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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SU230035: Obergericht des Kantons Zürich

Ein Gerichtsbeschluss vom 6. Oktober 2020 betrifft eine Streitsache zwischen einer Person und dem Amt für Invalidenversicherung des Kantons Waadt. Die Person hatte eine Frist zur Zahlung von Gerichtskosten, die sie aufgrund von gesundheitlichen Problemen und psychischer Belastung überschritt. Nach einer Mahnung zahlte sie die Kosten verspätet. Da sie jedoch keine medizinischen Unterlagen vorlegte, die ihre Zahlungsunfähigkeit belegten, wurde der Einspruch als unzulässig erklärt. Die Richterin entschied, dass der Einspruch unzulässig ist, keine Gerichtskosten erhoben werden und die bereits gezahlten Kosten zurückerstattet werden. Die Gewinnerperson ist weiblich

Urteilsdetails des Kantongerichts SU230035

Kanton:ZH
Fallnummer:SU230035
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SU230035 vom 01.02.2024 (ZH)
Datum:01.02.2024
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Einfache Verletzung der Verkehrsregeln
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Zeuge; Fahrzeug; Berufung; Vorinstanz; Mobiltelefon; Lenkrad; Urteil; Bezirk; Bülach; Zeugen; Aussage; Sachverhalt; Statthalteramt; Aussagen; Fahrzeuge; Höhe; Person; Verteidigung; Eingabe; Sachverhalts; Personenwagen; Lenkrades; Blick; Verfahren
Rechtsnorm:Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 398 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:141 IV 305; 141 IV 369; 146 IV 88;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SU230035

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SU230035-O/U/cs

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. Bertschi, Präsidentin, Oberrichterin lic. iur. Ohnjec und Oberrichter lic. iur. Hoffmann sowie Gerichtsschreiberin MLaw Meier

Urteil vom 1. Februar 2024

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Statthalteramt Bezirk Bülach, UntersuchungsBehörde und Berufungsbeklagte

betreffend einfache Verletzung der Verkehrsregeln

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom 24. Februar 2023 (GC230003)

Strafbefehl:

Der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Bülach vom 21. März 2022 (Urk. 2) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

1. Der Beschuldigte ist schuldig der einfachen Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV.

  1. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 300.

  2. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.

  3. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 900 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 430 gebühr Statthalteramt

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Entscheidgebühr um einen Drittel.

  4. Die Kosten werden dem Beschuldigten auferlegt.

  5. Dem Beschuldigten wird keine Entschädigung zugesprochen.

    BerufungsAnträge:

    Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 21 S. 2)

    1. Das Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 24. Februar 2023 sei voll- umfänglich aufzuheben und der Beschuldigte sei vom Vorwurf der einfachen Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m.

      Art. 31 SVG, Art. 3 Abs. 1 VRV freizusprechen (Art. 399 Abs. 3 lit. a + b StPO);

    2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, letztere zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer, zu Lasten des Staates.

      Erwägungen:

      1. Verfahrensgang
        1. Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene, Mändlich eröffnete Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom 24. Februar 2023 liess der Beschuldigte mit Eingabe vom 6. März 2023 rechtzeitig Berufung anmelden (Prot. I S. 16 f.; Urk. 14). Nach Erhalt der begründeten Urteilsausfertigung reichte die Verteidigung mit Eingabe vom 16. Mai 2023 innert der gesetzlichen Frist von Art. 399 Abs. 3 StPO die BerufungsErklärung ein (Urk. 16; Urk. 18; Urk. 21).

        2. Mit präsidialVerfügung vom 26. Mai 2023 wurde dem Beschuldigten Frist angesetzt, die BerufungsErklärung zu präzisieren unter Angabe von Allfälligen BeweisAnträgen (Urk. 23). Der Beschuldigte liess mit Eingabe vom 9. Juni 2023 einen Beweisantrag stellen (Urk. 25). Mit präsidialVerfügung vom 15. Juni 2023 wurde die BerufungsErklärung samt Beweisantrag dem Statthalteramt Bezirk Bülach zugestellt, unter Ansetzung einer Frist, um zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben ein Nichteintreten auf die Berufung beantragt werde (Urk. 26). Das Statthalteramt Bezirk Bülach verzichtete mit Eingabe vom 26. Juni 2023 auf Anschlussberufung und auf das Stellen eines Antrages (Urk. 28).

        3. Am 30. Juni 2023 wurde gestützt auf Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO die Durchführung des schriftlichen Verfahrens beschlossen und, nachdem der Beschuldigte seine Berufung bereits in der BerufungsErklärung begründet hatte, dem Statthalteramt Bezirk Bülach gleichzeitig Frist zur Einreichung der schriftlichen Berufungsantwort bzw. der Vorinstanz zur freigestellten Vernehmlassung angesetzt

        (Urk. 29), worauf sowohl das Statthalteramt Bezirk Bülach als auch die Vorinstanz verzichteten (Urk. 31-32). Am 25. Juli 2023 ging das vom Beschuldigten aufforderungsgemäss ausgefällte Datenerfassungsblatt ein (Urk. 26, 35). Mit Eingabe vom

        26. Juli 2023 reichte der Verteidiger des Beschuldigten aufforderungsgemäss seine Honorarnote ein (Urk. 33, 36, 37/1-2). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

      2. Prozessuales
        1. Der Beschuldigte ficht das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich an (Urk. 21). Damit bildet das ganze vorinstanzliche Urteil Berufungsgegenstand und ist mithin in keinem Punkt in Rechtskraft erwachsen.

        2. Bilden wie im vorliegenden Fall ausschliesslich übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden, das Urteil sei rechtsfehlerhaft die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig beruhe auf einer Rechtsverletzung. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO). Bei der überPrüfung des Sachverhalts ist die Kognition des Berufungsgerichts auf offensichtlich unrichtige auf einer Rechtsverletzung basierende Feststellungen der Vorinstanz beschränkt. Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist. Willkür liegt nach stündiger Rechtsprechung nur vor, wenn die BeweisWürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Vorinstanz in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit

        der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint gar vorzuziehen wäre, genügt nicht (BGE 146 IV 88, E. 1.3.1; BGE 141 IV 369, E. 6.3; BGE 141 IV 305, E. 1.2; je mit Hinweisen). In

        Bezug auf die von der Vorinstanz vorgenommene rechtliche Würdigung unterliegt das Berufungsgericht hingegen keiner Beschränkung seiner überPrüfungsbefug- nis. Vielmehr hat es sämtliche Rechtsfragen mit freier Kognition zu beurteilen (SK-ZIMMERLIN, 3. Aufl. 2020, N 23 zu Art. 398 StPO).

          1. Mit Eingabe vom 9. Juni 2023 liess der Beschuldigte erneut den bereits vor Vorinstanz gestellten Beweisantrag auf Durchführung eines Augenscheins stellen (Urk. 25). Konkret beantragte er, es seien die Sichtverhältnisse vom Fahrersitz ei- nes Mittelklasse Personenwagens (z.B. Tesla Modell 3, BMW 3er Reihe, VW Passat, Mercedes C Klasse, Audi A3 etc.) durch das Fahrerseitenfenster auf den Lenker eines FORD AUS, Ranger 2.0TDCi4x4, der am unteren Rand des Steuerra- des ein Mobilfunktelefon in der Hand hält, aus unterschiedlichen Distanzen zu prüfen.

          2. Die Vorinstanz wies den Beweisantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass aufgrund des unbekannten Fahrzeugtyps, welchen der Zeuge zum Tatzeitpunkt fuhr, sowie nicht vorhandener Anhaltspunkte hinsichtlich des Abstandes zwischen den Fahrzeugen die Frage, ob es dem Zeugen möglich gewesen sei, auf das Lenkrad des Beschuldigten zu blicken, nicht mittels Augenschein zu klären möglich gewesen sei (Urk. 19 S. 3 f.). Massgebend dafür wären insbesondere die Höhenverhältnisse der beiden Fahrzeuge gewesen, weshalb der beantragte Augenschein als offensichtlich untauglich beurteilt wurde.

        3.3 Der Verteidiger wendet ein, die Vorinstanz habe übersehen, dass der Beschuldigte anlässlich der Einvernahme vom 10. Oktober 2022 zu Protokoll gegeben habe, dass der Zeuge einen mittelgrossen Personenwagen gefahren sei. Zwar möge der genaue Fahrzeugtyp nicht bekannt sein, es sei zumindest erstellt, dass der Zeuge ein kleineres und insbesondere tiefer liegendes Auto gefahren sei als der Beschuldigte; dieser habe Nämlich einen Ford Ranger einen Pickup gefahren. Dass im Rahmen der Zeugenbefragung der Zeuge nicht nach dem von

        ihm gefahrenen Auto gefragt worden sei, könne nicht zulasten des Beschuldigten ausgelegt werden. Was den Abstand zwischen den beiden Autos betreffe, sei zu berücksichtigen, dass sich das Ganze auf zwei Autobahnspuren abgespielt habe. Dieser spiele aber ohnehin keine Rolle, da der untere Rand des Lenkrades vollkommen von der BeifahrerTüre verdeckt werde und damit aus keiner Distanz sichtbar sei (vgl. Urk. 25 S. 3 f.). tatsächlich stellt sich vorliegend die Frage, wie es dem Zeugen möglich war, aus einem Mittelklassewagen einen Gegenstand im unteren Bereich des Lenkrads eines Pickups zu beobachten, wenn beim Ford Ranger der untere Bereich des Lenkrades durch die FahrzeugTüre abgedeckt wird (vgl. dazu Fotos in Urk. 10 und Urk. 22/1-3). Angesichts des Umstands, dass der Beschuldigte freizusprechen ist (vgl. dazu nachfolgend), erübrigt sich eine eingehendere Auseinandersetzung mit dieser Frage und damit auch mit dem Beweisantrag des Beschuldigten.

      3. Schuldpunkt
          1. Im Strafbefehl vom 21. März 2022 wird dem Beschuldigten vorgeworfen, am

            5. September 2021 um 11.55 Uhr auf der Autobahn A51, Höhe B. , in Richtung Zürich gefahren zu sein und dabei während circa acht Sekunden bzw. auf einer Strecke von 300 bis 400 Metern sein Mobiltelefon in der rechten Hand auf Lenkradhöhe gehalten und dabei mindestens einmal mit dem rechten Daumen auf das Display getippt zu haben. Weiter sei sein Blick mehrmals nach unten in Richtung des Displays gerichtet gewesen. Hierdurch wäre es dem Beschuldigten bei unvorhersehbar eintretender Geschehnisse nicht möglich gewesen, ohne Verzügerung adäquat zu reagieren. Dies habe der Beschuldigte gewusst und mit seiner Handlungsweise zumindest billigend in Kauf genommen (vgl. Urk. 2).

          2. Anerkannt hat der Beschuldigte einzig, dass er am 5. September 2021 zur genannten Zeit auf der Autobahn A51 in Richtung Zürich unterwegs gewesen ist (Urk. 2/7 F/A 5; Prot. I F/A 19). Im übrigen bestreitet er den ihm vorgeworfenen Sachverhalt.

          1. Die Vorinstanz stätzt sich in ihrer BeweisWürdigung auf die Aussagen des Beschuldigten anlässlich der Einvernahme vom 10. Oktober 2022 und jener in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Bülach (Urk. 2/7; Prot. I S. 5 ff.) sowie auf den Polizeirapport vom 5. September 2021 und die Aussagen des Zeugen bei der Einvernahme vom 24. Oktober 2022 (Urk. 2/1; Urk. 2/15). Nach einer Glaubwürdigkeits- und GlaubhaftigkeitsPrüfung der Aussagen kam die Vorinstanz zum Ergebnis, dass sich die Sachverhaltsschilderung des Zeugen abgesehen von den Zeit- und Distanzangaben vollumfänglich glaubhaft erweise (Urk. 19 E. III. 5.2.5.). Dem Aussageverhalten des Beschuldigten hingegen fehle es an Konstanz, seine Aussagen enthielten diverse Fantasiesignale und wesentliche Realitätskriterien würden fehlen, weshalb die Vorinstanz die Sachverhaltsdarstellung des Beschul- digten als wenig glaubhaft erachte (Urk. 19 E. III 5.3.4.). Den Sachverhalt sieht sie damit wie folgt als erstellt: Der Beschuldigte sei am 5. September 2021 um

            11.55 Uhr auf der Autobahn A51, Höhe B. , in Richtung Zürich gefahren und habe dabei während circa 8 Sekunden sein Mobiltelefon in der rechten Hand auf Lenkradhöhe gehalten und mindestens einmal mit dem rechten Daumen auf das Display getippt. Weiter sei sein Blick mehrmals nach unten in Richtung des Displays gerichtet gewesen (Urk. 19 E. III. 7.).

          2. Die vorinstanzliche Würdigung der Aussagen der Beteiligten (Urk. 19 E. III. 5.2.-7.) erscheint nicht von vornherein abwegig. Aus den Aussagen des Beschul- digten ergeben sich offenkundige Widerspräche, die Aussagen wirken teilweise lückenhaft und beschönigend. Einmal habe sich das Mobiltelefon des Beschuldigten auf dem Hintersitz des Fahrzeuges und dann aber im hinteren Fach des Beifahrersitzes befunden (Urk. 2/7 F/A 5; Prot. I F/A 30-32). Keine Erklärung lieferte der Beschuldigte, weshalb er das Mobiltelefon während der Fahrt ausgeschaltet hatte (Urk. 2/7 F/A 5; Prot. I F/A 28 ff.). Er äusserte einzig, dies mache er hin und wieder so, was wenig glaubhaft erscheint. Auch dass er sich nicht mehr an die Farbe und das Modell des Mobiltelefons erinnert (Prot. I F/A 25 f.), erscheint unglaubhaft und realitätsfremd.

          3. Demgegenüber hat die Vorinstanz die Sachverhaltsdarstellung des Zeugen als glaubhaft und plausibel erachtet (Urk. 19 E. III. 6.). Nebst den von der Vorinstanz erwähnten Widersprächen, dass kaum denkbar sei, dass innerhalb von acht Sekunden drei überholvorg?nge stattgefunden hätten und bei einer Geschwindigkeit von rund 120 km/h lediglich eine Distanz von 400 Meter zurückgelegt worden sei (Urk. 19 E. III. 5.2.3.), finden sich jedoch weitere Ungereimtheiten in den Aussagen des Zeugen. So will der Zeuge gemäss Polizeirapport vom 5. September 2021 den Beschuldigten während dem Fahren beim Tippen auf einem schwarzen Mobiltelefon auf Lenkradhöhe beobachtet haben (Urk. 2/1 S. 2). Anlässlich der Zeugenbefragung führte er aus, dass er anhand der Geschützten Grösse und ei- nes Tippens, welches er gesehen habe, davon ausgegangen sei, dass der Beschuldigte ein Mobiltelefon in der Hand gehalten haben müsse. Aber auch wenn es kein Mobiltelefon gewesen wäre, hätte es den Beschuldigten während seiner Fahrt abgelenkt (Urk. 2/15 F/A 13). Weiter gab der Zeuge zu Protokoll, der Beschuldigte habe sein Mobiltelefon am unteren Rand des Steuerrades gehalten (Urk. 2/15 F/A 15). Im Polizeirapport schilderte er, anlässlich der Polizeikontrolle gesehen zu haben, dass der Beschuldigte ein grosses schwarzes Mobiltelefon in seiner rechten Hosentasche getragen habe (Urk. 2/1 S. 2). Anlässlich seiner Befragung erinnert er sich aber nicht mehr daran, wo der Beschuldigte das Mobiltelefon zu diesem Zeitpunkt aufbewahrt hatte (Urk. 2/15 F/A 18 ff.). Auf die Frage, ob der Zeuge gesehen habe, dass der Beschuldigte seinen Blick lediglich mit den Augen mit seinem Kopf nach unten gerichtet habe, antwortete er: Ich bin der Meinung, dass er seinen Kopf gesenkt hatte, weil nur ein Auge herunter richten, hätte ich wahrscheinlich nicht gesehen, da ich alleine im Fahrzeug war und mich auch auf das Fahren konzentrieren musste (Urk. 2/15 F/A 17). Zudem soll der Zeuge dem Beschuldigten hinterher fahrend über den rechten Aussenspiegel des Fahrzeugs des Beschuldigten beobachtet haben, wie der Beschul- digte nach dem Überholmanöver noch immer mit seinem Mobiltelefon beschöftigt gewesen sei (Urk. 2/1 S. 2), was wie die Verteidigung vorbringt (Urk. 21 S. 6) selbst bei Unterschreitung des Mindestabstands aufgrund der Grösse des Seitenspiegels und der Grösse eines darin zu sehenden Handys doch schwer zu beobachten ist (dazu auch nachfolgend).

          4. Die Verteidigung bringt vor, es sei unmöglich, dass der Zeuge aus einem mittelgrossen Personenwagen ein Mobiltelefon auf Höhe des unteren Bereichs

            des Lenkrades im höhergelegenen Pickup des Beschuldigten hätte erblicken kön- nen, zumal der Blick durch die Türe verdeckt worden sei. Der Abstand zwischen den Fahrzeugen sei aufgrund der Verkehrsregeln begrenzt gewesen und spiele ohnehin keine Rolle, da, unabhängig vom Abstand, die Sicht auf den unteren Bereich des Lenkrades verdeckt gewesen sei (Urk. 21 S. 4). Zudem erscheine es doch schwierig, durch den kleinen Seitenspiegel indirekt ein schwarzes Mobiltelefon im schwarzen Innenraum eines Fahrzeuges sehen zu können und dabei gleichzeitig selbst ein Fahrzeug zu lenken (vgl. Urk. 9 S. 5; Urk. 21 S. 6).

          5. Die Vorinstanz erwog, dass es nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne weiteres möglich sei, den Lenkbereich eines anderen Fahrzeugs einzusehen, dies sowohl durch das Seitenfenster als auch über dessen Rückspiegel. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschliessen, dass ein Allfälliger Höhenunterschied die Sicht von sämtlichen denkbaren Positionen während des gesamten überholvorgangs vollständig versperrt hätte (Urk. 19 E. III 5.2.4.). Ausser Acht gelassen hat die Vorinstanz dabei jedoch, dass der Zeuge aussagte, der Beschuldigte habe das Mobiltelefon am unteren Rand des Lenkrades gehalten (vgl. Urk. 2/15 F/A 15). Der Beschuldigte gab anlässlich der Einvernahme vom

            10. Oktober 2022 zu Protokoll, dass der Zeuge einen mittelgrossen Personenwagen gefahren sei. Auch anlässlich der vorinstanzlichen Befragung gab er an, es habe sich um einen normalen Personenwagen und nicht um einen SUV gehandelt (Prot. I S. 13). Von dieser Aussage ist auszugehen. Weder aus dem Polizeirapport noch aus der Zeugenbefragung geht zwar der Fahrzeugtyp hervor, aus welchem der Zeuge den Beschuldigten im Tatzeitpunkt beobachtet hat. Die tatsächliche Grösse des vom Zeugen gelenkten Fahrzeuges blieb unbekannt, weshalb auch keine Schlüsse über die Höhenverhältnisse zwischen den Fahrzeugen gezogen werden können. Angesichts der Aussage des Beschuldigten kann aber jedenfalls ausgeschlossen werden, dass der Zeuge ebenfalls ein höher gelegenes Fahrzeug gefahren ist. Handelte es sich bei seinem Fahrzeug um einen normalen Personenwagen, ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Sicht während des überholens auf den unteren Rand des Lenkrades des Beschuldigten möglich war. Dem Verteidiger ist beizupflichten, dass die nicht genau bekannten Verhältnisse nicht zu Lasten des Beschuldigten gewertet werden können. Auch

            erscheint es fraglich dies im Hinblick auf die Situation nach dem Überholmanöver des Beschuldigten , wie genau über den rechten Aussenspiegel eines Fahrzeugs sein Innenraum durch eine hinter ihm fahrende Person beobachtbar ist und die sich darin abspielenden Vorgänge wahrnehmbar sind, verfügen doch Seitenspiegel über relativ kleine Flächen und ist das darin Abgebildete aus der Distanz eines dahinter fahrenden Fahrzeugs auf der Autobahn entsprechend schwer nachzuvollziehen.

          6. Auch wenn es sein könnte, dass der Zeuge bei einem kurzen Blick während des Überholmanövers gesehen haben soll, dass der Beschuldigte etwas am unteren Lenkrad herumtippte, ist dies nicht zweifelsohne auf die Bedienung eines Mobiltelefons zu deuten. Es kann ebenso gut sein, dass der Beschuldigte die Einstellung des Tempomats, die MusiklautsTürke ähnliches bediente. Ein (kurzer) Blick nach unten lässt denn auch nicht darauf schliessen, dass der Beschuldigte derart abgelenkt gewesen sein Müsste, um nicht adäquat auf unvorhersehbare Verkehrsverhältnisse reagieren zu können. Es wurden ferner auch keine Schlangenlinien sonstige unkonzentrierte Fahrverhaltensweisen vom Zeugen im Polizeirapport festgehalten anlässlich seiner Befragung zu Protokoll gegeben. Vor diesem Hintergrund ist zugunsten des Beschuldigten in dubio pro reo davon auszugehen, dass seine Aufmerksamkeit nicht durch das Bedienen eines Mobiltelefons beeinträchtigt und damit die Fahrzeugführung erschwert gewesen ist. Ein fehlbares Verhalten des Beschuldigten ist folglich nicht ohne Zweifel nachweisbar, weshalb der Beschuldigte freizusprechen ist.

        3. Im Ergebnis kann der objektive Sachverhalt gemäss Strafbefehl mit den vorhandenen Beweismitteln nicht erstellt werden. In der Folge ist der Beschuldigte der einfachen Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV nicht schuldig und ist freizusprechen.

      4. Kosten- und Entschädigungsfolgen
  1. In Anbetracht dessen, dass der Beschuldigte mit seinem Berufungsbegehren vollumfänglich obsiegt und vom Anklagevorwurf freizusprechen ist, sind die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz (Art. 426 Abs. 2 und Art. 428 Abs. 1 StPO).

  2. Dem Beschuldigten steht für die Kosten seiner erbetenen Verteidigung im Strafverfahren ausgangsgemäss eine Parteientschädigung zu (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Die vom Beschuldigten für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren geltend gemachte Entschädigung von Fr. 5'909.60 (inkl. MwSt; Urk. 11 und Urk. 37/1-

2) erscheint angemessen. Entsprechend ist ihm für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte im Rahmen der Untersuchung und der beiden Gerichtsverfahren eine Prozessentschädigung in der beantragten Höhe aus der Gerichtskasse zuzusprechen (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO, 17 lit. a AnwGebV).

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist der einfachen Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.

  3. Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.

  4. Dem Beschuldigten wird für die Untersuchung und für die beiden Gerichtsverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 5'909.60 aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • das Statthalteramt Bezirk Bülach

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

      sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben ( 54a Abs. 1 PolG).

  6. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der I. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 1. Februar 2024

Die Präsidentin:

Oberrichterin lic. iur. Bertschi

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Meier

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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