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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SF170005
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SF170005 vom 06.06.2018 (ZH)
Datum:06.06.2018
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_714/2018
Leitsatz/Stichwort:Mehrfacher versuchter Mord etc.
Schlagwörter : Gesuch; Gesuchsgegner; Urteil; Revision; Urteil; Verwahrung; Gutachten; AaO; Recht; Entscheid; Recht; Bundes; Bundesgericht; Gesuchsgegners; Kanton; Gutachter; Diagnose; Verhalten; Obergericht; Kantons; Beweis; Sachen; Tatsachen; Verfahren; Verhaltens; Lichkeitsstörung; Staatsanwaltschaft; Persönlichkeitsstörung
Rechtsnorm: Art. 2 StGB ; Art. 397 StGB ; Art. 413 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 453 StPO ; Art. 56 StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 64 StGB ; Art. 65 StGB ; Art. 90 StGB ;
Referenz BGE:107 IV 133; 116 IV 353; 134 IV 121; 137 IV 219; 137 IV 59;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Franz Riklin;
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SF170005-O/U/gs

Mitwirkend: Der Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, die Oberrichterin

lic. iur. Schärer und der Ersatzoberrichter lic. iur. Wenker sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. Karabayir

Beschluss vom 6. Juni 2018

in Sachen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,

Gesuchstellerin

gegen

  1. ,

    amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

    betreffend mehrfachen versuchten Mord etc.

    Antrag auf Anordnung einer nachträglichen Verwahrung betreffend Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 19. März 2007 (SE060026)

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte

      1. Das Obergericht des Kantons Zürich I. Strafkammer verurteilte den Gesuchsgegner A. erstinstanzlich mit (eingangs wiedergegebenem) Urteil vom

      19. März 2007 wegen mehrfachen versuchten Mordes und weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und einer Busse von Fr. 500.- (Urk. 2/1 S. 61). Gegen dieses Urteil erhob die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich Beschwerde an das Schweizerische Bundesgericht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei wegen Verletzung des Bundesrechts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen. Eventualiter sei gemäss Art. 64 Abs. 1 StGB die Verwahrung oder gemäss Art. 63 Abs. 1 StGB eine ambulante Massnahme anzuordnen. Mit Urteil vom 29. November 2007 wies das Bundesgericht die Beschwerde ab (Urk. 1-A, FN 2006/5395, 14; auszugsweise und in anonymisierter Form veröffentlicht in BGE 134 IV 121). Das obergerichtliche Urteil erwuchs in der Folge in Rechtskraft.

      1. Am 13. Dezember 2017 stellte die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (nachfolgend Staatsanwaltschaft) beim Obergericht des Kantons Zürich den Antrag auf Anordnung einer nachträglichen Verwahrung des Gesuchsgegners nach Art. 65 Abs. 2 StGB (Urk. 1). Mit Präsidialverfügung vom 14. Dezember 2017 bestellte die hiesige Kammer dem Gesuchsgegner in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. einen amtlichen Verteidiger mit Wirkung ab 14. Dezember 2017 (Urk. 7). Am 22. Dezember 2017 wurde dem Gesuchgegner und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, Frist zur freigestellten Stellungnahme zum Antrag der Staatsanwaltschaft gesetzt (Urk. 15). Während Erstere auf eine Vernehmlassung verzichtete (Urk. 17), reichte die Verteidigung des Gesuchgegners nach einmal erstreckter Frist am 9. Februar 2018 ihre Stellungnahme ein, mit welcher sie die Abweisung des Antrages der Staatsanwaltschaft verlangte und - für den Fall der Gutheissung - gleichzeitig Beweisanträge stellte (Urk. 21 und 31). Diese wurde in der Folge der Staatsanwaltschaft unter Fristansetzung zur freigestellten Vernehmlassung zugestellt (Urk. 35). Nach einmaliger Erstreckung lief die Frist unbenutzt ab (Urk. 37). Nachdem die Beweisanträge der Verteidigung - wie

        noch aufzuzeigen sein wird (nachfolgend E. II und III) - abzuweisen sind, erweist sich das Verfahren als spruchreif.

      2. Die Staatsanwaltschaft beantragte gleichzeitig mit ihrem Gesuch um Anordnung einer nachträglichen Verwahrung vom 13. Dezember 2017, dass der Gesuchgegner mit Wirkung ab 17. Dezember 2017 bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides über das Gesuch, eventualiter für sechs Monate, subeventualiter für drei Monate, in Sicherheitshaft zu nehmen sei (Urk. 1). Am 15. Dezember 2017 wurde in der Folge eine Haftanhörung durchgeführt (Urk. 4 - 6, 9). Gleichentags verfügte der stellvertretende Präsident der II. Strafkammer die Abweisung dieses Antrags auf Anordnung der Sicherheitshaft (Urk. 10). Gegen diese Verfügung erhob die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 19. Dezember 2017 Beschwerde an das Bundesgericht (Urk. 12 f.). Mit Urteil vom 29. Januar 2018 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, hob die angefochtene Verfü- gung auf und wies die Sache zur unverzüglichen Anordnung von Sicherheitshaft an die hiesige Kammer zurück (Urk. 22 [im Dispositiv] und Urk. 27 [begründetes Urteil]). Mit Präsidialverfügung vom 30. Januar 2018 wurde der Gesuchgegner in der Folge in Sicherheitshaft versetzt (Urk. 24). Die Kantonspolizei des Kantons St. Gallen inhaftierte ihn am 1. Februar 2018, um 19.15 Uhr (Urk. 29). Seither befindet er sich in Sicherheitshaft.

    2. Intertemporale Fragen
  1. Anwendbarkeit von Art. 65 Abs. 2 StGB

    1. Art. 65 Abs. 2 StGB ist zwar vor der rechtskräftigen Verurteilung des Gesuchsgegners mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2007 in Kraft getreten. Zu Grunde lagen diesem Entscheid allerdings Straftaten, welche der Gesuchsgegner vor dem 1. Januar 2007 begangen hatte (Ende November 2015, am 13. Dezember 2005 und - betreffend Widerhandlungen gegen das BetmG - zwischen dem 20. März 2004 bis 13. Dezember 2005). Damit stellt sich vorab die Frage, ob Art. 65 StGB überhaupt anwendbar ist.

    2. Gemäss Art. 2 Abs. 1 StGB wird nach dem Strafgesetzbuch beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat (Grundsatz des Rückwirkungsverbotes). Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung gelangt das zur Zeit der Beurteilung geltende neue Recht zur Anwendung, wenn der Täter vor Inkrafttreten des Gesetzes ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat und es für den Täter das mildere ist (Grundsatz der lex mitior). Erweisen sich die Regelungen des alten und des neuen Rechts für den konkreten Täter als gleichwertig, findet nach dieser gesetzlichen Ordnung somit weiterhin das alte Recht Anwendung (Urteil des Bundesgerichts 6B_896/2014 vom 16. Dezember 2015, E. 4.1).

    3. Abweichend von dieser allgemeinen Bestimmung über den zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes enthält Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen des Strafgesetzbuches (SchlussBest StGB) eine spezielle Regelung für das Massnahmenrecht. Danach sind die neuen Bestimmungen über die Massnahmen (Art. 56 - 65 StGB) und über den Massnahmenvollzug (Art. 90 StGB) auch auf diejenigen Täter anwendbar, die vor deren Inkrafttreten eine Tat begangen haben oder beurteilt worden sind. Damit sieht genannte Bestimmung eine Ausnahme des in Art. 2 Abs. 2 StGB verankerten Rückwirkungsverbotes vor. Einschränkend verlangt Ziff. 2 Abs. 1 lit. a SchlussBest StGB für die nachträgliche Anordnung der Verwahrung nach Art. 65 Abs. 2 StGB allerdings, dass diese auch nach altem Recht, also gestützt auf Art. 42 oder 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB, möglich gewesen wäre (BBl 2005 4715 f.).

    4. Dies ist vorliegend unter Hinweis auf das bereits in dieser Sache ergangene bundesgerichtliche Urteil vom 29. November 2007 zu bejahen (vgl. vorstehend

E. I.1). Die dem damaligen Urteil bei der Prüfung der gleichen Frage zu Grunde liegenden Umstände bestehen nach wie vor. Der Gesuchsgegner beging eine schwerwiegende Straftat. Dass diese nach wie vor im Zusammenhang steht mit einer schweren psychischen Störung ist ebenfalls zu bejahen (vgl. nachfolgend

E. III.4.3 und 5). Insofern können die entsprechenden bundesgerichtlichen Erwä- gungen ohne Weiteres übernommen werden (Urk. 1-A, FN 2006/5395, 14 = BGE 134 IV 121, E. 3.4; vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesgerichts 1B_548/2017

vom 29. Januar 2018 in vorliegender Sache betr. Anordnung der Sicherheitshaft,

E. 6.2 bzw. Urk. 27 S. 13). Die Verwahrung wäre auch nach dem alten Sanktionenrecht, Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB, grundsätzlich möglich gewesen. Dass das Bundesgericht dabei den Verzicht des Obergerichts auf Anordnung einer Verwahrung schützte, ändert daran nichts, hat es damit doch die grundsätzliche Möglichkeit einer nachträglichen Verwahrung keineswegs als unzulässig ausgeschlossen (Urk. 2/1 S. 53 und Urk. 1-A, FN 2006/5395, 14 = BGE 134 IV 121, E. 3.4.4; Urk.

27 S. 13). Im Übrigen handelt es sich bei diesem Entscheid um eine Ermessensfrage. Schliesslich steht der rückwirkenden Anwendung des neuen Massnahmerechts nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts auch das internationale Völkerrecht nicht entgegen (Urteil des Bundesgerichts 6B_896/2014 vom

16. Dezember 2015, E. 4 [Rückwirkungsverbot, lex mitior], E. 5 [ne bis in idem] und E. 6 [Recht auf Freiheit und Sicherheit]; Urk. 1-A FN 2006/5395, 14 = BGE 134 IV 121, E. 3.4). Art. 65 Abs. 2 StGB ist somit grundsätzlich anwendbar.

  1. Anzuwendende Verfahrensbestimmungen

    1. Art. 65 Abs. 2 Satz 2 StGB verweist in Bezug auf Verfahren und Zuständigkeit auf die prozessualen Bestimmungen zur Wiederaufnahme (Revision). Das wiederaufzunehmende Verfahren wurde noch nach den Bestimmungen der zür- cherischen Strafprozessordnung rechtskräftig erledigt. Seit dem 1. Januar 2011 ist die Schweizerischen Strafprozessordnung in Kraft, mit welcher sämtliche bis anhin geltenden kantonalen Strafprozessgesetze abgelöst wurden. Insofern stellt sich die Frage, ob vorliegend die kantonalen oder eidgenössischen Bestimmungen zum Revisionsverfahren anzuwenden sind.

    2. Art. 453 Abs. 1 StPO hält übergangsrechtlich fest, dass Rechtsmittel gegen noch vor ihrem Inkrafttreten gefällte Entscheide nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden zu beurteilen sind. Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des alten oder neuen Prozessrechts ist insofern das erstinstanzliche Entscheiddatum (BGE 137 IV 219 E. 1.1 m.H. vgl. auch Urteil des Bundesgerichts BGer 6B_130/2014 vom 12. Juni 2014, E. 1).

    3. Nach dieser Übergangsregelung, welche nach ihrer generellen Formulierung auch für die Revision gilt, muss für das vorliegende Revisionsverfahren somit unter dem Vorbehalt der (neu) in Art. 65 Abs. 2 StGB geregelten Revisionsgründe die zürcherische Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 (StPO ZH) wie auch das zürcherische Gerichtsverfassungsgesetz vom 13. Juni 1976 (GVG) zur Anwendung gelangen (Urteile des Bundesgerichts 6B_288/2012 vom 6.12.2012, E. 1.3; 6B_339/2012 v. 11.10.12 E. 2.2.1; 6B_800/2011 v. 5.07.2012 E. 3.1;

6B_1042/2015 v. 19.04.2015 E. 4.1; 6B_1186/2014 v. 3.12.2015 E. 3.3;

6B_130/2014 v. 12.06.14, E. 1.4; anders jedoch in 6B_41/2012 v. 28.06.2012, E. 1.1 und 6B_245/2012 v. 12.09.12 E.1.1).

III. Revisionsgründe
  1. Nachfolgend ist zunächst zu prüfen, ob die von Art. 65 Abs. 2 StGB vorgegebenen Revisionsgründe gegeben sind.

    1. Gemäss Art. 65 Abs. 2 StGB kann das Gericht die Verwahrung nachträglich anordnen, wenn sich bei einem Verurteilten während des Vollzuges der Freiheitsstrafe aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel ergibt, dass die Voraussetzungen der Verwahrung gegeben sind und im Zeitpunkt der Verurteilung bereits bestanden haben, ohne dass das Gericht davon Kenntnis haben konnte. Der Anwendungsbereich von Art. 65 Abs. 2 StGB zielt auf die seltenen Fälle , in denen die an sich zulässige Anordnung einer Verwahrung im Strafurteil unterblieben ist und sich der Verurteilte während des Strafvollzugs als hochgefährlich erweist (Urteil des Bundesgerichts 6B_404/2011 vom 2. März 2012, E. 2.1 m.w.H.).

    2. Zum Grad der Gewissheit, dass die Revisionsgründe tatsächlich vorliegen, verlangte Lehre und Rechtsprechung bei einer altrechtlichen Revision zu Gunsten einer Person, dass behauptete Tatsachen nur glaubhaft zu machen sind (SCHMID, in: DONATSCH/SCHMID, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, März 1996, N 4 zu § 441 und N 18 zu § 449; BGE 116 IV 353; so auch nach neuem Recht: vgl. BSK StPO - HEER, Art. 413 N 5). Auch im Zusammenhang mit der

      vorliegend zu beurteilenden Revision zu Ungunsten der betroffenen Person gemäss Art. 65 Abs. 2 StGB kann zwar der Nachweis eines Novums nicht erst bei Ausschluss jeglicher begründeter Zweifel als erbracht gelten. Mit Blick auf die Schwere des Eingriffs und des Vertrauensschutzes des Betroffenen sind hier aber strengere Anforderungen angezeigt. Einer Wiederaufnahme des Verfahrens zu Ungunsten der betroffenen Person muss Ausnahmecharakter zukommen. Sie ist insofern nur zuzulassen, wenn die neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel geeignet sind, in tatsächlicher Hinsicht ernstliche Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass der frühere Verzicht auf eine Verwahrung sachgerecht war (BSK StGB-HEER, N 87 zu Art. 65). Schliesslich bleibt darauf hinzuweisen, dass die Sachund Beweislage im Revisionsverfahren nicht abschliessend zu beurteilen, sondern lediglich vorläufig zu prüfen ist. Die einlässliche Würdigung und der endgültige Entscheid in der Sache bleibt nach allfälliger Gutheissung des Revisionsgesuches dem Sachrichter vorbehalten (BSK StGB-HEER N 87 zu 65 und BSK StPO-HEER zu 413 N 1 und 4-7; SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004,

      § 64 N 1162).

    3. Gerade deshalb erweist es sich im vorliegenden Bewilligungsverfahren auch nicht als angebracht bzw. erforderlich, die von der Verteidigung beantragten Beweise abzunehmen (Urk. 31 S. 14 f.; vgl. auch nachfolgende Erwägungen). Sowohl die Einholung eines neuen Obergutachtens als auch eine allfällige Zeugenbefragung von Dr. med. B. und Dr. med. C. würden auf eine abschliessende Klärung der Sachund Beweislage hinauslaufen, was nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist. Im Bewilligungsverfahren geht es nur um die Beantwortung der Frage, ob das als neues Beweismittel eingereichte Gutachten von

Dr. C. allein geeignet ist, in tatsächlicher Hinsicht ernstliche Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass der frühere Verzicht auf eine Verwahrung sachgerecht war. Ist das nicht der Fall, so ist das Revisionsgesuch ohne Weiterungen abzuweisen.

    1. Das Revisionsgesuch der Staatsanwaltschaft bezieht sich auf das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2007, welches sich auf Antrag der Staatsanwaltschaft damals mit der Verwahrung des Beschuldigten zu befassen

      hatte. Zur Beurteilung der Frage, stützte es sich dabei auf das Gutachten von Dr. med. B. vom 21. Juni 2006 (Urk. 1-A, FN 2006/5395, 5). Es kam zur Erkenntnis, dass von einer Verwahrung abzusehen sei. Wie bereits erwähnt, wurde dieses Urteil u.a. mit Bezug auf diesen Entscheid mittels Beschwerde ans Bundesgericht angefochten, welches sie mit Urteil vom 29. November 2007 abwies (BGE 134 IV 121 E. 3.4.4).
    2. Die Staatsanwaltschaft begründet ihren Antrag auf Anordnung der nachträg- lichen Verwahrung mit einem neuen psychiatrischen Gutachten über den Gesuchsgegner, welches im Auftrag des Amtes für Justizvollzug, Bewährungsund Vollzugsdienste, von Dr. med. C. am 4. Mai 2015 erstellt wurde. Gemäss den Ausführungen der Staatsanwaltschaft weiche dieses vom Gutachten von

      Dr. med. B. in wesentlichen Punkten ab, welches Grundlage für den Verzicht des Erstgerichts auf eine Verwahrung gewesen sei. Im Ergebnis sei mit dem neuen Gutachten rechtsgenügend dargelegt, dass die tatsächlichen Feststellungen, welche dem Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2007 zugrunde gelegen hätten, ungenau bzw. falsch gewesen seien (Urk. 1 S. 5 - 8).

    3. Die Verteidigung des Beschuldigten beantragt die Abweisung des Revisionsgesuches der Staatsanwaltschaft (Urk. 31). Zusammenfassend begründet sie ihren Antrag damit, dass das neue Gutachten keine neuen, erheblichen Tatsachen darzutun vermöge. Weder würden sich die von Dr. C. gemachten Feststellungen vom Gutachten aus dem Jahre 2006 mehr als nur marginal unterscheiden, noch zeige das neue Gutachten grobe Fehler des genannten Erstgutachtens auf. Es handle sich lediglich um eine andere Würdigung, was keinen Revisionsgrund begründe (a.a.O. S. 5 f.). Zudem lasse sich heute wohl nicht mehr schlüssig aufklären, ob die von Dr. med. C. gemachten Feststellungen bereits zum Zeitpunkt der Erstverurteilung bestanden oder sich während des Vollzugs erst aufgrund der unzureichenden Settings entwickelt hätten (a.a.O. S. 6 f.). Im Übrigen verlangt die Verteidigung die Berücksichtigung der Entwicklungen in der Zeit zwischen der Entlassung des Gesuchsgegners und seiner Versetzung in Sicherhaft (a.a.O. S. 2 - 4).

  1. Konkret ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auf ein Revisionsgesuch im Sinne von Art. 65 Abs. 2 StGB unter den folgenden, nachfolgend eingehend zu prüfenden vier Bedingungen einzutreten (BGE 137 IV 59 = Pra 100 (2011) Nr. 109, E. 5.1; Urteile des Bundesgerichts 6B_487/2011 vom 30. Januar

    2012, E. 2.2, und 6B_404/2011 vom 2. März 2012, E. 2.2):

    • Die Revision muss auf Tatsachen oder Beweismitteln beruhen, welche die Feststellung erlauben, dass die Voraussetzungen für die Verwahrung erfüllt sind;

    • Diese Tatsachen oder das Beweismittel müssen neu sein;

    • Die Voraussetzungen für die Verwahrung müssen (gestützt auf diese Tatsachen und Beweismittel) bereits im Zeitpunkt der Urteilsfällung,

      d.h. sowohl damals als auch heute, erfüllt gewesen sein;

    • Die neuen Tatsachen oder Beweismittel müssen erheblich sind.

  2. Das Vorliegen von neuen Tatsachen oder Beweismitteln

      1. Die Revision zu Ungunsten der betroffenen Person bedingt das Vorliegen von Tatsachen oder Beweismittel, welche die Feststellung erlauben, dass die Voraussetzungen für eine Verwahrung erfüllt sind und bereits im Urteilszeitpunkt waren. Was die Beweismittel anbelangt, beziehen sich diese auf den Beweis einer Tatsache, die auch schon geltend gemacht worden sein kann. Neu sind Tatsachen oder Beweismittel dann, wenn das damals entscheidende Gericht keine Kenntnis von den bereits zu jenem Zeitpunkt bestehenden Tatsachen haben konnte, bzw. davon, dass die Voraussetzungen der Verwahrung unter Zugrundelegung derselben erfüllt waren (Zum Ganzen: BSK StGB-HEER, N 64 zu Art. 65 StGB; BGE 137 IV 59 E. 5.1.1 = Pra 100 [2011] Nr. 109).

      2. Als Grundlage für den Antrag auf die Anordnung der nachträglichen Verwahrung reichte die Staatsanwaltschaft das psychiatrische Gutachten von Dr.

        C. vom 4. Mai 2015 ein (Urk. 1 S. 8). Zu prüfen ist demnach im Folgenden, ob dieses Gutachten als neues Beweismittel qualifiziert werden kann, welches die

        Feststellung erlaubt, dass die Voraussetzungen für eine Verwahrung erfüllt sind und bereits im Urteilszeitpunkt waren, und damit die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt.

        Ein neues Gutachten kann eine Revision rechtfertigen. Wird darin indessen lediglich eine von einem früheren Gutachten abweichende Meinung vertreten bzw. gelangt dieses nur zu einer anderen Würdigung, stellt dies nicht bereits einen Revisionsgrund dar (Urteil des Bundesgerichts 6B_404/2011 vom 2. März 2012 E. 2.2.2 und BGE 137 IV 59= Pra 100 (2011) Nr. 109 E. 5.1.1 f.; BSK StGB-

        HEER, N 64 zu Art. 65 StGB). Dies gilt umso mehr für psychiatrische Gutachten oder die Feststellung der Gefährlichkeit des Betroffenen. So wird eine psychiatrische Diagnose regelmässig aufgrund von verschiedenen Kriterien ausgemacht und basiert gerade die Qualifikation von Auffälligkeiten in besonderem Mass auf Wertungen des Gutachters (BSK StGB-HEER, N 63 zu Art. 65). Die Diagnose stützt sich somit auf bestimmte Tatsachen und ist mehr Schluss aus ihnen denn unmittelbar erhobenes Faktum (BOMMER, Nachträgliche Verwahrung als Revision zulasten des Verurteilten Zur Revisibilität von Prognoseentscheidungen, in: NIGGLI/HURTADO POZO/QUELOZ, Festschrift für Franz Riklin, S. 62). Gleich verhält es sich bei der Gefährlichkeitsbeurteilung. Sie stellt ebenfalls eine Würdigung dar, die auf einer gewissen Anzahl von Risikofaktoren beruht, welche als Tatsachen zu betrachten sind (BSK StGB-HEER, N 61 zu Art. 65). Sind diese Tatsachen bzw. Kriterien, aus welchen der Gutachter den Schluss auf eine psychische Persön- lichkeitsstörung bzw. auf die Gefährlichkeit zieht, die gleichen, so liegt lediglich eine andere Würdigung vor. Als revisionsbegründendes neues Beweismittel kann daher nur dasjenige neue Gutachten gelten, welches sich - allenfalls noch zusätzlich - auf andere, bisher noch nicht bekannte Kriterien abstützt. Wohl aus diesen Überlegungen heraus hat das Bundesgericht denn auch festgehalten, dass ein Gutachten zu einer Revision führen kann, wenn es festzustellen erlaubt, dass der im ersten Urteil angenommene Sachverhalt falsch oder ungenau war, oder wenn es aus ernsthaften Gründen vom ersten Gutachten abweicht und derart klare Fehler feststellt, dass das Fundament des ersten Urteils erschüttert wird, oder wenn es sich auf neue Erkenntnisse stützt oder eine andere Methode anwendet (Urteil des Bundesgerichts 6B_404/2011 vom 2. März 2012 E. 2.2.2 m.w.H. und

        BGE 137 IV 59 E. 5.1.2; Hans WALDER, Die Wiederaufnahme des Verfahrens in Strafsachen nach Art. 397 StGB, insbesondere auf Grund eines neuen Gutachtens, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, Bern 1979, S. 356).

      3. Abweichende psychiatrische Diagnose

        4.3.1.a) Dr. med. B. kam in seinem Gutachten vom 21. Juni 2006 zum Schluss, dass gesamthaft von einer schweren Störung der Persönlichkeitsentwicklung zu sprechen sei. Er attestierte dem Gesuchsgegner konkret eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61.0), welche vor allem schizoide, aber auch dissoziale sowie vereinzelt emotional instabile Züge trage

        (Urk. 1-A, FN 2006/5395, 5 S. 41 f.). Des weiteren erachtete er auch die Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms (Cannabis) als hinreichend erfüllt (ICD-10: F12.2; a.a.O. S. 37). Den schizoiden Zügen ordnete der Gutachter dabei die folgenden von ihm beobachteten bzw. vom Gesuchsgegner angegebenen Umstän- de zu (a.a.O. S. 42): Nur wenige Tätigkeiten bereiten Vergnügen. Eine emotionale Kühle und flache Affektivität sind nachweisbar. Seine Fähigkeit, warme, zärtliche Gefühle zu zeigen, ist gering und gegenüber Lob oder Kritik verhält er sich anscheinend gleichgültig. Er äussert wenig Interessen an sexuellen Erfahrungen, sucht vor allem einzelgängerische Beschäftigungen, verfügt über keine vertrauensvollen Beziehungen und verneint auch einen solchen Wunsch. Gleichzeitig ist seine Sensibilität im Befolgen gesellschaftlicher Regeln mangelhaft. Als dissozial würdigt der Gutachter folgende von ihm beobachteten Verhaltensweisen (a.a.O.): Der Expl. zeigt ein Unbeteiligtsein gegenüber Gefühlen anderer, eine Missachtung sozialer Normen und eine ungenügende Fähigkeit, Schuldbewusstsein zu erleben. Als emotional instabile Züge seien die folgenden Umstände zu bewerten (a.a.O.): Unklarheit des eigenen Selbstbildes, der eigenen Ziele und innerer Präferenzen, sowie ein Gefühl innerer Leere.

        b) Zu den genannten Schlussfolgerungen und Beurteilungen kam der Gutachter gestützt auf die Aktenlage vom 13. Dezember 2005 bis zum 22. Mai 2006

        (a.a.O. S. 2, Polizeirapporte und ärztliche Untersuchungen [a.a.O. S. 2-4: konkret Polizeirapport und Wahrnehmungsbericht vom 15. Dezember 2005; ärztliche Befunde über die verletzten Personen; Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich vom 12. Februar 2006; Sicherstellung bzw. Beschlagnahmung; ärztliche Untersuchungen des Beschuldigten am Tattag]; Personalakten [a.a.O. S. 5 - 7: Strafregisterauszug; Befragung zur Person; Akten aus der Militär- dienstzeit], Angaben des Gesuchsgegners in den Einvernahmen [vom 13. und 23. Dezember 2005 sowie vom 4., 6., 12. und 18. Januar 2006, a.a.O. S. 7 - 18]; Auskünfte von Drittpersonen [S. 18 - 20]). Ferner untersuchte er den Gesuchsgegner selber am 26. Mai und am 2. Juni 2006 über insgesamt knapp drei Stunden, wobei er hierzu Folgendes festhielt (a.a.O. S. 29):

        Die gutachterliche Untersuchung ist nach unüblich kurzer Zeit beendet. Es sind alle Themenbereiche, die üblicherweise in einer gutachterlichen Untersuchung berührt werden, auch vorliegendenfalls angesprochen worden. Die kurze Dauer erklärt sich damit ganz aus dem Verhalten des Expl., der wiederholt auf die Aktenlage verweist und insbesondere Fragen, die sich auf sein inneres Erleben, auf selbstreflektive Wahrnehmungen, auf Selbstoder Lebenskonzepte beziehen, zu beantworten ablehnt oder ganz pauschal beantwortet.

        Diese persönliche Untersuchung wurde schliesslich durch experimentellpsychologische Untersuchungen durch den Psychologischen Dienst der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich am 14. Juni 2006 ergänzt (a.a.O. S. 2 und S. 21 - 36).

        4.3.2.a) In Abweichung zur Diagnose von Dr. med. B. kam Dr. med.

        C. in dem neuen Gutachten vom 4. Mai 2015 zum Ergebnis, dass der Gesuchsgegner an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.0) sowie einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline Typus (ICD 10: F 60.31) leide (Urk. 2/2 S. 84). Ausserdem liege bei ihm ein Cannabisabhängigkeitssyndrom vor (ICS 10: F. 12.2; a.a.O. 70 f.). Dissoziale Züge im engeren Sinne seien beim Gesuchsgegner jedoch nicht stilbildend (a.a.O. S. 78). Konkret sei die Affektivität des Gesuchsgegners zwar auffallend. Diese Auffälligkeiten seien aber im Bereich der Affektivität und des interaktionellen Verhaltens erheblich und nicht durch die paranoide und erst recht nicht durch eine schizoide Persönlichkeitsstörung erfasst. Vorrangig prägend für das In-Erscheinung-Treten des Gesuchsgegners sei (neben der paranoiden Persönlichkeitsstörung) seine emotionale Instabilität vom Borderline-Typus (a.a.O. 70 f.). Dieses Störungsbild lasse sich in seinem vollen Umfang erst in der Gesamtschau erschliessen (a.a.O. S. 71 f.). Da das Ausmass der paranoiden und emotional-instabilen Züge prägend und handlungsleitend seien, würden die dissozialen Aspekte ganz zurücktreten

        (a.a.O. S. 72 f., 78).

        1. Damit stellt Dr. med. C. zwar grundsätzlich eine abweichende Diagnose, welche insbesondere mit Bezug auf die Ausprägung der emotional-instabilen Züge auch viel weitergeht, als diejenige von Dr. med. B. . Wie bereits vorstehend in den Erwägungen unter Ziffer 4.2 dargelegt wurde, vermag dies allein allerdings noch keinen Revisionsgrund zu begründen. Es ist deshalb zusätzlich zu prüfen, ob Dr. med. C. sich auf andere bzw. zusätzliche für die Diagnosestellung relevante Kriterien abstützt bzw. abstützen kann, welche dem Vorgutachter nicht vorlagen.

        2. Dr. med. C. erläutert im Rahmen ihrer Diagnosestellung einleitend, dass Persönlichkeitsstörungen tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster umfassen würden, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen würden. Sie entstünden oft früh im Verlauf der individuellen Entwicklung als Folge konstitutioneller Faktoren wie auch sozialer Erfahrungen. Sie seien Ausdruck des charakteristischen, individuellen Lebensstils, des Verhältnisses zur eigenen Person und zu anderen Menschen. Personen mit Persönlichkeitsstörungen würden gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu Anderen zeigen. Solche Muster seien stabil, begännen in Kindheit oder Adoleszenz, manifestierten sich endgültig im Erwachsenenalter und seien tiefgreifend. Für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sei es unabdingbar, einerseits die lebensgeschichtliche Entwicklung im Hinblick auf wiederkehrende Verhaltensund Beziehungsmuster zu analysieren und andererseits das aktuelle Querschnittbild - der psychopathologische Befund - auf spezifische Besonderheiten zu untersuchen (Urk. 2/2 S. 64 f.). Diese einleitenden Erklärungen implizieren, dass sich die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung überwiegend auf Angaben des Begutachteten und auf aktenkundige bzw. - falls möglich - auf selber gemachte Beobachtungen von dessen Verhaltensweisen in bestimmten Situationen stützt (vgl. hierzu insb. die Ausführung der Gutachterin auf S. 69 ihres Gutachtens, wonach inzwischen „aus Militär- und Haftzeit zahlreiche Verhaltensbeschreibungen“ vorlägen, „aus denen die überdauernden Einstellungen, Verhaltensund Interaktionsmuster des Expl. ersichtlich“ seien). Folglich ist eine genaue Diagnosestellung umso eher möglich, wenn umfangreiche Angaben des Begutachteten vorhanden sind bzw. wenn Beobachtungen von seinem Verhalten wäh- rend einer gewissen Zeit gemacht werden können. Darauf lässt auch die Begrün- dung der Gutachterin für die abweichende Diagnosestellung schliessen. So führt sie ausführlich und schlüssig aus, dass sich die unterschiedliche Spezifizierung der Persönlichkeitsstörung aus der damals ganz anderen Beurteilungsgrundlage ergäbe. Der Gesuchsgegner habe sich seinerseits eindrücklich anders präsentiert als heute. Dem Erstgutachter seien nur wenige Vorinformationen vorgelegen (vgl. hierzu auch die diesbezügliche Zusammenstellung unter E. 4.3.1.b) und er habe nicht auf die Informationen aus dem langjährigen Haftverlauf zurückgreifen kön- nen. Es sei sodann auch grundsätzlich denkbar, dass es sich bei den seinerseits von Dr. med. B. beobachteten affektiven Auffälligkeiten um ein abklingendes phasisches Geschehen gehandelt habe, dass auf diesen schizoid gewirkt haben könne, zumal sich der Gesuchsgegner damals kaum geäussert habe (Urk. 2/2 S. 75). Er habe damals kaum etwas von sich preisgegeben, kaum Kontakt aufgenommen und inhaltlich sein Desinteresse an anderen Menschen betont

          (a.a.O. S. 70). Jedenfalls würden sich die von diesem in der damaligen Begutachtungssituation gezeigten affektiven Auffälligkeiten deutlich vom späteren Bild unterscheiden (a.a.O. S. 75). So habe sich u.a. im weiteren Verlauf gezeigt, dass der Gesuchsgegner der Interaktion mit Anderen einen sehr hohen Teil seiner Aufmerksamkeit und Energie widme. Seine Affektivität sei zwar auffallend, aber weder flach noch distanziert. Ebenso wenig wirke er emotional kühl. Im Längsschnittverlauf seit 2005 seien ferner gestützt auf Befunde und Verhaltensbeschreibungen Auffälligkeiten im Bereich der Affektivität deutlich hervorgetreten (emotional-instabilen Züge) und hätten sich als vorrangig prägend erwiesen (Urk. 2/2 S. 70 - 72). Die eigene persönlichkeitsdiagnostische Einschätzung stütze sich auf den aus den Akten ersichtlichen Längsschnittverlauf und den klinischen Befund. Zudem seien seit 2011 weitere prägnante Verhaltensbeobachtungen aus der Therapie als Beurteilungsgrundlage hinzugekommen, die der Diagnose einer schizoiden Persönlichkeitsstörung entgegenstünden und die auf die bereits von Dr. med. B. gestellte Diagnose der emotional instabilen Persönlichkeitsstö- rung zurückzuführen seien (Urk. 2/2 S. 84 f.). Die Gutachterin analysiert dabei nicht nur die Verhaltensweisen des Gesuchsgegners vor und im Verlaufe des Vollzugs (a.a.O. S. 10 - 32), sondern stellt die von ihm in den verschiedenen Begutachtungsbzw. Behandlungsphasen gemachten Angaben zu spezifischen Bereichen seiner Biografie zusammen und analysiert diese, weil - mit ihren Worten

          - die Besonderheiten des Auskunftsverhaltens des Expl. eine Auflistung seiner Angaben zu einigen relevanten Bereichen im Längsschnittverlauf sinnvoll machen würden (a.a.O. S. 32 - 35, S. 66 ff.). Sie legt damit klar dar, dass die zu ihrer Diagnose führenden Verhaltensweisen an sich tief verwurzelt sind und bereits zum Zeitpunkt der Erstverurteilung bestanden, aber unentdeckt blieben, weil der Gesuchsgegner diese dem damaligen Gutachter in ihrem Ausmass nicht offenbarte und Letzterer auch nicht die entsprechenden Beurteilungsgrundlagen hatte.

        3. Die abweichende psychiatrische Diagnose von Dr. med. C. stellt demzufolge nicht bloss eine neue Bewertung von bereits bei der Erstverurteilung bekannten oder erkennbaren Tatsachen dar, sondern stützt sich darüber hinaus auf neue Erkenntnisse, welche sich erst während des Vollzugs ergaben. Im Unterschied zur Beurteilungsgrundlage vom Erstgutachter (vgl. oben E. 4.3.1.b: bis zum 22. Mai 2006 verfügbare Akten: Urk. 2/2 S. 3 - 14) verfügte die Gutachterin über umfangreichere Angaben von D. , der Mutter des Gesuchsgegners

          (a.a.O. S. 10 f.), welche sich zum Zeitpunkt der Erstbegutachtung nicht in der Lage gesehen hatte, sich dem Erstgutachter gegenüber zu äussern (Urk. 1-A, FN 2006/5395, 5, S. 2). Ferner lagen ihr sowohl das psychiatrische Erstgutachten als auch ein weiteres am 11. Februar 2011 von Dr. med E. erstelltes psychiatrisches Gutachten vor (Urk. 2/2 S. 17 - 19). Darüber hinaus existierten inzwischen diagnostische Abklärungen von Frau Dr. phil. F. vom 10. April 2013 (ADHSAbklärung; a.a.O. S. 19), Berichte und Therapieverlauf des ForensischPsychiatrischen Dienstes Bern (FPD Bern; a.a.O. S. 19 - 25), umfangreiche Akten betreffend Haftund Massnahmenverlauf (a.a.O. S. 25 - 31), wobei die Gutachterin hierzu einleitend vermerkt, dass die in den Führungsberichten enthaltenen Verhaltensweisen des Gesuchsgegners eine weitere Perspektive bieten würden, dessen Besonderheiten in ihren zentralen Aspekten zu erfassen, und der Austrittsbericht der Klinik G. vom 30. Oktober 2014 (a.a.O. S. 31 f.: stationäre Behandlung im Sinne einer Krisenintervention). Im Unterschied zum Erstgutachter verfügte Dr. med. C. sodann über ausführlichere und genauere Angaben des Gesuchsgegners - mitunter in Bezug auf sein inneres Erleben, auf selbstreflektive Wahrnehmungen, auf Selbstoder Lebenskonzepte (vgl. vorstehend E. 4.3.1.b) -, welche er seit 2005 im Rahmen der jeweiligen Behandlungen, Begutachtungen oder Betreuungen nunmehr gemacht hatte. Ebenso konnten seine Verhaltensweisen seither gründlicher und intensiver studiert und analysiert werden. Abgesehen davon untersuchte die Gutachterin ihn auch selber während insgesamt ca. 6.5 Stunden anlässlich fünf Explorationen (a.a.O. S. 3, S. 35 - 64).

        4. Das neue Gutachten belegt damit, dass sich die vom Erstgutachter gestellte Diagnose, was das Vorliegen und Analysieren der für eine Diagnose relevanten Kriterien anbelangt, auf einen unvollständigen bzw. ungenauen Sachverhalt stützte. Dies gilt auch für das Obergericht, welches bei der Erstverurteilung auf dieses Gutachten und die darin gestellte Diagnose abstellte.

      4. Abweichende Beurteilung der Deliktsdynamik

        1. Aus beiden Gutachten geht hervor, dass die Deliktsdynamik ein wesentlicher Faktor für die Gefährlichkeitsbeurteilung darstellt, weshalb nachfolgend auch auf diesen Punkt näher einzugehen ist (vgl. nachfolgend E. 4.5).

        2. Dr. med. B. führte in Bezug auf die Deliktsdynamik aus, dass die von ihm diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung zum Tatzeitpunkt im Sinne einer mangelhaften geistigen Entwicklung erheblicher Schwere bestanden habe. Abgesehen vom Abhängigkeitssyndrom habe tatzeitaktuell ferner ein motivationaler Zusammenhang zwischen der kombinierten Persönlichkeitsstörung und der Tathandlung bestanden (Urk. 1-A, FN 2006/5395, 5, S. 43). Darüber hinaus seien tatzeitaktuell eine Reihe konstellativer Faktoren bedeutsam gewesen. Folge man den Angaben des Gesuchsgegners gegenüber dem Gutachter und in

          den Einvernahmen, so habe (kurz zusammengefasst) der Militärdienst, welcher von ihm ursprünglich als eine Möglichkeit angesehen worden sei, einer ganz ungewissen beruflichen Zukunft zu entgehen, in einem neuerlichen Scheitern geendet (a.a.O. S. 43 f.). Im Anschluss daran sei er in eine erheblich schwere soziale Belastungssituation geraten (antriebsarm, schwungund interesselos, lediglich kurzfristige Arbeit), welche dazu geführt habe, dass auch seine materiellen Verhältnisse immer schlechter geworden seien (konnte Miete nicht bezahlen, Wohnung wurde gekündigt). Hinzu gekommen sei, dass H. , welcher ihm Geld geschuldet habe, dieses selbst dann nicht zurückgegeben habe, nachdem der Gesuchsgegner diesem gegenüber Todesdrohungen ausgesprochen und diesen so auf seine eigene Mächtigkeit hingewiesen gehabt habe (a.a.O. S. 44). Am Tattag sei es dann zu einer sich bereits Tage vorher abzeichnenden Situation gekommen, in welcher der Gesuchsgegner gänzlich mittellos gewesen sei, ohne Zukunftsvorstellungen, ohne Hoffnung, ohne konstruktive Möglichkeiten, mit der Situation adäquat umzugehen, und zusätzlich ohne Möglichkeit, die angenehme und beruhigende Wirkung des Cannabis zu erfahren. Um aus dieser Situation herauszukommen, hätte der Gesuchsgegner seine eigene Lebenssituation durch eigenes Tun aktiv gestalten müssen, wozu er aber aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung (Unfähigkeit, die eigene Zukunft in positiven Dimensionen zu erleben, Gefühl einer globalen Hoffnungslosigkeit und einer feindseligen Welt, Abspaltung von Emotionen, Nichtzulassung von affektivem Erleben) nicht in der Lage gewesen sei (a.a.O. S. 45). Die Tathandlung habe sich damit aus einer besonderen aktuellen Situation heraus entwickelt, in der sich mehrere psychosoziale Belastungsmomente ergeben hätten und sich die vorbestehende Problematik in ihrer subjektiven Aussichtslosigkeit zugespitzt habe. Es sei von einer bisher einmaligen Konfliktsituation zu sprechen, während der Gesuchsgegner in anderen Konfliktsituationen in der Vergangenheit nicht mit delinquentem Verhalten aufgefallen sei (a.a.O. S. 49). Es sei insofern keineswegs

          „zwangsläufig“ oder klar vorhersehbar zur Tathandlung gekommen (a.a.O.

          S. 50). Weiter führt der Gutachter aus, dass es auf dem Hintergrund der Äusserungen des Gesuchsgegners durchaus möglich sei, dass der Tatentschluss vom Wunsch getragen gewesen sei, für möglichst lange Zeit in eine Situation zu gelangen, in der von ihm keine gestalterischen und Autonomieleistungen verlangt werden würden. In einer geschlossenen Institution wäre er denn auch einem Regime unterworfen, müsse keine Eigeninitiative leisten und sein Leben nicht aktiv selber gestalten. Mit seinen Störungen sei auch der Umstand erklärbar, dass sich die Frustrationswut und Aggression des in die Enge und Ausweglosigkeit getriebenen Gesuchsgegners nicht lediglich auf eine bestimmte Person, z.B. H. , gerichtet habe, sondern auf die ganze Welt von Missgunst und Unfreundlichkeit und Feindseligkeit (a.a.O. S. 45).

          Diese gutachterliche Beurteilung impliziert, dass die oben beschriebenen besonderen konstellativen Faktoren, welche eine einmalige Konfliktsituation bewirkt und zur Zuspitzung der bestehenden Problematik in ihrer subjektiven Aussichtslosigkeit geführt hätten, in gleichem Masse entscheidend waren für den Tatentschluss und dessen Umsetzung wie die schizoiden und dissozialen Züge seiner Persönlichkeitsstörung.

        3. Abweichung zu dieser Beurteilung von Dr. med. B. kommt Dr. med. C. im neuen Gutachten betreffend Deliktsdynamik zum Schluss, dass das Tatgeschehen in engem Zusammenhang mit der paranoiden Persönlichkeitsdisposition des Gesuchsgegners gestanden sei. Situative Faktoren seien demgegenüber weit zurückgetreten. Auch Züge emotionaler Instabilität seien beim Anlassdelikt nicht wirksam geworden und kaum zum Tragen gekommen. Möglicherweise sei dies der entspannenden Wirkung des damaligen Cannabiskonsums zuzuschreiben. Das Delikt sei nicht aus einer plötzlichen Verstimmung oder Laune erwachsen, etwa als überschiessende Reaktion auf ein aktuell kränkendes Erleben. Der Tatausführung sei nichts Impulshaftes eigen (Urk. 2/2 S. 78).

          Dr. med. C. geht somit nicht von der Wirksamkeit von denjenigen konstellativen Faktoren für den Tatentschluss und dessen Umsetzung aus, welchen Dr. med. B. eine massgebende Bedeutung beigemessen hatte. Dabei stützt sich die Gutachterin zum einen auf ihre eigene psychiatrische Diagnose und zum anderen wiederum auf die bereits vorstehend dargelegte umfassendere Beurteilungsgrundlage (vgl. vorstehend E. 4.3.2.d, vgl. auch lit. c), insbesondere den

          hierzu wesentlich sachdienlicheren Angaben des Gesuchsgegners. Damit verdeutlicht sie im Ergebnis, dass der vormalige Gutachter und auch das sich auf dessen Beurteilung stützende Obergericht von falschen bzw. ungenauen tatsächlichen Feststellungen betreffend der Deliktsdynamik ausgegangen waren, welche auch für die Gefährlichkeitsbeurteilung von grosser Relevanz war (vgl. nachfolgende Erwägungen).

      5. Abweichende Gefährlichkeitsbeurteilung

        4.5.1.a) Dr. med. B. beurteilte die Legalprognose in seinem Gutachten gestützt auf die legalprognostisch von ihm als relevant erachteten Faktoren wie insbesondere der Deliktsdynamik und der psychiatrischen Diagnose wie folgt (Urk. 1- A, FN 2006/5395, 5, S. 47-51):

        In einer Gesamtschau der vorstehend diskutierten legalprognostisch relevanten Faktoren ist von ausgesprochen unsicheren prognostischen Möglichkeiten zu sprechen. Diese Unsicherheiten gründet sich nicht so sehr auf das Vorliegen bzw. das Fehlen günstiger oder ungünstiger legalprognostischer Faktoren, sondern auf die Bedeutung, die dem deliktischen Willen des Expl. zuzumessen ist: Es ist keineswegs zwangsläufig oder klar vorhersehbar zur Tathandlung vom tt.12.2005 gekommen, sondern auf dem Hintergrund einer Entwicklung, an deren Ende ebensogut der Verzicht des Expl. auf ein solches Tun hätte stehen können. Das Tatverhalten hätte sich - [ ] - auch nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorhersagen lassen. [ ] Damit wird zum entscheidenden prognostischen Faktor, inwieweit sich der Expl. nicht nur mit dem eigenen Tatverhalten auseinandersetzt, sondern auch den echten und tragfähigen Entscheid trifft, auf vergleichbare Verhaltensbereitschaften zu verzichten, bzw. er sein Tatverhalten (weiterhin) bejaht und es ein verständig als Möglichkeit seines Verhaltensspektrums anerkennt. [ ]

        , und es ist zu erwarten, dass Situationen von Ausweglosigkeit und Überforderung seiner Persönlichkeitskräfte auch in Zukunft vorkommen können. Es ist damit von einer recht hohen Wahrscheinlichkeit zu sprechen, dass der Expl. [ ] auch in Zukunft in eine vergleichbare Situation geraten wird, wie sie sich am tt.12.2005 dargestellt hat, als er sich dann zur Tathandlung entschloss. [ ]

        Unter diesen Voraussetzungen ist unter nochmaligem Hinweis darauf, eine wie grosse Rolle die grundsätzliche Entscheidung des Expl. hinsichtlich allfälliger Tatwiederholungen spielt, von einem deutlich höheren Rückfallrisiko zu sprechen, als es dem statistischen Rückfallrisiko für den Vorwurf eines (versuchten) Tötungsdelikts entspricht.

        1. Das Obergericht würdigte diese Ausführungen des Gutachters wie folgt (Urk. 2/1 S. 53):

          Mit den überzeugenden Ausführungen des Gutachters ist davon auszugehen, dass dem Angeklagten eine gewisse Gefährlichkeit innewohnt. Allerdings kann nicht gesagt werden, es handle sich bei ihm um einen hochgefährlichen Täter, der keiner Behandlung zugänglich ist. Auch wenn letztlich ein deutlich erhöhtes Rückfallrisiko anzunehmen ist, rechtfertigt sich aus der heutigen Sicht die Verwahrung des Angeklagten - er ist Ersttäter

          - als ultima ratio (noch) nicht. die Verwahrung eines Ersttäters ist denn auch nur in Extremfällen anzuordnen. Ein solcher Extremfall liegt nicht vor, wurde der Angeklagte doch im Gutachten nicht als extrem gefährlich eingestuft.

        2. Das Bundesgerichts erwog am 29. November 2007 diesbezüglich, dass diese Erkenntnis des Obergerichts nicht zu beanstanden sei. Konkretisierend legte sie dar, dass die Anordnung der Verwahrung angesichts der Schwere dieses Eingriffs in die persönliche Freiheit des Betroffenen ultima ratio sei und nicht angeordnet werden dürfe, wenn die bestehende Gefährlichkeit auf andere Weise behoben werden könne (Urk. 1-A, FN 2006/5395, 14, E. 3.4.4). Diese Massnahme könne gemäss Art. 56 StGB nur angeordnet werden, wenn eine Strafe nicht geeignet sei, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen (Abs. 1 lit. a), oder wenn die öffentliche Sicherheit dies erfordere (Abs. 1 lit. b) und wenn der mit ihr verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weitere Straftaten nicht unverhältnismässig sei (Abs. 2). Die Vorinstanz nehme zu Recht an, dass sich die Verwahrung beim Beschwerdegegner (also beim Gesuchsgegner) als Ersttäter nicht rechtfertige angesichts des Umstandes, dass er vom psychiatrischen Gutachter nicht als hochgefährlich eingestuft worden sei.

        4.5.2.a) Während Dr. med. B. noch von ausgesprochen unsicheren prognostischen Möglichkeiten sprach, beurteilt Dr. med. C. die Legalprognose des Gesuchsgegner gestützt auf die (bereits mehrfach erwähnten) während dem Vollzug gewonnenen zusätzlichen Erkenntnisse vorbehaltlos und ohne Unsicherheiten als erheblich belastet und geht von einer erhöhten Tötungsbereitschaft aus, die aus seiner Persönlichkeitsdisposition erwachse. Mit anderen Worten besteht nach ihrer Ansicht allein aufgrund der Persönlichkeitsstörung des Gesuchsgegners eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass er sich für eine Tatwiederholung entscheiden könnte. Dr. med. C. spricht in diesem Zusammenhang auch nicht nur von einem höheren Risiko als das statistische Rückfallrisiko für den Vorwurf eines (versuchten) Tötungsdelikts, sondern klar von einem weiterhin bestehenden (d.h. damals wie heute) deutlich erhöhten Risiko hinsichtlich der Begehung schwerer Gewaltstraftaten. Dabei führt sie in Bezug auf den von Dr. med. B. als Hauptursache für die Unsicherheiten angeführten entscheidenden prognostischen Faktor, „inwieweit sich der Expl. nicht nur mit dem eigenen Tatverhalten auseinandersetzt, sondern auch den echten und tragfähigen Entscheid trifft, auf vergleichbare Verhaltensbereitschaften zu verzichten“, Folgendes aus: Der Gesuchsgegner lasse (damals wie auch) weiterhin keine moralische Barriere hinsichtlich der Möglichkeit des Tötens erkennen. Aktuell bezeichne er seine Tathandlung wertneutral als „Fehler“. Im Kern der Problematik stehe die extreme Selbstbezogenheit, welche zu Fehlinterpretationen und kognitiven Verzerrungen führe. Der eigene Anteil an negativ verlaufenden Interaktionen werde nicht reflektiert. Aus dem sich immer wieder aufs Neue konstellierenden subjektiven Erleben, von anderen abgelehnt oder willkürlich schlecht behandelt zu werden, habe sich eine allgemeine, ungerichtete Hostilität und Vorwurfshaltung entwickelt. Beschreibbar sei weiter ein offen kommunizierter Mangel an Mitgefühl und seine Negierung moralischer Werte und Verbindlichkeiten. Ferner erklärt sie, dass sich die skizzierten pathologischen Interaktionsund Erlebnisweisen im Laufe der Haftstrafe nicht hätten modifizieren lassen. Schliesslich sei zu bedenken, dass der Gesuchsgegner nicht nur ohne Rücksichtnahme gegen andere zu agieren in der Lage sei, sondern dass er in einer entsprechenden Gestimmtheit auch ohne Rücksicht auf das eigene Wohlergehen handle und dass seine Zielvorstellungen von dem allgemein Erwartbaren erheblich abzuweichen vermochten, ohne dass dies vorher ersichtlich sei (Urk. 2/2 S. 78 f.).

        b) Aus dem Dargelegten erhellt, dass es sich vorliegend nicht bloss um eine andere Beurteilung der Legalprognose gestützt auf die gleichen legalprognostischen Faktoren handelt, welche auch Dr. med. B. vorlagen. Vielmehr stützt sich diese zum einen auf ihre eigene Diagnose (vgl. vorstehend E. 4.3.2.a) und zum anderen auf die bereits mehrfach erwähnten im Verlaufe des Strafund Massnahmenvollzugs gewonnenen zusätzlichen Erkenntnisse (vgl. vorstehend

        E. 4.3.2.d). Im Übrigen wird die hohe Rückfallgefahr in Bezug auf schwere Gewaltdelikte auch durch eine Stellungnahme vom 7. Juni 2017 der Fachkommission Gemeingefährlichkeit des Ostschweizer Strafvollzugskonkordates sowie durch ein weiteres (von der KESB in Auftrag gegebenes) psychiatrisches Gutachten vom 6. November 2017 bestätigt (Urk. 2/3 f.).

      6. Abweichende Ausgangslage bezüglich Behandelbarkeit

        1. Dr. med. B. hielt in seinem Gutachten gestützt auf die ihm zur Verfü- gung stehenden Erkenntnisse fest, dass die von ihm diagnostizierte psychische Störung nach dem damaligen Stand der psychiatrischen und psychotherapeutischen Verfahren nur äusserst schwer erfolgreich zu behandeln sei. Die fehlende Erreichbarkeit des Explorenten (des Gesuchsgegners), „seine Affektarmut, die defizitären Momente seiner Persönlichkeitsentwicklung und die Erfahrung, in einer im Grunde missgünstig gestimmten, feindseligen Welt überleben zu müssen“, würden es nicht erlauben, eine irgend erfolgversprechende Behandlung im Sinne einer Massnahme vorzuschlagen. Dabei bleibe es aber durchaus denkbar, dass der Gesuchsgegner seine psychische Störung „zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt“ doch noch vor sich selbst und dann vielleicht auch vor Dritten anerkenne und dann auch beginne, Hilfe zu suchen (Urk. 1-A, FN 2006/5395, 5, S. 52 f.).

          Von diesen Ausführungen ausgehend kam das Obergericht in seinem damaligen Urteil zum Schluss, dass nicht gesagt werden könne, dass es sich beim

          Verurteilten um einen hoch gefährlichen Täter handle, der keiner Behandlung zugänglich sei (vgl. oben E. 4.5.1.b).

        2. Dr. med C. schliesst zwar - wie die Verteidigung zu Recht geltend macht (Urk. 31 S. 10 ff.) - die Behandelbarkeit des Gesuchsgegners ebenfalls nicht völlig aus. Dabei darf aber zum einen nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Gutachterin sich zur Frage der Verwahrung überhaupt nicht zu äussern hatte (Urk. 2/2 S. 84 - 88 [Fragenkatalog]). Ferner bestehen angesichts der vorläufigen Beweisund Sachlage im Bewilligungsverfahren ernsthafte Anhaltspunkte für eine fehlende Behandelbarkeit des Gesuchsgengers. So wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 16. Juni 2011 nachträglich eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet und durchgeführt (nach Art. 59 i.V.m. Art. 65 Abs. 1 StGB). Sie führte nicht zu den erhofften Behandlungserfolgen. Deshalb wurde die Verlängerung der stationären Massnahme unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. med. C. , welche eine therapeutische stationäre Massnahme weiterhin als indiziert und eine Behandlung nicht als völlig unmöglich erachtete, beantragt. Das Bezirksgericht Hinwil wies diesen Antrag jedoch mangels erfolgsversprechender Behandlungsmöglichkeiten ab. Während also Dr. med. B. es noch als durchaus denkbar erachtete, dass der Gesuchsgegner einer Behandlung in einigen Jahren allenfalls zugänglich sein könnte, hat sich diese Hoffnung mit dem Scheitern der durchgeführten stationären Massnahme bisher nicht bewahrheitet. Hinzukommt, dass gemäss den Ausführungen von Dr. med. C. trotz der therapeutischen Behandlung nicht einmal eine minime Verbesserung hinsichtlich der psychischen Störung oder der Legalprognose habe erzielt werden können (Urk. 2/2 S. 85 und 86).

    Diese Umstände sind neu und lassen es zumindest im Rahmen des vorliegenden Bewilligungsverfahrens als durchaus wahrscheinlich erscheinen, dass die beim Gesuchsgegner diagnostizierten psychischen Störungen und seine dadurch bedingte Gefährlichkeit nicht erfolgsversprechend behandelt werden können. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird - sollten die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung des Revisionsgesuchs erfüllt sein - vom Sachgericht im wiederaufgenommenen Verfahren im Rahmen der einlässlichen Überprüfung der Verwahrungsvoraussetzungen näher zu erörtern sein. Dieses wird dabei auch zu entscheiden haben, ob hierzu - wie von der Verteidigung beantragt (Urk. 31 S. 14) - ein neues Gutachten einzuholen ist.

  3. Erfüllung der Voraussetzungen für die Verwahrung bereits zum Zeitpunkt der Erstverurteilung

    1. Wie sich aus Art. 65 Abs. 2 StGB und den für die Revision entwickelten Grundsätzen ergibt, müssen die Bedingungen für die Verwahrung schon im Zeit- punkt der Urteilsfällung erfüllt sein. Im Bewilligungsverfahren beschränkt sich die Überprüfung dieser Frage allerdings lediglich darauf, ob das Novum bzw. - in der vorliegenden Konstellation - die mit dem neuen Gutachten belegten neuen Umstände und Tatsachen (Gesundheitszustand, Gefährlichkeit und Behandelbarkeit des Gesuchsgegners) bereits im Urteilszeitpunkt, d.h. im Jahre 2007, vorlagen. Ob die Voraussetzungen für eine Verwahrung tatsächlich heute erfüllt sind und es auch bereits im Zeitpunkt des Urteils waren, ist demgegenüber (erst) im wieder aufgenommenen Verfahren zu beurteilen (so auch ausdrücklich BGE 137 IV 59

      E. 5.2 a.E.; vgl. auch vorstehend E. 1).

    2. Das Bundesgericht erwog diesbezüglich, dass der Revisionsrichter bei der Prüfung dieser Voraussetzung ein in Rechtskraft erwachsenes Urteil nicht an einen anderen Sachverhalt anpassen kann, sondern ausschliesslich einen in einem früheren Verfahren begangenen Fehler korrigieren. Er kann deshalb das Verhalten des Verurteilten oder die Entwicklung seiner Situation während seiner Inhaftierung (Verweigerung der Behandlung, Drohungen, Aggression) nicht berücksichtigen (BGE 137 IV 59 E. 5.1.3 und Urteil des Bundesgerichts 6B_487/2011 vom

      30. Januar 2012, E. 2.3.3; BSK StGB-Heer, N 79 zu Art. 65 StGB). Dieser letzte Satz bedarf aufgrund des diesem immanenten Widerspruchs zum klaren Gesetzeswortlaut allerdings einer Präzisierung: Unbeachtet müssen nur diejenigen Verhaltensweisen und Entwicklungen bleiben, welche erst nach der Inhaftierung oder allenfalls gerade deswegen einsetzten. Entwickelte sich z.B. erst durch die Haftsituation oder allenfalls aufgrund anderer Erlebnisse während des Vollzugs eine psychische Störung, welche vorher nicht vorlag, so ist diese nicht revisionsbegründend. Das Gleiche gilt, wenn sich eine bereits vorbestehende psychische

      Störung während und aufgrund des Vollzugs verschlechtert. Anders zu beurteilen ist aber der Fall, wenn eine psychische Störung - welche grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt der Erstverurteilung bestand - erst infolge der Intensiv-Betreuung und -Überwachung während des Strafoder Massnahmenvollzugs in ihrem vollen Ausmass erkannt werden kann.

    3. Dr. med. C. legt schlüssig und eingehend dar, dass der Gesuchsgegner bereits zum Zeitpunkt der Erstverurteilung an einer paranoiden und einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung, letztere vom Borderline-Typus, litt. Diese Störungen und deren Auswirkungen sind gemäss ihren überzeugenden Ausführungen lediglich deshalb in ihrem Ausmass und ihren Auswirkungen vom damaligen Gutachter und damit auch vom Gericht unerkannt geblieben, weil seinerzeit bedingt durch die sehr beschränkten ärztlichen und behördlichen Informationen über den Gesuchsgegner - nicht zuletzt auch mangels hinreichender Angaben des Gesuchsgegners (vgl. vorstehend E. 4.3.1.b) - von einer ungenauen, unvollständigen und damit falschen Beurteilungsgrundlage ausgegangen wurde. Ausführlich zeigt sie unter Hinweis auf die inzwischen gemachten Angaben des Gesuchsgegners und die Informationen aus dem Haftund Behandlungsverlauf diagnoserelevante tiefverwurzelte Verhaltensauffälligkeiten auf, welche bereits damals bestanden, aber unter den damaligen Bedingungen unmöglich erkennbar waren.

  1. Erheblichkeit

    1. Schliesslich müssen die neuen Tatsachen und Beweismittel ernsthaft sein. Sie müssen mit anderen Worten geeignet sein, die Sachverhaltsfeststellung zu erschüttern, auf welcher die Verurteilung beruht, und der so modifizierte Sachverhalt muss die Anordnung einer Verwahrung wahrscheinlich erscheinen lassen (Urteile des Bundesgerichts 6B_487/2012 vom 30. Januar 2012 E. 2.2.4 und 6B_404/2012 vom 2. März 2012 E. 2.2.4 sowie BGE 137 IV 59 E. 5.1.4).

    2. Die Gutachterin stellt wie bereits mehrfach dargelegt die psychiatrische Diagnose und die Gefährlichkeitsbeurteilung des Gesuchsgegners auf eine andere Grundlage. Die von ihr in diesem Zusammenhang gemachten Feststellungen

      vermögen die tatsächlichen Annahmen des früheren Gutachters, welche diesem als Grundlage zur Beurteilung der psychischen Erkrankung, der Gefährlichkeitsprognose und der Behandelbarkeit dienten, als unrichtig umzustossen. Die neuen massgeblichen Feststellungen beziehen sich auf die Voraussetzungen der Verwahrung. Sie sind verwahrungsbzw. gefährlichkeitsbegründend. Ferner erscheint - wie bereits dargelegt wurde (vgl. vorstehend E. 4.6.2) - auch die Unbehandelbarkeit des Gesuchsgegner als wahrscheinlich. Entgegen früherer Annahmen und den Ausführungen der Verteidigung (Urk. 31 S. 7 ff.) sind im Ergebnis die durch das neue Gutachten von Dr. med. C. belegten neuen Tatsachen geeignet, eine Verwahrung zu begründen. Etwas Anderes ist im vorliegenden Bewilligungsverfahren entgegen den Ausführungen der Verteidigung (Urk. 31 S. 10 - 12) nicht zu beurteilen.

  2. Demzufolge sind sämtliche von Art. 65 Abs. 2 StGB vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt. Das neue Gutachten und die mit ihr belegten erheblichen neuen Umstände allein sind geeignet, in tatsächlicher Hinsicht ernstliche Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass der frühere Verzicht des Obergerichts auf eine Verwahrung sachgerecht war.

  1. Rechtsfolge
    1. Da die Revisionsgründe gemäss Art. 65 Abs. 2 StGB gegeben sind, ist das Revisionsgesuch gutzuheissen. Somit ist das frühere, mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2007 (Geschäfts-Nr. SE060026) rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wiederaufzunehmen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass der Fall vollumfänglich neu zu beurteilen ist. Vielmehr ist die nachfolgend zu bezeichnende Behörde mit Ausnahme der Verwahrungsfrage an die übrigen Sachverhaltsfeststellungen und Rechtsauffassungen des früheren Gerichts gebunden, welche nicht die Verwahrung direkt betreffen. Weder der Schuldspruch noch der Strafpunkt wird durch das neue Verfahren berührt (BSK StGB-HEER,

      N 89 zu Art. 65).

    2. § 448 StPO ZH sieht für eine Revision zu Ungunsten des Betroffenen - wie das vorliegend der Fall ist - die Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft vor. Ein entsprechendes Vorgehen erweist sich in der vorliegenden Konstellation allerdings nicht als sachgerecht.

      Gestützt auf das neue Gutachten und die darin enthaltenen neuen Erkenntnisse ist weder der Anklagevorwurf noch der gegen den Gesuchsgegner ergangene Schuldspruch zu erweitern. Die Gutheissung der Revision beeinflusst die Anklage daher in keiner Weise. Die Verwahrung des Gesuchsgegners war bereits damals beantragt. Sie stützt sich nunmehr lediglich auf eine neue Grundlage. Insofern erweist sich eine Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft als wenig sinnvoll. Vor allem aber führt sie zu einer unnötigen Verzögerung des ganzen Verfahrens, was unter Hinweis auf das Beschleunigungsgebot, welchem aufgrund der angeordneten Sicherheitshaft ein besonderes Gewicht zukommt, zu problematischen Resultaten führt.

    3. Deshalb ist zu prüfen, ob in Bezug auf die Folgen der Gutheissung eines Revisionsgesuchs aus Praktikabilitätsgründen und zur Vereinfachung des Verfahrens nicht eine Ausnahme von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der zürcherischen Strafprozessordnung (vgl. oben E. II 2.2) angezeigt ist und - konkret für diese Frage - Art. 413 Abs. 2 StPO zur Anwendung gelangen muss. Denn danach hat das Revisionsgericht - nach Gutheissung des Revisionsgesuches - zu entscheiden, ob es die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz (oder eine andere Behörde) zurückweist oder - sofern die Aktenlage einen sofortigen Entscheid erlaubt - selber einen neuen Entscheid in der Sache fällt.

      Das Bundesgericht schliesst die Anwendung von neuem Verfahrensrechts aus Praktikabilitätsgründen nicht aus. So erwog es in seinem Urteil 6B_41/2012 vom 28. Juni 2012, dass die Anwendung von Art. 453 Abs. 1 StPO auf die Revision regelmässig Probleme mit sich bringe, weil das Revisionsgesuch jeweils Jahre später gestellt werden könne, so dass teilweise die nach altem Recht für die Revision zuständige Behörde nicht mehr existieren würde (E. 1.1 m.w.H.). Mit dieser Begründung wendete es das neue Revisionsverfahrensrecht an. Ferner wirkt sich die Anwendung von Art. 413 Abs. 2 StPO nicht nachteilig auf den Beschuldigten aus. Insofern erweist es sich im Ergebnis als sachgerecht, von einer altrechtlichen

      Rückweisung an die Staatsanwaltschaft abzusehen und stattdessen nach der genannten Bestimmung vorzugehen.

    4. Gemäss Art. 413 Abs. 2 lit. b StPO ist zunächst die Frage zu klären, ob die Aktenlage die Fällung eines neuen Entscheides in der Sache erlaubt. Entscheidend ist dabei, ob und inwiefern der den Entscheid fällenden Instanz ein Ermessenspielraum zukommt (SCHMID, Praxiskommentar, Art. 413 N 13; BSK StPO - HEER, a.a.O., Art. 413 N 19). Besteht ein zumindest nicht unerheblicher Ermessenspielraum betreffend die materiell zu entscheidenden Fragen, so ist - insbesondere vor dem Hintergrund des Instanzenverlustes durch einen reformatorischen Entscheid - kassatorisch zu entscheiden.

      Vorliegend erlaubt die Aktenlage keinen sofortigen Entscheid durch das hiesige Gericht. Es wird namentlich noch eingehender abzuklären sein, ob und inwieweit die Voraussetzungen für eine Verwahrung sowohl im Urteilszeitpunkt als auch aktuell erfüllt waren respektive sind (vgl. vorstehend E. III.1). Da das vorhandene Gutachten sodann bereits drei Jahre alt ist, kann ferner nicht ausgeschlossen werden, dass ein neues Gutachten oder ein Ergänzungsgutachten einzuholen ist, welches sich zur aktuellen Situation bezüglich Notwendigkeit und Erfolgsaussichten einer Behandlung, Art und Wahrscheinlichkeit zukünftig zu erwartender Straftaten sowie konkreter Behandlungsmöglichkeiten zu äussern hat. Zudem besteht bei der Frage der Verhältnismässigkeit der Verwahrung (Art. 56

      Abs. 2 StGB) ein grosser Ermessensspielraum. Abgesehen davon wäre ein reformatorischer Entscheid mit einem Instanzenverlust verbunden. Demzufolge ist kassatorisch zu entscheiden. Die Sache ist somit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    5. Das angefochtene Urteil wurde von der I. Strafkammer des Obergerichtes mit geschworenengerichtlicher Kompetenz und als erste Instanz gefällt. Diese Behörde wurde zum einen mit Inkrafttreten der Schweizerischen StPO abgeschafft. Zum anderen wäre eine Rückweisung an die I. Strafkammer des Obergerichtes mit einem Instanzenverlust verbunden. Daher ist die Sache an das gemäss Art. 31 ff. StPO örtlich zuständige Bezirksgericht zurückzuweisen. Der Gesuchsgegner beging die Delikte in [Ort]. Folglich ist das Bezirksgericht Hinwil

    zuständig. Sie wird im wiederaufgenommenen Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung zu entscheiden haben.

  2. Kosten

    Die Auflage der Kosten und die Zusprechung einer Entschädigung erfolgen in der Regel im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Verfahrensbeteiligten (§ 396a Satz 1 StPO ZH). Von dieser Regel kann in begründeten Fällen abgewichen werden, namentlich wenn sich eine Partei in guten Treuen zu ihren Anträgen veranlasst sah (Satz 2).

    In Analogie zur Kostenregelung nach neuem Strafprozessrecht, wonach der Bund oder der Kanton die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen hat, wenn die Rechtsmittelinstanz einen Entscheid aufhebt und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückweist (Art. 428 Abs. 4 StPO), rechtfertigt es sich in Anwendung von § 396a Satz 2 StPO ZH, die Kosten des Revisionsverfahrens, inklusive derjenigen der amtlichen Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen.

  3. Rechtsmittel
  1. Sowohl gegen den gutheissenden als auch gegen den abweisenden Entscheid der Revisionsinstanz ist gemäss zürcherischer Strafprozessordnung zunächst die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ans Kassationsgericht des Kantons Zürich möglich (§ 428 StPO ZH). Da diese Behörde gemäss § 211 Abs. 1 GOG seine Rechtsprechungstätigkeit jedoch nur noch bis 30. Juni 2012 ausüben konnte, ist eine allfällige Kassationsbeschwerde nach Massgabe von § 212 GOG vom Obergericht zu behandeln und zu erledigen.

  2. Ferner stellt sich die Frage, ob der vorliegende Entscheid mit der eidgenös- sischen Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden kann, stützt sich die Anordnung einer nachträglichen Verwahrung doch auf Art. 65 Abs. 2 StGB, mithin auf Bundesrecht. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist allerdings eine Entscheidung, mit welcher ein Revisionsbegehren - wie vorliegend - gutgeheis-

sen wird, kein letztinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 268 Ziff. 1 BStP und kann deshalb nicht Gegenstand einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde bilden (BGE 107 IV 133 E. 1.a; vgl. hierzu betr. fehlende Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden BBl 2001 4233). Schliesslich kann der vorliegende Entscheid auch mit der subsidiären staatsrechtlichen Beschwerde ans Bundesgericht nach Art. 87 Abs. 2 OG nicht angefochten werden. Es handelt sich dabei zwar um einen Zwischenentscheid, gegen welchen eine Beschwerde nur zulässig ist, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann. Ein solcher ist vorliegend nicht ersichtlich, zumal der vorliegende Entscheid ohne weiteres mit dem Endentscheid bzw. mit dem Entscheid in der Sache angefochten werden kann, der Gesuchsgegner also keiner Rechte verlustig geht und die bundesgerichtliche Überprüfung gewährleistet ist (Urteil des Bundesgerichtes 6B_52/2011 vom 9. März 2011, E. 2, m.H.).

Es wird beschlossen:

  1. Das Revisionsgesuch der Gesuchstellerin wird gutgeheissen.

  2. Das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom

    19. März 2007 (Geschäfts-Nr. SE060026) wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur neuen Behandlung und Beurteilung an das Bezirksgericht Hinwil überwiesen.

  3. Die Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die Kosten der amtlichen Verteidigung für das vorliegende Revisionsverfahrens von Fr. 7'798.30 werden definitiv auf die Gerichtskasse genommen.

  4. Schriftliche Mitteilung an

    • die amtliche Verteidigung des Beschuldigten im Doppel für sich und zu Handen des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich

      sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung allfäl- liger Rechtsmittel an

    • das Bezirksgericht Hinwil (unter Beilage der Akten).

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann kantonale Nichtigkeitsbeschwerde zuhanden des Obergerichtes des Kantons Zürich erhoben werden, soweit nicht eine Verletzung materiellen Gesetzesoder Verordnungsrechts des Bundes geltend gemacht wird (§§ 428 ff. der kantonalen Strafprozessordnung, § 3 der kantonalen VO BGG).

Die Beschwerde ist innert 10 Tagen, von der Eröffnung des Entscheides oder von der Entdeckung eines Mangels an gerechnet, beim Vorsitzenden des entscheidenden Gerichts mündlich oder schriftlich anzumelden.

Nach Anmeldung der Beschwerde wird zu deren Begründung eine weitere Frist angesetzt.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 6. Juni 2018

Der Präsident:

Oberrichter Dr. Bussmann

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. Karabayir

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