Zusammenfassung des Urteils UE180335: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschwerdeführer A hat Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 22. November 2018 eingereicht, da er sich durch eine öffentliche Liste auf dem Twitter-Account des Beschwerdegegners B, die ihn fälschlicherweise als vorbestraft darstellte, in seiner Ehre verletzt fühlte. Nach einer Vergleichsverhandlung zog A seinen Strafantrag zurück, woraufhin die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellte. A erhob daraufhin Beschwerde, die jedoch abgewiesen wurde, da die Verfahrenseinstellung rechtens war. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 800 trägt A, der Beschwerdegegner B erhält keine Entschädigung.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE180335 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 04.04.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Einstellung |
Schlagwörter : | Staatsanwalt; Staatsanwalts; Staatsanwaltschaft; Beschwerdegegner; Verfahren; Vergleich; Recht; Verfahrens; Verfahren; Vergleichs; Vergleichsverhandlung; Einigung; Beschwerdeverfahren; -Limmat; Antrag; Beschwerdeführers; Zürich-Limmat; Einstellung; Verfahrens; Parteien; Verfahrenseinstellung; Willen; Obergericht; Beschluss; Person; Vereinbarung; Kaution; ührt |
Rechtsnorm: | Art. 106 StPO ;Art. 316 StPO ;Art. 322 StPO ;Art. 33 StGB ;Art. 428 StPO ; |
Referenz BGE: | 143 IV 104; 79 IV 97; |
Kommentar: | Alexander Brunner, Basler Kommentar StGB Bd. II, Art. 165 StGB, 2007 |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE180335-O/U/MAN
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, die Oberrichterinnen
lic. iur. C. Gerwig und lic. iur. N. Kaiser Job sowie Gerichtsschreiberin Dr. iur. S. Zuberbühler Elsässer
Beschluss vom 4. April 2019
in Sachen
Beschwerdeführer
gegen
Beschwerdegegner betreffend Einstellung
Erwägungen:
Am 15. bzw. 16. Mai 2018 erstattete A. (Beschwerdeführer) Strafanzeige gegen B. (Beschwerdegegner 1) wegen übler Nachrede etc. und beantragte dessen Bestrafung. Der Beanzeigte habe auf seinem Twitter Account unter dem Titel Vorbestraft eine für Dritte einsehbare Liste erstellt und ihn - den Beschwerdeführer als einzige Person hinzugefügt, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt über keinen Strafregistereintrag verfügt habe. Dies verletze ihn in seiner Ehre und beeinträchtige die Jobsuche. Der Beschwerdegegner 1 habe gewusst, dass er auf der Suche nach einer Anstellung als Gymnasiallehrer gewesen sei (Urk. 12/1 und Urk. 12/2).
Die zuständige Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat lud den Beschwerdeführer und den Beschwerdegegner 1 auf den 22. November 2018 zu einer Vergleichsverhandlung vor (vgl. Urk. 12/6). Im Rahmen der an diesem Datum geschlossenen Vereinbarung zog der Beschwerdeführer den Strafantrag gegen den Beschwerdegegner 1 zurück (Urk. 12/4). Die Staatsanwaltschaft verfügte gleichentags die Einstellung des Strafverfahrens (Urk. 3).
Mit Eingabe vom 22. Dezember 2018 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig (vgl. Urk. 12/10) Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung. Er beantragte, die Sache sei an die Staatsanwaltschaft zur Fortsetzung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdegegner 1 zurückzuweisen, eventualiter sei der fallführende Staatsanwalt wegen Voreingenommenheit zu ersetzen (Urk. 2). Innert Frist ging die ihm auferlegte Kaution von Fr. 1'500.bei der Obergerichtskasse ein (vgl. Urk. 5 und Urk. 7 f.). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Vernehmlassung und beantragte die Abweisung der Beschwerde (Urk. 11). Der Beschwerdegegner 1 liess sich innert Frist nicht vernehmen (vgl. Urk. 9 und Urk. 13).
Infolge Neukonstituierung der Kammer ergeht der vorliegende Beschluss teilweise nicht in der den Parteien ursprünglich angekündigten Besetzung.
1. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen den Beschwerdegegner 1 infolge eines Prozesshindernisses gestützt auf Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO ein. Sie verwies auf die anlässlich der Vergleichsverhandlung vom 22. November 2018, unter der Mitwirkung des verfahrensleitenden Staatsanwaltes, geschlossene Vereinbarung (Urk. 3).
Der Beschwerdeführer vertritt zusammengefasst den Standpunkt, der Vergleich und damit die Verfahrenseinstellung seien durch unrichtige Feststellung des Sachverhalts, Ermessensfehler, Rechtsverweigerung und Androhung prozessualer Nachteile erzwungen worden (Urk. 2 S. 3).
2.
Bilden wie vorliegend Antragsdelikte Gegenstand eines Verfahrens (vgl. Art. 173 f. StGB), können die antragstellende und die beschuldigte Person zu einer Vergleichsverhandlung vorgeladen werden (Art. 316 Abs. 1 StPO). Im Einigungsfall wird das Verfahren eingestellt (Art. 316 Abs. 3 StPO). Zieht die mutmasslich geschädigte Person im Rahmen der Einigung ihren Strafantrag zurück, führt dies zum selben Ergebnis. Es mangelt in der Folge endgültig (vgl. Art. 33 Abs. 2 StGB) an einer Prozessvoraussetzung (Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO). Scheitern die Einigungsbemühungen, ist die Strafuntersuchung unverzüglich an die Hand zu nehmen (Art. 316 Abs. 4 StPO).
Die Vergleichsverhandlung vom 22. November 2018 führte unstrittig zum Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner 1. Diese schliesst den Rückzug des Strafantrags durch Ersteren betreffend die von ihm am 15. Mai 2018 beanzeigten Ehrverletzungsdelikte ein. Ausserdem erklärte er, Kenntnis davon zu nehmen, dass damit das Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner 1, unter Vorbehalt der gesetzlich vorgesehenen Genehmigung durch die Leitung der Staatsanwaltschaft (vgl. Art. 322 Abs. 1 StPO und § 103 Abs. 2 lit. a GOG/ZH), eingestellt werden wird (Urk. 12/4 S. 2). Der Beschwerdeführer hat somit unmissverständlich seinen Willen kundgetan, den Strafantrag in Kenntnis der Rechtsfolgen zurückzuziehen. Die
entsprechende Willenserklärung ist grundsätzlich unwiderruflich (Art. 33 Abs. 2 StGB; vgl. sodann BGE 143 IV 104, 111 f. E. 5.1, m.w.H.). Dies gilt gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch dann, wenn der Rückzug aufgrund eines Willensmangels bzw. eines Irrtums zustande gekommen ist, soweit dies nicht auf einer Drohung Täuschung beruht (vgl. BGE 79 IV 97, 101 E. 4; Urteile BGer 6P.88/2006 vom 1. Februar 2007 E. 5.4.4 und 6S.439/2003 vom 11. August
2004).
Gründe, um an der Urteilsfähigkeit des Beschwerdeführers (und damit der Gültigkeit seiner Rückzugserklärung, vgl. Art. 106 StPO) zu zweifeln, bestehen offenkundig nicht. Ebenso wenig bestehen gestützt auf die Vorbringen des Beschwerdeführers Anhaltspunkte für eine allenfalls beachtliche Zwangsausübung eine Täuschung von Seiten der Staatsanwaltschaft.
Die Regelung nach Art. 316 StPO zielt auf eine Konfliktbewältigung mittels Einigung zwischen Geschädigtem und Täter ab. Es handelt sich zwar um eine KannVorschrift, jedoch entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, dass von Seiten der Untersuchungsbehörden grundsätzlich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, es sei denn eine Einigung fällt von vornherein ausser Betracht (vgl. Landshut/Bosshard, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, StPO Komm., 2. Aufl. 2014, Art. 316 N 5, m.H. auf die Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085, 1268). Dass die Staatsanwaltschaft anlässlich einer anberaumten Vergleichsverhandlung mit einer gewissen Insistenz eine Einigung herbeizuführen versucht, mag von den Parteien allenfalls als Druckausübung empfunden werden. Allein aufgrund ihrer subjektiven Empfindung kann aber nicht davon ausgegangen werden, es sei die Grenze unzulässigen Zwangs überschritten worden.
Der Beschwerdeführer moniert, ihm sei trotz Verlangens keine Bedenkfrist eingeräumt worden (Urk. 2 S. 2). Zwar besteht die Möglichkeit der Sistierung des Verfahrens, um privat von der Staatsanwaltschaft im Rahmen von Art. 316 StPO initiierte Vergleichsverhandlungen zu ermöglichen und allenfalls einem erfolgreichen Abschluss zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. Art. 314 Abs. 1 lit. c StPO). Es besteht aber kein Anspruch auf eine Aussetzung des Verfahrens die Einräumung einer Bedenkfrist. Vielmehr liegt das diesbezügliche Vorgehen im Ermessen der Staatsanwaltschaft, die auch gehalten ist, unnötige Verzögerungen zu verhindern (vgl. Landshut/Bosshard, a.a.O., Art. 314 N 15 f.).
Die vom Beschwerdeführer beanzeigte Ehrverletzung steht im Kontext einer regen Twitter Aktivität und mitunter provokativ formulierten Tweets auf beiden Seiten sowie eines vorangegangenen Verfahrens gegen den Anzeigeerstatter selber wegen einer Ehrverletzung gegenüber einer Drittperson (vgl. Urk. 12/3; Urk. 12/5/2). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Staatsanwalt im Rahmen der Vergleichsgespräche wie vom Beschwerdeführer geschildert (vgl. Urk. 2 S. 1 f.) - das gegenseitige Gebaren der Parteien und damit die Verhältnisse insgesamt in die Diskussion einbrachte. Zudem war es dem Staatsanwalt unbenommen, seine vorläufige Rechtsauffassung kundzutun, und er war insbesondere auch dazu befugt bzw. verpflichtet, die Parteien über die Folgen einer Einigung Nichteinigung zu informieren. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (Urk. 2 S. 1 f.) hat dies weder mit Parteilichkeit zu tun, noch ist darin eine (widerrechtliche) Drohung zu erblicken, auch wenn ihm ein voraussichtlich ungünstiger Verfahrensausgang mit Kostenfolgen in Aussicht gestellt worden sein sollte. Der Darstellung, wonach der Staatsanwalt jegliche mündliche Erläuterung seiner Einschätzung verweigert habe, widerspricht der Beschwerdeführer sodann selber, führt er doch aus, Ersterer habe Umstände genannt, die eine Verfahrenseinstellung rechtfertigten (Urk. 2 S. 2, erster und zweiter Absatz).
Die Frage, ob eine Verfahrenseinstellung aus materiellen Gründen zu stützen gewesen wäre, stellt sich im Rahmen der vorliegenden Beurteilung nicht. Auf die diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers (Urk. 2 S. 2 f.) braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden. Selbst eine vom Staatsanwalt anlässlich der Vergleichsverhandlung allenfalls vertretene, unzutreffende Rechtsauffassung begründete für sich jedenfalls noch keine Täuschung. Dem Beschwerdeführer hätte es frei gestanden, aus den von ihm nun im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründen einen Vergleich abzulehnen und sich hernach gegen eine allenfalls gleichwohl ergangene Verfahrenseinstellung zur Wehr zu setzen. Auf seiner stattdessen im Rahmen des Vergleichs abgegebenen, unmissverständlichen Erklärung, den Strafantrag zurückzuziehen, muss er sich behaften lassen.
3. Zusammenfassend wurde das Verfahren gegen den Beschwerdegegner 1 infolge eines Prozesshindernisses zu Recht eingestellt. Ausführungen zu seinem (eventualiter) gestellten Antrag um Ersetzung des fallführenden Staatsanwalts er- übrigen sich. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Ausgangsgemäss hat der unterliegende Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO) und keinen Anspruch auf Entschädigung. In Beachtung der Bemessungskriterien von § 2 Abs. 1 lit. b-d GebV OG (Bedeutung des Falls, Zeitaufwand des Gerichts, Schwierigkeit des Falls) und gestützt auf § 17 Abs. 1 GebV OG ist die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren auf Fr. 800.festzusetzen.
Der Beschwerdegegner 1 liess sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht vernehmen. Mangels wesentlicher Umtriebe ist ihm keine Entschädigung zuzusprechen.
Die Gerichtsgebühr ist mit der vom Beschwerdeführer geleisteten Kaution zu verrechnen. Im Restbetrag ist die Kaution nach Rechtskraft dieses Beschlusses zurückzuerstatten, vorbehältlich allfälliger Verrechnungsansprüche des Staates.
Es wird beschlossen:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 800.festgesetzt und dem Beschwerdeführer auferlegt.
Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäss Ziffer 2 werden von der Sicherheitsleistung des Beschwerdeführers bezogen. Im Restbetrag wird die Sicherheitsleistung dem Beschwerdeführer zurückerstattet, unter Vorbehalt allfälliger Verrechnungsansprüche des Staates.
Schriftliche Mitteilung an:
den Beschwerdeführer, unter Beilage von Urk. 11 in Kopie (per Gerichtsurkunde)
den Beschwerdegegner 1, unter Beilage von Urk. 11 in Kopie (per Gerichtsurkunde)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (gegen Empfangsbestätigung)
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, unter Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 12] (gegen Empfangsbestätigung)
die Zentrale Inkassostelle der Gerichte (elektronisch)
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 4. April 2019
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. A. Flury
Gerichtsschreiberin:
Dr. iur. S. Zuberbühler Elsässer
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