Zusammenfassung des Urteils SB220211: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um eine Beschwerde gegen die Ablehnung eines Rechtsöffnungsbegehrens. Der Gesuchsteller forderte Zahlungen von Fr. 9'563.75, Fr. 810.00 und Fr. 2'504.15 nebst Zinsen. Der Gesuchsgegner erhob Rechtsvorschlag und beantragte die Abweisung des Rechtsöffnungsgesuchs. Der Einzelrichter wies das Rechtsöffnungsbegehren ab und legte die Gerichtskosten dem Gesuchsgegner auf. Dieser legte daraufhin Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem Gesuchsgegner auferlegt. Der Richter war Kantonsgerichtsvizepräsident Dr. Reto Heizmann, und die Gerichtskosten betrugen Fr. 450.00.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220211 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 14.10.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Irreführung der Rechtspflege |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Beweis; Vorinstanz; Urteil; Recht; Berufung; Aussage; Gutachten; Person; Anzeige; Versicherung; Gericht; Schaden; Fahrzeug; Staatsanwaltschaft; Aussagen; Motiv; Bundesgericht; Geldstrafe; Auffahrunfall; Verfahren; Unfall; Polizei; Bundesgerichts; Beweise; Hinweis; Würdigung; Beweiswürdigung |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ;Art. 113 StPO ;Art. 15a SVG ;Art. 32 BV ;Art. 337 StPO ;Art. 34 StGB ;Art. 379 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 405 StPO ;Art. 424 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 82 StPO ;Art. 9 BV ; |
Referenz BGE: | 101 IV 62; 138 IV 47; 138 IV 81; 139 IV 179; 141 IV 249; 141 IV 369; 142 IV 207; 142 IV 49; 144 IV 198; 144 IV 345; 146 IV 172; 146 IV 88; 147 I 57; 147 IV 176; 75 IV 175; 99 IV 266; |
Kommentar: | Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, Art. 10 StPO, 2020 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220211-O/U/ad
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Wasser- Keller und Ersatzoberrichterin lic. iur. Seiler sowie Gerichtsschreiberin MLaw Lazareva
Urteil vom 14. Oktober 2022
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
betreffend Irreführung der Rechtspflege
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 30. November 2021 (Urk. 15) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 28 S. 24 f.)
Der Beschuldigte A. ist der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 StGB schuldig.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 30.– (entsprechend Fr. 1'350.–).
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 1'500.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'400.00 Gebühr für das Vorverfahren; Fr. 5'700.00 Auslagen (Gutachten FOR).
Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Eine Entschädigung wird dem Beschuldigten nicht zugesprochen.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 36 S. 2)
Es sei das Urteil vom 15. Februar 2022 aufzuheben und der Angeklagte von den in der Anklageschrift vom 30. November 2021 erhobenen Vorwürfen freizusprechen.
Es seien die Kosten des Strafverfahrens und die Gerichtsgebühren der ersten und zweiten Instanz auf die Staatskasse zu nehmen.
Es sei dem Angeklagten für das erstinstanzliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'252.70 zuzusprechen sowie Ausfall für Einver- nahmen von 4 h à Fr. 33.75 pro Stunde, also Fr. 135.–.
Es sei dem Angeklagten für das zweitinstanzliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'400.– sowie 7.7 % MwSt. auszurichten.
Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 33, schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Erwägungen:
Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 1. Abteilung - Einzelgericht, vom 15. Februar 2022 meldete der erbetene Verteidiger des Beschuldigten am 22. Februar 2022 (Datum des Poststempels) rechtzeitig Berufung an (Urk. 24; Art. 399 Abs. 1 StPO). Das begründete Urteil wurde dem Beschuldigten am 4. April 2022 zugestellt (Urk. 27/2), worauf er am 25. April 2022 (Datum des Poststempels) fristgerecht die Berufungserklärung im Sinne von Art. 399 Abs. 3 StPO einreichen liess (Urk. 30).
Mit Präsidialverfügung vom 26. April 2022 wurde die Berufungserklärung des Beschuldigten der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (nachfolgend Staatsanwaltschaft) zugestellt und Frist zur Erklärung der Anschlussberufung eines Nichteintretensantrags angesetzt. Dieselbe Frist wurde dem Beschuldigten angesetzt, um das Datenerfassungsblatt und Unterlagen zu seinen aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen einzureichen (Urk. 31). Mit Eingabe vom 28. April 2022 erklärte die Staatsanwaltschaft den Verzicht auf Anschlussberufung, beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und stellte ein Gesuch um Dispensation von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung (Urk. 33).
Am 14. Juli 2022 wurden die Parteien zur Berufungsverhandlung auf den
14. Oktober 2022 vorgeladen (Urk. 35), wobei dem Vertreter der Staatsanwaltschaft das Erscheinen freigestellt ist (Art. 337 Abs. 3 und 4 StPO i.V.m. Art. 379 StPO, Art. 405 Abs. 3 und 4 StPO). Die Berufungsverhandlung fand alsdann in Anwesenheit des erbetenen Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. iur. X. , und des Beschuldigten statt (Prot. II S. 3), der die eingangs aufgeführten Anträge stellen liess (Prot. II S. 3; Urk. 36 S. 2).
4. Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung und wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils dementsprechend gehemmt. Das Berufungsgericht überprüft somit das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO).
Der Beschuldigte ficht mit seiner Berufung das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich an und beantragt einen Freispruch, weshalb auch die damit zusammenhängenden Nebenfolgen des Urteils wie Kosten- und Entschädigungsregelungen aber auch Entscheidungen über Einziehungen als angefochten gelten (vgl. dazu SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar,
3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018, Art. 399 N 18; HUG/SCHEIDEGGER in: Donatsch/ Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, 3. Aufl., Zürich 2020, N 19 und 20 zu Art. 399; SPRENGER in: Niggli/Heer/ Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 437 N 31 f.). Demzufolge ist das vorinstanzliche Urteil in keinem Punkt in Rechtskraft erwachsen und vollumfänglich zu überprüfen.
5. Auf die Argumente des Beschuldigten seiner Verteidigung ist im Rahmen der nachstehenden Erwägungen einzugehen. Soweit für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, so erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet.
1. Anklage
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten in der Anklageschrift vom
30. November 2021 vor, er habe am 22. Mai 2020 der Stadtpolizei Zürich auf der Regionalwache B. einen angeblichen Auffahrunfall gemeldet, bei welchem ihm am 17. Mai 2020 zwischen ca. 01.00 Uhr und 01.30 Uhr an der C. strasse in Zürich ein Personenwagen von hinten in seinen Personenwagen hineingefahren sei, am Heck beträchtlichen Schaden angerichtet habe und sogleich davongefahren sei. Der Beschuldigte habe diese Anzeige erstattet, obwohl er gewusst habe, dass dieser Auffahrunfall so gar nie stattgefunden habe und ihm bewusst gewesen sei, bzw. er mindestens damit habe rechnen müssen, dass gegen eine unbekannte Person ein Strafverfahren wegen Strassenverkehrsdelikten eingeleitet werden würde (Urk. 15 S. 2).
Vorinstanz
Die Vorinstanz hält als unbestritten und erstellt fest, dass der Beschuldigte am 22. Mai 2020, ca. 11.40 Uhr, bei der Stadtpolizei Zürich auf der Regionalwache B. vorstellig geworden sei und eine Strafanzeige wegen eines Auffahr- unfalls mit Sachschaden durch eine unbekannte Täterschaft und nachfolgender Fahrerflucht angezeigt habe (Urk. 28 S. 3 und 10).
Die Vorinstanz hält nach einer einlässlichen Würdigung der vorliegenden Beweismittel – darunter insbesondere der Kurzbericht des Forensischen Instituts Zürich (FOR) betreffend die spurenkundliche Unfalluntersuchung vom 18. Juni 2020 (nachfolgend kurz FOR-Kurzbericht; Urk. 5/1) und das spurenkundliche/unfallanalytische Gutachten des FOR vom 10. Juni 2021 (nachfolgend kurz FOR-Gutachten; Urk. 5/6) – fest, dass die Gutachter gemäss FOR-Kurzbericht anhand der sichergestellten Klebbandasservate ab dem Fahrzeug des Beschul- digten kein Spurenmaterial eines unbekannten Fahrzeugs festgestellt hätten und anhand ihrer Untersuchungen und der Schadensfotos folgerten, dass ein Auffahren durch einen Personenwagen eher untypisch sei. Ein Anfahren eines feststehenden Objektes beim Rückwärtsfahren stehe für sie im Vordergrund (Urk. 28
S. 5). Weiter verweist die Vorinstanz auf das FOR-Gutachten, worin die Gutachter zum Schluss gekommen seien, dass die festgestellten Schäden am Fahrzeug des Beschuldigten höchstwahrscheinlich beim Rückwärtsfahren entstanden sein müssen, indem das Fahrzeug gegen eine niedriges, feststehendes Objekt (z.B. einen Stein) gefahren sei. Eine Auffahrkollision erachteten sie hingegen als äusserst unwahrscheinlich. Der Beweiswert ihres Befundes werde durch eine verbale Skala ausgedrückt, wobei die verwendete Formulierung, wonach die Ergebnisse äusserst stark gegen die Hypothese einer Auffahrkollision sprächen, die grösstmögliche Sicherheit bzw. die geringstmögliche Ungewissheit in der Aussage der Bewertenden widerspiegle (Urk. 28 S. 5 f.). Die Vorinstanz führt alsdann diverse im Gutachten genannte Umstände einzeln auf, die sich mit einer Auffahrkollision kaum zufriedenstellend erklären liessen (Urk. 28 S. 6). Sie beurteilt die gutachterlichen Erkenntnisse als nachvollziehbar und schlüssig. Sie hält fest, dass das FOR-Gutachten zwar keine klare Schlussfolgerung über die genaue Schadensursache enthalte und sich die Art des Kollisionsgegners nicht exakt bestimmen lasse, es zur Entstehung des Schadens jedoch nachvollziehbar angebe, dass aufgrund der Befundauswertung nur ein Rückwärtsanprall gegen ein feststehen- des Objekt als Beschädigungsursache in Frage komme (Urk. 28 S. 12). Die Vorinstanz verwirft alsdann mit überzeugender Begründung die Einwendungen des Beschuldigten gegen das FOR-Gutachten hinsichtlich fehlender Quantifizierung des Befundes in Prozenten, der Bekanntgabe des Urteils an die Gutachter, des
fehlenden eigenen Augenscheins am Fahrzeug des Beschuldigten und der fehlenden Kenntnis der Äusserungen des Garagisten (Urk. 28 S. 13 ff.).
Die Vorinstanz fasst die Aussagen des Beschuldigten korrekt zusammen und würdigt sie sorgfältig (Urk. 28 S. 6 ff.). Sie beurteilt die Aussagen des Beschuldigten zur Kollision als detailarm und wenig anschaulich. Da nach seinen Aussagen gute Lichtverhältnisse geherrscht hätten, sei es nicht nachvollziehbar, dass er lediglich äusserst detailarme Angaben zum Unfall habe machen können. Immerhin Angaben zu Personen im beteiligten Fahrzeug seien zu erwarten, da dieses nach Angaben des Beschuldigten unmittelbar an ihm vorbei gefahren sei. Er habe den Fahrzeugtyp nicht anzugeben vermocht, aber aufgrund der Form wolle er die Automarke – einen BMW – erkannt haben und ebenso, dass das Fahrzeug schwarz und tiefergelegt gewesen sei (Urk. 28 S. 11). Auch lasse der Beschuldigte Ausführungen zur eigentlichen Kollision vermissen (Urk. 28 S. 12). Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass die Aussagen des Beschuldigten als widersprüchlich und wenig glaubhaft zu werten seien, was auch der Umstand, dass er von sich aus einen selbstverschuldeten Fahrzeugschaden an den Felgen angegeben habe, nicht umzustossen vermöge (Urk. 28 S. 12 und 14).
Die Vorinstanz schliesst, dass der Fahrzeugschaden gestützt auf das Spurenbild und das Gutachten nicht durch einen Auffahrunfall entstanden sei und kei- ne ernstlichen, unüberwindlichen Zweifel bestünden, dass sich die inkriminierte Handlung so abgespielt habe, wie sie der Anklage zu entnehmen ist (Urk. 28
S. 15).
Standpunkt des Beschuldigten
Der Beschuldigte bestreitet nicht, am 22. Mai 2020 bei der Stadtpolizei Zürich Anzeige wegen eines Auffahrunfalls mit Fahrerflucht erstattet zu haben (Urk. 21 S. 4; 36 S. 5). Jedoch bestreitet der Beschuldigte wie vor Vorinstanz, die Anzeige im Wissen darum erstattet zu haben, dass der Unfall so nie stattgefunden habe und ihm bewusst gewesen sei, dass gegen eine unbekannte Person ein Strafverfahren angehoben werden würde (Urk. 21 S. 2; Prot. II S. 9). Der Beschuldigte macht in erster Linie ein fehlendes Motiv für eine falsche Anzeige geltend. Als er nämlich
Anzeige erstattet habe, habe er bereits gewusst, dass die Versicherung den Schaden übernehmen würde, und zwar auch dann, wenn er den Schaden selber verursacht hätte. Wie sich aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 30. November 2021 betreffend Versicherungsbetrug ergebe, sei das auch die erste Aussage des Beschuldigten gegenüber der Polizei gewesen. Es gebe keinen Versicherungsbetrug und auch keinen Vermögensschaden (Urk. 21 S. 3; 36 S. 4; Prot. II S. 11 und 13). Auch die Vorinstanz habe lediglich über mögliche Motive spekuliert und schliesslich festgestellt, dass sich kein Motiv für eine falsche Anschuldigung finden lasse. Dieser Umstand lege nahe, dass es eben kein Motiv gegeben habe. Wenn es bei einem rational handelnden Menschen wie dem Beschuldigten kein Motiv für einen Vorwurf gäbe, lege damit ein äusserst starkes Indiz dafür vor, dass die Abläufe nicht so gewesen seien, wie das die Vorinstanz angenommen habe (Urk. 36 S. 9 f.). Des Weiteren beanstandet der Beschuldigte die Beweiswürdigung seitens der Staatsanwaltschaft und der Vorinstanz, dabei namentlich die Aussagekraft bzw. Schlüssigkeit des FOR- Kurzberichts und des FOR-Gutachtens sowie die Bewertung seines Aussageverhaltens. Er wendet hauptsächlich ein, keiner der Gutachter habe das Schadenbild selber gesehen, im Gegensatz zum Garagisten, der eine Erklärung für das Scha- denbild geliefert habe. Auch hätten die Gutachter keine Kenntnis von den Aussagen des Garagisten gehabt und hätten diese daher nicht berücksichtigen können (Urk. 21 S. 4 ff.; 30 S. 3; 36 S. 3 ff.; Prot. II S. 10). Ferner führt er als Erklärung dafür, dass die Vorinstanz seine Aussagen als detailarm beurteilt habe, an, dass er nach dem Ereignis unter Schock gestanden sei (Urk. 36 S. 9).
Tatbestandsvoraussetzungen
Nach Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird wegen Irreführung der Rechtspflege mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen wor- den.
Hinsichtlich des objektiven Tatbestandes ist nebst der Anzeige einer – nach schweizerischem Recht – strafbaren Handlung vorausgesetzt, dass die angezeigte Handlung in Tat und Wahrheit nicht verübt wurde (DELNON/RÜDY, in: NIGGLI/
WIPRÄCHTIGER [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht II, 4. Auflage Basel 2018 [kurz: BSK StGB], Art. 304 N 10). Wer einer Behörde bezüglich einer wirklich begangenen strafbaren Handlung bewusst falsche Angaben macht, indem er z.B. den Zeitpunkt andere Umstände der Tat falsch schildert, macht sich gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht der Irreführung der Rechtspflege strafbar (BGE 75 IV 175 E. 2; 72 IV 138 E. 3; Urteil des Bundesgerichts
6B_1437/2017 vom 6. November 2018 E. 5.5).
In subjektiver Hinsicht ist ein qualifizierter Vorsatz erforderlich, d.h. dass der Täter wissen muss, dass sich der von ihm angezeigte (strafbare) Sachverhalt nicht zugetragen hat, seine Anzeige also falsch ist. Insoweit ist direkter Vorsatz erforderlich und reicht Eventualvorsatz nicht aus. Lediglich bezüglich des Wissens um die Strafbarkeit der angezeigten Tat reicht Eventualvorsatz (DELNON/RÜDY, BSK StGB, Art. 304 N 17). Welches die Beweggründe der Tat waren, ist ohne Einfluss auf den Vorsatz (BGE 99 IV 266 E. I/5). Der Beweggrund kann ausserhalb des Vorsatzes liegen (BGE 101 IV 62 E. 2c). Er ist zu unterscheiden von den Beweggründen, die zu ihm führen und die einzig für die Strafzumessung bedeutsam sein können, doch nichts darüber aussagen, ob der Vorsatz besteht nicht (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichts 6B_1159/2014 vom 1. Juni 2015 E. 3.6.). Des Weiteren schliesst die Absicht beziehungsweise das Motiv der Selbstbegünstigung weder die Tatbestandsmässigkeit noch die Rechtswidrigkeit noch die Schuld aus (Urteil des Bundesgerichts 6B_115/2008 vom 4. September 2008 E. 4.3.1).
Beweisergebnis
Zur freien Würdigung der Beweismittel und zur Unschuldsvermutung kann – um unnötige Wiederholungen zu vermeiden – vorab auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz (Urk. 28 S. 9 f.) und die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; 144 IV 345
E. 2.2.3.2; 138 V 74 E. 3; 124 IV 86 E. 2a; je mit Hinweisen) verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Die nachfolgenden allgemeinen Ausführungen verstehen sich als Ergänzungen bzw. punktuelle Hervorhebungen zur Vorinstanz:
Das Gericht würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung (Art. 10 Abs. 2 StPO). Das Gericht hat damit die zur Klärung des Sachverhalts verwendbaren Beweise in freier Beweiswürdigung, also unabhängig von Beweisregeln, auf ihre Aussagekraft hin zu beurteilen, um daraus einen rechtsrelevanten Schluss zu ziehen; Ziel ist die Ermittlung der materiellen Wahrheit. Überzeugungskraft entfalten die Beweismittel danach einzig im Umfang ihrer inneren Autorität (THOMAS HOFER, in: NIGGLI/HEER/WIPRÄCHTIGER [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, N 41 ff., 56 zu Art. 10 StPO). Sind die Angaben glaubhaft, kann die Verurteilung auf diese auch dann gestützt werden, wenn andere Personen das Gegenteil behaupten wenn die Person ihr Aussageverhalten während des Prozesses geändert hat, z.B. auf ein widerrufenes Geständnis (WOLFGANG WOHLERS in: DONATSCH/ LIEBER/SUMMERS/WOHLERS
[Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, 3. Aufl., Zürich 2020, N 27 zu Art. 10 StPO; Urteil des Bundesgerichts 6B_576/2020 vom
18. März 2022 E. 3.3).
Die in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung bedeutet, dass es Sache der Strafverfolgungsbehörden ist, der beschuldigten Partei ihre Täterschaft nachzuweisen. Gemäss Art. 113 Abs. 1 StPO muss sich die beschuldigte Person nicht selbst belasten. Sie hat namentlich das Recht, die Aussage und Mitwirkung im Strafverfahren zu verweigern. Sie muss sich aber den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmassnahmen unterziehen. Das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, gehört zum allgemein anerkannten internationalen Standard eines fairen Verfahrens (BGE 147 I 57 E 5.1; 144 I 242 E. 1.2.1; je mit Hinweis). Gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs verstösst zum Beispiel ein strafbewehrter Befehl an die beschuldigte an eine andere aussageverweigerungsberechtigte Person, potentiell belastende Beweisunterlagen herauszugeben belastende Aussagen gegen sich (im Rahmen des Aussageverweigerungsrechts) eine andere Person zu machen
(BGE 142 IV 207 E. 8.3.1 mit Hinweisen). Unzulässig wäre es ferner auch, das Schweigen der beschuldigten Person als Indiz für ihre Schuld zu werten
(BGE 138 IV 47 E. 2.6.1 S. 51 mit Hinweisen). Demgegenüber ist es – wie das
Bundesgericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen John Murray gegen Vereinigtes Königreich (Urteil vom 8. Februar 1996, Nr. 18731/91) festgestellt hat – nicht ausgeschlossen, das Aussageverhalten der beschuldigten Person in die freie Beweiswürdigung miteinzubeziehen, so insbesondere, wenn sie sich weigert, zu ihrer Entlastung erforderliche Angaben zu machen, bzw. es unterlässt, entlastende Behauptungen näher zu substantiieren, obschon eine Erklärung angesichts der belastenden Beweiselemente vernünftigerweise erwartet werden darf (Urteile des Bundesgerichts 6B_1202/2021 vom 11. Februar 2022 E. 1.8.2; 6B_1302/2020
vom 3. Februar 2021 E. 1.4.4, nicht publ. in BGE 147 IV 176; 6B_289/2020 vom
1. Dezember 2020 E. 7.8.1; je mit weiteren Hinweisen).
Liegen keine direkten Beweise vor, ist nach der Rechtsprechung auch ein indirekter Beweis zulässig. Beim Indizienbeweis wird aus bestimmten Tatsachen, die nicht unmittelbar rechtserheblich, aber bewiesen sind (Indizien), auf die zu beweisende, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache geschlossen. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichwertig. Eine Mehrzahl von Indizien, welche für sich allein betrachtet nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache Täterschaft hindeuten und insofern Zweifel offen lassen, können in ihrer Gesamtheit ein Bild erzeugen, das den Schluss auf den vollen rechtsgenügenden Beweis von Tat Täter erlaubt (Urteile des Bundesgerichts 6B_790/2021 vom 20. Januar 2022 E. 1.2.3; 6B_1019/2021 vom 8. Dezember
2021 E. 1.3.3; 6B_1302/2020 vom 3. Februar 2021 E. 1.2.3, nicht publ. in: BGE 147 IV 176; je mit Hinweisen). Der Grundsatz in dubio pro reo als Ent-
scheidregel verlangt nicht, dass bei sich widersprechenden Beweismitteln unbesehen auf den für den Angeklagten günstigeren Beweis abzustellen ist. Die Entscheidregel kommt nur zur Anwendung, wenn nach erfolgter Beweiswürdigung als Ganzem relevante Zweifel verbleiben (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.2; Urteile des Bundesgerichts 6B_1019/2021 vom 8. Dezember 2021 E. 1.3.3; 6B_1302/2020
vom 3. Februar 2021 E. 1.2.3, nicht publ. in: BGE 147 IV 176; je mit Hinweisen).
Zieht das Gericht mangels eigener Fachkenntnis eine sachverständige Person bei, ist es bei der Würdigung des Gutachtens grundsätzlich frei. Ob das
Gericht die in einem Gutachten enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält nicht und ob es dementsprechend den Schlussfolgerungen der Experten folgen will, ist mithin eine Frage der Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung und die Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen sind Aufgabe des Gerichts. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung entscheiden die Organe der Strafrechtspflege frei von Beweisregeln und nur nach ihrer persönlichen Ansicht aufgrund gewissenhafter Prüfung darüber, ob sie eine Tatsache für erwiesen halten (vgl. Art. 10 Abs. 2 StPO). Das Gericht ist somit nicht an den Befund die Stellungnahme des Sachverständigen gebunden. Es hat vielmehr zu prüfen, ob sich aufgrund der übrigen Beweismittel und der Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit der gutachterlichen Darlegungen aufdrängen. Auch wenn das gerichtlich eingeholte Gutachten grundsätzlich der freien Beweiswürdigung unterliegt, darf das Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von ihm abrücken und muss Abweichungen begründen. Auf der anderen Seite kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot der willkürlichen Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 142 IV 49 E. 2.1.3; 141 IV
369 E. 6.1; 136 II 539 E. 3.2; je mit Hinweisen).
Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Ein Gutachten stellt namentlich dann keine rechtsgenügliche Grundlage dar, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern. Das trifft etwa zu, wenn der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen nicht beantwortet, seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nicht begründet diese in sich widersprüchlich sind die Expertise sonst wie an Mängeln krankt, die derart offensichtlich sind, dass sie auch ohne spezielles Fachwissen erkennbar sind
(BGE 141 IV 369 E. 6.1 mit Hinweis).
Auf die einzelnen Beweismittel wird in den nachfolgenden Erwägungen – soweit für die Urteilsfindung relevant – zurückzukommen sein. Dabei ist festzuhalten, dass aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs zwar die Pflicht zur Berücksichtigung rechtzeitig und formrichtig gestellter Beweisanträge folgt, dies indessen nicht bedeutet, dass sämtliche angebotenen Beweise abgenommen werden müssen. Auch auf die Argumente des Beschuldigten dessen Verteidigung ist im Rahmen der nachstehenden Erwägungen einzugehen. Dabei muss sich das Gericht nicht ausdrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen; vielmehr kann es sich auf die für die Entscheidfin- dung wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1;
BGE 139 IV 179 E. 2.2; BGE 138 IV 81 E. 2.2, je mit Hinweisen).
Die Vorinstanz hat eine einlässliche und nachvollziehbare Sachverhaltserstellung vorgenommen, in welcher sie sich im Detail mit den vom Beschuldigten geltend gemachten Einwänden – auch gegen die Schlüssigkeit des FOR- Gutachtens und des FOR-Kurzberichts – befasste, verwarf diese allerdings mit überzeugender Begründung (siehe dazu vorstehende E. II.2. und Urk. 28
S. 10 ff.), so dass auf die vorinstanzliche Sachverhaltserstellung uneingeschränkt verwiesen werden kann. Lediglich im Sinne einer Ergänzung ist Folgendes anzufügen:
Wie sich aus der Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Mai 2020 ergibt, zeigte dieser gegenüber Gfr D. an, dass am 17. Mai 2020 ca. um
01.00 Uhr bis 01.30 Uhr an der Verzweigung E. /F. -strasse in Zürich ein anderer Personenwagen von hinten in ihn hineingefahren sei, als er selbst vor der Verzweigung gebremst und seine Fahrt verlangsamt habe, worauf der andere Personenwagen, ein schwarzer BMW mit Zürcher Kontrollschildern, plötzlich retour und dann wieder vorwärts links an ihm vorbei gefahren sei (Urk. 4/2), was denn entsprechend auch Eingang in den Polizeirapport vom 10. Juni 2020 fand (Urk. 4/1). Dass der Beschuldigte auf dem Polizeiposten B. erschien und Anzeige erstattete, blieb vorliegend unbestritten. Erstellt ist jedoch auch, dass der Beschuldigte inhaltlich Anzeige wegen eines Auffahrunfalles erstattete, der durch einen unbekannten Dritten verursacht worden sein soll.
Zum Haupteinwand des Beschuldigten, wonach er für eine Falschanzeige gar kein Motiv gehabt habe, da die Versicherung den Schaden auch bei Selbstverursachung übernommen hätte, ist vorab zu entgegnen, dass sich die Behauptung erneut auf das Motiv bezieht, das für die Beurteilung des Vorsatzes nicht ausschlaggebend ist (siehe E. II.4.).
Im Übrigen aber kann der Argumentation des Beschuldigten auch nicht gefolgt werden. Gemäss seinen eigenen Aussagen und den edierten Akten bei der
G. Versicherungsgesellschaft AG (nachfolgend kurz: G. Versicherung) hat er den Schadenfall am Tag nach dem Ereignis, mithin am Montag, dem
18. Mai 2020, telefonisch der Versicherung gemeldet (Urk. 4/2 S. 1; 3/1 S. 3, Prot. I S. 10 und 11; Prot. II S. 11), die den Fall entsprechend mit einer Schaden- nummer registrierte (Urk. 6/2). Gleichzeitig aber ersuchte diese den Beschuldig-
ten, bei der Polizei Anzeige zu erstatten (Urk. 3/1 S. 3 F/A 23; Prot. I S. 11; Prot. II
S. 11). Mithin war der Beschuldigte dadurch veranlasst, gegenüber der Polizei die Entstehung des Sachschadens bzw. den Unfallhergang zu erklären, selbst wenn er von seinem Versicherungsberater angesichts der Vollkaskodeckung dann – wie er selbst geltend macht – bereits gewusst haben sollte, dass die Versicherung den Schaden so so übernimmt. Dass der Beschuldigte mit der Anzeigeerstattung dann noch bis am Freitag, 22. Mai 2020, zuwartete, ist nicht leicht nachzuvollziehen, zumal, wenn man davon ausgehen würde, dass sich die Auffahrkollision tatsächlich ereignet hätte und sich der Beschuldigte unmittelbar nach dem Unfall nur wegen seines leeren Akkus nicht sofort bei der Polizei gemeldet hat, wie er selbst angibt (Urk. 3/1 S. 2 F/A 16 und S. 5 F/A 46; 4/2 S. 1 F/A 5). Zu erwarten wäre dagegen, dass sich der Beschuldigte als Unfallopfer spätestens von zuhause aus (er wohnte damals noch bei seinen Eltern, Prot. I S. 10) bei der Polizei gemeldet hätte, hätte sich der Unfall wie geschildert ereignet. Es drängt sich vielmehr der Schluss auf, dass die Begründung des leeren Akkus eine Schutzbehauptung darstellt, zumal unter Berücksichtigung der nachstehenden Erwägungen.
Aus den edierten Unterlagen der G. Versicherung (… [Allgemeine Bedingungen]) geht hervor, dass trotz grundsätzlicher Vollkaskodeckung (unter anderem) kein Versicherungsschutz besteht bei Teilnahme an Rennen, Rallyes ähnlichen Geschwindigkeitswettfahrten etc. bei Benützung des Fahrzeugs durch Lenker ohne gültigen Führerausweis ohne die gesetzlich vorgeschriebene Begleitperson auch für Kollisionssamt Folgeschäden, die sich ereig- nen, wenn das Fahrzeug von einem Lenker in alkoholisiertem Zustand (mit einem Blutalkoholgehalt von 1,5 ‰ mehr, mittlerer Wert) unter Drogeneinfluss geführt wird (Urk. 7/4 S. 2). Begeht der Inhaber des Führerausweises auf Probe eine Widerhandlung, die zum Entzug des Führerausweises der Kategorien und Unterkategorien führt, wird die Probezeit um ein Jahr verlängert und im Wiederholungsfall ganz annulliert (Art. 15 Abs. 3 sowie Art. 15a Abs. 3 und 4 SVG), wobei für die Inhaber des Führerausweises auf Probe das Fahren unter Alkoholeinfluss
gänzlich verboten ist (Art. 31 Abs. 2bis lit. f SVG i.V.m. Art. 2a Abs. 1 lit. h VRV).
Vor dem Hintergrund dieser Regelungen wird deutlich, dass der Beschuldigte durchaus ein Motiv haben konnte, die Entstehung des Sachschadens nicht wahrheitsgemäss zu erklären, sei es, um sich selbst vor einer Administrativmassnahme des Strassenverkehrsamtes infolge Verletzung der Auflagen zu schützen, die ihn als Inhaber eines Führerausweises auf Probe träfen, um den Versicherungsschutz trotz eines allfällig tatsächlich ausgeschlossenen Ereignisses zu erhalten.
Auf Vorhalt dieser Konsequenzen machte der Beschuldigte denn auch widersprüchliche Aussagen, was die Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Angaben erhöht. Zunächst betonte er gegenüber der Polizei, er mache solche Sachen nicht, da er sich keinen Ausweisentzug leisten könne, da er sonst seinen Job verlieren würde (Urk. 3/1 S. 7 F/A 66), wogegen er vier Monate später gegenüber der Staatsanwaltschaft dann aussagte, wenn es um den Führerausweis auf Probe gegangen wäre, hätte er das sicher verkraftet, wenn er ihm für ein zwei Mo- nate entzogen worden wäre (Urk. 3/3 S. 6). Die zeitlichen Umstände der angezeigten Kollision mitten in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie die Tatsache, dass der Beschuldigte Inhaber eines Führerausweises auf Probe war, verlangen nach einer schlüssigen und glaubhaften Erklärung, wonach das Ereignis nicht unter jene Kategorie fällt, die keinen Versicherungsschutz erhält, die der Beschuldigte jedoch nicht lieferte. Statt dessen erweisen sich seine widersprüchlichen Aussagen hierzu als unglaubhaft. Wie bereits ausgeführt, kann das Motiv allerdings offen bleiben, da das Motiv für den Vorsatz nicht relevant ist. Jedenfalls
aber erweist sich seine Behauptung, er habe um den Versicherungsschutz bei Anzeigeerstattung gewusst, als unbehelflich.
Des Weiteren erweist sich auch der anlässlich der Berufungsverhandlung vorgebrachte Einwand des Beschuldigten, er sei nach dem Ereignis unter Schock gestanden und habe deswegen detailarm ausgesagt (Urk. 36 S. 9), als nicht nachvollziehbar, zumal es sich beim angeblichen Auffahrunfall nicht um einen ausserordentlich gravierenden Vorfall handelte und der Beschuldigte auch nicht sogleich im Anschluss darauf einvernommen wurde, sondern selber zunächst fünf Tage verstreichen liess, bis er bei der Polizei vorstellig wurde. Dass er unter diesen Umständen während seiner Einvernahme nach wie vor unter Schock gestan- den sein soll, erscheint nicht glaubhaft. Damit ist auch diese Erklärung des Beschuldigten als offensichtliche Schutzbehauptung zu qualifizieren.
Auch wenn ein direkter Beweis weder für noch gegen das effektive Stattfinden einer Auffahrkollision an besagtem Ort zur angegebenen Zeit vorliegt, ver- dichten sich die vorhandenen Indizien (namentlich das Spurenbild, die Ergebnisse des FOR-Kurzberichts und des FOR-Gutachtens, die Unglaubhaftigkeit der Aussagen des Beschuldigten zum Unfallhergang, verbunden mit den Umständen der Anzeigeerstattung) derart zu einem Gesamtbild, dass keine unüberwindbaren Zweifel verbleiben, dass sich der Sachverhalt wie in der Anklage geschildert ereignet hat.
5.4. Zusammenfassend ist somit als erstellt davon auszugehen, dass der Beschuldigte am 22. Mai 2020 gegenüber der Stadtpolizei Zürich Anzeige wegen ei- nes Auffahrunfalles mit Sachschaden an seinem Fahrzeug erstattete, der am
17. Mai 2020 ca. um 01.00 bis 01.30 Uhr an der Verzweigung E. /F. strasse in Zürich durch einen unbekannten Dritten verursacht worden sein soll. Gestützt auf das Beweisergebnis muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der Sachschaden am Fahrzeug des Beschuldigten nicht durch einen Auffahrunfall entstanden ist, und zwar selbst dann nicht, wenn man von der Angabe des Beschuldigten ausgeht, der kollisionsbeteiligte Wagen sei tiefergelegt gewesen. Aufgrund der Würdigung der Aussagen des Beschuldigten und seines Aussageverhaltens ist im Gegenteil mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der beanzeigte Auffahrunfall in Wirklichkeit nicht stattgefunden hat.
6. Rechtliche Würdigung
Die Vorinstanz nahm eine in allen Teilen zutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhaltes vor, auf welche zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen vollumfänglich verwiesen werden kann (Urk. 28 S. 16 f.). Gestützt auf das Beweisergeb- nis ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte genau wusste, dass keine strafbare Handlung durch eine Dritttäterschaft begangen worden war, womit seine Anzeige wider besseren Wissens erfolgte. Der geforderte qualifizierte Vorsatz ist damit gegeben. Dass der Beschuldigte auf Aufforderung bzw. Anraten der
G. Versicherung die Strafanzeige erstattete, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Letztlich war der Gang zur Polizei und die Schilderung des Unfallhergangs die eigene Entscheidung des Beschuldigten.
Da weder Rechtfertigungsgründe noch Schuldausschlussgründe ersichtlich sind, ist der Beschuldigte im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.
Der Strafrahmen der Irreführung der Rechtspflege gemäss Art. 304 Ziff. 1 StGB reicht von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von drei Jahren. Gemäss
Art. 304 Ziff. 2 StGB kann der Richter in besonders leichten Fällen von einer Bestrafung Umgang nehmen.
Die Vorinstanz hat den Strafrahmen und die allgemeinen Strafzumessungsregeln zutreffend dargelegt (Urk. 28 S. 18 ff.). Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden. Das Verschlechterungsverbot gestützt auf Art. 391 Abs. 2 StPO, das vorliegend aufgrund der Erhebung der Berufung einzig durch den Beschuldigten zum Tragen kommt, verbietet einerseits ein Abweichen von der Strafart (Geldstrafe) und andererseits ein höheres Strafmass, als die Vorinstanz festgesetzt hat. Das Verschlechterungsverbot gilt indes nicht absolut. Vorbehalten bleibt eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht
nicht bekannt sein konnten (Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO). Solche Tatsachen kön- nen beispielsweise die wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bemessung der Höhe des Tagessatzes nach Art. 34 Abs. 2 Satz 3 StGB betreffen. Das Berufungsgericht darf nach der Rechtsprechung bei einer Verbesserung der finanziellen Verhältnisse nach dem erstinstanzlichen Urteil einen höheren Tagessatz festlegen, auch wenn ausschliesslich die beschuldigte Person Berufung erhoben hat
(BGE 146 IV 172 E. 3.3.3; BGE 144 IV 198 E. 5.4.3 S. 201 f.).
Der Tatbestand der Irreführung der Rechtspflege schützt nicht das Rechtsgut des Vermögens, sondern das unverfälschte Funktionieren der Strafjustiz, so dass letztlich offen bleiben kann, ob die G. Versicherung den gemeldeten Sachschaden zurecht bezahlte nicht. In objektiver Hinsicht liegt mit der Vorinstanz gerade noch knapp ein leichtes Verschulden vor, erkannte doch der Polizist, der aus Anlass der Anzeigeerstattung gleichentags einen Augenschein des entstandenen Schadens vornahm, sofort, dass etwas am ganzen Ablauf nicht stimmen konnte, da die Aussagen des Beschuldigten für ihn nicht mit dem vorgefundenen Schadenbild übereinstimmten (Urk. 4/1 S. 2). Dennoch erforderte das Festhalten des Beschuldigten am geschilderten Unfallhergang die Eröffnung ei- nes Strafverfahrens, die Einholung eines Gutachtens und damit unnötige Weiterungen. In subjektiver Hinsicht sind mangels erkennbarem Motiv keine Umstände ersichtlich, die das Verhalten des Beschuldigten in einem günstigeren Licht erscheinen lassen würden. Das Tatverschulden wiegt daher insgesamt eher schwerer, so dass die Einsatzstrafe verschuldensadäquat auf 60 bis 90 Tagessätze Geldstrafe zu bemessen wäre. Die von der Vorinstanz auf 45 Strafeinheiten festgelegte Einsatzstrafe erscheint damit sehr milde. Da sich die Täterkomponenten, wie die Vorinstanz zutreffend erwog (Urk. 28 S. 19), neutral auswirken, nachdem der Beschuldigte weder vorbestraft noch geständig ist, hat es bei der von der Vorinstanz ausgefällten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu bleiben. Auch handelt es sich – ebenfalls mit der Vorinstanz – nicht um einen leichten Fall im Sinne von Art. 304 Ziff. 2 StGB, zumal weder achtenswerte Beweggründe noch ersichtliche Reue vorliegen und es sich bei der unnötigen Ingangsetzung einer Strafverfolgung durch die zuständigen Behörden nicht um eine Bagatelle handelt.
Die Tagessatzhöhe bemisst sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten im Zeitpunkt des Urteils (Art. 34 Abs. 2 StGB). Hinsichtlich der Bemessungskriterien kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 28 S. 21). Die Vorinstanz hat die Tagessatzhöhe ausgehend davon, dass der Beschuldigte im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils eine Weiterbildung absolvierte und kein Einkommen generierte, auf
Fr. 30.– festgesetzt (Urk. 28 S. 21). Anlässlich der Berufungsverhandlung gab der Beschuldigte an, aktuell ein monatliches Nettoeinkommen von Fr. 4'000.– zu erzielen (Prot. II S. 7). Insofern haben sich die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten seit der erstinstanzlichen Verhandlung verbessert. Dem Einkommen von Fr. 4'000.– netto pro Monat stehen zu berücksichtigende Ausgaben von
Fr. 205.– für die Krankenkasse und ca. Fr. 425.– für die Steuern nebst einem re- duzierten persönlichen Abzug für Lebenskosten von rund Fr. 700.– gegenüber, was eine relevante Tagessatzhöhe von Fr. 90.– ergibt.
Insgesamt erscheint in Würdigung aller massgebenden Strafzumessungskriterien eine Bestrafung des Beschuldigten mit 45 Tagessätzen Geldstrafe zu je
Fr. 90.– als der Tat und seinem Verschulden angemessen.
Angesichts des zu beachtenden Verbots der reformatio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO) hat es auch beim durch die Vorinstanz gewährten bedingten Vollzug und bei der festgesetzten Probezeit von zwei Jahren sein Bewenden.
Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung (Art. 428 Abs. 3 StPO). Gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO trägt die beschuldigte Person die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Da es auch im Berufungsverfahren beim Schuldspruch bleibt, ist das vorinstanzliche Kosten- und Entschädigungs- dispositiv (Dispositivziffern 4 bis 6) zu bestätigen.
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 2'500.– zu veranschlagen (Art. 424 Abs. 1 StPO i.V.m. § 16 Abs. 1 und § 14 GebV OG). Die
Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Da der Beschuldigte mit seinen Anträgen vollumfänglich unterliegt, sind die Gerichtskosten ihm aufzuerlegen. Bei diesem Verfahrensausgang entfällt eine Prozessentschädigung an den Beschul- digten (Art. 429 Abs. 1 StPO e contrario).
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. ist der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 schuldig.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 90.–.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.
Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziff. 4 bis 6) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 2'500.–.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 14. Oktober 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Spiess
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Lazareva
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