Zusammenfassung des Urteils SU220043: Obergericht des Kantons Zürich
Die X. AG, ein Treuhand- und Inkassobüro, hat Beschwerde gegen eine Verfügung des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland eingereicht, die ihre Vertretung der Y. AG im Rechtsöffnungsverfahren abgelehnt hat. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass sie als gewerbsmässige Vertretung im Kanton Bern im SchKG-Summarverfahren uneingeschränkt zulässig sein sollte, ohne spezielle Zulassung. Die Vorinstanz hingegen sieht den Begriff der berufsmässigen Vertretung enger und lehnte die Zulassung ab. Das Obergericht des Kantons Bern entschied schliesslich, dass die gewerbsmässige Vertretung im SchKG-Summarverfahren zulässig ist, ohne spezielle Zulassung.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SU220043 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 30.03.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Verletzung der Verkehrsregeln |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Berufung; Beschuldigten; Fahrzeug; Verkehr; Urteil; Vorinstanz; Busse; Verbindung; Aufmerksamkeit; Verkehrsregeln; Recht; Statthalteramt; Bezirk; Meilen; Gericht; Verletzung; Verfahren; Sachverhalt; Kreisel; Sinne; Verfahrens; Kollision; Sachverhalts; Über |
Rechtsnorm: | Art. 102 SVG ;Art. 104 StGB ;Art. 106 StGB ;Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 329 StPO ;Art. 379 StPO ;Art. 398 StPO ;Art. 424 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 116 IV 230; 127 II 302; 137 IV 290; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SU220043-O/U/nk-cs
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Stiefel, Präsident, die Oberrichterinnen lic. iur.
Wasser-Keller und lic. iur. Bertschi sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. Schwarzenbach-Oswald
Urteil vom 30. März 2023
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
gegen
betreffend Verletzung der Verkehrsregeln
Strafbefehl:
Der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Meilen vom 13. Januar 2020 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 5).
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte A. ist der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln i.S.v. Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG i.V.m.
Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV schuldig.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von CHF 200.–.
Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Die Kosten des Vorverfahrens und die Kosten des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens im Betrag von CHF 900.– stellt die Gerichtskasse in Rechnung. Über die Kosten des Vorverfahrens im Betrag von CHF 540.– und die Busse von CHF 200.– stellt die Kasse des Statthalteramtes des Bezirks Meilen Rech- nung.
Berufungsanträge:
Des Beschuldigten: (Urk. 58, sinngemäss)
Das Verfahren sei einzustellen, mindestens aber seien die entstandenen Verfahrenskosten um mindestens Fr. 1'000.– zu reduzieren.
Des Statthalteramts Bezirk Meilen: (Urk. 64)
Die Berufung sei abzuweisen und das Urteil des Bezirksgerichts Meilen vom
Januar 2022 sei zu bestätigen.
Erwägungen:
1. Mit Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Meilen vom 13. Januar 2020 wurde der Beschuldigte und Berufungskläger (fortan der Beschuldigte) der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 300.– bestraft (Urk. 5). Der Beschuldigte erhob mit Schreiben vom 21. März 2020 Einsprache gegen den Strafbefehl (Urk. 8). Mit Eingabe vom 14. Juni 2021 überwies das Statthalteramt die Akten ans Bezirksgericht Meilen mit dem Antrag, den Strafbefehl zu bestätigen (Urk. 17).
Im Rahmen der gerichtlichen Beurteilung wurde der Beschuldigte mit Urteil des Bezirksgerichts Meilen, Einzelgericht in Strafsachen, vom 7. Januar 2022 wegen fahrlässiger einfacher Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG in Verbindung mit
Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 200.– bestraft (Urk. 61).
Das Urteil wurde am 7. Januar 2022 beraten und gefällt (Prot. I S. 35), am
12. Januar 2022 mündlich eröffnet und in unbegründeter Form dem Beschuldigten übergeben (Prot. I S. 37; Urk. 46). Dieser erhob mit Schreiben vom 24. Januar 2022 rechtzeitig Berufung (Urk. 48). Das begründete Urteil wurde ihm am 2. August 2022 zugestellt (Urk. 56/1).
2. Der Beschuldigte reichte mit Eingabe vom 22. August 2022 fristgerecht die Berufungserklärung ein (Urk. 58). Anschlussberufung wurde nicht erhoben (Urk. 64).
Mit Beschluss vom 11. Oktober 2022 wurde das schriftliche Verfahren angeordnet und dem Beschuldigten Frist zur Begründung der Berufung angesetzt mit dem Hinweis, dass für den Fall, dass innert Frist keine schriftliche Eingabe eingeht, davon ausgegangen werde, dass die Berufungserklärung auch als Berufungsbegründung gelte und keiner Weiterungen bedürfe (Urk. 68). Nachdem in- nert Frist keine Berufungsbegründung des Beschuldigten einging, wurde dem Statthalteramt mit Präsidialverfügung vom 1. Dezember 2022 die Berufungserklärung, welche als Berufungsbegründung gilt, zugestellt und ihm Frist zur Einreichung der Berufungsantwort angesetzt. Der Vorinstanz wurde Gelegenheit zur freigestellten Vernehmlassung eingeräumt (Urk. 72). Das Statthalteramt verzichtete mit Eingabe vom 16. Dezember 2022 auf das Einreichen einer Berufungsantwort (Urk. 74). Die Vorinstanz liess sich nicht vernehmen.
Bildeten ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden, das Urteil sei rechtsfehlerhaft die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig beruhe auf einer Rechtsverletzung. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO). Mit der Berufung bei Übertretungen können Fehler bei der Anwendung des anwendbaren materiellen formellen Rechts geltend gemacht werden, insbesondere des StGB und der StPO. Gerügt werden können sodann Überschreitungen und Missbrauch des Ermessens sowie Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, nicht aber blosse Unangemessenheit (Schmid/Jositsch, Handbuch StPO, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2017, N 1538). Soweit die Beweiswürdigung bzw. die Feststellung des (rechtmässig erhobenen) Sachverhalts gerügt wird, beschränkt sich die Überprüfung auf offensichtliche Unrichtigkeit, also auf Willkür (Zürcher Kommentar StPO-Zimmerlin, 3. Aufl. 2020, Art. 398 N 23). Gerügt werden können damit
nur klare Fehler bei der Sachverhaltsermittlung, wobei zunächst an Versehen und Irrtümer, ferner an Diskrepanzen zwischen der sich aus den Akten sowie der Hauptverhandlung ergebenden Beweislage und den Feststellungen im Urteil, zu denken ist. In Betracht fallen sodann Fälle, in denen die gerügte Sachverhaltsfeststellung auf einer Verletzung von Bundesrecht, vorab der StPO selbst beruht. Zu denken ist weiter an Fälle, in denen die an sich zur Verfügung stehenden Beweismittel offensichtlich ungenügend ausgeschöpft wurden, also der Sachverhalt unvollständig festgestellt und damit der Grundsatz der Wahrheitsforschung von Amtes wegen missachtet wurde (Schmid/Jositsch, a.a.O., N 1538). Weiter wird das angefochtene Urteil auf Rechtsverletzungen bei der durch die Vorinstanz vorgenommenen rechtlichen Würdigung überprüft. Dabei liegt keine Einschränkung der Überprüfungsbefugnis vor; sämtliche Rechtsfragen sind mit freier Kognition zu prüfen, und zwar nicht nur materiellrechtliche, sondern auch prozessuale (Zimmerlin, a.a.O., Art. 398 N 23).
Der Beschuldigte beantragt die Einstellung des Verfahrens aufgrund einiger Mängel im Vorverfahren. In seiner Berufungserklärung bzw. -begründung macht er geltend, dass ein Beweisantrag seinerseits und auch kein Gerichtsprozess notwendig gewesen wären, wenn sich die Polizei nicht alleine auf die Aussagen von B. , sondern nur auf seine Aussagen abgestützt hätte. Er habe die Statthalterin gebeten, seinen Beweisantrag genau zu lesen und C. einzuvernehmen. Es sei an die nächste Instanz weitergeleitet worden, was nicht sein Fehler sei (Urk. 58 S. 2).
Kann ein Urteil nach Anklageerhebung definitiv nicht ergehen, so stellt das Gericht, mithin auch die Rechtsmittelinstanz, gestützt auf die allgemeine Verweisungsnorm in Art. 379 StPO das Verfahren ein (Art. 329 Abs. 4 StPO), sofern dieses wegen fehlender Prozessvoraussetzungen vorhandener Prozesshinder- nisse (Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO) einzustellen ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_991/2013 vom 24. April 2014 E. 2.3; BSK StPO-Stephenson/Zalunardo-
Walser, 2. Aufl. 2014, Art. 329 N 13).
Der Beschuldigte macht weder eine fehlende Prozessvoraussetzung noch das Vorliegen eines Prozesshindernisses geltend, sondern rügt die Beweiswürdigung und eine fehlende Beweiserhebung durch die Ermittlungs- und Untersuchungsbehörde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Prozessvoraussetzung nicht gegeben wäre ein Prozesshindernis vorliegen würde. Ein Grund für ei- ne Einstellung des Strafverfahrens liegt demnach nicht vor.
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, am 31. Oktober 2019, als er in seinem Personenwagen auf der D. -strasse von E. her Richtung Kreisel F. -strasse/G. -strasse gefahren sei, beim Kreisel zunächst ein Fahrzeug passieren gelassen zu haben und anschliessend sofort in den Kreisel gefahren zu sein. Infolge mangelnder Aufmerksamkeit habe er zu spät bemerkt, dass der vor ihm fahrende Personenwagen verkehrsbedingt habe anhalten müssen. Der Beschuldigte habe in der Folge nicht mehr bremsen können und sei mit dem vor ihm stehenden Personenwagen kollidiert, der seinerseits in das vor ihm stehende Fahrzeug geprallt sei, wobei an allen Fahrzeugen ein Sachschaden entstanden sei (Urk. 5).
Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass der Sachverhaltsabschnitt, wo- nach das Fahrzeug von B. , welches vor dem Beschuldigten fuhr, in dasje- nige von C. geprallt und am letzteren Fahrzeug ein Sachschaden entstan- den sei, nicht erstellt werden könne (Urk. 61 S. 10). Die Kollision zwischen dem Beschuldigten und dem Personenwagen von B. wird vom Beschuldigten hingegen nicht bestritten (Urk. 1 S. 2 f., Urk. 9, Prot. I S. 14 und S. 22 f.). Diesbezüglich kam die Vorinstanz zum Schluss, dass die Kollision des Beschuldigten mit dem vor ihm stehenden Personenwagen infolge mangelnder Aufmerksamkeit erfolgt sei und würdigte sein Verhalten als fahrlässige einfache Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV (Urk. 61
S. 10-12).
Der Beschuldigte wies in seiner Berufungserklärung bzw. -begründung darauf hin, dass es naheliege, dass B. in seinen Aussagen eine Interpretation gewählt habe, die ihn möglichst entlasten solle. Seine Geschwindigkeit, die er
mit 20 km/h angegeben habe, sei viel höher gelegen und in seiner Dramatik, die er subjektiv ins Unfallgeschehen interpretiert habe, habe sich die Polizei offenbar zu einer falschen Anklage hinreissen lassen. Sodann stelle er die pflichtwidrige Unvorsicht in Abrede (Urk. 58 S. 1).
Die Vorinstanz hat die im Recht liegenden Aussagen von B. korrekt zusammengefasst, sorgfältig und sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis zutreffend gewürdigt. Inwiefern die Vorinstanz im Rahmen der Beweiswür- digung und Sachverhaltserstellung in Willkür verfallen sein soll, vermag der Beschuldigte nicht aufzuzeigen (vgl. Art. 398 Abs. 4 Satz 1 StPO). Ausserdem geht es im vorliegenden Verfahren um die Beurteilung des Verhaltens des Beschuldigten und nicht um dasjenige von B. . Zu prüfen bleibt, ob dem Beschuldigten mangelnde Aufmerksamkeit vorzuwerfen ist.
Das Mass der Aufmerksamkeit, das vom Fahrzeuglenker verlangt wird, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 137 IV 290 E. 3.6; 127 II 302 E. 3c; 122 IV 225 E. 2b; Urteil des
Bundesgerichts 6B_1125/2020 vom 4. März 2020 E. 4.3). Bei einer unklaren Situation über den weiteren Verkehrsablauf ist diese Grenze höher anzusetzen und daher eine erhöhte Aufmerksamkeit des Verkehrsteilnehmers gefordert (BGE 116 IV 230 E. 2b).
Aus dem Polizeirapport ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Kollision,
d.h. am 31. Oktober 2019, um ca. 16.55 Uhr, starkes Verkehrsaufkommen herrschte, das Wetter bedeckt und die Dämmerung hereingebrochen war (Urk. 1
S. 3 f.). Der Beschuldigte selber führte gegenüber der Polizei zum Unfallhergang aus, dass er mit dem Fahrzeug, welches er im Kreisverkehr vorbeifahrenlassen habe, kollidiert sei, weil dieses wegen eines anderen Fahrzeugs habe anhalten müssen. Er habe einfach zu spät bemerkt, dass das Fahrzeug habe anhalten müssen (Urk. 1 S. 3). Anlässlich der Einvernahme beim Statthalteramt machte er dann geltend, B. sei seiner Meinung nach viel zu schnell in den Kreisel gefahren und habe C. , die mit ihrem Wagen vor dem Fussgängerstreifen stillgestanden sei, viel zu spät erkennen können. B. habe deshalb abrupt abbremsen und anhalten müssen. Es habe dichter Feierabendverkehr geherrscht. Er selber sei langsam in den Kreisel hineingefahren. Ausserdem habe B. den Blinker nicht gestellt (Urk. 9 S. 2 f.). Anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz wiederholte der Beschuldigte, dass B. im Feierabendverkehr mit viel zu hoher Geschwindigkeit in den Kreisverkehr gefahren sei und den Blinker nicht gestellt habe (Prot. I S. 15 f.). Weiter beschrieb er den Kreisel als unüberschaubar und führte aus, dass ein Fahrzeug, welches dort hineinfahre, damit rechnen müsse, dass die Ausfahrt blockiert sei (Prot. I S. 16). Als B. noch dagewesen sei, sei er schon angefahren. Im Feierabendverkehr müsse man schauen, dass man eine Lücke erwische (Prot. I S. 24).
Aufgrund der von der Polizei und vom Beschuldigten beschriebenen hohen Verkehrsdichte, der infolge des bedeckten Wetters und der Dämmerung nicht mehr ganz so guten Lichtverhältnisse und der vom Beschuldigten erwähnten un- überschaubaren Situation im Kreisverkehr war eine erhöhte Aufmerksamkeit des Beschuldigten gefordert. Da er die Fahrweise von B. als unangemessen betrachtete und selber ausführte, dass man im Kreisel damit rechnen müsse, dass die Ausfahrt blockiert sei, war er sich der Gefahrenquellen bewusst, weshalb er umso vorsichtiger in den Kreisel hätte fahren müssen. Dass er in das vor ihm fahrende Fahrzeug hineinfuhr, da er zu spät bemerkt hatte, dass dieses habe anhalten müssen, wie er selber ausführte, lässt darauf schliessen, dass die Kollision aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit des Beschuldigten geschah. Dass die Vorinstanz zum Schluss kam, dass der Beschuldigte infolge mangelnder Aufmerksamkeit mit dem vor ihm stehenden Personenwagen kollidiert ist, ist deshalb nachvollziehbar und nicht willkürlich begründet.
Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG muss der Führer das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Beherrschen im Sinne von Art. 31 Abs. 1 SVG bedeutet, jederzeit in der Lage zu sein, auf die jeweils erforderliche Weise auf das Fahrzeug einzuwirken und auf jede Gefahr ohne Zeitverlust genügend schnell und zweckmässig zu reagieren (BGE 127 II 302 E. 3c; 120 IV 63 E. 2a). Dies verlangt, dass Fahrzeugführer jederzeit die volle Kontrolle über ihr Fahrzeug ausüben und die Verkehrsregeln beachten können.
Der Fahrzeugführer muss jederzeit in der Lage sein, selbst auf überraschende Verkehrsverhältnisse mit einer durchschnittlichen Reaktionszeit angemessen zu reagieren (Kommentar SVG-Weissenberger, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2014,
Art. 31 N 1). Gestützt auf Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRG muss der Fahrzeugführer sei- ne Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden. Eine unzureichende Beherrschung des Fahrzeugs kann namentlich auf ungenügende Aufmerksamkeit im Verkehr zurückzuführen sein (Weissenberger, a.a.O., Art. 31 N 3; Art. 31 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 VRV). Wer diese Verkehrsregeln verletzt, macht sich im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG strafbar.
Die fahrlässige Handlung ist nach Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG auch strafbar, sofern das Strassenverkehrsgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Fahrlässige Tatbegehung liegt vor, wenn die Tat darauf zurückzuführen ist, dass der Täter die vermeidbaren Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht darauf nicht Rücksicht genommen hat (vgl. Art. 12 Abs. 3 Satz 1 und Art. 104 StGB, Art. 102 Abs. 1 SVG).
Wie bereits erwogen, kam der Beschuldigte seiner Pflicht, seine Aufmerksamkeit dem vor ihm im Kreisel fahrenden Fahrzeug zuzuwenden, ungenügend nach. Dies führte dazu, dass er seiner Vorsichtspflicht, genügend schnell zu reagieren bzw. abzubremsen, als B. anhielt, nicht nachkam und damit sein Fahrzeug unzureichend beherrschte. Damit verletzte er die Verkehrsregeln gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV.
Aufgrund der dargelegten Verkehrssituation (vgl. Ziff. III.4.2 vorstehend) hätte der Beschuldigte seine Aufmerksamkeit insbesondere dem vor ihm fahrenden Fahrzeug zuwenden und aufgrund der Verkehrssituation erhöhte Vorsicht walten lassen müssen. Dass es zur Kollision gekommen ist, belegt, dass er dies aus pflichtwidriger Unvorsicht fahrlässig unterlassen hat. Wäre er seiner Vorsichtspflicht in genügendem Masse nachgekommen, hätte er das Abbremsen des Kollisionsgegners rechtzeitig erkennen und eine Kollision vermeiden können. Somit hat sich der Beschuldigte der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1
SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV schuldig gemacht.
Zusammenfassend ist die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz zutreffend. Der Beschuldigte ist damit der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbin- dung mit Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV schuldig zu sprechen.
Die Vorinstanz hat den Beschuldigten mit einer Busse von Fr. 200.– bestraft (Urk. 61 S. 13). Der Beschuldigte rügt die Strafzumessung in seiner Berufungserklärung bzw. -begründung nicht.
Mit der Vorinstanz ist die objektive und subjektive Tatschwere des Beschul- digten als leicht zu bezeichnen, da die Kollision weder zu einem Personenscha- den noch zu einem gravierenden Sachschaden führte und das Mass der Pflichtwidrigkeit gering ist. Der Beschuldigte lebt von einer IV-Rente in der Höhe von Fr. 1'785.– und Ergänzungsleistungen von Fr. 1'306.– pro Monat (Urk. 71/1, Urk. 71/3 und Urk. 71/4).
Angesichts dieser finanziellen Verhältnisse und unter Berücksichtigung des Verschuldens des Beschuldigten erweist sich eine Busse von Fr. 200.– als angemessen. Der Beschuldigte ist folglich mit einer Busse von Fr. 200.– zu bestrafen.
Gemäss Art. 106 Abs. 2 StGB spricht das Gericht im Urteil für den Fall, dass die Busse schuldhaft nicht bezahlt wird, eine Ersatzfreiheitstrafe von min- destens einem Tag und höchstens drei Monaten aus. In ständiger Praxis erscheint ein Umwandlungssatz von 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe pro Fr. 100.– Busse als angemessen, weshalb die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Tage festzulegen ist.
1. Ausgangsgemäss ist das vorinstanzliche Kostendispositiv (Ziffern 4 und 5) zu bestätigen. Es besteht – entgegen des Antrages des Beschuldigten, die Verfahrenskosten um mindestens Fr. 1'000.– zu reduzieren (Urk. 58 S. 2) – keine Veranlassung, die Kosten des Vorverfahrens und diejenigen des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens zu senken, da sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechen (§ 14 Abs. 1 lit. a GebV OG; § 3 lit. b GebV StrV).
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf CHF 1'500.– festzusetzen (Art. 424 Abs. 1 StPO i.V.m. § 16 Abs. 1 und § 14 GebV OG).
Im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens bzw. Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte unterliegt mit seinen Anträgen vollumfänglich, weshalb die Kosten des Berufungsverfahrens ihm aufzuerlegen sind.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 100
Ziff. 1 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV.
Der Beschuldigte wird mit Fr. 200.– Busse bestraft.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 4 und 5) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 1'500.–.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an
den Beschuldigten
das Statthalteramt Bezirk Meilen
die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, 8090 Zürich (PIN: …).
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 30. März 2023
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Stiefel
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. Schwarzenbach-Oswald
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