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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SU140070
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SU140070 vom 14.08.2015 (ZH)
Datum:14.08.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Übertretung der Allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Winterthur
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; Berufung; Demonstration; Winterthur; Interesse; Vorinstanz; Stadt; Polizei; Urteil; Befehl; Recht; Stadtrichteramt; Taten; überwachung; Bewilligung; Verfahren; VBöGS; Zweck; Grundes; Verbindung; Grundrechtseingriff; Polizeiliche; Gemeingebrauch; Stadtrichteramtes; Videoaufzeichnung; Busse; Erfolgte
Rechtsnorm: Art. 10 BV ; Art. 12 StGB ; Art. 123 BV ; Art. 13 BV ; Art. 16 BV ; Art. 17 DSG ; Art. 22 BV ; Art. 306 StPO ; Art. 32 BV ; Art. 36 BV ; Art. 398 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 5 BV ; Art. 9 StPO ;
Referenz BGE:127 I 164; 128 II 259; 132 I 49; 135 I 302; 136 I 87; 139 IV 179;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SU140070-O/U/cs

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, und lic. iur. Stiefel, die Ersatzoberrichterin lic. iur. Affolter sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. Schneeberger

Urteil vom 14. August 2015

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

gegen

Stadtrichteramt Winterthur,

Untersuchungsbehörde und Berufungsbeklagte

betreffend Übertretung der Allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Winterthur

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur, Einzelgericht in Strafsachen, vom 20. August 2014 (GC140016)

Strafbefehl:

Der Strafbefehl des Stadtrichteramtes Winterthur vom 24. März 2014 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 2/3).

Urteil der Vorinstanz :

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung des öffentlichen Grundes (gesteigerter Gemeingebrauch) ohne Bewilligung im Sinne von Art. 31 Allgemeine Polizeiverordnung (APV) in Verbindung mit Art. 52 APV sowie Art. 2 Abs. 1 Vorschriften über die Benützung des öffentlichen Grundes zu Sonderzwecken (VBöGS) in Verbindung mit Art. 32 VBöGS.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 100.- als Zusatzstrafe zu der mit Strafbefehl Dl.2014.277 des Stadtrichteramtes Winterthur vom

    24. März 2014 ausgefällten Strafe.

  3. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tagen.

  4. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf Fr. 1'200.-. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Entscheidgebühr um einen Drittel.

  5. Die Gerichtskosten werden dem Beschuldigten auferlegt. Über diese Kosten stellt die Gerichtskasse Rechnung.

  6. Die Kosten des Stadtrichteramtes Winterthur im Betrag von Fr. 680.-

(Fr. 330.- Kosten des Strafbefehls Nr. DI.2014.288 vom 24. März 2014 sowie Fr. 350.- nachträgliche Untersuchungskosten) werden dem Beschuldigten auferlegt. Diese Kosten werden durch das Stadtrichteramt Winterthur eingefordert.

Berufungsanträge:

  1. des Verteidigers des Beschuldigten: (Urk. 20 S. 2)

    1. Ziffer 1, Ziffer 2, Ziffer 3, Ziffer 4, Ziffer 5 und Ziffer 6 des Urteils der Vorinstanz vom 20. August 2014 seien aufzuheben.

    2. Der Berufungskläger sei von der Anklage gemäss Strafbefehl vom 24.

      März 2014 freizusprechen.

    3. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens vor der Vorinstanz seien auf die Staatskasse zu nehmen.

    4. Der Berufungskläger sei für die Untersuchung und das gerichtliche Verfahren vor der Vorinstanz zu entschädigen.

    5. Die Kosten des Berufungsverfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen.

    6. Der Berufungskläger sei für das Berufungsverfahren zu entschädigen.

  2. des Stadtrichteramtes Winterthur: (Urk. 31 S. 2)

    1. Die Berufungsanträge des Beschuldigten seien abzuweisen.

    2. Das Urteil des Einzelgerichtes in Strafsachen des Bezirksgerichtes Winterthur vom 20. August 2014 (GC140016-K/U82/fg) sei vollumfänglich zu bestätigen.

    3. Die Kosten des vorliegenden Berufungsverfahrens seien vollumfänglich dem Beschuldigten aufzuerlegen.

Erwägungen:

  1. Verfahrensgang

    1. Mit Strafbefehl Nr. DI.2014.288 des Stadtrichteramtes Winterthur vom

      24. März 2014 wurde der Beschuldigte wegen der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration (Nachdemonstration zu Tanz dich frei) mit einer Busse von Fr. 300.- bestraft. Weiter wurde dem Beschuldigten die Verfahrensgebühr von Fr. 330.- auferlegt (Urk. 2/3). Am 26. März 2014 erhob der Beschuldigte fristgerecht Einsprache gegen diesen Strafbefehl (Urk. 2/4). Nach Ergänzung der Untersuchung hielt das Stadtrichteramt Winterthur am Strafbefehl vom 24. März 2014 fest und überwies die Akten mit Schreiben vom 13. Mai 2014 dem Bezirksgericht Winterthur (Urk. 1).

    2. Das Bezirksgericht Winterthur, Einzelgericht in Strafsachen, sprach den Beschuldigten mit Urteil vom 20. August 2014 der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung des öffentlichen Grundes (gesteigerter Gemeingebrauch) ohne Bewilligung im Sinne von Art. 31 Allgemeine Polizeiverordnung der Stadt Winterthur (APV) in Verbindung mit Art. 52 APV sowie Art. 2 Abs. 1 Vorschriften über die Benützung des öffentlichen Grundes zu Sonderzwecken (VBöGS) in Verbindung mit Art. 32 VBöGS schuldig, bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 100.- als Zusatzstrafe zu der mit Strafbefehl Nr. DI.2014.277 des Stadtrichteramtes Winterthur vom 24. März 2014 ausgefällten Strafe und setzte eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag fest. Zudem auferlegte es dem Beschuldigten sämtliche Kosten (Urk. 19 S. 21 f.).

    3. Das Urteil wurde am Tag seiner Fällung mündlich eröffnet und dem Beschuldigten und seinem Verteidiger im Dispositiv übergeben (Prot. I S. 25). Der Beschuldigte liess noch am selben Tag rechtzeitig Berufung gegen das Urteil anmelden (Urk. 14). Das begründete Urteil wurde dem Verteidiger am 16. Oktober 2014 zugestellt (Urk. 16 S. 2 und Urk. 21 S. 1 oben), worauf er namens des Beschuldigten mit Eingabe vom 5. November 2014 fristgerecht die Berufungserklä- rung einreichte (Urk. 20). Das Stadtrichteramt verzichtete auf entsprechende

Fristansetzung hin auf die Erhebung einer Anschlussberufung und beantragte auch kein Nichteintreten auf die Berufung des Beschuldigten (Urk. 23). Mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 wurde das schriftliche Verfahren angeordnet und dem Beschuldigten Frist angesetzt, um seine Berufungsanträge zu stellen und zu begründen (Urk. 24). Der Verteidiger reichte mit Eingabe vom 9. Februar 2015 die Berufungsbegründung innert erstreckter Frist ein (Urk. 27). Die Berufungsantwort des Stadtrichteramtes erfolgte fristgerecht am 20. Februar 2015 (Urk. 31). Nachdem der Verteidiger am 19. März 2015 nach Zustellung der Berufungsantwort innert Frist erneut Stellung nehmen konnte (Urk. 35), erstattete auch

das Stadtrichteramt mit Eingabe vom 31. März 2015 rechtzeitig eine weitere Stellungnahme (Urk. 38). Darauf antwortete der Verteidiger mit Stellungnahme vom

8. April 2015 erneut fristgerecht (Urk. 41). Das Stadtrichteramt liess sich daraufhin nicht mehr vernehmen.

  1. Prozessuales

    1. Gemäss Art. 398 Abs. 1 StPO ist die Berufung zulässig gegen Urteile, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen wurde. Im Rahmen einer Berufung überprüft das Obergericht den vorinstanzlichen Entscheid üblicherweise frei bezüglich sämtlicher Tat-, Rechtsund Ermessensfragen (Art. 398 Abs. 3 StPO). Bildeten jedoch ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so schränkt Art. 398 Abs. 4 Satz 1 StPO die Kognition der Berufungsinstanz ein. In diesen Fällen darf das angefochtene Urteil lediglich dahingehend überprüft werden, ob es rechtsfehlerhaft ist, d.h. ob eine Rechtsverletzung durch die Vorinstanz vorliegt, oder ob eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz gegeben ist.

    2. Sodann können gemäss Art. 398 Abs. 4 Satz 2 StPO neue Behauptungen und Beweise im Berufungsverfahren nicht mehr vorgebracht werden, wenn - wie hier - ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens bildeten. Die Berufungsinstanz entscheidet aufgrund der bereits vor erster Instanz vorgebrachten Behauptungen und der bestehenden Beweisgrundlage. Neu im Sinne dieser Bestimmung sind Tatsachen und Beweise, die im erstin-

      stanzlichen Verfahren nicht vorgebracht wurden. Nicht darunter fallen demgegen- über Beweise, die beantragt, erstinstanzlich jedoch abgewiesen wurden (Urteil des Bundesgerichts 6B_362/2012 vom 29. Oktober 2012 Erw. 8.4.1).

      Der Beschuldigte stellt in seiner Berufungserklärung erstmals den Beweisantrag, es seien sämtliche Dokumente der Stadtpolizei Winterthur zum Einsatz vom

      19. Oktober 2013, namentlich die Dokumente zur Einsatzplanung und zum Ein-

      satzbefehl, zu edieren (Urk. 20 S. 3). Dabei handelt es sich um ein neues Beweismittel im Sinne der vorstehenden Erwägungen, welches im vorliegenden Berufungsverfahren nicht mehr vorgebracht werden kann. Der Beweisantrag des Beschuldigten ist daher abzuweisen.

    3. Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung und die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird dementsprechend gehemmt. Das Berufungsgericht überprüft somit das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte ficht das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich an und beschränkt seine Berufung nicht (Urk. 20 S. 2). Das vorinstanzliche Urteil erwächst somit in keinem Punkt in Rechtskraft und ist vollumfänglich zu überprüfen.

    4. Der Beschuldigte macht eine Verletzung des Anklageprinzips gemäss Art. 9 StPO, Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK und Art. 32 Abs. 2 BV geltend: Der eingeklagte Sachverhalt sei im Strafbefehl als Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration (Nachdemonstration zu Tanz dich frei) am ... [Strasse] beim B. in Winterthur am 19. Oktober 2013 von 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr umschrieben. Dieser Sachverhalt korreliere nicht mit den Bestimmungen, auf welche sich die Verurteilung stütze, zumal in diesen Bestimmungen nirgends die Rede von der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration sei (Urk. 27 S. 3).

      Der Strafbefehl vom 24. März 2014 (DI.2014.288, Urk. 2/3) bezeichnet präzise Ort, Datum und Zeit, an welchem die vorgeworfene Handlung stattgefunden haben soll und hält fest, dass dem Beschuldigten die Teilnahme an der als Bring Your Noise spezifizierten Demonstration vorgeworfen wird. Weiter ist im Anklagesachverhalt von einer unbewilligten Demonstration die Rede, womit feststeht,

      dass für diese die Einholung einer Bewilligung notwendig gewesen wäre und eine solche zum Zeitpunkt der Durchführung nicht vorgelegen hat. Wenngleich im Strafbefehl nicht explizit umschrieben wird, dass die Durchführung einer Demonstration einen gesteigerten Gemeingebrauch darstellt, wusste der Beschuldigte im Detail, was ihm vorgeworfen wird und wogegen er sich zu verteidigen hat. Der Strafbefehl genügt damit seiner Informationsund Umgrenzungsfunktion, womit die Vorinstanz zu Recht eine Verletzung des Anklageprinzips verneinte (Urk. 19 S. 6 f.).

  2. Sachverha lt und rechtliche Würdigung

    1. Ausgangslage

      Das Einzelgericht in Strafsachen des Bezirksgerichtes Winterthur erachtete es als erwiesen, dass der Beschuldigte am 19. Oktober 2013 an der unbewilligten Demonstration Bring Your Noise teilgenommen hatte (Urk. 19 S. 15). Dabei stellte es ausschliesslich auf die anlässlich der Demonstration verdeckt erstellte Videoaufzeichnung der Polizei und das vorinstanzliche Schlusswort des Beschuldigten (Prot. I S. 21 ff.; Urk. 19 S. 15) ab, welche es als verwertbar einstufte (Urk. 19

      S. 8 ff.). Auf die gegen den vorinstanzlichen Entscheid erhobenen Einwendungen des Beschuldigten, mit welchen er diverse Rechtsverletzungen rügt (Urk. 27), ist nachfolgend soweit erforderlich einzugehen (BGE 139 IV 179 E. 2.2; BGE 138 IV

      81 E. 2.2).

    2. Rechtmässigkeit und Verwertbarkeit der polizeilichen Videoaufzeichnungen

      1. Der Beschuldigte bemängelt die Rechtmässigkeit und damit die Verwertbarkeit der polizeilichen Videoaufnahmen, mit der Begründung, es bestehe weder in der StPO (welche gar nicht anwendbar sei) noch im kantonalen Polizeigesetz eine gesetzliche Grundlage für dieses polizeiliche Vorgehen. Ausserdem sei der durch das verdeckte Filmen erfolgte Eingriff in seine Grundrechte unverhältnismässig und damit nicht zulässig (Urk. 27 S. 3 ff.).

      2. Die Vorinstanz gelangte zur Auffassung, der Beschuldigte sei durch das Filmen der Demonstration in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung

        gemäss Art. 10 Abs. 2 BV in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 BV tangiert (Urk. 19

        S. 12), liess hingegen offen, ob auch sein Recht auf Meinungsund Versammlungsfreiheit (Art. 16 BV und Art. 22 BV) betroffen sei (Urk. 19 S. 13). Der Verteidiger sieht hingegen in der verdeckten Videoaufzeichnung auch ein Eingriff in das Meinungsund Versammlungsrecht des Beschuldigten (Urk. 27 S. 4).

        Den Ausführungen der Verteidigung ist zuzustimmen. Zusätzlich zum informationellen Selbstbestimmungsrecht des Beschuldigten wird durch das Aufzeichnen der Demonstration auch sein Recht auf Meinungsund Versammlungsfreiheit tangiert. Zwar ist den vorinstanzlichen Erwägungen zuzustimmen, wonach die Demonstranten und damit auch der Beschuldigte durch die Videoaufnahme nicht unmittelbar an der Meinungskundgabe oder an der Teilnahme an der Demonstration gehindert wurden. Es muss jedoch bereits aufgrund des Umstandes, dass die Erhebung der Videodaten die Bereitschaft der künftigen Grundrechtsausübung beeinträchtigen kann, von einem Eingriff in das Recht der Meinungsund Versammlungsfreiheit ausgegangen werden (vgl. dazu M ÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Auflage 2008, S. 586 f.).

      3. Ob der Eingriff in die betroffenen Grundrechte des Beschuldigten den Voraussetzungen von Art. 36 BV standhält, ist nachfolgend zu prüfen. Demnach bedarf es für einen zulässigen Eingriff in die Grundrechte einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, eines öffentlichen Interesses und der Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit.

        1. Art. 36 Abs. 1 BV sieht vor, dass Einschränkungen von Grundrechten nur aufgrund einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage zulässig sind. Der Grundrechtseingriff muss sich auf eine generell-abstrakte Norm stützen können, welche genügend bestimmt ist und zudem - je nach Schwere des Grundrechtseingriffs - auf der richtigen Normstufe steht. So müssen schwerwiegende Grundrechtseingriffe im Gesetz selbst vorgesehen sein (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV), wobei ein Gesetz im formellen Sinn, also ein im besonderen Verfahren der Gesetzgebung zustande gekommener Erlass, verlangt wird. Das Erfordernis einer generellabstrakten Norm ergibt sich im Übrigen auch aus dem Datenschutzrecht (Art. 17 DSG).

          Richtigerweise kam die Vorinstanz bei der Prüfung der gesetzlichen Grundlage zum Schluss, § 32 c des Polizeigesetzes des Kantons Zürich (PolG) stelle eine ausreichende gesetzliche Grundlage dar (Urk. 19 S. 10). Die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz sind nicht zu bemängeln. Es kann, um Wiederholungen zu vermeiden, mit nachfolgenden Ergänzungen darauf verwiesen werden.

          Bei § 32 c PolG handelt es sich um eine generell-abstrakte Norm auf kantonaler Gesetzesstufe. Die Bestimmung sieht vor, dass die Polizei öffentlich zugängliche Grossveranstaltungen und Kundgebungen offen oder verdeckt audiooder video- überwachen kann, so dass Personen identifiziert werden können (§ 32 c Abs. 1 PolG). Gleichzeitig statuiert besagte Regelung zwei alternative Voraussetzungen und damit gleichzeitig den Zweck der Überwachung. So muss die Überwachung entweder für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, namentlich für die Einsatzdisposition und die Unterstützung von Sicherheitskräften erforderlich sein (§ 32 c Abs. 2 lit. a PolG), oder es müssen konkrete Anhaltspunkte für strafbare Handlungen bestehen (§ 32 c Abs. 2 lit. b PolG). Die Regelung weist einen hohen Bestimmtheitsgrad auf, hält sie doch nicht nur fest, unter welchen konkreten Voraussetzungen und zu welchem Zweck eine Audiooder Videoüberwachung zulässig ist, sondern regelt auch den Anwendungsbereich (öffentlich zugängliche Grossveranstaltungen und Kundgebungen; vgl. dazu auch L UCIEN MÜLLER, Video- überwachung in öffentlich zugänglichen Räumen - insbesondere zu Verhütung und Ahndung von Straftaten, Zürich 2011, S. 218) und die zulässige Intensität der Überwachung, mithin die Identifikation von Personen. Schliesslich sieht die Regelung ausdrücklich eine offene wie auch eine verdeckte Überwachung vor. Dass der Begriff der Überwachung sowohl die Echtzeitüberwachung bzw. -beobachtung wie auch die Aufzeichnung beinhaltet, ergibt sich schliesslich aus dem bereits von der Vorinstanz zitierten § 53 Abs. 2 PolG, welcher die Löschung von Aufzeichnungen im Rahmen technischer Überwachungsmassnahmen regelt. Dem Bestimmtheitsgebot ist somit insofern Genüge getan, als das vorgesehene staatliche Handeln berechenund vorhersehbar ist und auch den handelnden Organen ein klarer Rahmen vorgegeben wird, in welchem sie ihr Ermessen auszuüben haben.

          § 32 c PolG stellt gemäss den vorstehenden Erwägungen somit eine ausreichen-

          de gesetzliche Grundlage im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV dar.

          Die Verteidigung bemängelt, die Voraussetzungen von § 32 c PolG seien im konkreten Fall nicht erfüllt, zumal die Polizei selber nicht davon ausgegangen sei, dass es zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder zu strafbaren Handlungen kommen würde. Dies zeige sich darin, dass kein entsprechendes Polizeiaufgebot bereitgestellt und keine Polizeipräsenz manifestiert worden sei und man die Demonstranten habe gewähren lassen (Urk. 27 S. 6 und 9 f.). Diese Einwendungen der Verteidigung zielen ins Leere. So ist in erster Linie massgebend, dass es sich bei der vorliegend interessierenden Bring Your Noise-Demonstration um eine Nachdemonstration zur Tanz dich freibzw. Standortfucktor-Demonstration vom 21. September 2013 handelte, welche bekanntermassen in massiven Ausschreitungen endete. Dem Aufruf zur besagten Nachdemonstration vom 19. Oktober 2013 lässt sich entnehmen, dass diese eine Reaktion auf den Polizeieinsatz anlässlich der Standortfucktor-Demonstration vom 21. September 2013 darstellen sollte (Urk. 2/2 S. 1 ff.). Dass der Polizei aufgrund dieser Umstände konkrete Anhaltspunkte für die erneute Verübung strafbarer Handlungen - seien es Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen; eine Einschränkung etwa auf Verbrechen oder Vergehen ist gerade nicht vorgesehen (vgl. z.B. § 17 Abs. 2 lit. b und e PolG) - durch die Kundgebungsteilnehmer vorlagen und sie für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit auf eine Videoaufzeichnung zurückgriff, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Dass sie hingegen nicht mit einer massiven Präsenz vor Ort erschienen ist und die Demonstranten gewähren liess, ändert an dieser Einschätzung nichts, war es doch genau die massive Polizeipräsenz, welche von den Demonstranten kritisiert und als Ursache für die Ausschreitungen anlässlich der Demonstration vom 21. September 2013 hervorgehoben wurde. Die Voraussetzungen von § 32 c PolG waren somit erfüllt.

          Ob auch Art. 306 StPO eine ausreichende gesetzliche Grundlage darstellt, wie dies die Vorinstanz ausführte (Urk. 19 S. 11 f.), kann an dieser Stelle offenbleiben. Anzumerken bleibt hingegen, dass es sich bei der polizeilichen Videoüberwachung um eine doppelfunktionale Massnahme handelt, mit welcher neben prä- ventiven (Gefahrenabwehr und Deliktsverhinderung) auch repressive Zwecke (Deliktsaufklärung und Strafverfolgung) geahndet werden, wobei der repressive Zweck im Dienste der Prävention steht. Daher ist die Videoüberwachung tenden-

          ziell der präventivpolizeilichen Gefahrenabwehr zuzuordnen. Demnach ist nicht der Bund aufgrund seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 123 Abs. 1 BV, sondern der Kanton für die Regelung und Durchführung der polizeilichen Video- überwachungsmassnahmen zuständig (LUCIEN MÜLLER, a.a.O., S. 29 und S. 195). Nicht richtig sind jedenfalls die Ausführungen der Verteidigung, wonach Art. 306 StPO nicht anwendbar sein soll, weil vorliegend ein kommunales oder kantonales Ordnungsbussenverfahren zur Anwendung gelange (Urk. 27 S. 7 f.). Dies ist nicht zutreffend, handelt es sich bei der Teilnahme an einer (unbewilligten) Demonstration doch nicht um einen Ordnungsbussenstraftatbestand, sondern um einen gewöhnlichen kantonalen Übertretungsstraftatbestand, dessen Verfolgung nach dem ordentlichen Verfahren gemäss StPO erfolgen würde.

        2. Grundrechtseinschränkungen müssen gemäss Art. 36 Abs. 2 BV durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein. Unstreitig im öffentlichen Interesse liegt die Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Verhinderung künftiger Straftaten und die Aufklärung und Verfolgung bereits begangener Straftaten (BGE 132 I 49, E. 7.1; BGE 128 II 259 E. 3.5). Es besteht somit kein Zweifel, dass der mit der Video- überwachung einschliesslich der Aufbewahrung des Aufzeichnungsmaterials und dessen Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden verfolgte Zweck der Verhü- tung und (erleichterten) Verfolgung von Straftaten im öffentlichen Interesse liegt (BGE 136 I 87 E. 8.3 f.). Gerade auch diese präventive Wirkung entspricht einem genuinen Zweck des Polizeigesetzes. Im öffentlichen Interesse liegen im Übrigen auch die positiven Nebeneffekte der Überwachung. Dies betrifft etwa die Senkung der Polizeikosten, wobei es durchaus im öffentlichen Interesse liegt, dass der Staat die ihm zur Verfügung stehenden Mittel wirtschaftlich effizient einsetzt und finanzielle Mehrbelastungen vermeidet. Wenngleich fiskalische Interessen Grundrechtseingriffe nicht selbständig rechtfertigen können, stellen sie doch ein sekundäres Motiv dar, welches zu einem anerkannten öffentlichen Interesse hinzuzutreten vermag (LUCIEN MÜLLER, a.a.O., S. 235).

          Nachdem es bereits anlässlich der Standortfucktor-Demonstration vom 21. September 2013 zu zahlreichen strafbaren Handlungen gekommen war, die Veran-

          stalter die Bring Your Noise-Demonstration vom 19. Oktober 2013 als Nachdemonstration und Reaktion auf diese ankündigten und demnach konkrete Anhaltspunkte für strafbare Handlungen seitens der Demonstranten vorlagen, war ein öf- fentliches Interesse an der Verhinderung und Verfolgung allfälliger weiterer Straftaten gegeben. Die Videoaufzeichnung durch die Polizei bezweckte konkret den Schutz von Personen und Sachen und damit die Verhütung von Straftaten. Als Nebeneffekt sollte durch die Videoaufzeichnung und die Verwendung derselben im vorliegenden wie auch in weiteren Strafverfahren ein möglicher abschreckender Effekt verstärkt und die Beweisführung erleichtert werden. Ein ausreichendes öffentliches Interesse an der Videoüberwachung lag somit vor.

        3. Alles staatliche Handeln (Art. 5 Abs. 2 BV), insbesondere jede Einschränkung von Grundrechten (Art. 36 Abs. 3 BV), hat verhältnismässig zu sein. Die Verhältnismässigkeit eines Grundrechtseingriffs bestimmt sich nach den Kriterien der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismässigkeit von Eingriffszweck und Eingriffswirkung (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne oder Zumutbarkeit des Grundrechtseingriffs). Geeignet ist eine Massnahme dann, wenn der von ihr verfolgte (im öffentlichen Interesse liegende) Zweck damit auch erreicht werden kann. Weiter ist eine grundrechtsbeschränkende Massnahme nicht erforderlich und damit unverhältnismässig, wenn das von ihr angestrebte

          Ziel mit gleich geeigneten, aber weniger eingriffsintensiven Mitteln erreicht werden kann. Und schliesslich muss zwischen dem verfolgten Ziel und dem dazu erforderlichen Grundrechtseingriff ein vernünftiges Verhältnis bestehen, wobei das öf- fentliche Interesse an der Durchführung der Massnahme und der Erfüllung einer Aufgabe einerseits und die dadurch betroffenen privaten Interessen andrerseits gegeneinander abzuwägen sind (statt vieler, LUCIEN MÜLLER, a.a.O., S. 235). Dabei muss der gesetzlich vorgesehene und durch ein hinreichendes öffentliches Interesse gedeckte Zweck der Massnahme, vorliegend die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten, stets im Auge behalten werden.

          Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, war die polizeiliche Videoüberwachung und Aufzeichnung der Demonstration geeignet, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu erreichen und die Strafverfolgung zu er-

          möglichen. Auf ihre diesbezüglichen Erwägungen kann verwiesen werden (Urk. 19 S. 13). Die Echtzeitvideoüberwachung erlaubte einerseits ein schnelles

          Eingreifen vor Ort, womit sich die Begehung von Delikten hätte verhindern lassen. Dem steht auch die vom Verteidiger geltend gemachte fehlende Polizeipräsenz nicht entgegen. Ausserdem kommt dem Umstand, dass das Verhalten der Demonstranten aufgezeichnet und damit Beweise für die Strafverfolgung gesichert wurden, eine eigenständige abschreckende Wirkung zu, welche ebenfalls die Verhinderung künftiger Straftaten zur Folge haben kann. Die Videoüberwachung und -aufzeichnung war somit zum Zweck der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten geeignet.

          Im Zusammenhang mit der Prüfung des Kriteriums der Erforderlichkeit ist zu klä- ren, ob nicht andere weniger eingriffsintensive Massnahmen geeignet gewesen wären, den vorerwähnten Zweck der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten zu erreichen. Der Vorinstanz ist insofern zuzustimmen, als ein Eingreifen der Polizei vor Ort höchstwahrscheinlich eine Beendigung der Kundgebung und eine Behinderung der Teilnehmer in ihrer Meinungsäusserung dargestellt hätte und damit zu einem schwereren Eingriff in die Grundrechte des Beschuldigten geführt hätte, zumal die Demonstration unbestrittenermassen friedlich verlief und daher kein Grund zum Eingreifen bestand (Urk. 19 S. 13). Ausserdem kann mit einer Videoaufzeichnung eine Beweissicherung erreicht werden, welche einen zusätzlichen präventiven Effekt haben dürfte und demnach erforderlich ist, um künftige strafbare Handlungen anlässlich entsprechender Kundgebungen zu verhindern. Schliesslich ist nicht davon auszugehen, dass bereits eine Videobeobachtung ausgereicht hätte und eine Aufzeichnung, welche einen zusätzlichen Datenbearbeitungsvorgang und damit einen schwereren Grundrechtseingriff darstellt, nicht erforderlich gewesen wäre. Dies ist mit dem Hinweis auf die konkrete und auch die künftige Handhabung derartiger Kundgebungen und mit Blick auf den Zweck, weitere Straftaten im Zusammenhang mit ähnlichen Veranstaltungen nicht nur durch sofortiges Einschreiten, sondern auch durch die abschreckende Wirkung der Ahndung der damit im Zusammenhang stehenden Delikte zu erreichen, zu verneinen. Ohne die fraglichen Aufzeichnungen wäre es nicht möglich gewesen, die Fehlbaren im Nachgang zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen. Es

          ist diesbezüglich keine mildere Massnahme ersichtlich, welche ähnlich zweckadäquat gewesen wäre, weshalb auch das Kriterium der Erforderlichkeit erfüllt ist.

          Wie bereits erwähnt, ist in einem letzten Schritt eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei ist das mit der Überwachungsmassnahme verfolgte öffentliche Interesse den privaten Interessen des Betroffenen gegenüberzustellen und abzuwägen, ob der Grundrechtseingriff aufgrund dieser Abwägung als für den Betroffenen zumutbar erachtet werden kann. Im vorliegenden Fall stehen sich das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Verhütung und Verfolgung von Straftaten und die privaten Interessen des Beschuldigten an einer uneingeschränkten informationellen Selbstbestimmung, Meinungsäusserung und Teilnahme an einer Versammlung gegen- über. Für die Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass sich die Demonstration auf den Strassen in der Winterthurer Altstadt bewegte und damit ein der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglicher, nicht abgeschlossener Raum überwacht wurde. Ausserdem handelte es sich beim überwachten öffentlichen Raum nicht um eine Umgebung, in welcher besonders sensitive Personendaten bspw. zur Gesundheit oder Sexualität erfasst werden konnten. Zudem fällt ins Gewicht, dass die Videoüberwachung anlässlich einer zwar friedlichen, aber unbewilligten Demonstration erfolgte, von welcher - im Ergebnis - wohl keine konkrete, aber doch immerhin eine abstrakte Gefahr ausging, dass es zu Delikten gegen Leib und Leben sowie Sachen und damit auch zu schweren Straftaten kommen könnte bzw. hätte kommen können. Der Umstand, dass die Demonstration ohne Bewilligung erfolgte, vermag die Schwere des Eingriffs in die Interessen des Beschuldigten nicht vollends zu relativieren, die Einschränkung der Persönlichkeitsentfaltung des Beschuldigten durch die Meinungskundgabe aber dennoch zu rechtfertigen. Die Videoüberwachung wirkte sich auf das Meinungsund Versammlungsrecht des Beschuldigten nicht direkt, sondern nur aufgrund des Abschreckungseffektes mit Blick auf zukünftige Grundrechtsausübungen aus. Die Auswirkungen auf sein informationelles Selbstbestimmungsrecht waren dagegen nicht unerheblich. Dennoch sind im konkreten Fall insgesamt die öffentlichen Interessen an der Verhinderung und Verfolgung allfälliger Straftaten höher zu gewichten, als die persönlichen Interessen des Beschuldigten, dies namentlich auch unter dem Aspekt der

          Vorgängerdemonstration vom 21. September 2013. Eine Videoüberwachung war ihm unter den gegebenen Umständen zumutbar. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kundgebung vom 19. Oktober 2013 friedlich verlief und ohne Ausschreitungen endete und dass dem Beschuldigten selber letztlich keine schwere Straftat vorgeworfen werden kann, sondern er sich lediglich eine Übertretung vorwerfen lassen muss.

        4. Zusammengefasst ist der vom Beschuldigten aufgrund der anlässlich der Demonstration vom 19. Oktober 2013 erfolgten polizeilichen Videoaufzeichnung hinzunehmende Grundrechtseingriff durch ein öffentliches Interesse gedeckt und verhältnismässig. Ausserdem basiert er auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Eine Verletzung der Grundrechte des Beschuldigten ist somit nicht gegeben.

          3.2.4. Gemäss den vorstehenden Ausführungen hinsichtlich der Zulässigkeit, Rechtmässigkeit und Grundrechtskonformität der polizeilichen Videoaufzeichnungen steht einer Verwertung der polizeilichen Videoaufzeichnung als Beweismittel nichts entgegen. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, lässt sich anhand der Videosequenzen feststellen, dass es sich bei der darauf erkennbaren Person um den Beschuldigten handelt und dass dieser Teil der unbewilligten Demonstration war, was sich auch aus seinem Schlusswort vor Vorinstanz ergibt (Prot. I

          S. 21; Urk. 19 S. 14 f.). Der Sachverhalt gemäss Strafbefehl vom 24. März 2014 (DI.2014.288, Urk. 2/3) ist demnach in Übereinstimmung mit der Vorinstanz erstellt.

          3.3. Im Zusammenhang mit der rechtlichen Würdigung, liess der Beschuldigte einwenden, die von der Vorinstanz angewendeten Bestimmungen seien zu unbestimmt, als dass sich eine Bestrafung darauf stützen könne. Die Regelungen wür- den lediglich festlegen, dass bestimmte Formen der Nutzung des öffentlichen Grundes einer Bewilligung bedürften, nicht aber, dass man sich an einem bestimmten Ort nicht aufhalten dürfe. Die Strafbarkeitsbestimmungen fänden sich jeweils in einem anderen Teil der Erlasse und stellten Blankettstrafnormen dar. Die Kombination einer solchen Blankettstrafnorm mit anderen kommunalen Bestimmungen begründe keine ausreichende Grundlage für eine Bestrafung. Aus-

          serdem hole bei einer Demonstration nicht jeder Teilnehmer eine Bewilligung ein, vielmehr obliege diese Pflicht nur einer Person, im Übrigen versammle man sich, ohne sich um die Bewilligung zu kümmern. Es bestehe somit keine Norm, welche genug klar wäre, als dass alle Personen, welche Teil der Benutzung des öffentlichen Grundes ohne Bewilligung seien, bestraft werden könnten. Der Schuldspruch verstosse daher gegen das auf dem Legalitätsprinzip beruhenden Grundsatz nulla poena sine lege certa (Urk. 27 S. 1-3).

          Die Vorinstanz würdigte das Verhalten des Beschuldigten als eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung des öffentlichen Grundes (gesteigerter Gemeingebrauch) ohne Bewilligung im Sinne von Art. 31 Allgemeine Polizeiverordnung der Stadt Winterthur (APV) in Verbindung mit Art. 52 APV sowie Art. 2 Abs. 1 Vorschriften über die Benützung des öffentlichen Grundes zu Sonderzwecken (VBöGS) in Verbindung mit Art. 32 VBöGS (Urk. 19 S. 15-19 und S. 21, Dispositivziffer 1). Sie kam mit Blick auf die Einwendungen des Beschuldigten zum Schluss, ein Verstoss gegen das auf dem Legalitätsprinzip beruhenden Bestimmtheitsgebot sei nicht ersichtlich. Aufgrund der einschlägigen Bundesgerichtspraxis könne mittels einer Blankettstrafnorm auf eine andere Norm verwiesen werden. Diese sogenannt blankettausfüllende Norm sei dann mit der Strafbestimmung zu lesen und auszulegen. Diese Gesetzestechnik verletze das Bestimmtheitsgebot nicht. Bei Art. 52 Abs. 1 APV handle es sich um eine Blankettstrafnorm, welche durch Art. 31 APV ergänzt werde, wobei Art. 31 APV eine klare Pflicht statuiere, so dass jeder einzelne sein Verhalten danach richten könne. Die Regelungen des VBöGS dienten der weiteren Präzisierung der Bestimmungen der allgemeinen Polizeiverordnung (Urk. 19 S. 15-19).

          Auf diese nachvollziehbaren und zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz ist mit den nachfolgenden Ergänzungen zu verweisen. Zum einen ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ohne weiteres von gesteigertem Gemeingebrauch auszugehen (vgl. BGE 135 I 302 E. 3.2; BGE 127 I 164 E. 1b und 3b m.w.H.). Wenngleich nicht jeder Teilnehmer einer Demonstration selbständig eine Bewilligung einzuholen hat, verstösst doch auch derjenige gegen diese Bestimmung, welcher im Wissen darum, dass für die entsprechende Kundgebung keine Bewilli-

          gung vorliegt, daran teilnimmt. Dabei übernimmt der Teilnehmer das Unrecht, welches sich aus dem Nichteinholen der notwendigen Bewilligung ergibt bzw. erklärt sich stillschweigend damit einverstanden, dass gegen diese Bestimmung verstossen wird. Der Unrechtsgehalt dieser Einwilligung entspricht demjenigen, der in der Nichteinholung der Bewilligung selber liegt. Indem der Beschuldigte also wusste bzw. zumindest in Kauf nahm, dass es sich um eine unbewilligte Demonstration handelte, was unbestritten blieb, und dennoch daran teilnahm, schloss er sich im Wissen um die konkret statuierte und ausreichend bestimmte Pflicht dem Unrecht an. Im Übrigen würde selbst Fahrlässigkeit für die Strafbarkeit des Beschuldigten genügen (Art. 52 Abs. 1 APV; Art. 12 Abs. 3 StGB). Eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots bzw. des Grundsatzes nulla poena sine lege certa liegt somit nicht vor.

          Der Beschuldigte ist somit in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung des öffentlichen Grundes ohne Bewilligung im Sinne von Art. 31 APV (Allgemeine Polizeiverordnung) in Verbindung mit Art. 52 APV sowie Art. 2 Abs. 1 VBöGS (Vorschriften über die Benüt- zung des öffentlichen Grundes zu Sonderzwecken) in Verbindung mit Art. 32 VBöGS schuldig zu sprechen.

  3. Strafzumessung

    Die Vorinstanz hat den Strafrahmen und die Grundsätze der Strafzumessung korrekt dargelegt sowie richtigerweise erkannt, dass eine Zusatzstrafe zu der mit Strafbefehl des Stadtrichteramtes Winterthur vom 24. März 2014 (DI.2014.277) ausgefällten Strafe auszusprechen ist (Urk. 19 S. 19 f.). Zudem hat sie die massgebenden Kriterien zur Festsetzung des Verschuldens und Bestimmung der Höhe der Busse umfassend dargelegt und nachvollziehbar gewürdigt (Urk. 19 S. 20). Es kann, um Wiederholungen zu vermeiden, darauf verwiesen werden. Demzufolge ist der Beschuldigte mit einer Busse von Fr. 100.- als Zusatzstrafe zu der mit Strafbefehl DI.2014.277 des Stadtrichteramtes Winterthur vom 24. März 2014 ausgefällten Strafe zu bestrafen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse nicht, so tritt

    an deren Stelle in Übereinstimmung mit der Vorinstanz eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag.

  4. Kostenund Entschädigungsfolgen

Ausgangsgemäss ist das vorinstanzliche Kostendispositiv (Ziffern 4 bis 6) zu bestätigen (Art. 426 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte unterliegt im Berufungsverfahren mit seinen Anträgen vollumfänglich, weshalb ihm die Kosten aufzuerlegen sind (Art. 428 Abs. 1 StPO).

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    ist schuldig der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung des öffentlichen Grundes ohne Bewilligung im Sinne von Art. 31 APV in Verbindung mit Art. 52 APV sowie Art. 2 Abs. 1 VBöGS in Verbindung mit Art. 32 VBöGS.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 100.- als Zusatzstrafe zu der mit Strafbefehl des Stadtrichteramtes Winterthur vom 24. März 2014 (DI.2014.277) ausgefällten Strafe.

  3. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag.

  4. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 4 bis 6) wird bestätigt.

  5. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 1'000.-.

  6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  7. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • den Verteidiger im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • das Stadtrichteramt Winterthur

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz.

  8. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 14. August 2015

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Der Präsident:

Oberrichter Dr. Bussmann

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. Schneeberger

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