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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UH160206
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH160206 vom 01.12.2016 (ZH)
Datum:01.12.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Einsprache gegen Strafbefehl / Herausgabe
Schlagwörter : Beschwerde; Hausdurchsuchung; Beschwerdegegner; Revolver; Befehl; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Verfahrenskosten; Revolvers; Recht; Beschlagnahme; Verwertung; Hausdurchsuchungsbefehl; Sichergestellt; Schriftlich; Bezirks; Sichergestellte; Deckung; Beschwerdegegners; Vorführung; Person; Busse; Wohnung; Gericht; Vorführungs; Empfang; Bezirksgericht; Rich-Limmat; Rungsbefehl
Rechtsnorm: Art. 208 StPO ; Art. 241 StPO ; Art. 244 StPO ; Art. 245 StPO ; Art. 263 StPO ; Art. 381 StPO ;
Referenz BGE:139 IV 199;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH160206-O/U/HEI

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, Oberrichterin lic. iur.

F. Schorta und Ersatzoberrichter lic. iur. Th. Vesely sowie Gerichtsschreiberin Dr. iur. C. Schoder

Beschluss vom 1. Dezember 2016

in Sachen

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,

Beschwerdeführerin

gegen

A. ,

Beschwerdegegner

betreffend Einsprache gegen Strafbefehl / Herausgabe Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichtes Zürich,

10. Abteilung - Einzelgericht, vom 17. Juni 2016, GB160010-L

Erwägungen:

I.
  1. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat bestrafte A. mit Strafbefehl vom

    18. Oktober 2015 wegen Drohung mit einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu CHF 30.-- und mit einer Busse von CHF 500.--. Die Probezeit wurde auf zwei Jahre festgelegt. Sodann wurde ein sichergestellter, von

    A.

    einst legal erworbener Revolver der Marke Smith & Wesson, Seriennummer CJP ..., eingezogen und der Stadtpolizei Zürich zur gutscheinenden Verwendung überlassen. Schliesslich wurden dem Verurteilten Verfahrenskosten von CHF 1'000.-- auferlegt.

    A. erhob gegen den Strafbefehl Einsprache. Er wehrte sich gegen die Auferlegung der Verfahrenskosten und gegen die Einziehung des Revolvers und dessen gutscheinende Verwendung durch die Stadtpolizei. Er beantragte sinngemäss, dass ihm keine Verfahrenskosten aufzuerlegen seien, wofür er den Revolver der Polizei überlasse, da dessen Wert den Verfahrenskosten entspreche (Urk. 8/14).

    Am 2. November 2015 erging ein neuer Strafbefehl, in welchem die Busse auf CHF 300.-- reduziert und anstelle der gutscheinenden Verwendung des Revolvers dessen Verwertung und die Verwendung des Verwertungserlöses zur Kostendeckung angeordnet wurde.

    A.

    erhob auch gegen den neuen Strafbefehl Einsprache. Er erklärte

    sich mit der Busse zwar einverstanden, jedoch verlangte er erneut die Streichung der Verfahrensgebühr bzw. deren Verrechnung mit dem Verwertungserlös aus dem Verkauf des Revolvers.

    Nachdem A.

    erklärt hatte, an der Einsprache festhalten zu wollen,

    überwies die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl vom 2. November 2015 an das Bezirksgericht Zürich.

  2. Der Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich entschied mit Verfügung vom

    17. Juni 2016 (Urk. 3/6 = Urk. 5), dass der sichergestellte Revolver nach Eintritt der Rechtskraft des Entscheids auf Verlangen an A. herauszugeben sei (Urk. 5). Der Einzelrichter vertrat die Ansicht, dass die Wohnung des Beschuldigten ohne gültigen Rechtstitel durchsucht worden sei. Aus diesem Grund könne der anlässlich der Durchsuchung sichergestellte Revolver nicht verwertet und folglich zur Deckung der Verfahrenskosten nicht herangezogen werden.

  3. Mit Eingabe vom 6. Juli 2016 (Urk. 2) erhob die Staatsanwaltschaft ZürichLimmat bei der III. Strafkammer des Obergerichts Zürich Beschwerde mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die am 17. Oktober 2015 am Wohnort des Beschuldigten durch die Stadtpolizei Zürich vorgenommene Hausdurchsuchung rechtmässig erfolgt sei. Sodann sei die Verfügung des Einzelrichters am Bezirksgericht Zürich vom 17. Juni 2016 aufzuheben und der sichergestellte Revolver sei definitiv zu beschlagnahmen und zu verwerten, eventualiter einzuziehen.

  4. Der Einzelrichter verzichtete am 21. Juli 2016 auf Vernehmlassung (Urk. 9).

    Der Beschwerdegegner nahm am 18. Juli 2016 zur Beschwerde Stellung, ohne Antrag zu stellen (Urk. 11). Nach Fristerstreckung (vgl. Urk. 15) reichte die Staatsanwaltschaft eine Replik ins Recht (Urk. 17). Der Beschwerdegegner duplizierte mit Eingabe vom 18. September 2016 (Urk. 20). Die Staatsanwaltschaft liess sich nicht mehr vernehmen.

    II.

    1.

      1. Die Staatsanwaltschaft kann ein Rechtsmittel zugunsten oder zuungunsten der beschuldigten oder verurteilten Person ergreifen (Art. 381 Abs. 1 StPO). Die Rechtsmittellegitimation der Staatsanwaltschaft gemäss Art. 381 Abs. 1 StPO bezieht sich auf alle Punkte des fraglichen Entscheids mit Ausnahme

        des Zivilpunktes (BGE 139 IV 199 E. 4; NIKLAUS SCHMID, Praxiskommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2013, Art. 381 N. 2). An der Feststellung der Richtigkeit einer Verfahrenshandlung - in casu der Hausdurchsuchung - hat die Staatsanwaltschaft aber nur dann ein Feststellungsinteresse, wenn kein anderes Begehren (Leistungsoder Gestaltungsbegehren) gestellt werden kann (vgl. OGer ZH, III. SK, Beschluss UH140045 vom 25.6.14 = ZR 113/2014 Nr. 71 E. 1.2; vgl. auch BGer, Urteil 1B_103/2014 vom 16.4.14 E. 1.2).

        Dies trifft vorliegend nicht zu. Die Staatsanwaltschaft kann die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die definitive Beschlagnahme und Verwertung der Schusswaffe des Beschwerdeführers verlangen. Sie hat demnach kein Interesse an der Feststellung der Rechtmässigkeit der Hausdurchsuchung, anlässlich deren die Schusswaffe sichergestellt wurde.

      2. Die weiteren Voraussetzungen des Sachentscheids sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist somit, mit Ausnahme des Feststellungsantrags, einzutreten.

    2.

      1. Die Vorinstanz schloss aus den diversen Eingaben des Beschwerdegegners, dass dieser gewillt sei, die Busse von CHF 300.-- zu bezahlen, und dass er auch mit der Höhe der Verfahrenskosten und der Auflage an ihn grundsätzlich einverstanden sei. Dem Beschwerdegegner gehe es einzig darum, dass er nach der Verwertung des Revolvers keine weiteren Kosten tragen müsse und dass der Revolver demnach zu einem Betrag verwertet werde, der die Verfahrenskosten vollumfänglich abdecke (Urk. 5 S. 5).

        Nach Ansicht der Vorinstanz sei indessen die Wohnung des Beschwerdegegners ohne gültigen Rechtstitel durchsucht worden. In den Untersuchungsakten lasse sich kein schriftlicher Beschlagnahmebefehl finden. Es gebe einzig einen vom 16. Oktober 2015 datierenden Vorführbefehl der Staatsanwaltschaft zwecks Befragung des Beschwerdegegners. Die Polizei-

        beamten seien in diesem Befehl zwar ermächtigt worden, zur Durchsetzung des Befehls, wenn nötig, Gewalt anzuwenden und Häuser, Wohnungen und andere nicht allgemein zugängliche Räume zu betreten. Eine Durchsuchung der Räume sei aber nicht vorgesehen gewesen. Ausserdem fänden sich keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdegegner seine Einwilligung zur Durchsuchung gegeben hätte, wobei fraglich sei, ob im gegebenen Fall auf einen Hausdurchsuchungsbefehl hätte verzichtet werden dürfen. Da dem Beschwerdegegner keine schweren Straftaten zur Last gelegt würden, dürfte der bei der Hausdurchsuchung sichergestellte Revolver als Beweis jedenfalls nicht verwertet werden. Dementsprechend falle die Verwertung des Revolvers zur Deckung der Verfahrenskosten ebenfalls ausser Betracht (Urk. 5 S. 6-7).

        Schliesslich spiele es keine Rolle, dass der Beschwerdegegner mit der Verwertung des Revolvers einverstanden zu sein scheine. Es sei davon auszugehen, dass dieses Einverständnis auf der Annahme gründe, die Beschlagnahme sei rechtmässig gewesen. Es sei offen, ob der Beschwerdegegner der Verwertung auch zugestimmt hätte, wenn er sich bewusst gewesen wä- re, dass der Revolver mangels Hausdurchsuchungsbefehl gar nicht hätte mitgenommen werden dürfen. Der beschlagnahmte Revolver sei dem Beschwerdegegner herauszugeben, und er sei darauf hinzuweisen, dass es ihm freistehe, den Revolver zu verkaufen und die ihm auferlegten Kosten für das Vorverfahren aus dem Verkaufserlös zu bezahlen (Urk. 5 S. 7-8).

      2. Die Staatsanwaltschaft wandte ein, es treffe zwar zu, dass sich bei den Akten kein schriftlicher Hausdurchsuchungsbefehl befinde. Jedoch sei klar ersichtlich, dass die Staatsanwaltschaft einen Hausdurchsuchungsbefehl ausgestellt habe. Im Rapport der Stadtpolizei Zürich vom 17. Oktober 2015 stehe auf Seite 1 unter Einleitung: wurde im Zusammenhang mit dem Versand von Drohmails an Bundesparlamentarier, die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat am 16.10.2015 ersucht, einen Vorführungsund HD-Befehl gegen A. , geb. tt.09.1962, den mutmasslichen Verfasser dieser E- Mails, auszustellen. Zudem befinde sich bei den Akten ein Protokoll der

        Hausdurchsuchung, das der Beschwerdegegner unterzeichnet habe. Die Staatsanwaltschaft habe am 16. Oktober 2015 sowohl einen Vorführungsals auch einen Hausdurchsuchungsbefehl betreffend die Wohnung des Beschwerdegegners ausgestellt. Es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb diese Dokumente nicht bei den Akten lägen und offenbar im Rahmen der internen Zuteilungsverfahren in Verstoss geraten seien. Aus den Akten gehe aber deutlich hervor, dass ein Hausdurchsuchungsbefehl vorhanden gewesen sei. Eine Kopie desselben habe denn auch ohne Weiteres beim ausstellenden Staatsanwalt erhältlich gemacht werden können (Urk. 2 S. 3).

        Ausserdem sei nicht nachvollziehbar, dass in der Begründung der Verfü- gung ausgeführt werde, von einer Einwilligung des Beschwerdegegners zur Hausdurchsuchung als rechtsgenügender Grundlage könne nicht ausgegangen werden, da eine solche nicht ersichtlich sei und diese ohnehin nicht rechtsgenügend wäre. Eine mündliche Einwilligung sei aber rechtsgenü- gend. Weder der Beschwerdegegner noch die Staatsanwaltschaft hätten gewusst, dass die Rechtmässigkeit der Hausdurchsuchung vom Gericht in Zweifel gezogen werde. Der Beschwerdegegner habe weder die Vornahme der Hausdurchsuchung noch die Sicherstellung des Revolvers je beanstandet. Er habe nur geltend gemacht, er sei nicht imstande, die hohen Verfahrenskosten zu tragen. Der Standpunkt des Gerichts, die Hausdurchsuchung sei gesetzwidrig erfolgt, entspreche nicht den Tatsachen. Der dabei sichergestellte Revolver sei deshalb definitiv zu beschlagnahmen und zu verwerten und der Erlös zur Deckung der Verfahrenskosten heranzuziehen (Urk. 2 S. 3-4).

      3. In der Beschwerdeantwort (Urk. 11) brachte der Beschwerdegegner vor, nie mit der Hausdurchsuchung einverstanden gewesen zu sein. Er sei nie gefragt worden und habe auch kein Formular unterzeichnet. Bei der Hausdurchsuchung sei er selber gar nicht anwesend gewesen, sondern habe sich an seinem Arbeitsplatz aufgehalten, wo er in der Folge verhaftet worden sei. Seine Frau und seine Kinder, die bei der Hausdurchsuchung zugegen gewesen seien, habe man eingeschüchtert. Er selber sei von der fallzuständi-

        gen Staatsanwältin abgekanzelt worden. Sie habe ihm den Einzug des Revolvers und eine Busse von CHF 300.-- aufgebrummt. Die Busse nehme er hin. Einen höheren Betrag könne er aufgrund seiner familiären Verpflichtungen nicht bezahlen. Von der Übernahme der Verfahrenskosten sei nie die Rede gewesen. Diese würden ja durch die Verwertung des Revolvers abgegolten. Von dieser Sachlage gehe er nach wie vor aus. Es wäre aber schön, wenn er den Revolver wieder zurückbekommen könnte.

      4. In der Replik (Urk. 17) machte die Staatsanwaltschaft geltend, der Beschwerdegegner habe im Zeitpunkt der Hausdurchsuchung im dringenden Verdacht gestanden, verschiedenen Mitgliedern des nationalen Parlaments E-Mails geschickt zu haben, die als Drohung hätten aufgefasst werden kön- nen. So habe er erwähnt, dass er im Besitz einer Pistole SIG Sauer 226 (Offizierspistole) sei, dass der Feind schon hier hocke und dass es nicht weit sei bis nach Bern. Die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass bei dieser Sachlage eine Einwilligung des Beschwerdegegners zur Hausdurchsuchung gar nicht nötig gewesen sei.

        Bei der Hausdurchsuchung sei die Ehefrau des Beschwerdegegners anwesend gewesen und habe den Empfang des Hausdurchsuchungsbefehls unterzeichnet. Die gesetzlichen Anforderungen an die Hausdurchsuchung seien damit erfüllt gewesen.

      5. In der Duplik (Urk. 20) äusserte sich der Beschwerdegegner nicht mehr zur Hausdurchsuchung und zur Verwertung des Revolvers, sondern beschränkte sich auf die Aussage, die Polizeiaktion gegen ihn sei völlig übertrieben gewesen.

    3.

    Die Rechtmässigkeit der Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdegegners war im Einspracheverfahren vor Vorinstanz von keiner der Parteien thematisiert, geschweige denn angefochten worden. Diese traf ihren Entscheid gestützt auf tatsächliche Annahmen, zu denen sie den Parteien zuvor

    keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hatte. Damit wurde der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) verletzt. Der Mangel kann vorliegend jedoch mit den nachfolgenden Erwägungen geheilt werden.

      1. Durchsuchungen und Untersuchungen werden in einem schriftlichen Befehl angeordnet. In dringenden Fällen können sie mündlich angeordnet werden, sind aber nachträglich schriftlich zu bestätigen (Art. 241 Abs. 1 StPO). Häu- ser, Wohnungen und andere nicht allgemein zugängliche Räume dürfen nur mit Einwilligung der berechtigten Person durchsucht werden (Art. 244 Abs. 1 StPO). Die Einwilligung der berechtigten Person ist nicht nötig, wenn zu vermuten ist, dass in diesen Räumen gesuchte Personen anwesend sind, Tatspuren oder zu beschlagnahmende Gegenstände oder Vermögenswerte vorhanden sind oder Straftaten begangen werden (Art. 244 Abs. 2 lit. a-c StPO). Die mit der Durchführung beauftragten Personen weisen zu Beginn der Massnahme den Hausdurchsuchungsbefehl vor (Art. 245 Abs. 1 StPO). Anwesende Inhaberinnen und Inhaber der zu durchsuchenden Räume haben der Hausdurchsuchung beizuwohnen. Sind sie abwesend, so ist nach Möglichkeit ein volljähriges Familienmitglied oder eine andere geeignete Person beizuziehen (Art. 245 Abs. 2 StPO).

        Nach der Praxis braucht es für eine Hausdurchsuchung nicht zwingend einen Hausdurchsuchungsbefehl, sondern kann eine Hausdurchsuchung auch allein gestützt auf einen Vorführungsbefehl erfolgen, sofern dieser gemäss Art. 208 Abs. 2 StPO eine ausdrückliche Ermächtigung der Polizei zum Betreten von Häusern, Wohnungen und nicht allgemein zugänglichen Räumen enthält (N IKLAUS SCHMID, Praxiskommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2013, Art. 244 N. 8; ANDREAS KELLER, in: Zürcher Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 245 N. 2; ULRICH WEDER, in: ebenda, Art. 208 N. 7; YVAN

        JEANNERET/ANDRÉ KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, N. 14022 Fn. 62). Der Hausdurchsuchungsbefehl wird in diesem Fall als in den Vorfüh- rungsbefehl integriert betrachtet.

      2. Gegenstände und Vermögenswerte einer beschuldigten Person oder einer Drittperson können unter anderem beschlagnahmt werden, wenn die Gegenstände und Vermögenswerte voraussichtlich als zur Sicherstellung von Verfahrenskosten, Geldstrafen, Bussen und Entschädigungen gebraucht werden (Art. 263 Abs. 1 lit. b StPO). Die zur Deckung der Verfahrenskosten beschlagnahmten Gegenstände müssen nicht unbedingt in einem Zusammenhang zur inkriminierten Tat stehen (S TEFAN HEIMGARTNER, in: Zürcher Kommentar zur StPO, a.a.O., Art. 268 N. 4).

    Die Beschlagnahme ist mit einem schriftlichen, kurz begründeten Befehl anzuordnen (Art. 263 Abs. 2 Satz 1 StPO). Dieser kann als eigentlicher Beschlagnahmebefehl erscheinen oder aber, wenn der zu beschlagnahmende Gegenstand bereits vorgängig feststeht, mit einem Hausdurchsuchungsoder Vorführungsbefehl gekoppelt werden (S CHMID, a.a.O., Art. 263 N. 7; HEIMGARTNER, a.a.O., Art. 263 N. 23). In dringenden Fällen kann die Beschlagnahme mündlich angeordnet werden, ist aber nachträglich schriftlich zu bestätigen (Art. 263 Abs. 2 Satz 2 StPO).

    Bei Art. 263 Abs. 2 StPO handelt es sich um eine blosse Ordnungsvorschrift. Die verspätete oder fehlende schriftliche Bestätigung einer mündlich angeordneten Beschlagnahme hat daher keine Unverwertbarkeit der gewonnenen Beweismittel zur Folge (H EIMGARTNER, Art. 263 N. 25, mit Hinweis auf OGer ZH, III. SK, Beschluss UH120060 vom 25.5.12 E. II/3.2) Die von einer polizeilichen Beschlagnahme betroffene Person kann von der Staatsanwaltschaft aber eine schriftliche Bestätigung der Anordnung verlangen und die Beschlagnahme in der Folge anfechten (SAVARIO LEMBO/ANNE VALÉRIE JULEN BERTHOD, in: Commentarire rommand du Code de procédure pénale suisse, 2010, Art. 264 N. 36 f.).

    4.

      1. In den Akten befindet sich ein vom 16. Oktober 2015 datierender Vorfüh- rungsbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (Urk. 8/8/1). Dieser enthält einen Hinweis darauf, dass die auszuführenden Polizeibeamten aus-

        drücklich ermächtigt seien, zur Durchführung des Vorführungsbefehls wenn nötig Gewalt anzuwenden sowie Häuser, Wohnungen und andere nicht allgemein zugängliche Räume zu betreten.

        Der Vorführungsbefehl gilt deshalb auch als Hausdurchsuchungsbefehl (vgl.

        E. II/3.1 hiervor). Zudem legte die Staatsanwaltschaft eine Kopie eines unterzeichneten, aber offenbar abhanden gekommenen expliziten Hausdurchsuchungsbefehls ins Recht (vgl. Urk. 3/1). Der Standpunkt der Vorinstanz, wonach die Hausdurchsuchung ohne gültigen Rechtstitel erfolgt sei, trifft somit nicht zu.

      2. Im Vorführungsbefehl (Urk. 8/8/1) wurde als Grund der Vorführung angegeben, der Beschwerdegegner werde dringend verdächtigt, am 30. September 2015 in einer an diverse Politiker verschickten E-Mail gedroht zu haben, mit Waffengewalt gegen den neuen Feind vorzugehen, und es sei Verdunkelungsund Ausführungsgefahr zu vermuten, weil der Beschwerdegegner bekanntermassen im Besitz mehrerer Schusswaffen sei. Im Protokoll der Hausdurchsuchung (Urk. 8/7/1) wurde unter anderem die Sicherstellung eines Revolvers der Marke Smith & Wesson vermerkt. Das Protokoll wurde von der Ehefrau des Beschwerdegegners unterzeichnet.

    In der Hafteinvernahme teilte die einvernehmende Staatsanwältin dem Beschwerdegegner mit, dass sie den bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Revolver einziehen werde (Urk. 8/6 S. 6 Frage 36). Der Beschwerdegegner erhielt dadurch sowohl von der Beschlagnahme als auch vom Beschlagnahmegrund (Einziehung) Kenntnis. Dass keine schriftliche Bestätigung der Beschlagnahme erging, ist für die Frage der Beweisverwertbarkeit der beschlagnahmten Schusswaffe bzw. deren Verwendung zur Deckung der Verfahrenskosten nicht erheblich, da es sich bei Art. 263 Abs. 2 StPO um eine Ordnungsvorschrift handelt (vgl. E. II/3.2 hiervor). Zudem äusserte der Beschwerdegegner selber den Wunsch, dass der Revolver zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet werde (vgl. Urk. 8/14, 8/20, 8/23). Auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren spricht sich der Beschwerdegegner nicht gegen die Beschlagnahme des Revolvers und dessen Verwendung zur

    Deckung der Verfahrenskosten aus, sondern wiederholt, dass er nur die Busse zahlen könne, von der Übernahme der Verfahrenskosten nie die Rede gewesen sei und diese Kosten durch den Erlös aus der Verwertung des Revolvers ohnehin abgegolten würden. Die Beschlagnahme des Revolvers ist somit als gültig zu betrachten und dessen Verwertung zur Deckung der Verfahrenskosten zulässig.

  5. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gutzuheissen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und der sichergestellte Revolver definitiv zu beschlagnahmen und zu verwerten. Bei diesem Verfahrensausgang werden keine Gerichtsgebühren erhoben und keine Entschädigungen zugesprochen.

Da das Statthalteramt des Bezirks Zürich ein Administrativverfahren betreffend Entziehung der Schusswaffen gegen den Beschwerdegegner führt (vgl. Art. 31 des Bundesgesetzes vom 20.6.97 über Waffen, Waffenzubehör und Munition [Waffengesetz, WG; SR 514.54]) und in diesem Zusammenhang um Zustellung des Erledigungsentscheids der hiesigen Kammer ersuchte (vgl. Prot. S. 3), ist der vorliegende Beschluss der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich zwecks Weiterleitung an das Statthalteramt des Bezirks Zü- rich mitzuteilen (§ 11 der Waffenverordnung des Kantons Zürich vom

16.12.98 [WafVO; LS 552.1]).

Es wird beschlossen:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 17. Juni 2016 (GB160010) aufgehoben. Der sichergestellte Revolver, Smith & Wesson, Serien-Nr. CYP ..., wird definitiv beschlagnahmt und der Kasse zur Verwertung übergeben. Der Erlös wird zur Deckung der Kosten im Verfahren der Staatsanwaltschaft Zü- rich-Limmat D-6/2015/10035702 herangezogen.

  2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

  3. Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • den Beschwerdegegner (per Gerichtsurkunde);

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, ad D-6/2015/10035702 (gegen Empfangsbestätigung);

    • das Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, Einzelgericht (gegen Empfangsbestätigung);

    • die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, zweifach, zwecks Weiterleitung an das Statthalteramt des Bezirks Zürich (gegen Empfangsbestätigung);

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:

    • das Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, Einzelgericht, unter gleichzeitiger Rücksendung der beigezogenen Akten (gegen Empfangsbestätigung);

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, ad D-6/2015/10035702, unter gleichzeitiger Rücksendung der im Original eingereichten Beschwerdebeilagen (Urk. 3/1-6) (gegen Empfangsbestätigung).

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 1. Dezember 2016

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Gerichtsschreiberin:

Dr. iur. C. Schoder

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