Zusammenfassung des Urteils SR190007: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin wurde mit einem Strafbefehl wegen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz bestraft. Ihr Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde abgelehnt, da die formellen Anforderungen nicht erfüllt waren. Das Gericht entschied, dass die neuen Tatsachen keine Revision rechtfertigen und wies das Revisionsgesuch als offensichtlich unbegründet ab. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wurden der Gesuchstellerin auferlegt, jedoch wurde die Gerichtsgebühr aufgrund der Umstände ausser Ansatz gelassen. Der Richter war Oberrichter lic. iur. Spiess.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SR190007 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 07.05.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Widerhandlung gegen das Ausländergesetz |
Schlagwörter : | Revision; Befehl; Kanton; Recht; Kantons; Staatsanwaltschaft; Limmattal; Albis; Verfahren; Verfahren; Entscheid; Ausreise; Revisionsgesuch; Migration; Gericht; Entscheid; Integration; Verfügung; Limmattal/Albis; Rechtsmittel; Person; Sachverhalt; Revisionsgr; Sachen; Oberrichter; Wiederaufnahme; Gesuch; Tatsachen |
Rechtsnorm: | Art. 29 BV ;Art. 410 StPO ;Art. 411 StPO ;Art. 412 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 60 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SR190007-O/U/ad
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterin lic. iur. WasserKeller und Oberrichterin lic. iur. Bertschi sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. Leuthard
Beschluss vom 7. Mai 2019
in Sachen
,
Gesuchstellerin
gegen
Gesuchsgegnerin
betreffend Widerhandlung gegen das Ausländergesetz
Erwägungen:
Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis sprach die Gesuchstellerin mit Strafbefehl vom 6. Februar 2016 der Widerhandlung gegen das Ausländergesetz schuldig und bestrafte sie mit einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 30.- und einer Busse von Fr. 200.-. Sodann auferlegte sie der Gesuchstellerin die Verfahrenskosten (Urk. 2/7a = Urk. 3/7). Dieser Strafbefehl ist in Rechtskraft erwachsen (vgl. Stempel auf Urk. 3/7).
Mit Schreiben vom 9. März 2019 stellte Dr. B. namens der Gesuchstellerin ein Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich des vorgenannten Strafbefehls (Urk. 1).
Revisionsgesuche sind schriftlich und begründet beim Berufungsgericht einzureichen. Im Gesuch sind die angerufenen Revisionsgründe zu bezeichnen und zu belegen (Art. 411 Abs. 1 StPO). Das Berufungsgericht nimmt in einem schriftlichen Verfahren eine vorläufige Prüfung des Revisionsgesuchs vor. Ist das Gesuch offensichtlich unzulässig unbegründet, so tritt das Gericht nicht darauf ein (Art. 412 Abs. 1 und 2 StPO). Wird also in einer rudimentären, abstrakten Vorprüfung festgestellt, es würden keine der gesetzlichen Wiederaufnahmegrün- de geltend gemacht, fällt mithin eine Vorprüfung negativ aus, erfolgt ein Nichteintretensbeschluss (BSK StPO-Marianne Heer, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 412 StPO N 9).
Das Revisionsgesuch erweist sich in formeller Hinsicht als ungenügend. Die Verteidigung in Strafverfahren, welche ein Vergehen zum Gegenstand haben, ist Anwältinnen und Anwälten vorbehalten, die im kantonalen Anwaltsregister eingetragen sind (§ 11 Anwaltsgesetz, LS 215.1). Dr. B. ist somit nicht befugt, die Gesuchstellerin im Revisionsverfahren zu vertreten. Darüber hinaus ist eine Vertretung vor Gericht nicht durch die Dr. B. erteilte Vollmacht gedeckt, umfasst letztere doch nur die Vornahme von Handlungen gegenüber Gebietskörperschaften, Ämtern und Behörden im Verwaltungsverfahren (vgl. Urk. 2/1). Aus Gründen der Prozessökonomie rechtfertigt es sich allerdings, von der Ansetzung
einer Nachfrist zur Behebung dieser Formmängel abzusehen, fällt doch wie nachfolgend aufzuzeigen ist bereits die Vorprüfung des Revisionsgesuches negativ aus.
Die Revision Wiederaufnahme ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, welches zur Durchbrechung der Rechtskraft eines Entscheides führt und deshalb nur in engem Rahmen zulässig ist. Entsprechend streng sind die Voraussetzungen einer Revision (BSK StPO-Marianne Heer, a.a.O., Art. 410 StPO N 4 und N 9; Schmid/Jositsch, StPO Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018, Art. 410 N 1).
Die Revisionsgründe sind in Art. 410 Abs. 1 und 2 StPO - unter Vorbehalt von Art. 60 Abs. 3 StPO und des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen abschliessend genannt. Wer durch einen rechtskräftigen Strafbefehl beschwert ist, kann gemäss Art. 410 Abs. 1 StPO Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen (lit. a), wenn der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b), wenn sich in einem anderen Strafverfahren erweist, dass durch eine strafbare Handlung auf das Ergebnis des Verfahrens eingewirkt worden ist (lit. c). Darüber hinaus kann nach Art. 410 Abs. 2 StPO unter bestimmten Voraussetzungen Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verlangt werden (BSK StPOMarianne Heer, a.a.O., Art. 410 StPO N 14 und 34 ff.; Schmid/Jositsch, a.a.O., Art. 410 N 12 ff.).
Im vorliegenden Revisionsgesuch wird geltend gemacht, die Gesuchstellerin sei mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 6. Februar
2016 wegen illegaler Anwesenheit in der Schweiz und Missachtung einer Eingrenzung auf den Kanton Aargau bestraft worden. In der Zwischenzeit habe das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau jedoch mit Verfügung vom
25. September 2018 (Urk. 2/6) die vom selben Amt am 29. April 2015 gegenüber der Gesuchstellerin verfügte Eingrenzung aufgehoben, weil diese gegen das Urteil des Bundesgerichtes 2C_541/2017 vom 19. Januar 2018 verstossen habe. Damit bringt Dr. B. sinngemäss vor, dass bei der Gesuchstellerin wie bei der Beschwerdeführerin im angeführten bundesgerichtlichen Verfahren - nicht hinreichend feststehe, dass ihr die Ausreise aus der Schweiz objektiv möglich sei. Sodann reichte Dr. B. eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 25. Februar 2019 ins Recht (Urk. 2/8), in welcher in einem analogen Verfahren festgehalten worden sei, dass sowohl das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau wie auch das Migrationsamt des Kantons Zürich erklärt hätten, es sei der im dortigen Verfahren beschuldigten Person objektiv nicht möglich, freiwillig in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Gestützt auf diese Erkenntnisse stelle sich die Frage, ob der gegen die Gesuchstellerin erlassene Strafbefehl gegen Art. 8 und Art. 29 BV verstosse (Urk. 1).
3. Bei den von Dr. B. eingereichten Verfügungen des Amtes für Migration und Integration des Kantons Aargau vom 25. September 2018 und der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 25. Februar 2019 handelt es sich nicht um revisionsrechtlich relevante Tatsachen. Die Revisionsgründe von Art. 410 Abs. 1 lit. c und Art. 410 Abs. 2 StPO fallen von vornherein ausser Betracht. Wie nachfolgend aufzuzeigen ist, stellen die Verfügungen aber auch offensichtlich keinen Revisionsgrund im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a (neue Tatsachen) bzw.
lit. b (widersprechende Strafentscheide) StPO dar.
Dem Strafbefehl vom 6. Februar 2016 lag der Sachverhalt zugrunde, dass sich die Gesuchstellerin in der Zeit zwischen dem 10. Dezember 2014 und dem
5. Februar 2016 rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten, und am 5. Februar 2016 gegen die Eingrenzung verstossen hat (Urk. 3/7 S. 3). Im damaligen Verfahren stellte sich die Frage der Unmöglichkeit der Ausreise nicht, da die Gesuchstellerin nach eigenen Angaben nicht gewillt war, in ihr Heimatland zurückzukehren und
bisher keinerlei Schritte unternommen hatte, um an gültige Reisepapiere für eine legale Ausreise zu gelangen (Urk. 3/3/1 S. 4, Urk. 3/3/2 S. 2, vgl. auch Urteil des Bundesgerichtes 6B_1055/2017 vom 9. November 2017). Die Verfügung des Amtes für Migration und Integration des Kantons Aargau vom 25. September 2018 stellt in Bezug auf den angefochtenen Strafbefehl eine nachträgliche Entwicklung dar. So wurde - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Gesuchstellerin inzwischen die Bereitschaft zeigte, bei der Beschaffung von Ersatzreisedokumenten mitzuwirken eine neue Beurteilung der objektiven Ausreisemöglichkeit vorgenommen (Urk. 2/6). Diese nachträgliche Entwicklung kann aber nicht dazu führen, dass der Verfügung des Amtes für Migration und Integration des Kantons Aargau vorangegangene Verurteilungen wegen rechtswidrigen Aufenthaltes Missachtung einer Eingrenzung rückwirkend aufgehoben werden müssten. Vielmehr stellen neue Tatsachen nur dann einen Revisionsgrund dar, wenn sie vor dem zu revidierenden Entscheid vorgelegen haben (vgl. Art. 410 Abs. 1
lit. a StPO).
Eine Unverträglichkeit zwischen Entscheiden im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO ist sodann nur beachtlich, soweit sie zwischen zwei Strafentscheiden besteht, die den gleichen Sachverhalt betreffen. Die Verfügung des Amtes für Migration und Integration des Kantons Aargau vom 25. September 2018 stellt keinen Strafentscheid dar und vermag deshalb keine Revision zu begründen. Bei der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 25. Februar 2019 handelt es sich zwar um einen Strafentscheid, doch liegt diesem nicht der gleiche Sachverhalt wie dem angefochtenen Strafbefehl zugrunde, was sich schon daran zeigt, dass es in den beiden Entscheiden um andere Tatzeiträume ging. Zudem kann alleine aufgrund des Umstandes, dass es im eingestellten Strafverfahren ebenfalls um einen (Exil-)Tibeter ging, nicht von einem identischen Sachverhalt ausgegangen werden. Vielmehr hat die Strafbehörde im Einzelfall zu prüfen, ob die beschuldigte Person bei der Papierbeschaffung mitgewirkt hat, um zu beurteilen, ob ihr die Ausreise möglich ist nicht (vgl. Urteile des Bundesgerichtes 6B_1055/2017 vom 9. November 2017 und 2C_946/2017 vom 17. Januar 2018 E 6.1 f.). Mit dem von Dr. B. angeführten Bundesgerichtsentscheid 2C_541/2017 wurde in Hinblick auf die Einzelfallbeurteilung keine Abkehr
von der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung begründet. Im Entscheid wurde lediglich festgehalten, dass es zwar primär die Sache des Ausreiseverpflichteten selber ist, die Ausreise zu organisieren, dass die weggewiesene Person aber in Fällen, in denen sie die Bereitschaft zur Papierbeschaffung bzw. Identitätsabklärung zeigt, nötigenfalls von den Behörden zu unterstützen ist, ansonsten nicht hinreichend feststeht, dass ihr die Ausreise aus der Schweiz objektiv möglich ist (Urteil des Bundesgerichts 2C_541/2017 E 4.4.5 f. und E 4.5). Vor diesem Hintergrund erhellt, dass auch der von Dr. B. geltend gemachte Verstoss gegen Art. 8 und Art. 29 BV (Rechtsgleichheit/Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung in Verfahren vor Gerichtsund Verwaltungsinstanzen) ins Leere zielt.
4. Zusammenfassend erweist sich das Revisionsgesuch als offensichtlich unbegründet, weshalb darauf in Anwendung von Art. 412 Abs. 2 StPO nicht einzutreten ist.
Damit erübrigt es sich, eine Stellungnahme der Gegenpartei einzuholen (Art. 412 Abs. 3 StPO e contrario).
Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Die Kosten des Revisionsverfahrens wären deshalb der Gesuchstellerin aufzuerlegen. Nachdem das Wiederaufnahmeverfahren von Dr. B. eingeleitet wurde, welcher nicht zur Vertretung der Gesuchstellerin befugt war, und da die Gesuchstellerin nicht rechtskundig ist, rechtfertigt es sich jedoch, die Gerichtsgebühr im Sinne einer Ausnahme ausser Ansatz fallen zu lassen.
Es wird beschlossen:
Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten.
Die Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.
Schriftliche Mitteilung an
die Gesuchstellerin
Dr. B. , [Adresse]
die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis
sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis (unter Rücksendung der Akten Unt. Nr.: B-4/2016/10004499).
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Zürich, 7. Mai 2019
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Spiess
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. Leuthard
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.