei öffentlich beurkundet und im Grundbuch eingetragen worden. Mit dem Aargauischen Grundstück- und Objektinformationssystem (AGOBIS) stünden die Grundbuchdaten den Steuerämtern in Echtzeit zur Verfügung. Sämtliche Tatsachen seien den Steuerbehörden im Zeitpunkt der Veranlagung bekannt gewesen und hätten ohne Weiteres aus den korrekt eingereichten Unterlagen herausgelesen werden können. 3. 3.1. Ergibt sich auf Grund von Tatsachen Beweismitteln, die der zuständigen Steuerbehörde nicht bekannt waren, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist, ist eine unterbliebene unvollständige Veranlagung auf ein Verbrechen Vergehen gegen die Steuerbehörde zurückzuführen, wird die nicht erhobene Steuer samt Zins als Nachsteuer eingefordert. (§ 206 Abs. 1 StG).
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3.2. Eine Nachsteuer kann nur verfügt werden, wenn das Gemeinwesen in seinen Steueransprüchen tatsächlich geschmälert ist. Eine unvollständige Deklaration gibt für sich allein noch keinen Rechtsanspruch auf eine Nachsteuererhebung. Vielmehr muss aus der unkorrekten Deklaration (unvollständig nicht richtig) tatsächlich ein Steuerausfall resultieren (Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri-Bern, 4. Auflage 2015, § 206 StG N 6). 3.3. Das KStA hat eine geldwerte Leistung von CHF 78'042.00 im Nachsteuerverfahren erfasst. Trotz der korrigierten Steuerfaktoren resultierte unverändert die Minimalsteuer. Es ist kein Steuerausfall entstanden. Dementsprechend ist die Nachsteuerverfügung insgesamt aufzuheben. 4. 4.1. Darüber hinaus fehlt es im Nachsteuerverfahren an einem Feststellungsinteresse für weitergehende Faktoren. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts sind in Veranlagungsverfügungen und gleichermassen in Nachsteuerverfügungen über die Festlegung der Steuerfaktoren hinausgehende rechtskraftfähige Feststellungen ausgeschlossen. Ebenso sind im Steuerrecht selbständige Feststellungsverfügungen, abgesehen vom Fall der Festlegung der Steuerpflicht, grundsätzlich ausgeschlossen. Nur aus zwingenden praktischen Gründen kann in besonderen Einzelsituationen die Vorwegnahme eines Entscheids über eine Rechtsfrage geboten sein, obwohl es mangels Verwirklichung eines Steuertatbestandes noch nicht zu einer Veranlagung kommt. Für solche Sonderfälle ist ausnahmsweise das Recht auf bzw. die Pflicht zum Erlass einer selbständigen Feststellungsverfügung vorzubehalten (vgl. ausführlich AGVE 2009 S. 137; VGE vom 19. Mai 2010 [WBE.2009.403]). Ein solcher Sonderfall war beispielsweise gegeben bei einer erstmaligen Veranlagung nach neuem Recht in der Steuerperiode 2001, bei der das Verwaltungsgericht ein schutzwürdiges Interesse an der Festlegung der im Hinblick auf eine künftige Veräusserung per Ende 2001 massgebenden Werte (Anlagekosten, kumulierte Abschreibungen und Buchwert bzw. Einkommenssteuerwert landwirtschaftlicher Liegenschaften und Einrichtungen) aufgrund der mit dem neuen Recht einhergehenden grundlegenden Umgestaltung der Kapitalgewinnbesteuerung anerkannte (VGE vom 16. Juni 2010 [WBE.2009.400] Erw. I.2.; Feststellungsinteresse ebenfalls bejaht im VGE vom 19. Dezember 2006 [WBE.2006.307 =
AGVE 2006, S. 99], auch hier im Zusammenhang mit einer übergangsrechtlichen Problematik, bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juni 2008 [2A.116/2007]).
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4.2. Ein solcher Sonderfall liegt hier nicht vor, steht es doch dem KStA JP frei, in den noch nicht rechtskräftig veranlagten Folgeperioden gestützt auf eine nachgeführte Steuerbilanz über die Auswirkungen der aufgerechneten Geldleistungen zu befinden. Insofern ist der vorliegende Fall mit einer "Nullerveranlagung" und folgender Beurteilung von Verlustvorträgen vergleichbar (SGE vom 24. März 2022 [3-RV.2019.84]). Ebenso steht es der Rekurrentin frei, sich dann gegen die Aufrechnung einer geldwerten Leistung zur Wehr zu setzen. 5. 5.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens obsiegt die Rekurrentin. Die Kosten des Rekursverfahrens sind daher auf die Staatskasse zu nehmen (§ 189 Abs. 1 StG). 5.2. 5.2.1. Ausserdem ist der Rekurrentin für die Vertretung im Rekursverfahren eine Parteientschädigung auszurichten (§ 189 Abs. 2 StG). 5.2.2. Bei der Vertretung durch Steuerberater stellt der Anwaltstarif gemäss dem Dekret über die Entschädigung der Anwälte vom 10. November 1987 (Anwaltstarif, AnwT) die obere Grenze des Parteikostenersatzes dar (AGVE 1981 S. 281 ff.; SGE vom 21. Juli 2016 [3-RV.2015.160]). 5.2.3. Der Fall hat einen mittleren Schwierigkeitsgrad und eine geringe Bedeutung. Zudem ist von einem aufgrund des Parallelverfahrens 3-BB.2019.11 eher geringen erforderlichen Aufwand auszugehen. Es rechtfertigt sich daher, die Parteientschädigung in Anwendung von § 8a Abs. 1 lit. a Ziff. 1 und Abs. 2 AnwT sowie § 8c Abs. 1 AnwT auf CHF 600.00 (inkl. MWSt und Auslagen) festzusetzen.
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Das Gericht erkennt: 1. In Gutheissung des Rekurses werden die Nachsteuerverfügung vom 12. September 2018 und der Einspracheentscheid vom 22. Februar 2019 ersatzlos aufgehoben. 2. Die Kosten des Verfahrens werden auf die Staatskasse genommen. 3. Es wird eine Parteientschädigung von CHF 600.00 (inkl. 7.7 % MWSt) ausgerichtet.
Zustellung an: die Vertreterin der Rekurrentin (2) das Kantonale Steueramt das Gemeindesteueramt Q.
Rechtsmittelbelehrung Dieser Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau angefochten werden. Die Beschwerde ist in doppelter Ausfertigung beim Spezialverwaltungsgericht, Laurenzenvorstadt 9, 5001 Aarau, einzureichen. Die Frist steht still vom 7. Tag vor bis und mit dem 7. Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August und vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar. Die unterzeichnete Beschwerdeschrift muss einen Antrag, wie der Entscheid zu ändern sei, sowie eine Begründung enthalten. Der angefochtene Entscheid und als Beweismittel angerufene Urkunden sind beizulegen (§§ 28 und 43 f. des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Dezember 2007 [VRPG] in Verbindung mit Art. 145 Abs. 1 der Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 [ZPO]; §§ 187, 196 und 198 des Steuergesetzes vom 15. Dezember 1998 [StG]).
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Aarau, 22. Dezember 2022 Spezialverwaltungsgericht Steuern Der Präsident:
Die Gerichtsschreiberin:
Heuscher
Bernhard
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