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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UH150220
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH150220 vom 11.11.2015 (ZH)
Datum:11.11.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verpflichtung zur Geheimhaltung
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Beschwerdegegner; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Geheimhaltung; Verfahren; Akten; Verfügung; Beschwerdegegners; Verfügungen; Verpflichtung; Person; Verteidigung; Arbeitgeberin; Untersuchung; Zürich-Sihl; Antrag; Verfahrens; Zusammenhang; Geheimhaltungspflicht; Angefochtene; Stellung; Akteneinsicht; Beschwerden; Verteidigungsrechte; Einsicht
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 292 StGB ; Art. 421 StPO ; Art. 73 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH150220-O/U, damit vereinigt UH150221-O

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, und lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichter Dr. iur. T. Graf und Gerichtsschreiber Dr. iur.

J. Hürlimann

Beschluss vom 11. November 2015

in Sachen

  1. A. ,
  2. B. ,

Beschwerdeführer

  1. vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. B.

    gegen

    1. Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,
    2. C. ,

    Beschwerdegegner

  2. verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X.

betreffend Verpflichtung zur Geheimhaltung

Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom
13. Juli 2015, F-3/2011/131105523 (Geheimhaltungspflicht A. und B. )

Erwägungen:

  1. a) Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt gegen C. (Beschwerdegegner

    2) eine Strafuntersuchung betreffend Betrug, Verleumdung etc. (vgl. die Ermittlungsaufträge der Staatsanwaltschaft vom 22. Oktober 2012 und 29. März 2013 [Urk. 3/6 im Ordner 1]). Diese Untersuchung geht zurück auf eine von Rechtsanwalt lic. iur. A. (Beschwerdeführer 1) am 26. September 2011 erhobene Strafanzeige betreffend Verleumdung. Der Sachverhaltskomplex steht in Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der D. Holding AG, in deren Verwaltungsrat der Beschwerdeführer 1 Einsitz hat. Dabei soll der Beschwerdegegner 2, welcher Angestellter der E. war, gegenüber F. und weiteren Geschäftspartnern der D. Holding AG den Beschwerdeführer 1 unter anderem bezichtigt haben, Fr. 700'000.-- veruntreut zu haben (Urk. 3/1 im Ordner 1). Die Staatsanwaltschaft nahm bereits verschiedene Untersuchungshandlungen vor, einschliesslich einer Hausdurchsuchung, eines internationalen Rechtshilfeersuchens und eines Gutachtensauftrags. Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zü- rich führt zudem eine Strafuntersuchung gegen den Beschwerdeführer 1 betreffend ungetreue Geschäftsbesorgung. Der Beschwerdeführer 1 bzw. sein Rechtsvertreter Rechtsanwalt lic. iur. B. (zugleich Beschwerdeführer 2) nahmen zum gesamten Sachverhaltskomplex mehrmals in zum Teil ausführlichen Eingaben Stellung und bedienten die Staatsanwaltschaft mit zahlreichen Unterlagen (vgl. Urk. 3 erste Hälfte des Ordners 1). Eine Einvernahme des Beschwerdegegners 2 zu den ihm gemachten Vorwürfen erfolgte jedoch bislang nicht, so dass der Beschwerdegegner 2 noch keine Gelegenheit hatte, Einsicht in die Akten zu nehmen und sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen.

    Mit zwei im wesentlichen gleichlautenden Verfügungen je vom 13. Juli 2015 und unter Hinweis auf die Strafdrohung von Art. 292 StGB verpflichtete die Staatsanwaltschaft die beiden Beschwerdeführer, über das vorliegende Strafverfahren und die vom Verfahren betroffenen Personen Stillschweigen zu bewahren. Davon ausgenommen wurde der Informationsaustausch mit dem jeweils anderen Beschwerdeführer sowie mit Gerichten und Behörden. Die Geheimhaltungsverpflichtung wurde bis zum 10. Januar 2016 befristet, mit der Bemerkung, dass die Verpflichtung verlängert werden könne. Die Staatsanwaltschaft begründete diese Geheimhaltungsverpflichtung damit, der Beschwerdegegner 2 habe eine Anstellung bei einer Bank gefunden. Im Finanzdienstleistungssektor sei eine erhöhte Sensibilität bezüglich der Vertrauenswürdigkeit vorhanden, so dass die Weiterverbreitung an Dritte, dass der Beschwerdegegner 2 in Strafuntersuchung stehe, weitreichende und gravierende Auswirkungen in beruflicher und persönlicher Hinsicht für den Beschwerdegegner 2 haben könnte, ohne dass dieser sich zu den Vorwürfen eingehend und in Kenntnis der vorhandenen Akten im jetzigen Zeitpunkt verteidigen könnte. Die beiden Beschwerdeführer hätten demgegenüber einen Wissensvorsprung, indem sie Kenntnis über sämtliche von ihnen eingereichten Unterlagen hätten. Weiter sei zu berücksichtigen, dass gegen den Beschwerdeführer 1 bezüglich der Vermögenswerte von †G. ebenfalls ein Strafverfahren hängig sei, dieser jedoch Kenntnis der dort vorhandenen Akten habe (Urk. 5 und 6/5).

    b) Mit getrennten, aber wörtlich weitgehend gleichlautenden Eingaben vom 22. Juli 2015 erhoben beide Beschwerdeführer bei der III. Strafkammer des Obergerichts Beschwerde gegen die sie jeweils betreffende Verfügung. Sie beantragen, es seien die beiden Verfügungen ersatzlos aufzuheben (Antrag 1). Weiter sei dem Beschwerdegegner 2 die Einsicht in die Untersuchungsakten der Staatsanwaltschaft zu verweigern, soweit sie mit den vorliegenden Beschwerden nicht in direktem Zusammenhang stehen (Antrag 2; Urk. 2 und 6/2 je S. 2).

    Mit Verfügung vom 28. Juli 2015 vereinigte der Präsident der III. Strafkammer die beiden Beschwerdeverfahren UH150220 (Beschwerdeführer 1) und UH150221 (Beschwerdeführer 2), ordnete an, dass die Verfahren unter der Nummer UH150220 weitergeführt werden und das Verfahren UH150221 als durch Vereinigung erledigt abgeschrieben wird. Gleichzeitig setzte der Kammerpräsident dem Beschwerdegegner 2 und der Staatsanwaltschaft Frist zur Stellungnahme zu den Beschwerdeschriften an (Urk. 7). Mit Beschluss vom 29. Juli 2015 bestätigte die Kammer (als Kollegialgericht) die Abschreibung des Verfahrens UH150221

    (Urk. 9).

    Der Beschwerdegegner 2 beantragt mit seiner Stellungnahme vom 10. August 2015, es seien die Beschwerden bezüglich des jeweiligen Antrags 1 (Aufhebung der angefochtenen Verfügungen) abzuweisen. Mit Bezug auf den jeweiligen Antrag 2 (Verweigerung der Akteneinsicht) sei auf die Beschwerden mangels eines entsprechenden Antrags des Beschwerdegegners 2 auf Akteneinsicht sowie aufgrund von dessen ausdrücklichem Verzicht auf Akteneinsicht nicht einzutreten (Urk. 10 S. 2).

    Die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 14. August 2015, die beiden Beschwerden seien vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter seien die beiden Verfügungen dahingehend einzuschränken, dass die Beschwerdeführer einzig verpflichtet würden, gegenüber aktuellen und künftigen Arbeitgebern des Beschwerdegegners 2 über das vorliegende Verfahren Stillschweigen zu bewahren (Urk. 13).

    Die Beschwerdeführer halten in ihrer Replik vom 9. September 2015 an ihren Anträgen fest (Urk. 19). Die Staatsanwaltschaft verzichtet ausdrücklich auf eine erneute Stellungnahme (Urk. 24). Der Beschwerdegegner 2 liess sich innert angesetzter Frist zur Replik nicht vernehmen.

    Zufolge Ferienabwesenheit eines Richters ergeht dieser Beschluss teilweise nicht in der den Parteien angekündigten Besetzung.

  2. a) Gemäss Art. 73 Abs. 2 StPO kann die Verfahrensleitung die Privatklägerschaft und andere Verfahrensbeteiligte und deren Rechtsbeistände unter Hinweis auf Art. 292 StGB verpflichten, über das Verfahren und die davon betroffenen Personen Stillschweigen zu bewahren, wenn der Zweck des Verfahrens oder ein privates Interesse es erfordert. Die Staatsanwaltschaft begründet die angefochtene Verpflichtung mit einem privaten Interesse des Beschwerdegegners 2. Die beiden Beschwerdeführer bestreiten, dass ein solches im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung vorliegt. Soweit notwendig ist in den folgenden Erwägungen auf die einzelnen Vorbringen der Beschwerdeführer einzugehen.

  1. Gegenüber Beschuldigten und ihrer Verteidigung kann keine Geheimhaltungspflicht angeordnet werden (Urs Saxer / Simon Thurnherr, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, N 16 zu Art. 73 StPO; Daniela Brüschweiler, in: Donatsch/Hansjakob/ Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl., Zürich 2014, N 6 zu Art. 73 StPO); Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, N 6 zu Art. 73 StPO).

    Saxer/Thurnherr halten im Basler Kommentar (a.a.O., N 16 zu Art. 73 StPO) dafür, mit Bezug auf private Interessen sei vor allem an exponierte Zeugen, an Opfer und verdeckte Ermittler zu denken, also an diejenige Personenkategorie, zugunsten derer Schutzmassnahmen zulässig sind. Abzulehnen seien demgegen- über im Grundsatz Schweigepflichten zum Schutz der Persönlichkeit und der Verfahrensrechte der beschuldigten Person, zumal dieser selber keine entsprechende Verpflichtung auferlegt werden könne. Die Beschwerdeführer verweisen auf diese Kommentarstelle und halten fest, dem Beschwerdegegner 2 komme offenkundig keine Funktion der Art von Zeugen, Opfern und Ermittlern oder vergleichbarer Art zu (Urk. 2 und 6/2 je S. 4 f. Rz 13 und 16).

    Der Gesetzestext schliesst Schweigepflichten zum Schutz der Persönlichkeit und der Verfahrensrechte der beschuldigten Person nicht aus. Saxer/Thurnherr schliessen solche im Grundsatz und damit nicht absolut aus. Schweigepflichten sind generell mit Zurückhaltung und nur bei konkretem Anlass zu verfügen, da sie einen erheblichen Eingriff in die Meinungs-, Redeund Handlungsfreiheit der verpflichteten Person darstellen. Sie müssen dem Gebot der Verhältnismässigkeit standhalten (Schmid, a.a.O., N 7 zu Art. 73 StPO; Saxer/Thurnherr, a.a.O., N 17 zu Art. 73 StPO; vgl. auch Urteil Bundesgericht 1B_315/2014 vom 11. Mai 2015 Erw. 4.3).

  2. Die Beschwerdeführer bringen vor, nicht nachvollziehbar sei die Erwägung in den angefochtenen Verfügungen, wonach die Beschwerdeführer einen Wissensvorsprung hätten. Es sei in keiner Weise ersichtlich, wo die Staatsanwaltschaft zwischen diesem Umstand und den Voraussetzungen für die Anordnung einer Verpflichtung zur Geheimhaltung einen Zusammenhang sehe. Der angebliche

    Wissensvorsprung werde zudem mit Nichtwissen bestritten, zumal auch den Beschwerdeführern im vorliegenden Strafverfahren noch nie Einsicht in die Akten gewährt worden sei. Ebenso wenig sei ersichtlich, inwiefern die Staatsanwaltschaft zwischen dem Umstand, dass ein Beschuldigter sich noch nie zu den Akten habe äussern können, und den Voraussetzungen für die Anordnung einer Verpflichtung zur Geheimhaltung zum Schutz von Interessen von Beteiligten einen Zusammenhang sehe (Urk. 2 und 6/2 je S. 4 f. Rz 14 f.).

    Der Beschwerdeführer 1 begnügte sich nicht damit, am 26. September 2011 eine Strafanzeige und einen Strafantrag gegen den Beschwerdegegner 2 einzureichen (Urk. 3/1 im Ordner 1). Vielmehr liess er durch seinen Rechtsvertreter, den Beschwerdeführer 2, mit sieben Eingaben vom 6. Februar 2013, 11. März 2013,

    16. März 2013, 13. Januar 2014, 14. Juli 2014, 16. Oktober 2014 und 20. Januar 2015 zum Teil umfangreiche ergänzende Ausführungen zum gesamten Sachverhaltskomplex anbringen und mit zahlreichen Schriftstücken dokumentieren sowie verschiedene Beweisanträge stellen. Diese Eingaben samt Beilagen füllen einen halben Bundesordner (vgl. Urk. 15 Ordner 1). Die beiden Beschwerdeführer haben also in beträchtlichem Umfang das materielle Fundament der Strafuntersuchung gelegt. Sie verfügen selbstredend über genaue Kenntnis ihrer Vorbringen und der damit verbundenen Aktenstücke. Hierzu bedürfen sie der Akteneinsicht nicht. Der Beschwerdegegner 2 und sein Verteidiger hatten bislang keine Akteneinsicht und damit auch keine Kenntnis vom Inhalt der Vorbringen der Beschwerdeführer. Da der Beschwerdegegner 2 bislang nicht einvernommen wurde, erhielten er und sein Verteidiger auch auf diesem Weg nicht Kenntnis von den Vorbringen. Hinzu kommt, worauf die Staatsanwaltschaft hinweist, dass gegen den Beschwerdeführer 1 bezüglich der in Frage stehenden Vermögenswerte von

    †G. ebenfalls ein Strafverfahren geführt wird und dieser Kenntnis der dortigen (im gleichen Gesamtzusammenhang stehenden) Akten hat. Der von der Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführern zugeschriebene Wissensvorsprung (vgl. Urk. 5 und 6/5 je S. 1 f.) ist evident.

    Zutreffend hält die Staatsanwaltschaft in den angefochtenen Verfügungen fest, dass im Finanzdienstleistungssektor eine erhöhte Sensibilität bezüglich Vertrauenswürdigkeit vorhanden ist. Der Beschwerdegegner 2, ein Vermögensberater, arbeitet bei einer Bank. Sollte diese vom Beschwerdegegner 2 nähere Auskunft darüber verlangen, welche Bewandtnis es mit dem Strafverfahren habe, wäre es für den Beschwerdegegner 2 mindestens streckenweise schwierig, mit der nötigen vertrauensbildenden bzw. vertrauenserhaltenden Klarheit und Sicherheit gegenüber seiner Arbeitgeberin zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen und allenfalls aufzuzeigen, ob und wie weit diese Vorwürfe einen Arbeitsbereich betreffen, der demjenigen bei der heutigen Arbeitgeberin gleich oder ähnlich ist. Die Staatsanwaltschaft hält fest, die Weiterverbreitung an Dritte, dass der Beschwerdegegner 2 in einer Strafuntersuchung stehe, könnte weitreichende und gravierende Auswirkungen in beruflicher und persönlicher Hinsicht für den Beschwerdegegner 2 haben (vgl. Urk. 5 und 6/5 je S. 1).

    Im Strafverfahren gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung (Art. 10 Abs. 1 StPO). Ein Interesse des Beschwerdegegners 2, dass Dritte, insbesondere die Arbeitgeberin, nicht von den Beschwerdeführern darüber informiert werden, dass und weshalb gegen ihn ein Strafverfahren - dessen Ausgang beim gegenwärtigen Ermittlungsstand überdies kaum abschätzbar ist - läuft, ist gegeben. Dieses Interesse ist, insbesondere im Hinblick auf das spezifische Arbeitsumfeld des Beschwerdegegners 2, grundsätzlich ein solches gemäss

    Art. 73 Abs. 2 StPO.

  3. Gegen den Beschwerdeführer 1 läuft bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich unter der Prozessnummer A-6/2012/191100028 im gleichen Sachzusammenhang eine Strafuntersuchung betreffend ungetreue Geschäftsbesorgung (vgl. den Gutachtensauftrag der Staatsanwaltschaft III vom 10. November 2014 sowie den beide Strafverfahren betreffenden gemeinsamen Gutachtensauftrag [Ergänzung] der Staatsanwaltschaften III und Zürich-Sihl vom 5. Dezember 2014, Urk. 15 im Ordner 2). In seinem Begehren an die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 10. Juli 2015 um Verpflichtung der beiden Beschwerdeführer zur Geheimhaltung weist der Beschwerdegegner 2 auf das gegen den Beschwerdeführer 1 bei der Staatsanwaltschaft III laufende Strafverfahren hin. In jenem Verfahren werde der vorliegende Sachverhalt in der Version des Beschwerdegegners 2 - der dort

    Anzeigeerstatter ist - untersucht. Insofern bestehe die Gefahr, dass der Beschwerdeführer 1 gegenüber Dritten im Umfeld des Beschwerdegegners 2 durch Verbreiten seiner Version des Sachverhaltes falsche Tatsachen schaffe

    (Urk. 11/2 S. 2 am Schluss).

    Die Beschwerdeführer machen geltend, mit der Ausdehnung der Geheimhaltungspflicht auf sie werde einem Beschuldigten (dem Beschwerdeführer 1) und dessen Verteidiger (dem Beschwerdeführer 2) in einem Strafverfahren, welches mit dem vorliegenden in engem Zusammenhang stehe, eine Geheimhaltungspflicht auferlegt. Seitens der Beschwerdeführer bestehe die Annahme, dass der Beschwerdegegner 2 mit seinem Antrag auch auf das gegen den Beschwerdefüh- rer 1 geführte Strafverfahren abziele. Dies könne keinesfalls angehen. Selbst wenn diese Vermutung nicht zutreffen würde, werde der Beschwerdeführer 1 in dem gegen ihn geführten Verfahren in vom Gesetzgeber nicht gewollter Weise eingeschränkt (Urk. 2 S. 7 Rz 28, Urk. 6/2 S. 8 Rz 28). Der Beschwerdegegner 2 und die Staatsanwaltschaft nehmen in ihren Beschwerdeantworten (Urk. 10 und

    1. zu diesem Argument nicht Stellung.

      Wie bereits ausgeführt, kann gegenüber Beschuldigten und ihrer Verteidigung keine Geheimhaltungspflicht angeordnet werden. Die Beschwerdeführer sind im vorliegenden Verfahren zwar nicht Beschuldigter und Verteidiger, doch wirkt sich die mit den angefochtenen Verfügungen angeordnete Geheimhaltungspflicht infolge des engen Sachzusammenhangs auf das bei der Staatsanwaltschaft III gegen den Beschwerdeführer 1 geführte Verfahren aus. Der Beschwerdeführer 1 wird in seinen Verteidigungsrechten im gegen ihn geführten Verfahren eingeschränkt, da er und sein Verteidiger, der Beschwerdeführer 2, für - an sich erlaubte - eigene Recherchen und zur Sammlung von entlastendem Material auf Kontakte mit Personen aus dem Umfeld des gemeinsamen Gegenstandes beider Strafverfahren angewiesen sein könnten. Zwar ist die mit den angefochtenen Verfügungen angeordnete Geheimhaltungspflicht bis zum 10. Januar 2016 befristet, so dass die Beschwerdeführer allenfalls notwendige Kontaktaufnahmen mit Dritten im Zusammenhang mit der Ausübung der Verteidigungsrechte grundsätzlich verschieben könnten. Doch steht die genannte Befristung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die Geheimhaltungsverpflichtung verlängert werden könne, so dass die Beschwerdeführer nicht davon ausgehen können, dass sie in der Ausübung ihrer Verteidigungsrechte ab 11. Januar 2016 nicht mehr behindert sein werden. Im übrigen kann es Situationen geben, da Kontaktaufnahmen zu Drittpersonen zur effektiven Ausübung von Verteidigungsrechten unaufschiebbar sind. Es ist den Beschwerdeführern nicht zuzumuten, in einer solchen Situation den untersuchungsführenden Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl um Erlaubnis ersuchen zu müssen, in Lockerung der Geheimhaltungsverpflichtung Verteidigungshandlungen im Zusammenhang mit dem bei der Staatsanwaltschaft III anhängigen Strafverfahren vornehmen zu dürfen.

      Soweit die Geheimhaltungsverpflichtung zu einer Einschränkung der Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers 1 im gegen diesen geführten Strafverfahren führt, ist sie unzulässig.

  4. Schweigepflichten sind mit Zurückhaltung und nur bei konkretem Anlass zu verfügen (Schmid, a.a.O., N 7 zu Art. 73 StPO). Da solche Verfügungen einen erheblichen Eingriff in die Meinungs-, Redeund Handlungsfreiheit und damit in verfassungsmässige Rechte der verpflichteten Personen darstellen, müssen sie dem Gebot der Verhältnismässigkeit standhalten (Saxer/Thurnherr, a.a.O., N 17 zu Art. 73 StPO).

Der Beschwerdegegner 2 brachte in seinem an die Staatsanwaltschaft gerichteten Begehren vom 10. Juli 2015 um Verpflichtung der Beschwerdeführer zur Geheimhaltung vor, er habe in der Zeit, als das Strafverfahren gegen ihn eröffnet worden sei, im Rahmen seiner damaligen selbständigen Erwerbstätigkeit ein Projekt zur Eröffnung eines Family Offices für eine vermögende Person aus dem Raum Frankfurt betrieben, die im August 2013 ihre Einkünfte in Deutschland steuerlich offengelegt habe. Der Beschwerdeführer 1 habe den Beschwerdegegner 2 bei dieser Kundin in verschiedenster Weise diskreditiert und dieser unter anderem mitgeteilt, dass beim Beschwerdegegner 2 eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden sei. Seither sei das Vertrauen zwischen dieser Kundin und dem Beschwerdegegner 2 stark beeinträchtigt. Der Beschwerdegegner 2 habe sich entschieden, die selbständige Erwerbstätigkeit zu unterbrechen und eine Anstellung bei einer Bank gefunden. Der Beschwerdegegner 2 habe zwar im Rahmen des Bewerbungsverfahrens seine neue Arbeitgeberin über den Bestand der Strafuntersuchung gegen ihn orientiert. Wie der Beschwerdeführer 1 durch sein Verhalten gegenüber der Kundin aus Deutschland offenbart habe, müsse aber ernsthaft in Erwägung gezogen werden, dass er den Beschwerdegegner 2 mit dem genauen Inhalt der Strafanzeige bei seiner neuen Arbeitgeberin anschwär- zen werde. Der Beschwerdegegner 2 könne sich gegen allenfalls unrichtige Anschuldigungen nicht wehren und komme im Falle einer Weitergabe solcher Informationen an seine Arbeitgeberin in einen Erklärungsnotstand, der wohl entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen würde (Urk. 11/2 S. 2 f.). In der Beschwerdeantwort wiederholt der Beschwerdegegner 2 in gekürzter Form dieses Vorbringen und verweist auf die zitierte Eingabe an die Staatsanwaltschaft

(Urk. 10 S. 4 Rz 5).

Bei Konstellationen mit Geschädigten / Privatklägern und solchen mit wechselseitigen Strafanzeigen und -anträgen ist immer denkbar, dass ein Beteiligter sich gegenüber Dritten zum Gegenstand des hängigen Strafverfahrens und zur Person des Gegners äussert, dass solche Äusserungen subjektiv geprägt sind und zumindest aus Sicht des betroffenen Gegners als verzerrt oder gar wahrheitswidrig erscheinen. Allein diese Möglichkeit, selbst wenn die gegnerische Arbeitgeberin einer der potentiellen Dritten ist, vermag die mit der Verpflichtung zur Geheimhaltung verbundenen Eingriffe in verfassungsmässige Rechte und Verteidigungsrechte nicht zu rechtfertigen.

Wie der Beschwerdegegner 2 festhält, informierte er selber im Bewerbungsverfahren seine heutige Arbeitgeberin darüber, dass gegen ihn ein Strafverfahren läuft. Dennoch wurde er angestellt. Gemäss dessen Darstellung legte der Beschwerdeführer 1 zwar gegenüber einer Kundin des Beschwerdegegners 2 aus früherer Berufstätigkeit offen, dass gegen diesen ein Strafverfahren läuft und eine Hausdurchsuchung vorgenommen wurde. Doch sind die genauen Umstände und der genaue Inhalt dieser Offenlegung nicht bekannt. Insbesondere führte der Beschwerdegegner 2 nicht aus, dass der Beschwerdeführer 1 die betreffende Kundin über Einzelheiten des gegen ihn gerichteten Vorwurfs orientiert habe. Über

Befürchtungen hinausgehende konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er dies gegenüber der heutigen Arbeitgeberin des Beschwerdegegners 2 oder gegenüber anderen Drittpersonen beabsichtige, zeigte er nicht auf.

Dasselbe gilt in erhöhtem Masse mit Bezug auf den Beschwerdeführer 2. Der Beschwerdegegner 2 bringt keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer 2 sich an Dritte zwecks Diskreditierung des Beschwerdegegners 2 gewandt habe oder Anstalten treffe, sich zu diesem Zweck an solche zu wenden.

Somit verletzt die verfügte Geheimhaltungsverpflichtung das Gebot der Zurückhaltung und der Verhältnismässigkeit. Es sind die Beschwerden gutzuheissen und die beiden angefochtenen Verfügungen ersatzlos aufzuheben.

  1. Der Beschwerdegegner 2 stellte bislang kein Gesuch um Einsicht in die Akten der Strafuntersuchung. Somit hatte die Staatsanwaltschaft auch keine Veranlassung, über ein solches Gesuch zu befinden, und es liegt diesbezüglich keine mit Beschwerde anfechtbare Verfügung vor. Sollte der Beschwerdegegner 2 ein solches Gesuch stellen, so wäre es Sache der Staatsanwaltschaft, aufgrund des sich dannzumal ergebenden Verfahrensstands darüber zu befinden. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren stellte der Beschwerdegegner 2 ebenfalls kein Akteneinsichtsgesuch, so dass sich für das Obergericht die Frage nicht stellt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Beschwerdegegner 2 Akteneinsicht zu gewähren sei. Auf den Antrag der Beschwerdeführer, dem Beschwerdegegner 2 Einsicht in die Untersuchungsakten zu verweigern, ist deshalb nicht einzutreten.

  2. Der heutige Beschluss schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid. Die Regelung der Kostenund Entschädigungsfolgen hat im Endentscheid zu erfolgen (Art. 421 Abs. 1 StPO).

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist zuhanden der das Strafverfahren abschliessenden Strafbehörde in Beachtung der Bemessungskriterien von

§ 2 Abs. 1 lit. b-d GebV OG und gestützt auf § 17 Abs. 1 GebV OG auf Fr. 1'200.-- festzusetzen.

Es wird beschlossen:

  1. Auf den Antrag der Beschwerdeführer, dem Beschwerdegegner 2 Einsicht in die Untersuchungsakten zu verweigern, wird nicht eingetreten.

  2. In Gutheissung der beiden Beschwerden werden die beiden Verfügungen der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 28. Juli 2015 betreffend Verpflichtung der Beschwerdeführer zur Geheimhaltung aufgehoben.

  3. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 1'200.-- festgesetzt.

  4. Die Regelung der Kostenund Entschädigungsfolgen erfolgt im Endentscheid.

  5. Schriftliche Mitteilung an:

    • Rechtsanwalt lic. iur. B. , zweifach für sich und den Beschwerdeführer 1 (per Gerichtsurkunde)

    • Rechtsanwalt MLaw X. , zweifach für sich und den Beschwerdegegner 2 (per Gerichtsurkunde)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, ad F-3/2011/131105523, unter gleichzeitiger Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 15] (gegen Empfangsbestätigung)

    • das Zentrale Inkasso der Gerichte (elektronisch)

  6. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93 des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der

Ersten öffentlich-rechtlic he n Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne

  1. in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 11. November 2015

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Gerichtsschreiber:

Dr. iur. J. Hürlimann

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