Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB210628 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 06.10.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchte Nötigung |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; Privatkläger; Berufung; Urteil; Verteidigung; Vorinstanz; Tigung; Amtliche; Recht; Mitbeschuldigte; Tagessätze; Mitbeschuldigten; Grundstrafe; Ersuchte; Geldstrafe; Nötigung; Amtlichen; Zusatzstrafe; Staatsanwaltschaft; Versuchte; Verteidiger; Urteils; Tagessätzen; Urteilende; Beurteilende; Verfahren; Gericht; Höhe |
Rechtsnorm: | Art. 135 StPO ; Art. 181 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 334 StPO ; Art. 34 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 400 StPO ; Art. 401 StPO ; Art. 424 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 45 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ; |
Referenz BGE: | 127 IV 101; 136 IV 55; 138 IV 113; 141 IV 249; 142 IV 265; 145 IV 1; 69 IV 145; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB210628-O/U/cwo
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. M. Knüsel, Präsidentin, die Ersatzoberrichter lic. iur. M. Gmünder und lic. iur. R. Amsler sowie die Gerichts- schreiberin MLaw A. Donatsch
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
vertreten durch Staatsanwältin lic. iur. P. Brunner,
Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend versuchte Nötigung
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich - Limmat vom 24. September 2020 (Urk. 17) ist diesem Urteil beigeheftet.
(Urk. 39 S. 48 ff.)
Der Beschuldigte A. ist schuldig der versuchten Nötigung i.S.v. Art. 181 StGB
i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre fest- gesetzt.
Der Privatkläger B. wird mit seiner Zivilklage auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 3'600.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'100.00 Gebühr für das Vorverfahren Fr. 9'125.20 amtliche Verteidigung
Rechtsanwalt lic. iur. X. wird für seine Aufwendungen als amtlicher Verteidi- ger aus der Gerichtskasse wie folgt entschädigt (in Fr.):
Honorar: | 8'390.80 | ||
Barauslagen: | 82.00 | ||
Zwischentotal: | 8'472.80 | ||
+ 7.7 % MwSt. | 652.40 | ||
Entschädigung total inkl. MwSt.: | 9'125.20 |
(Prot. II S. 7 f.)
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 72 S. 1 f.)
Die Berufung des Beschuldigten A.
sei gutzuheissen und es seien
Ziff. 1, Ziff. 2, Ziff. 3, Ziff. 7 und (betreffend Vorbehalt der Nachforderungen) Ziff. 8 des angefochtenen Urteils aufzuheben.
Beschuldigten eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zuzu- sprechen.
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 46; schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Am 8. Juli 2020 erstattete der nachmalige Privatkläger B.
bei der
Stadtpolizei Zürich Strafanzeige gegen den Beschuldigten A.
(genannt:
A'. ) sowie einen ihm namentlich nicht bekannten Albaner – welcher in der Folge in der Person des Mitbeschuldigten C. , alias: C1. (genannt: C'. ; separates Verfahren) ermittelt werden konnte – wegen versuchter Nö- tigung bzw. Drohung (Urk. 1). Gestützt auf einen in der Folge von der Staatsan- waltschaft Zürich-Limmat ausgestellten Vorführungsbefehl wurde der Beschuldig- te gleichentags verhaftet und in Untersuchungshaft versetzt (vgl. Urk. 14/1-3 so- wie Urk. 14/11), aus der er am 30. Juli 2020 – unter Anordnung von Ersatzmass- nahmen – wieder entlassen wurde (Urk. 14/8; Urk. 14/15).
Nach Abschluss der Untersuchung erhob die Staatsanwaltschaft am 24. Septem- ber 2020 Anklage gegen den Beschuldigten an das Einzelgericht des Bezirks- gerichts Zürich (Urk. 17). Dieses überwies den Prozess mit Verfügung vom
November 2020 gestützt auf Art. 334 StPO zuständigkeitshalber dem Kollegial- gericht (Urk. 22). Am 9. Dezember 2020 wurden die Parteien auf den 20. April 2021 zur Hauptverhandlung vor der 10. Abteilung des Bezirksgerichts Zürich als Kollegialgericht (nachfolgend: Vorinstanz) vorgeladen (Urk. 24/1). Diese führte die Hauptverhandlung gemeinsam mit derjenigen gegen den Mitbeschuldigten
C1.
durch und fällte gleichentags das eingangs wiedergegebene Urteil,
welches es den Parteien mündlich sowie schriftlich im Dispositiv eröffnete (vgl. Prot. I S. 4 ff. und S. 18 ff.; Urk. 31).
Am 30. April 2021 (Poststempel) meldete der Beschuldigte fristgerecht Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz an (Urk. 33). Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 36 = Urk. 39) am 6. Dezember 2021 (Urk. 38/2) reichte der Beschuldigte dem Obergericht am 27. Dezember 2021 (Poststempel) fristge- recht die Berufungserklärung ein (Urk. 41).
Mit Präsidialverfügung vom 29. Dezember 2021 wurde der Staatsanwalt- schaft und dem Privatkläger in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 StPO sowie Art. 401 StPO eine Kopie der Berufungserklärung des Beschuldigten zugestellt und Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erheben oder ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Zudem wurde dem Beschuldigten Frist ange- setzt, um zu einem allfälligen Widerruf der amtlichen Verteidigung Stellung zu nehmen und Unterlagen zu seinen aktuellen finanziellen Verhältnissen einzu- reichen (Urk. 44). Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Eingabe vom 4. Januar 2022 auf eine Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vorinstanz- lichen Urteils (Urk. 46). Der Beschuldigte machte mit Eingabe vom 22. Februar 2022 innert mehrfach erstreckter Frist Angaben zu seinen persönlichen Verhält- nissen und ersuchte darum, von einem Widerruf der amtlichen Verteidigung ab- zusehen (Urk. 54 und 56). Der Privatkläger liess sich zur Verfügung vom 29. De- zember 2021 nicht vernehmen.
Mit Präsidialverfügung vom 24. Februar 2022 wurde die amtliche Verteidigung widerrufen und dem bisherigen amtlichen Verteidiger Frist angesetzt, um dem Gericht mitzuteilen, ob er den Beschuldigten fortan erbeten verteidige (Urk. 57), was der Verteidiger mit Eingabe vom 11. März 2022 – unter Beilage einer Voll- macht des Beschuldigten – denn auch tat (Urk. 59; Urk. 61). Mit Verfügung vom
15. März 2022 wurde sodann der nunmehr erbetene Verteidiger für seine bisheri- gen Bemühungen als amtlicher Verteidiger entschädigt (Urk. 63).
Am 8. Juli 2022 wurden die Parteien des vorliegenden Verfahrens sowie die
Parteien des Verfahrens betreffend den Mitbeschuldigten C1.
(GeschäftsNr.: SB220012) auf den 6. Oktober 2022 zur gemeinsamen Berufungsverhand- lung vorgeladen, wobei der Staatsanwaltschaft und dem Privatkläger das Er- scheinen freigestellt wurde (Urk. 65).
4. Zur heutigen Berufungsverhandlung erschienen der Beschuldigte A. in Begleitung seines erbetenen Verteidigers, Rechtsanwalt lic. iur. X. , sowie
der Mitbeschuldigte C1.
in Begleitung seines amtlichen Verteidigers,
Rechtsanwalt lic. iur. Y. , und die Verfahrensbeteiligte D. (Ehefrau des Mitbeschuldigten). Es waren weder Vorfragen noch Beweisanträge zu entschei- den. In der Sache selbst stellten die Parteien die eingangs wiedergegebenen An- träge (Prot. II S. 7 f.). Das Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhand- lung (Prot. II S. 17 ff.).
E. 1.3.1, mit Hinweisen). Die Berufungsinstanz kann sich somit in der Begründung auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.
Die Vorinstanz sprach den Beschuldigten anklagegemäss der versuchten Nötigung schuldig. Sie erachtete den Sachverhalt gestützt auf die glaubhaften Aussagen des Privatklägers, welche zudem durch objektive Beweismittel (Kauf- verträge, WhatsApp-Chat) untermauert würden, als erstellt (Urk. 39 S. 33 f.) und die rechtliche Würdigung der Staatsanwaltschaft als zutreffend (Urk. 39 S. 34 ff.).
Die Verteidigung brachte im Berufungsverfahren zusammengefasst dagegen vor, die Vorinstanz habe nicht nur willkürlich die Darstellung des Privatklägers für glaubhaft erachtet, sie habe auch die von ihr als objektiv bezeichneten Beweis- mittel (Kaufverträge, WhatsApp-Chat) offensichtlich einseitig und unhaltbar zu- ungunsten des Beschuldigten gewürdigt. Entgegen der Vorinstanz lägen keine objektiven Beweismittel für den eingeklagten Sachverhalt vor und die Aussagen des Privatklägers seien widersprüchlich, lebensfremd, voller Lügensignale und somit schlicht unglaubhaft, weshalb es letztlich keine Beweise für den Anklage- sachverhalt gebe und entsprechend ein (vollumfänglicher) Freispruch zu erfolgen habe (Prot. II S. 11 ff.; Urk. 72 S. 2 ff.).
Vorab kann grundsätzlich auf die ausführliche und sorgfältige Beweiswürdi- gung der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 39 S. 5-34). Die Vorinstanz gelangte dabei im Rahmen der Gesamtwürdigung zu Recht zum Schluss, dass der Ankla- gesachverhalt aufgrund der Beweislage erstellt ist. Insbesondere sind die Aussa- gen des Privatklägers – entgegen der Ansicht der Verteidigung Urk. 72 S. 5 ff.) – im Wesentlichen konstant, widerspruchsfrei, detailreich und nachvollziehbar ausgefallen. Sie erscheinen damit als glaubhaft. Entgegen der Vorinstanz (in Urk. 39 S. 32 unten) ist denn auch kein erheblicher Widerspruch darin zu sehen, dass sich der Privatkläger weder an Marke noch Modell der vom Mitbeschuldigten angeblich mitgeführten Schusswaffe erinnern konnte, gab er doch explizit an, sich mit Waffen überhaupt nicht auszukennen (vgl. Urk. 6/1 S. 4; Urk. 6/3 S. 14), was keineswegs unglaubhaft erscheint. Eine solche zurückhaltende Aussage spricht im Gegenteil gerade für deren Glaubhaftigkeit. Es erschiene vielmehr ausserge- wöhnlich, könnte eine mit einer Schusswaffe bedrohte Person deren Marke und Modell im Nachhinein mit Bestimmtheit angeben. Entgegen der Vorinstanz und der Verteidigung (vgl. Urk. 39 S. 32 f.; Urk. 72 S. 7; Urk. 29 S. 6) ist auch nicht wi- dersprüchlich, wenn der Privatkläger zunächst erklärte, beim kurzen, teilweisen Herausziehen der Waffe durch den Mitbeschuldigten aus dessen Hosensack ei- nen Teil des Laufes (Urk. 6/1 S. 4), später dagegen den Griffbereich (Urk. 6/3
S. 5) gesehen zu haben: Wurde die Waffe (mutmasslich eine Pistole) – wie vom Privatkläger geschildert – vom Mitbeschuldigten in der Hosentasche getragen, wobei der Griff herausragte bzw. vom Beschuldigten etwas herausgezogen wur- de, konnte der Privatkläger dabei nämlich ohne Weiteres sowohl den Griffbe- reich als auch den hinteren Teil des Laufes sehen, so dass beide Beschreibun- gen als zutreffend erscheinen. Dies, zumal die genaue Wortwahl im Deutschen anlässlich der zweiten Einvernahme letztlich durch den beigezogenen Tamil- Dolmetscher erfolgt sein dürfte, was auch die Abweichungen hinsichtlich der mündlich geäusserten Drohungen (kaputt machen vs. aufschneiden, vgl. Urk. 39 S. 33) zu erklären vermag. Letztlich kann indes offen gelassen werden, ob tat- sächlich eine Waffe im Spiel war, zumal dies ohnehin keinen Eingang in die An- klageschrift gefunden hat.
Hinzu kommt, worauf auch die Vorinstanz teilweise bereits hinwies (Urk. 39
S. 32), dass der Privatkläger detailliert (und im Wesentlichen korrekt) über das kriminelle Vorleben des Mitbeschuldigten informiert war, welcher wegen schwers- ten Gewaltdelikten bis hin zur versuchten Tötung eine neunjährige Freiheitsstrafe verbüsst hatte und anschliessend aus der Schweiz ausgeschafft worden war. Es ist nicht ersichtlich, wer ausser dem Beschuldigten – als dessen Begleiter der Mit- beschuldigte gegenüber dem Privatkläger jeweils auftrat – dem Privatkläger diese Informationen hätte bekannt geben sollen, kannte der Privatkläger doch bis zu- letzt nicht einmal den Namen des Mitbeschuldigten, sondern nannte ihn noch bei der Anzeigeerstattung lediglich den Albaner (vgl. Urk. 1; Urk. 6/1 S. 3). Nicht ersichtlich ist weiter, in welchem (neutralen) Kontext der Beschuldigte dem Privat- kläger diese Informationen hätte zukommen lassen sollen, ausser eben im Rah- men der eingeklagten Drohung bzw. Nötigung. Insbesondere liessen diese Infor- mationen den Mitbeschuldigten als Geschäftspartner des Beschuldigten gegen- über dem Privatkläger kaum als besonders vertrauenswürdig erscheinen.
Schliesslich lassen die sichergestellten Verträge bzw. Vertragsentwürfe ein plausibles Motiv der Mitbeschuldigten für die Nötigung des Privatklägers erken- nen, wollten die Mitbeschuldigten doch zusammen die E. -Bar des Beschul- digten oder die F. [Bar] übernehmen, verfügten dafür jedoch offensichtlich nicht über die nötigen finanziellen Mittel, weshalb sie auf die Unterschrift des Pri- vatklägers auf dem neuen, für ihn nachteiligen Vertrag angewiesen waren. Der Privatkläger wiederum hatte – entgegen der Verteidigung (Urk. 72 S. 3) – kein er- sichtliches Interesse am Abschluss dieser neuen Vereinbarung (vgl. auch dazu bereits die Vorinstanz in Urk. 39 S. 11 ff.; S. 19 f.; S. 25 f.). Im Gegensatz dazu erscheint das von der Verteidigung vorgebrachte angebliche Motiv des Privatklä- gers für seine Strafanzeige – nämlich die Beschuldigten daran zu hindern, ihre berechtigten Forderungen ihm gegenüber geltend zu machen (Urk. 29 S. 4 f.) – als wenig wahrscheinlich, wenn nicht gar als blosse Schutzbehauptung (vgl. auch Urk. 39 S. 30 f.). Soweit die Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung erstmals geltend macht, es seien noch weitere rund Fr. 30'000.– vom Beschuldig- ten an den Privatkläger geflossen, wofür es indes keine Belege bzw. Quittungen gebe (Urk. 72 S. 3 f.), ist nicht weiter darauf einzugehen, zumal dies auch der Beschuldigte nie behauptete. Anlässlich der Berufungsverhandlung machte der Beschuldigte überdies keine weiteren Aussagen zur Sache (Urk. 70 S.13).
Auch die rechtliche Würdigung der Vorinstanz erweist sich als zutreffend und es kann – entgegen der Verteidigung (Urk. 72 S. 10) – ohne Weiteres darauf verwiesen werden (Urk. 39 S. 34-39). Insbesondere ist die Vorinstanz angesichts des gemeinsamen Vorgehens bzw. Auftretens der Mitbeschuldigten, welche überdies ein gemeinsames Ziel – die Übernahme einer Bar – verfolgten, auch zu Recht von einer Mittäterschaft ausgegangen (Urk. 39 S. 39).
Der Beschuldigte ist somit der versuchten Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.
1. Bezüglich des anwendbaren Strafrahmens sowie der allgemeinen Strafzu- messungsregeln hat die Vorinstanz zutreffende Ausführungen gemacht, auf die verwiesen werden kann (Urk. 39 S. 40-42).
Der Beschuldigte wurde kurz vor der Ausfällung des vorinstanzlichen Urteils am 20. April 2021 vom Kreisgericht Rheintal am 15. April 2021 wegen diverser ausländerrechtlicher Vergehen, versuchter Nötigung sowie Unterlassung der Buchführung zu einer unbedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 50.– verurteilt (vgl. Urk. 67 S. 2 f.; Urk. 68/1). Es ist daher eine Zusatzstrafe zu jener Verurteilung auszufällen (vgl. BGE 145 IV 1, E. 1.2; BGE 138 IV 113, E. 3.4.2 f.; BGer. 6B_837/2019 vom 6. Dezember 2019, E. 1.1; je m.w.H.), zumal bereits an- gesichts des geltenden Verschlechterungsverbots im vorliegenden Verfahren nur die Ausfällung einer (bedingten) Geldstrafe von höchstens 120 Tagessätzen zu Fr. 30.– in Betracht kommt.
Das Bundesgericht hat die Methodik der Zusatzstrafenbildung im Entscheid BGE 142 IV 265 wie folgt neu festgelegt:
2.4.4. Die Zusatzstrafe ist die infolge Asperation mit der Grundstrafe reduzierte Strafe für die neu zu beurteilenden Taten. Um bei der Zusatzstrafenbildung dem Prinzip der Strafschärfung gemäss Art. 49 Abs. 2 StGB Rechnung zu tragen, hat das Zweitgericht die rechtskräftige Grundstrafe und die von ihm für die neu zu beurteilenden Taten auszusprechenden Strafen nach den Grundsätzen von Art. 49 Abs. 1 StGB zu schärfen. Die Einsatzstrafe bildet die Strafe der (abstrakt) schwersten Straftat sämtlicher Delikte. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Lehre ist die schwerste Tat im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB die mit der schwersten Strafe bedrohte und nicht die nach den Umständen des konkreten Falles verschuldensmässig am schwersten wiegen- de Tat. Würde auf die höchste ausgefällte Einzelstrafe abgestellt, könnte dies zu einer sinnwidri- gen Herabsetzung des Strafrahmens infolge von Konkurrenz führen (BGE 136 IV 55 E. 5.8; BGE 127 IV 101 E. 2b S. 104; Urteil 6B_157/2014 vom 26. Januar 2015 E. 2.2; ACKERMANN, a.a.O.,
N. 116 zu Art. 49 StGB; GÜNTHER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner
Teil I: Die Straftat, 4. Aufl. 2011; ders., Erneut zur Gesamtstrafenbildung, forumpoenale 2011 S. 349; je mit Hinweisen; anders noch: BGE 69 IV 145 S. 149).
Es ist zu unterscheiden, ob die Grundstrafe oder die neu zu beurteilenden Delikte die schwerste Straftat enthalten. Im ersten Fall ist die Grundstrafe aufgrund der Einzelstrafen der neu zu beurtei- lenden Delikte angemessen zu erhöhen. Anschliessend ist von der (gedanklich) gebildeten Ge- samtstrafe die Grundstrafe abzuziehen, was die Zusatzstrafe ergibt. Liegt umgekehrt der Einzel- oder Gesamtstrafe der neu zu beurteilenden Taten die schwerste Straftat zugrunde, ist diese um die Grundstrafe angemessen zu erhöhen. Die infolge Asperation eintretende Reduzierung der rechtskräftigen Grundstrafe ist von der Strafe für die neu zu beurteilenden Delikte abzuziehen und ergibt die Zusatzstrafe. Bilden die Grundstrafe und die Strafe für die neu zu beurteilenden Delikte ihrerseits Gesamtstrafen, kann das Zweitgericht der bereits im Rahmen der jeweiligen Gesamt- strafenbildung erfolgten Asperation durch eine gemässigte Berücksichtigung bei der Zusatz- strafenbildung Rechnung tragen.
Vorliegend beinhalten die Grundstrafe und die neu zu beurteilende Tat abstrakt gleich schwere Delikte (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstra- fe). Angesichts der Strafhöhe und der Deliktsmehrheit ist jedoch von der bereits ausgefällten Grundstrafe von 150 Tagessätzen Geldstrafe als Einsatzstrafe aus- zugehen. Diese ist um die Einzelstrafe der neu zu beurteilenden versuchten Nöti- gung angemessen zu erhöhen. Schliesslich ist die bereits ausgefällte Grundstrafe von der (hypothetischen) Gesamtstrafe abzuziehen, was die Zusatzstrafe ergibt.
In objektiver Hinsicht fällt dem Beschuldigten zur Last, dass er – zusammen mit dem Mitbeschuldigten – gezielt und mit einiger krimineller Energie verbunden mittels wiederholter persönlicher Androhung von Gewalt den Privatkläger gegen dessen Willen zur Unterzeichnung eines für diesen mit erheblichen Nachteilen verbundenen Kaufvertrages über dessen Bar zu bestimmen suchte, wobei es bei verbalen Drohungen blieb. Insgesamt erscheint das objektive Verschulden des Beschuldigten als noch leicht.
In subjektiver Hinsicht fallen lediglich egoistische Motive in Betracht, welche den Beschuldigten nicht entlasten. Es bleibt damit bei einem noch leichten Ver- schulden, was innerhalb des anwendbaren Strafrahmens zu einer Einzelstrafe von 150 Tagessätzen führt.
Nachdem der vom Beschuldigten angestrebte Nötigungserfolg nicht eintrat, es vielmehr bei einem (vollendeten) Versuch blieb – wozu der Beschuldigte in- dessen nichts beitrug – ist die Einzelstrafe in Anwendung von Art. 22 Abs. 1 StGB um 20 Tagessätze auf 130 Tagessätze zu reduzieren.
In Anwendung des Asperationsprinzips ist die Grundstrafe als Einsatzstrafe um 100 Tagessätze zu erhöhen.
Zu den persönlichen Verhältnissen des heute 49-jährigen Beschuldigten ist auszuführen, dass er im Jahr 1991 im Alter von 18 Jahren aus Sri Lanka als Asylbewerber in die Schweiz kam. Hier hat er sich zum Gastro-Betriebsleiter ausgebildet und immer in diesem Bereich gearbeitet. Diesen Sommer hat er sich
selbständig gemacht und ist nun – mit seiner Partnerin G.
– in der
Zimmervermietung tätig. Dabei bezifferte er sein monatliches Einkommen auf Fr. 4'500.– brutto. Er verfügt heute über die Aufenthaltsbewilligung B. Mit seiner
geschiedenen Ehefrau H.
hat der Beschuldigte zwei Kinder im Alter von
sechs und acht Jahren, für welche er momentan monatlich insgesamt Fr. 600.– an Unterhaltsbeiträgen bezahlt, wobei sich die Verpflichtung für diese Kinder so- wie die Kindsmutter auf Fr. 2'000.– beläuft. Er lebt heute mit seiner Partnerin G. und einem gemeinsamen eineinhalbjährigen Kind zusammen, wobei sie beide – der Beschuldigte und G. – ihren Teil an die gemeinsamen Lebens- haltungskosten beisteuern. Aus einer früheren Beziehung hat der Beschuldigte sodann zwei weitere Kinder im Alter von 18 und 16 Jahren. Aus dem Privatkon- kurs im Jahr 2020 hat der Beschuldigte Verlustscheine in der Höhe von rund Fr. 200'000.–; neue Schulden hat er keine mehr gemacht (vgl. Urk. 7/7 S. 5 f.; Prot. I S. 6 ff.; Urk. 56; Urk. 70 S. 2 ff.).
Die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten sind weder straferhöhend noch strafmindernd zu berücksichtigen.
Der Beschuldigte weist heute – ausgenommen die in die Zusatzstrafenbil- dung einzubeziehende Verurteilung vom 15. April 2021 – insgesamt sechs, teil- weise einschlägige Vorstrafen auf, die für sich genommen jedoch nicht allzu gravierend ausgefallen sind und zudem bereits einige Zeit zurückliegen (vgl. Urk. 67). Die Vorstrafen des Beschuldigten sind leicht straferhöhend zu berücksichtigen.
Das Nachtatverhalten des Beschuldigten bietet zu keiner Strafminderung Anlass. Insbesondere hat der Beschuldigte das von ihm begangene Delikt bis zuletzt bestritten.
Gesamthaft resultiert aus der Täterkomponente eine leichte Straferhöhung im Umfang von 20 Tagessätzen. Dies ergibt eine (hypothetische) Gesamtstrafe von 270 Tagessätzen. Davon ist die bereits ausgefällte Grundstrafe von 150 Tagessätzen abzuziehen, was eine Zusatzstrafe von 120 Tagessätzen Geldstrafe zum Urteil des Kreisgerichts Rheintal vom 15. April 2021 ergibt. Daran sind 23 Tage erstandener Untersuchungshaft anzurechnen (Art. 51 StGB).
Die von der Vorinstanz festgelegte Tagessatzhöhe von Fr. 30.– ist ange- sichts der vorstehend unter E. 3.5 dargestellten aktuellen finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten zu bestätigen (Art. 34 Abs. 2 StGB).
4. Die von der Vorinstanz angeordnete Gewährung des bedingten Strafvoll- zuges (Urk. 39 S. 45 f.) lag hier – angesichts der doch zahlreichen, unbedingt ausgefällten Vorstrafen des Beschuldigten und der fehlenden Reue und Einsicht – nicht auf der Hand. Sie ist allerdings bereits aufgrund des geltenden Verschlech- terungsverbots zu bestätigen. Für eine Reduktion der gegenüber dem Minimum nur leicht erhöhten Probezeit von drei Jahren besteht vorliegend kein Anlass.
Nachdem es bei der erstinstanzlichen Verurteilung des Beschuldigten bleibt, ist das entsprechende Kostendispositiv (Ziff. 7 und 8) ausgangsgemäss zu bestä- tigen (vgl. auch Urk. 39 S. 48).
Die Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren sind auf Fr. 3'000.– zu veranschlagen (Art. 424 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und § 14 der Gebührenverordnung des Obergerichts). Die Kosten des Berufungsverfah- rens werden nach Obsiegen und Unterliegen verlegt (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Nachdem der vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis zu bestätigen ist, unterliegt der Beschuldigte mit seiner Berufung vollumfänglich. Es sind ihm daher die Kos- ten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der vormaligen amtlichen Verteidigung, aufzuerlegen.
Die Kosten der vormaligen amtlichen Verteidigung – welche bereits mit Präsidial- verfügung vom 15. März 2022 mit Fr. 980.05 entschädigt wurden (Urk. 63) – sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen, wobei eine Rückforderung beim Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorzubehalten ist.
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich,
10. Abteilung, vom 20. April 2021 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
Der Privatkläger B. wird mit seiner Zivilklage auf den Weg des Zivilpro- zesses verwiesen.
Fr. 3'600.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'100.00 Gebühr für das Vorverfahren Fr. 9'125.20 amtliche Verteidigung
Weitere Auslagen bleiben vorbehalten. 7.-8. (…)
Rechtsanwalt lic. iur. X. wird für seine Aufwendungen als amtlicher Ver- teidiger aus der Gerichtskasse wie folgt entschädigt (in Fr.):
Honorar: | 8'390.80 | ||
Barauslagen: | 82.00 | ||
Zwischentotal: | 8'472.80 | ||
+ 7.7 % MwSt. | 652.40 | ||
Entschädigung total inkl. MwSt.: | 9'125.20 |
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
ist schuldig der versuchten Nötigung im Sinne
von Art. 181 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 7 und 8) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.00 ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 980.05 vormalige amtliche Verteidigung
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Privatklägerschaft (versandt)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Privatklägerschaft (sofern verlangt)
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälli- ger Rechtsmittel an
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundes- gerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 6. Oktober 2022
Die Präsidentin:
lic. iur. M. Knüsel
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw A. Donatsch
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht oder die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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