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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SR190001
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SR190001 vom 03.04.2019 (ZH)
Datum:03.04.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verletzung der Verkehrsregelnverordnung
Schlagwörter : Gesuchsteller; Revision; Gesuchsgegner; Befehl; Entscheid; Fahrzeug; Abgaswartung; Gesuchstellers; Bülach; Bezirk; Statthalteramt; Fahrzeugausweis; Revisionsgr; Strassenverkehrsamt; Statthalteramtes; Fehler; Busse; Schuldig; Verfahren; Akten; Gesprochen; Emissionswert; Rechtsmittel; Pflicht; Verstosses; Obligatorischen; Rechtskraft; Beschwerde; Korrigiert
Rechtsnorm: Art. 410 StPO ; Art. 413 StPO ; Art. 415 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 59a VRV ; Art. 96 VRV ;
Referenz BGE:138 IV 197;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SR190001-O /U/jv

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. iur. F. Bollinger, Präsident, lic. iur. S. Volken und lic. iur. M. Langmeier sowie die Gerichtsschreiberin MLaw T. Künzle

Urteil vom 3. April 2019

in Sachen

A. ,

Gesuchsteller

verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Statthalteramt Bezirk Bülach,

Gesuchsgegner

betreffend Verletzung der Verkehrsregelnverordnung

Revision gegen einen Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Bülach vom 11. Oktober 2018 (ST.2018.8051)

Erwägungen:

I.

  1. Mit Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Bülach vom 11. Oktober 2018 (ST.2018.8051) wurde der Gesuchsteller wegen Verstosses gegen die Pflicht zur obligatorischen Abgaswartung (fällig seit 9. April 2016) im Sinne von Art. 59a und Art. 59b Abs. 1 lit. a VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 590.- bestraft. Zudem wurden ihm die Kosten des Verfahrens (Gebühren Fr. 430.- und Auslagen Fr. 15.-) von total Fr. 445.- auferlegt (Urk. 3/2 = Urk. 10/2). Der Strafbefehl ist in Rechtskraft erwachsen (vgl. dazu Urk. 11/5).

  2. Mit Eingabe vom 17. Januar 2019 liess der Gesuchsteller durch seinen bevollmächtigten Rechtvertreter (vgl. Urk. 3/1) ein Revisionsbegehren stellen und beantragte, der Strafbefehl vom 11. Oktober 2018 sei aufzuheben und der Gesuchsteller sei von Schuld und Strafe freizusprechen; eventualiter sei die Sache an den Gesuchsgegner zur neuen Behandlung und Beurteilung zurückzuweisen, alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten des Gesuchsgegners (Urk. 1).

  3. In der Folge wurde mit Beschluss vom 11. Februar 2019 dem Gesuchsgegner Frist angesetzt zur freigestellten Vernehmlassung und zur Einreichung der Originalakten (Urk. 7). Der Gesuchsgegner nahm mit Eingabe vom 25. Februar 2019 fristgerecht Stellung und beantragte, das Revisionsgesuch sei in der Hauptsache gutzuheissen, der Gesuchsteller freizusprechen und der Gesuchsgegner zur Rückzahlung des Betrages von Fr. 1'035.- zu verpflichten. Der Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung sei hingegen abzuweisen (Urk. 9). Gleichzeitig stellte der Gesuchsgegner der hiesigen Kammer die Akten des Strafbefehlsverfahrens mit der Referenz ST.2018.8051 zu (Urk. 11/1-11). Mit Präsidialverfügung vom 12. März 2019 wurde dem Gesuchsteller die Stellungnahme des Gesuchsgegners zur freigestellten Vernehmlassung zugestellt (Urk. 12). Mit Eingabe 14. März 2019 nahm der Gesuchsteller dazu Stellung und hielt an seinem

Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung fest (Urk. 14). Das Revisionsverfahren erweist sich als spruchreif.

II.

  1. Der Gesuchsteller begründet sein Revisionsgesuch zusammenfassend wie folgt: Der Strafbefehl beruhe auf einem Fehler des Strassenverkehrsamtes des Kantons Zürich. Das Strassenverkehrsamt habe fälschlicherweise bei der Neuzulassung seines Fahrzeuges am 5. Juni 2012 den Emissionswert B03 anstatt B04 im Fahrzeugausweis des Gesuchstellers eingetragen. Der Fehler sei vom Strassenverkehrsamt am 19. November 2018 kostenlos korrigiert worden. Ein Fahrzeug mit dem Emissionswert B04 unterstehe nicht der Abgaswartungspflicht (Urk. 1 S. 3; Urk. 3/3; Urk. 3/6 und Urk. 6/7). Der Gesuchsteller sei daher unschuldig und es liege ein Revisionsgrund gemäss Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO vor.

  2. Der Gesuchsgegner hält in seiner Vernehmlassung vom 25. Februar 2019 ebenfalls fest, dass dem Strassenverkehrsamt ein Fehler bei der Eintragung des Emissionswertes im Fahrzeugausweis des Gesuchstellers unterlaufen sei, welcher am 19. November 2018 korrigiert wurde, weshalb ein neues Beweismittel im Sinne des Revisionsgrundes von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO vorliege. Da der Gesuchsteller nach dieser Änderung im Fahrzeugausweis der Abgaswartungspflicht nicht mehr unterstehe, sei er von Schuld und Strafe freizusprechen (Urk. 9).

  3. Die materielle Prüfung eines Revisionsgesuches gestaltet sich zweistufig. In einem ersten Schritt prüft das Berufungsgericht, ob ein Revisionsgrund gegeben ist. Erachtet das Berufungsgericht einen Revisionsgrund als gegeben, so hebt es den angefochtenen Entscheid auf (H EER, in: BSK StPO, 2. Aufl., Basel 2014, N 13 zu Art. 413 StPO und N 88 zu Art. 410 StPO; SCHMID, Praxiskommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2013, N 3 zu Art. 413 StPO). In einem zweiten Schritt entscheidet das Berufungsgericht sodann, ob es die zu beurteilende Sache an die Vorinstanz (oder eine andere Behörde) zur neuen Behandlung und Beurteilung zurückweist oder selbst einen neuen Entscheid fällt (Art. 413 Abs. 1 und 2 StPO). Einen reformatorischen Entscheid fällt das Beru-

fungsgericht nur dann, wenn die Aktenlage einen sofortigen Entscheid erlaubt (Art. 413 Abs. 2 lit. a StPO).

    1. Gemäss Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO liegt ein Revisionsgrund vor, wenn neue vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere oder wesentlich strenge Bestrafung der verurteilten Person oder eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen.

    2. Vorliegend wurde im Fahrzeugausweis des Gesuchstellers am 5. Juni 2012 der Emissionscode B03 eingetragen (Urk. 3/3 = Urk. 11/4.1). Der Gesuchsteller wurde am 24. Juni 2018 an einer Verkehrskontrolle angehalten und kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass die Abgaswartung letztmals am 9. April 2014 durchgeführt wurde und damit eine Überschreitung der Wartungsfrist um 26 Monate vorlag (Urk. 1). Der Gesuchsteller wurde deshalb mit Strafbefehl vom

      11. Oktober 2018 wegen Verstosses gegen die Pflicht zur obligatorischen Abgaswartung für schuldig befunden und mit einer Busse von Fr. 590.- bestraft (Urk. 2). Der Strafbefehl erwuchs in Rechtskraft. Der Gesuchsteller bezahlte die Busse und die ihm auferlegten Kosten, was zusammengerechnet Fr. 1'035.- betrug (Urk. 3/5+6 und Urk. 11/2+3+5).

      Am 19. November 2018 wurde der Emissionscode im Fahrzeugausweis des Gesuchstellers kostenlos korrigiert von B03 auf B04. Dies versehen mit einem Hinweis, dass es sich beim Eintrag um einen Fehler des Strassenverkehrsamtes Zürich handelte (Urk. 3/3 = Urk. 11/4.1). Mit Schreiben vom 20. November 2018 bestätigte das Strassenverkehrsamt den Fehler auch gegenüber dem Gesuchsgegner und hielt zudem fest, dass ein Fahrzeug mit dem Emissionscode B04 keiner Abgaswartungspflicht unterstehe (Urk. 3/6 = Urk. 11/7). Der Gesuchsteller erhielt gleichentags einen neuen Fahrzeugausweis mit dem korrekten Emissionscode B04 zugestellt (Urk. 6/7 = Urk. 11/4.2).

    3. Damit liegt aufgrund des korrigierten Fahrzeugausweises ein neues Beweismittel im Sinne von Art. 410 lit. a StPO vor, welches ohne Weiteres geeignet ist, einen Freispruch herbeizuführen. Das Vorliegen des Revisionsgrundes ist

demnach klar zu bejahen. Das Revisionsgesuch des Gesuchstellers ist gutzuheissen und der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Bülach vom 11. Oktober 2018 vollumfänglich aufzuheben.

    1. In Anbetracht der Tatsache, dass die eindeutige Aktenlage einen sofortigen Entscheid der Sache erlaubt und der Entscheid auch zugunsten des Gesuchstellers ausfällt, ist das vorliegende Verfahren im Sinne der Prozessökonomie nicht an das Statthalteramt Bezirk Bülach (den Gesuchsgegner) zurückzuweisen, sondern es ist ein reformatorischer Entscheid zu fällen (vgl. Art. 413 Abs. 2 lit. b StPO; vgl. H EER, in: BSK StPO, a.a.O., N 19 zu Art. 413).

    2. Das Fahrzeug des Gesuchstellers untersteht dem Emissionswert B04 und damit keiner Abgaswartungspflicht (Urk. 3/6 = Urk. 10/7, vgl. auch Art. 59a VRV). Der Gesuchsteller ist folglich des Verstosses gegen die Pflicht zur obligatorischen Abgaswartung nicht schuldig und freizusprechen. Die Auferlegung der Verfahrenskosten des Strafbefehlsverfahrens ist infolge des Freispruches ebenfalls hinfällig. Die Verfahrenskosten sind auf die Kasse des Statthalteramtes Bezirk Bülach zu nehmen.

6. Da der Beschuldigte die Kosten von insgesamt Fr. 1'035.- (Busse, Gebüh- ren und Auslagen) unbestrittenermassen bereits bezahlt hat (vgl. Urk. 9 S. 2), ist ihm dieser Betrag gemäss Art. 415 Abs. 2 StPO nach Rechtskraft des vorliegenden Entscheides zurückzuerstatten. Da die Zahlung gegenüber dem Gesuchsgegner erfolgte, ist der Gesuchsgegner entsprechend zur Rückzahlung zu verpflichten.

    1. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Revisionsverfahrens gestützt auf Art. 428 StPO auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    2. Der Gesuchsteller beantragt eine Parteientschädigung von Fr. 750.- zzgl. 8 % MwSt. für anwaltliche Vertretung und begründet den Beizug eines Rechtsbeistandes damit, dass er völlig rechtsunkundig und der deutschen Sprache nicht genügend mächtig sei (Urk. 1 S. 3; Urk. 14).

    3. Der Gesuchsteller hat gestützt auf Art. 415 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 436 Abs. 4 und Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO Anspruch auf eine Entschädigung seiner Aufwendungen für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte. Der Entschädigungsanspruch setzt voraus, dass sowohl der Beizug eines Anwalts als auch der von diesem betriebene Aufwand angemessen sind. Der Anwaltsbeizug ist anhand der beweismässigen oder rechtlichen Komplexität des Falles sowie der persönlichen Umstände des Betroffenen zu beurteilen (BGE 138 IV 197 E. 2).

Vorliegend handelt es sich unbestrittenermassen um einen einfachen Standardfall. Indes ist der Gesuchsteller völlig rechtsunkundig. Das ausserordentliche Rechtsmittel der Revision war dem Gesuchsteller nicht bekannt und wurde ihm auch nicht eröffnet. Er war demnach bei der Ergreifung des Rechtsmittels der Revision auf die Unterstützung eines Rechtsbeistandes angewiesen. Der geltend gemachte Aufwand von Fr. 750.- erscheint angemessen und ist antragsgemäss dem Gesuchsteller als Prozessentschädigung zuzusprechen.

Es wird erkannt:

  1. Das Revisionsbegehren des Gesuchstellers vom 17. Januar 2019 wird gutheissen.

  2. Der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Bülach vom 11. Oktober 2018 (ST.2018.8051) wird aufgehoben und der Gesuchsteller vom Vorwurf des Verstosses gegen die Pflicht zur obligatorischen Abgaswartung freigesprochen.

  3. Der Gesuchsgegner wird verpflichtet, dem Gesuchsteller nach Rechtskraft des vorliegenden Entscheides den Betrag von total Fr. 1'035.- (Busse von Fr. 590.-, Gebühren von Fr. 430.- und Auslagen von Fr. 15.-) zurückzuerstatten.

  4. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.

  5. Dem Gesuchsteller wird eine Prozessentschädigung von Fr. 750.- zzgl.

    8 % Mwst. aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  6. Schriftliche Mitteilung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Gesuchstellers

    • das Statthalteramt Bezirk Bülach

      sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz (unter Rücksendung der Akten)

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich.

  7. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 3. April 2019

Der Präsident:

Dr. iur. F. Bollinger

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw T. Künzle

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