Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220053 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 30.11.2022 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_205/2023 |
Leitsatz/Stichwort: | Gewerbsmässigen Betrug etc. |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Versicherung; Rungen; Reise; Beschuldigten; Vorinstanz; Prot; Berufung; Sinne; Betrug; Schaden; Anklage; Urkunde; Versicherungen; Betrugs; Staatsanwaltschaft; Urteil; Landes; Verteidigung; Schung; Urkunden; Hinsichtlich; Gewerbsmässig; Verfahren; Dossier; Recht; Reiseversicherung; Sodann; Freiheitsstrafe |
Rechtsnorm: | Art. 146 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 23 StGB ; Art. 251 StGB ; Art. 267 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 436 StPO ; Art. 46b VVG ; Art. 49 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ; |
Referenz BGE: | 118 IV 366; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220053-O/U/nm-as
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Wenker, Präsident, Ersatzoberrichterin lic. iur.
Keller und Ersatzoberrichter Dr. iur. Bezgovsek sowie Gerichts- schreiber MLaw Huter
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
betreffend gewerbsmässigen Betrug etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 30. Juli 2021 (Urk. 20) ist diesem Urteil beigeheftet.
(Urk. 41 S. 43 f.)
Der Beschuldigte A. ist schuldig
Der Beschuldigte wird bestraft mit 8 Monaten Freiheitsstrafe.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für fünf Jahre des Landes verwiesen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 2'100.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.00 Gebühr für das Vorverfahren.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Der Verteidigung des Beschuldigten:
(Urk. 43 S. 1 und Urk. 31 S. 2 f.; Urk. 54 S. 2 f.)
Zahlung der B. S.A., C. [Staat in Europa] im Dossier 1
Zahlungen der D1. S.A, W. [Stadt in Frankreich] / D2. in den Dossiers 1 und 2
Zahlung der E. Versicherungen AG im Dossier 2 bzw. dem Vorgehen im Dossier 3
Zahlung der F. Reiseversicherung im Dossier 1
Zahlung der G. Versicherung AG im Dossier 1
H2. Versicherungen AG/ H1. Versicherungen AG im Dossier 1.
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 StGB freizusprechen.
Die Geldstrafe sei bedingt auszusprechen, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.
Es seien die Kosten des Berufungsverfahrens auf die Staatskasse zu neh- men.
Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 47, schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Zur Berufungsverhandlung sind der Beschuldigte sowie sein erbetener Ver- teidiger, Rechtsanwalt lic. iur. X. , erschienen (Prot. II S. 3). Der Staatsan- waltschaft war das Erscheinen freigestellt worden.
neu zu regeln (Urk. 43). Damit gilt das ganze Urteil als angefochten und ist bisher kein Punkt in Rechtskraft erwachsen.
gestellten Frage nach einer allfälligen Doppelversicherung), keine Unterlassung, sondern gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung ein aktives Tun darstellt (BSK StGB-Maeder/Niggli, 2019, Art. 146 N 53). Eine Verletzung des Anklage- prinzips ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich (vgl. auch die Ausführungen der Vorinstanz in Urk. 41 S. 7 ff., auf welche ergänzend verwiesen wird [Art. 82 Abs. 4 StPO]).
eine gefälschte Stornobestätigung betreffend eine Reise mit der I.
Travel
AG vom 12. November bis 11. Dezember 2020 nach London für insgesamt Fr. 14'962.– sowie ein gefälschtes ärztliches Zeugnis, welches ihm infolge Krank- heit für die Zeit vom 10. bis 18. November 2020 eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, erstellt habe (Urk. D1/20 S. 5). Der Begriff der Fälschung bzw. des Fälschens ist kein rein juristischer Terminus technicus, sondern vielmehr allge- mein gebräuchlich und insoweit unmissverständlich, als jedem Leser sofort klar ist, dass bei der Herstellung einer gefälschten Urkunde der von der Urkunde ge- nannte Aussteller mit dem tatsächlichen nicht übereinstimmt. Damit ist vorliegend aber auch klar, welche deliktische Handlung dem Beschuldigten individuell- konkret vorgeworfen wird, nämlich das Herstellen einer unechten Urkunde mittels technischer Hilfsmittel. Inwiefern die Verteidigung hier das Anklageprinzip verletzt sieht, bleibt damit unerfindlich (vgl. auch die Vorinstanz in Urk. 41 S. 13; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Sachverhalt und rechtliche Würdigung
S. 10, Prot. I S. 11, Prot. II S. 15). Das Geständnis deckt sich mit der übrigen Be- weislage (insb. den Unterlagen der diversen Reiseversicherungen, Urk. D1/6/1- 23), weshalb der Sachverhalt rechtsgenügend erstellt ist. Jedoch machte die Ver- teidigung schon vor Vorinstanz und auch heute verschiedene Einwände gegen
die rechtliche Subsumtion der Staatsanwaltschaft (bzw. der Vorinstanz) geltend (Urk. 31 und Urk. 54), welche nachfolgend näher zu prüfen sind.
die K.
Versicherungsgesellschaft AG, die L.
Versicherungsgesellschaft AG, die M. -versicherungsgesellschaft und die N. Versicherung AG) mangels Bestehens einer Garantenstellung des Versicherungsnehmers und infolge fehlender Arglist nicht tatbestandsmässig gehandelt habe und deshalb freizusprechen sei (Urk. 54 S. 16 ff.; Urk. 43 in Verbindung mit Urk. 31 S. 8 ff.).
Hinsichtlich der übrigen geschädigten Versicherungen (B.
S.A., D1.
S.A./D2. , E.
Versicherungen AG, F.
Reiseversicherung,
G.
Versicherung AG und H2.
Versicherungen AG/H1.
Versicherungen AG) anerkannte sie demgegenüber, dass sich der Beschuldigte durch seine in der Anklageschrift geschilderte Handlungsweise des (mehrfachen, teil- weise versuchten) Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat (Urk. 54 S. 16; Urk. 43 in Verbindung mit Urk. 31 S. 2). Insofern ist die Sachund Rechtslage tatsächlich klar und bedarf – über die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz hinaus, auf welche hiermit verwiesen sei (Urk. 41 S. 14 ff., S. 17) – keiner weiteren Erwägungen. Ebenso klar ist aber auch, dass zufolge Verwen- dung eines gefälschten Stornobelegs und eines gefälschten Arztzeugnisses auch die unter Dossier 3 aufgeführten Handlungen jedenfalls als arglistig zu qualifizie- ren sind, womit hier – da der Beschuldigte, nachdem er von der Eröffnung der Strafuntersuchung Wind bekam, seine Schadenmeldungen revoziert hat – von zahlreichen versuchten Betrügen auszugehen ist (vgl. auch hier die zutreffenden, auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichts verweisenden Erwä- gungen der Vorinstanz in Urk. 41 S. 20).
Damit bleibt die Frage zu klären, ob auch in jenen Fällen der Dossiers 1 und 2, in welchen die Versicherungsgeber in ihren Schadenmeldungsformularen nicht aus- drücklich nach dem Vorhandensein anderer Risikoträger fragten, das Tatbe- standsmerkmal der Arglist zu bejahen ist, oder ob diese Versicherungen derartig nachlässig und leichtsinnig handelten, dass eine Strafbarkeit des Beschuldigten ausgeschlossen wäre. Mit der Vorinstanz, auf deren detaillierte und überzeugen- de Ausführungen (Urk. 41 S. 14 ff.) verwiesen werden kann, ist Letzteres zu ver- neinen. Indem der Beschuldigte im Rahmen der jeweiligen Antragstellung die Auszahlung der ungekürzten Reisekosten verlangte, zeigte er konkludent an, dass er für die angefallenen Annullationskosten über keine andere, ebenfalls leis- tungspflichtige Versicherung verfügte. Der Vorgang an sich (Schadenmeldung samt Einreichung von Belegen betreffend die Stornierung einer Reise und den damit verbundenen Kosten) ist als typischer Routinefall im Massengeschäft der Reiseversicherungen anzusehen, bei welchem nach dem Prinzip von Treu und Glauben keine ausserordentlichen Vorkehrungen nötig sind, sondern redliches Verhalten des Versicherungsnehmers erwartet werden kann. Deshalb konnte der Beschuldigte damit rechnen, dass die Versicherungen seine Schadenmeldung nicht vertieft überprüfen würden, solange keine besonderen Verdachtsmomente (bspw. offensichtlich gefälschte Unterlagen oder Widersprüche in den Angaben, etc.) bestehen. Hinzu kommt, dass – wie der Beschuldigte zweifelsfrei bewiesen hat – die Frage nach einer allfälligen Doppelversicherung allein nicht geeignet ist, das Betrugsrisiko zu minimieren. Weder die vertiefte Prüfung jeder einzelnen
Schadenmeldung, noch der routinemässige Abgleich mit sämtlichen anderen Rei- seversicherungen auf allfällige Doppelversicherung wäre aber in diesem Massen- geschäft praktikabel und zumutbar. Überdies plante der Beschuldigte bereits beim Abschluss der mehrfachen Reiseversicherungen, sich durch Buchung und Stor- nierung einer Reise zu bereichern, wobei ihm schon vorab klar war, dass sich das nötige Arztzeugnis notfalls einfach beschaffen lassen würde (Urk. D1/4/1 S. 8, Urk. D1/4/2 S. 3), und bediente sich damit besonderer Machenschaften. Eine der- artige innere Haltung ist für die Versicherung aber ohnehin nicht erkennbar, ob- wohl bereits daran ihre Leistungspflicht scheitern würde (vgl. Art. 53 Abs. 2 in der zur Tatzeit gültigen Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes [VVG] bzw. ge- mäss aktueller Version Art. 46b Abs. 3 VVG).
Subjektiv war ihm auch ohne die Frage nach einer allfälligen Mehrfachversiche- rung jedenfalls bewusst, dass ihm die Rückerstattung der Kosten nicht mehrfach zustand. Dies ergibt sich bereits aus dem Zweck seines Tuns, der nicht darin be- stand, ihm den Schaden, mithin die bei ihm entstandenen Annullationskosten, zu ersetzen, sondern auf schnelle und einfache Weise die Finanzierung seiner Le- benshaltungskosten der kommenden Jahre sicherstellen sollte. Damit ist auch in jenen Fällen, wo das Schadenformular keine explizite Frage nach einer allfälligen Mehrfachversicherung enthielt, von insgesamt tatbestandsmässigem Verhalten im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB auszugehen (vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen Irrtum, Vermögensdisposition/Vermögensschaden sowie Motivations- und Kau- salzusammenhang ergänzend auch die detaillierten Ausführungen der Vorinstanz, Urk. 41 S. 17 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
[Schweizerische Hochschule] finanzieren (Urk. D1/4/1 S. 2, Urk. D1/4/2 S. 11, Prot. I S. 11 f.). Hierfür betrog er in einem Zeitraum von knapp fünf Monaten (30. Juni 2020 bis 13. November 2020) im Zusammenhang mit drei gebuchten Reisearrangements diverse Versicherungen, womit er insgesamt Fr. 93'593.20 erhältlich machen konnte, während hinsichtlich weiterer rund Fr. 122'000.– die Zahlung aus verschiedenen Gründen (Deckungsausschluss für Covid 19; Miss- trauen der Versicherung wegen widersprüchlicher Belege; Revokation der Rück- erstattungsforderung durch den Beschuldigten) unterblieb. Heute zeigte er konk- ret auf, dass er mit den eingeplanten rund Fr. 200'000.– Deliktserlös seine Le- benshaltungskosten während des Studiums habe decken wollen, wobei er von Lebenshaltungskosten von Fr. 40'000.– pro Jahr und einem voraussichtlich fünf Jahre dauernden Studium ausgegangen sei (Prot. II S. 16 f.). Vor diesem Hinter- grund (Zeitspanne der deliktischen Tätigkeit, Anzahl deliktischer Einzelakte, an- gestrebte Deliktssumme, Zweck der Delinquenz) kann kein Zweifel daran beste- hen, dass der Beschuldigte gewerbsmässig handelte. Rechtfertigungs- oder Schuldausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Damit ist der Beschuldigte auch des gewerbsmässigen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen (vgl. ergänzend das angefochtene Urteil, Urk. 41 S. 24 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
fahren ist sodann zusätzlich zu berücksichtigen, dass das Verschlechterungsver- bot gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO es verbietet, dass der Beschuldigte im Ergebnis mit mehr als acht Monaten Freiheitsstrafe bestraft wird.
über der B.
S.A., wiedergeben im angefochtenen Urteil, Urk. 41 S. 19 f.).
Auch später noch, im Rahmen seiner polizeilichen Befragung, zeigte er diesbe- züglich ein eklatantes Unrechtsbewusstsein, indem er ausführte, er habe die Ver- sicherung bei der Ombudsstelle gemeldet, weil er dies dürfe und weil bei jener Organisation offensichtlich einiges schief gelaufen sei, weil sie den Fall zweimal eröffnet und abgeschlossen habe (Urk. D1/4/1 S. 6). Insgesamt ist von nicht zu vernachlässigender krimineller Energie auszugehen, auch wenn die automatisierten Abläufe der Versicherungen mit der Möglichkeit des Online- Versicherungsabschlusses und der Online-Schadenmeldung es ihm auch recht leicht gemacht haben. Gleichzeitig zeigt sich die Skrupellosigkeit des Beschuldig- ten aber auch gerade darin, dass er diese, primär zum Zweck der Kundenfreund- lichkeit geschaffenen, nutzerfreundlichen Strukturen vorsätzlich zu seinem Vorteil und seiner Bereicherung ausnützte, was im Endergebnis zu Lasten der redlichen Mehrheit der Versicherten, mithin der Allgemeinheit, geht. Dass der Beschuldigte gut situierte und potente Versicherungen schädigte und nicht etwa Privatpersonen um ihr ganzes Vermögen brachte, erweist sich im Vergleich hingegen von gerin- gerer Verschuldensqualität, selbst wenn die Schädigung einer Versicherung mit- telbar auf deren Kunden abgewälzt werden könnte. Weiter ist zu berücksichtigen, dass er hinsichtlich der dritten Reise von selbst von den in jenem Zeitpunkt erst gerade frisch gestellten Forderungen im Umfang von rund Fr. 83'000.– (und ebenso von den beiden noch ausstehenden Zahlungen der zweiten Reise von knapp Fr. 20'000.–) zurücktrat und damit dafür sorgte, dass diese Betrüge im Versuchsstadium endeten (vgl. Art. 22 bzw. Art. 23 StGB). Dieser Akt tätiger Reue geschah jedoch erst, wenn auch unmittelbar, nachdem sein Bankkonto ein- gefroren wurde und ihm durch die Staatsanwaltschaft am 13. November 2020 auf Nachfrage mitgeteilt worden war, dass gegen ihn ein Verfahren wegen Versiche- rungsbetrugs läuft (Urk. D1/9 in Verbindung mit Urk. D1/4/1 S. 6 + 7), woraus er- hellt, dass er nicht primär aus inneren Motiven, sondern getrieben von äusseren Gegebenheiten sprichwörtlich die Reissleine zog (vgl. BGE 118 IV 366 E. 3a). Trotzdem scheint es angemessen, diese Reaktion moderat verschuldensmin- dernd anzurechnen, da der Beschuldigte so doch zumindest verhindert hat, dass weitere Versicherungsleistungen ausbezahlt werden und sich der Schaden mehr als verdoppelt, was das Verfahren sicher vereinfacht hat. Insgesamt ist damit – innerhalb des weiten Strafrahmens des qualifizierten Delikts – von einem gerade noch leichten Verschulden zu sprechen. Eine Geldstrafe kann dem aufgrund ihrer Obergrenze von 180 Tages-sätzen von vornherein nicht angemessen, sprich schuldadäquat, Rechnung tragen. Vielmehr ist die Einsatzstrafe auf 16 bis 18 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.
Vorinstanz ist aufgrund der engen Vernetzung mit dem Betrugsdelikt einerseits festzuhalten, dass auch hierfür nur eine Freiheitsstrafe in Frage kommen kann, anderseits indessen die Einsatzstrafe für den gewerbsmässigen Betrug nur um einen Monat zu erhöhen ist, während isoliert sicher eine deutlich höhere Strafe auszufällen wäre.
18. Dezember 2020) und sofort Hand geboten hat, die bezogenen Leistungen zu- rückzuerstatten, so dass die Geschädigten bereits vor Abschluss des Strafverfah- rens schadlos gehalten werden konnten (vgl. Urk. D1/5/8, Urk. D1/10/3 und Urk. D1/10/3 Beilage 3, Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom 23. November 2020, Urk. D1/10/5; Art. 48 lit. d StGB). Allerdings ist auch hierzu anzumerken, dass das dafür benötigte Geld grösstenteils bereits durch die Staatsanwaltschaft auf dem Bankkonto des Beschuldigten blockiert war (Urk. D1/10/6-8) und somit
auch auf dem Prozessweg den Geschädigten hätte zugeführt werden können. Es war damit für den Beschuldigten jedenfalls verloren (vgl. Art. 267 StPO).
Der Beschuldigte kam erst Mitte Juni 2018, mit 23 Jahren, in die Schweiz, wo er heute über eine Aufenthaltsbewilligung B (EU/EFTA), gültig bis 21. April 2025, verfügt (Urk. D1/11/2 S. 10). Geboren wurde er in Slowenien, wo er auch die Primarschule besuchte. Für die weitere Ausbildung (Gymnasium, Bachelor in Economics an der Universität V. ) übersiedelte er nach England. Er spricht neben Slowenisch und Englisch auch Kroatisch, Russisch und Deutsch (Urk. D1/4/2 S. 13; Prot. II S. 21). In der Schweiz studierte er zwei Semester lang an der Hochschule P. , und hatte verschiedene Stellen inne (Praktikum bei der
Q.
im Rahmen eines …-Programs, Internship bei R. , Arbeit bei
S. als Werkstudent; Prot. I S. 9, Urk. D1/4/2 S. 13; Prot. II S. 7). Von Sep- tember 2020 bis Ende Januar 2021 studierte er überdies an der O. Informa- tik, wobei er parallel dazu noch bis Oktober 2020 bei der Q. angestellt war.
Seit Februar 2021 arbeitet er bei der T.
AG in U.
als M&A Analyst
und erzielt damit inzwischen, nach zwei Beförderungen und zwei entsprechenden Lohnerhöhungen, ein Jahreseinkommen von brutto Fr. 110'000.– zuzüglich Bonus (Prot. II S. 8 ff.; Prot. I S. 7 ff., Urk. D1/4/2 S. 11 ff. und Urk. 49/1-4). Seit Januar 2020 lebt der Beschuldigte mit seinem Lebenspartner zusammen (Prot. II S. 14). Eine Heirat ist geplant, allerdings wissen die Eltern des Beschuldigten nicht um dessen Homosexualität (Prot. I S. 10 und 12; Prot. II S. 11). Seine Schwester lebt in Österreich, die Eltern abwechselnd in Slowenien und Kroatien (Urk. D1/4/2
S. 14; Prot. II S. 20). Nebst der Aufenthaltsbewilligung B für die Schweiz verfügt er über ein noch bis Herbst 2023 gültiges Aufenthaltsrecht in England (sog. sett- led status; Prot. I S. 13; Prot. II S. 14) und ist sodann als Bürger von Slowenien, einem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU), grundsätzlich auch in deren gesamtem Einzugsbereich aufenthaltsberechtigt.
ten Ausführungen der Vorinstanz in Urk. 41 S. 38 ff.). Dies ist vorliegend – entge- gen dem Fazit der Vorinstanz (vgl. Urk. 41 S. 40 ff.) – zu verneinen.
beruflich umorientieren und hierzu an der O.
ein mehrjähriges Informatikstudium absolvieren, welches er im September 2020 auch antrat. Dabei war ihm einerseits mitgeteilt worden, dass sich ein O. -Studium als Werkstudent aufwandmässig nicht würde bewerkstelligen lassen, und wusste er andrerseits,
dass seine Arbeitsvertrag mit der Q. nur noch bis Ende Oktober 2020 be- stand und das Einkommen zusammen mit Ersparnissen bloss für ein Semester reichen würde, weshalb er sich grosse Sorgen um seine finanzielle Zukunft mach- te (Urk. D1/4/1 S. 2 f.; Urk. D1/4/2 S. 10 f.). Seine Eltern wollte er, durchaus nachvollziehbar, nicht belangen, zumal die ihm bereits die Ausbildung in England und das Erststudium finanziert hatten. In dieser speziellen, sein kriminelles Han- deln selbstredend nicht entschuldigenden, Situation kam es sodann zu den Versi- cherungsbetrügen. Deren Ziel war, die nötigen Mittel für die Bestreitung des Le- bensunterhalts während des Studiums erhältlich zu machen. Heute präsentiert sich demgegenüber eine völlig andere Ausgangslage. Der Beschuldigte ist seit Februar 2021 bei derselben Arbeitgeberin in Festanstellung tätig und verdient als erst 27-Jähriger bereits ein überdurchschnittliches Einkommen. Den Traum eines weiteren Studiums scheint er grundsätzlich begraben zu haben (Prot. II S. 9). Aufgrund seiner Qualifikationen und Berufserfahrung ist sodann davon auszuge- hen, dass er im Falle eines Stellenverlustes problemlos eine neue Anstellung fin- den würde. Entsprechend macht der Beschuldigte auch schwergewichtig und nicht unglaubhaft geltend, dass sich seine Lebensumstände in den letzten zwei Jahren wesentlich verändert haben und er sich auch in persönlicher Hinsicht er- heblich weiterentwickelt hat (Prot. II S. 18 f.; Urk. 54 S. 6). Dass er, nachdem eine erste Versicherung ihm auf die Schliche gekommen und ein Strafverfahren einge- leitet worden war, sofort und diskussionslos sämtliche ausstehenden Schadenfor- derungen revozierte (Urk. D1/4/1 S. 6 + 7) und sogleich auch die Rückerstattung bereits erhaltener Zahlungen in die Wege leitete (Urk. D1/10/3 Beilagen 2 und 3), kann zudem nicht anders interpretiert werden, als dass er durchaus risikoavers veranlagt ist und inskünftig auf keinen Fall eine Landesverweisung und damit den Verlust des bisher Erreichten riskieren würde. Damit aber besteht vorliegend, auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Restzweifel hinsichtlich der Per- sönlichkeitsstruktur, aus ausländerrechtlicher Optik keine realistische Rückfallge- fahr. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte aus dem heutigen Strafverfahren die nötigen Lehren gezogen hat und ihm insbesondere nun klar ist, dass bei erneuter Delinquenz (auch) eine Landesverweisung drohen kann, was nebst dem Verlust der Arbeitsstelle auch die Trennung von seinem Lebenspartner
nach sich ziehen könnte. Damit liegt im Ergebnis jedenfalls keine anhaltende und hinreichend schwere, das Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr für die öffentliche Ordnung vor. Folglich ist eine Landesverweisung des Beschuldig- ten mit Art. 5 Anhang I FZA nicht vereinbar, weshalb von der Anordnung einer ob- ligatorischen Landesverweisung abzusehen ist.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
ist schuldig
Der Beschuldigte wird bestraft mit 8 Monaten Freiheitsstrafe.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.
Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziff. 5 und 6) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.–.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälli- ger Rechtsmittel an
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsa- chen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, be- gründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichts- gesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 30. November 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Wenker
Der Gerichtsschreiber:
MLaw Huter
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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