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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB210075: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 24. September 2021 den Beschuldigten A. in einem Verfahren wegen Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz freigesprochen. Der Beschuldigte wurde für schuldig befunden, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen zu haben. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wovon 108 Tage durch Haft verbüsst wurden. Ein Teil der Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben, und eine Probezeit von 5 Jahren wurde festgelegt. Ein sichergestellter Bargeldbetrag von Fr. 1'300.- wurde zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten zu einem Drittel auferlegt. Die Gerichtskosten belaufen sich auf Fr. 4'200.-, und die Gesamtkosten betragen Fr. 2'100.-. Der amtliche Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt MLaw X., wird mit Fr. 8'608.75 entschädigt. Der Beschuldigte hat keine Genugtuung erhalten. Das Geschlecht der verlorenen Partei ist männlich.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB210075

Kanton:ZH
Fallnummer:SB210075
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB210075 vom 24.09.2021 (ZH)
Datum:24.09.2021
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Aussage; Aussagen; Urteil; Einvernahme; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Recht; Verteidigung; Kokain; Berufung; Untersuchung; Vorinstanz; Hinweis; Zeuge; Verfahren; Anklage; Gericht; Konfrontation; Einvernahmen; Hinweisen; Beweise; Dispositiv; Verfahrens; Entscheid; Person; Teilnahme
Rechtsnorm:Art. 101 StPO ;Art. 107 StPO ;Art. 108 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 141 StPO ;Art. 147 StPO ;Art. 267 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 312 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 402 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 51 StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:133 I 270; 133 I 33; 133 IV 150; 135 IV 126; 138 I 232; 139 IV 25; 140 IV 172; 141 IV 423; 143 IV 397; 143 IV 457; 144 IV 97; 145 IV 470;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SB210075

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB210075-O/U/cs

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. Schärer, Präsidentin, die Ersatzoberrichter lic. iur. Vesely und lic. iur. Amsler sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. Schwarzenbach

Urteil vom 24. September 2021

in Sachen

A. ,

Beschuldigter, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,

vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. Mucklenbeck,

Anklägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin betreffend Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Horgen, I. Abteilung, vom 14. Juli 2020 (DG200007)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 3. März 2020 (Urk. 20) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

  1. Der Beschuldigte wird freigesprochen von Anklageziffer 1.1 und 1.2 (Übergabe von Kokain an B. ).

  2. Der Beschuldigte ist schuldig des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG sowie des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG.

  3. Der Beschuldigte wird bestraft mit 18 Monaten Freiheitsstrafe (wovon 108 Tage durch Haft erstanden sind) als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Horgen vom 19. November 2019.

  4. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird im Umfang von 9 Monaten aufgeschoben und die Probezeit auf 5 Jahre festgesetzt. Im Übrigen (9 Monate, abzüglich 108 Tage, die durch Haft erstanden sind), wird die Freiheitsstrafe vollzogen.

  5. Der sichergestellte und mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich - Limmat vom 17. Januar 2020 beschlagnahmte Bargeldbetrag in der Höhe von Fr. 1'300.wird zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet.

  6. Nach Eintritt der Rechtskraft dieses Entscheides wird das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich - Limmat vom 17. Januar 2020 beschlagnahmte Verpackungsmaterial, lagernd unter der BM-Lagernummer S02353-2019 bei der Stadtpolizei Zürich, eingezogen und der Lagerbehörde zur Vernichtung überlassen.

  7. Die folgenden, mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich - Limmat vom

    17. Januar 2020 beschlagnahmten und bei der Kantonspolizei Zürich, Asservate-Triage, lagernden Gegenstände werden eingezogen und nach Rechtskraft dieses Entscheides der Lagerbehörde zur Vernichtung überlassen:

    - Mobiltelefon der Marke Samsung (A013'070'263);

    zwei SIM-Karten (A013'070'724 und A013'070'285).

  8. Rechtsanwalt MLaw X. wird für seine Bemühungen und Auslagen als amtlicher Verteidiger mit Fr. 8'608.75 (inkl. Fr. 615.50 Mehrwertsteuer) aus der Gerichtskasse entschädigt. Die Bezirksgerichtskasse wird angewiesen, den Betrag von Fr. 8'608.75 (inkl. Fr. 615.50 Mehrwertsteuer) an Rechtsanwalt MLaw X. auszuzahlen.

  9. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 4'200.-; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.- Gebühr für das Vorverfahren Fr. 1'450.- Auslagen (Gutachten)

    Fr. 520.- Auslagen

    Fr. 200.- Zeugengeld

    Fr. 7'973.25 Entschädigung amtliche Verteidigung (Rechtsanwalt lic. iur. Y. )

    Entschädigung amtliche Verteidigung (Rechtsanwalt

    Fr. 8'608.75

    MLaw X. )

  10. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausser diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten zu einem Drittel auferlegt und im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO in der Höhe eines Drittels der Verteidigungskosten.

  11. Dem Beschuldigten wird keine Genugtuung zugesprochen.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 69 S. 1)

    1. Dispositiv-Ziff. 2 bis 5 sowie Dispositiv-Ziff. 7, 10 und 11 des Urteils der Vorinstanz vom 14. Juli 2020 seien aufzuheben und der Beschuldigte freizusprechen.

    2. Die Anschlussberufung der Anklägerin sei abzuweisen.

    3. Die Kosten des erstinstanzlichen und des vorliegenden Verfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen und der Beschuldigte für die amtliche Verteidigung zu entschädigen (zzgl. MWST).

    4. Für die erstandene Haft von 108 Tagen sei dem Beschuldigten eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 16'200.zzgl. Zins seit mittlerem Verfall zuzusprechen.

    5. Die beschlagnahmten Gegenstände (Mobiltelefon, zwei SIM-Karten, Bargeld) seien dem Beschuldigten herauszugeben.

  2. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat: (Urk. 70 S. 2)

    1. Schuldigsprechung des Beschuldigten gemäss Anklageziffern 1.1 und

      1.2 (Übergabe von Kokain an B. ) wegen mehrfachen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c und d BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG

    2. Bestrafung des Beschuldigten mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichtes Horgen vom 19. November 2019

    3. Vollumfängliche Auferlegung der Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens an den Beschuldigten.

      Erwägungen:

      1. Verfahrensgang

1. Gegen das eingangs wiedergegebene Urteil des Bezirksgerichts Horgen,

I. Abteilung, vom 14. Juli 2020 meldete der amtliche Verteidiger des Beschuldigten mit Eingabe vom 24. Juli 2020 innert Frist Berufung an (Urk. 47). Das vollständig begründete Urteil (Urk. 52 = Urk. 54) wurde vom amtlichen Verteidiger am

  1. Februar 2021 entgegengenommen (Urk. 53/2). Mit Eingabe vom 22. Februar 2021 reichte dieser fristgerecht die Berufungserklärung ein (Urk. 56 und 57/2).

  2. Mit Präsidialverfügung vom 23. Februar 2021 wurde unter Hinweis auf die Berufungserklärung des Beschuldigten der Staatsanwaltschaft Frist zur Erhebung einer Anschlussberufung bzw. zum Antrag auf Nichteintreten auf die Berufung angesetzt (Urk. 58). Mit Eingabe vom 3. März 2021 erhob der Vertreter der Staatsanwaltschaft fristgerecht Anschlussberufung (Urk. 60), was der Verteidigung mit Präsidialverfügung vom 5. März 2021 zur Kenntnis gebracht wurde

    (Urk. 61). Am 16. März 2021 wurden die Parteien zur heutigen Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 63). Am 9. April 2021 wurde zudem entsprechend dem Beweisantrag der Verteidigung in Urk. 56 S. 2 f. - C. als Zeuge zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 63), nachdem zuvor die Akten des ihn betreffenden Strafverfahrens vom Statthalteramt des Bezirkes Meilen beigezogen wor- den waren (Urk. 64).

  3. An der heutigen Berufungsverhandlung nahmen der Beschuldigte A. , dessen amtlicher Verteidiger Rechtsanwalt MLaw X. sowie Staatsanwalt lic. iur. Mucklenbeck teil. Sie stellten die eingangs wiedergegebenen Anträge (Prot. II

S. 4 f.). Zudem wurde C. als Zeuge einvernommen (Prot. II S. 22 ff.). Es waren keine Vorfragen und keine weiteren Beweisanträge zu behandeln. Das Verfahren ist spruchreif.

  1. Prozessuales
      1. Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung. Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird somit im Umfang der Berufungsanträge gehemmt, während die von der Berufung nicht erfassten Punkte in Rechtskraft erwachsen (vgl. BSK StPO-Eugster, Art. 402 N 1 f.).

      2. Der Beschuldigte liess mit seiner Berufungserklärung die Aufhebung der Dispositivziffern 2, 3, 4, 5, 7, 10 und 11 des vorinstanzlichen Urteils beantragen. Er verlangt einen vollumfänglichen Freispruch, unter Kostenfolgen zu Lasten der Staatskasse, die Zusprechung einer Genugtuung für die erstandene Haft sowie die Herausgabe des beschlagnahmten Bargeldes und des Mobiltelefons mit zwei SIM-Karten (Urk. 56 S. 2).

      3. Die Staatsanwaltschaft beantragt mit ihrer Anschlussberufung die Aufhebung der Dispositivziffern 1, 2, 3, 4 und 10 des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 60). Sie verlangt einen vollständigen Schuldspruch im Sinne der Anklage sowie die Bestrafung des Beschuldigten mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten, unter Kostenfolge zu Lasten des Beschuldigten (Urk. 60).

      4. Unangefochten blieben die Dispositivziffern 6 (Einziehung Verpackungsmaterial), 8 (Entschädigung amtliche Verteidigung) und

    9 (Kostenfestsetzung). Diese Dispositivziffern des vorinstanzlichen Urteils sind somit in Rechtskraft erwachsen, was vorweg mittels Beschluss festzustellen ist.

    1. Auf die Argumente der amtlichen Verteidigung und der Staatsanwaltschaft ist im Rahmen der nachstehenden Erwägungen einzugehen. Dabei muss sich das Gericht nicht ausdrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen; vielmehr kann es sich auf die für die Entscheidfindung wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 138 I 232, E. 5.1, und BGE 133 I 270, E. 3.1, je mit Hinweisen, sowie BGer. 89/2014 vom 1. Mai 2014, E. 2.2, 6B_526/2009 vom 2. September 2009, E. 3.2, und 6B_678/2009

      vom 3. November 2009, E. 5.2). Ferner kann das Gericht zur Begründung im Folgenden auf die Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verweisen, soweit es diese als zutreffend erachtet (Art. 82 Abs. 4 StPO; vgl. hierzu BGer. 6B_570/2019 vom 23. September 2019, E. 4.2, m.w.H.).

  2. Schuldpunkt
      1. Verkauf von Kokain an B.

        (Anklageziffern 1.1 und 1.2)

        1. Die Vorinstanz sprach den Beschuldigten von diesen Anklagevorwürfen im Wesentlichen mit der Begründung frei, die Aussagen des (einzigen) Belastungszeugen B. seien unglaubhaft und weitere Beweismittel lägen nicht vor (Urk. 54 S. 11-20).

        2. Die Staatsanwaltschaft führte vor Vorinstanz aus, B. habe den Beschuldigten glaubhaft belastet, und es sei kein Grund ersichtlich, weshalb er dies zu Unrecht getan haben sollte, zumal er sich mit seinen Aussagen auch massiv selbst belastet habe. Ferner seien telefonische Kontakte zwischen B. und dem Beschuldigten, namentlich zum Tatzeitpunkt am 27. Mai 2019, erstellt (Urk. 44-D S. 2; Prot. I S. 31 f. und S. 34). Mit ihrer Anschlussberufung macht sie zusammengefasst geltend, die Vorinstanz verkenne hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Aussagen von B. , dass er im Kern, nämlich dass er vom Beschuldigten Kokain bezogen habe, widerspruchsfrei und konstant ausgesagt habe. Er habe den Beschuldigten hinsichtlich beider Tatvorwürfe auch in der Konfrontationseinvernahme glaubhaft belastet. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb B. den Beschuldigten zu Unrecht belastet haben sollte, zumal er sich mit diesen Aussagen selbst massiv belastet habe. Er sei erstinstanzlich rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 34 Monaten und zu einem fünfjährigen Landesverweis verurteilt worden. Die Grundlage für die Verurteilung von B. sei sein Geständnis betreffend mehrere hundert Gramm Kokain gewesen. Dass er dann den Beschuldigten zu Unrecht wegen weiteren rund 130 Gramm Kokain belastet haben sollte, mache somit überhaupt keinen Sinn. Aufgrund seines Geständnisses wäre er sowieso verurteilt und des Landes verwiesen worden. Er habe gar kein Motiv für eine Falschaussage gehabt. Sodann weise die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass die Ergebnisse aus der Mobiltelefonauswertung des Beschuldigten und von B. sowie das sichergestellte Kokain für sich allein nicht genügen würden, um den eingeklagten Sachverhalt zu erstellen. Dabei lasse sie aber ausser Acht, dass sich diese objektiven Beweismittel mit den Aussagen von

      2. bzw. mit dem übrigen Untersuchungsergebnis decken und diese Aussagen stützen würden (Urk. 70 S. 2 f., Prot. II S. 37).

    1. Die Vorinstanz hat in ihrer Urteilsbegründung einlässlich aufgezeigt, dass die Aussagen von B. etliche, teilweise grobe Ungereimtheiten aufweisen, weshalb darauf nicht abgestellt werden kann. Auf diese zutreffenden Erwägungen kann vollumfänglich verwiesen werden (Urk. 54 S. 15-19). Entgegen der Staatsanwaltschaft (und auch der Vorinstanz in Urk. 54 S. 10) kann sodann vorliegend gerade nicht ausgeschlossen werden, dass B. den Beschuldigten allenfalls zu Unrecht als seinen Lieferanten belastete, nachdem B. im Zuge grossangelegter Ermittlungen mit umfassenden Überwachungsmassnahmen betreffend die Tätergruppierung D. /E. et al. (zu welcher der Beschuldigte nicht gehörte) verhaftet und bei B. Kokain sichergestellt worden war (Urk. 1 S. 2 f.; Urk. 4/2/1 S. 1). B. hatte unter diesen Umständen, im Hinblick auf eine allfällige Strafminderung, einen nachvollziehbaren Anreiz, einerseits die Herkunft des bei ihm gefundenen Kokains zu erklären und sich dabei anderseits selbst als Abnehmer einer unbeteiligten Drittperson (des Beschuldigten) darzustellen, um seine eigentlichen Lieferanten nicht belasten zu müssen. Auch die Verteidigung wies bereits vor Vorinstanz zu Recht auf diese Hintergründe hin (Urk. 44-E S. 15 f.; Prot. I S. 35). Auch dass er vor Vorinstanz, nachdem er rechtskräftig verurteilt worden war, als Zeuge und nicht mehr als Auskunftsperson einvernommen wur- de, änderte nichts an seiner Interessenslage. Hätte er nun plötzlich eingeräumt, den Beschuldigten zu Unrecht belastet zu haben, hätte er rechtliche Konsequenzen wegen falscher Anschuldigung zu fürchten gehabt. Schliesslich zeigte die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid auf, dass auch die weiteren Beweismittel nicht dazu taugen, die Anklagevorwürfe zu belegen. Auf diese zutreffenden Ausführungen kann ebenfalls verwiesen werden (Urk. 54 S. 11). Mit der Verteidigung (in Urk. 44-E S. 7 Ziff. 23) erstaunt dabei insbesondere, dass aus den umfassen- den und längerdauernden Überwachungsmassnahmen gegen B. offenbar keine konkreten Erkenntnisse gegen den Beschuldigten als dessen angeblichen

    Lieferanten gewonnen werden konnten. Auch dies spricht nicht für die Glaubhaftigkeit der Belastungen B. s. Der Beschuldigte ist von diesen Anklagevorwürfen freizusprechen.

    1. Besitz und Verkauf von Kokain an C.

      (Anklageziffer 1.3)

      1. Die Vorinstanz verurteilte den Beschuldigten bezüglich dieses Anklagevorwurfs (einzig) gestützt auf die Aussagen von C. in der Untersuchung, welche sie als verwertbar erachtete und als glaubhaft würdigte (Urk. 54 S. 24-29).

      2. Die Verteidigung rügt im Berufungsverfahren, die Vorinstanz habe zwar die Erforderlichkeit einer unmittelbaren Befragung von C. angesichts der vorliegenden Aussage-gegen-Aussage-Konstellation erkannt und ihn als Zeugen zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung vorgeladen. Nachdem dieser jedoch telefo- nisch geltend gemacht habe, krank zu sein, und ohne ein ärztliches Zeugnis vorzulegen - nicht zur Hauptverhandlung erschienen sei, habe die Vorinstanz schliesslich (ohne Nachweis seiner angeblichen Verhandlungsunfähigkeit) auf seine Befragung verzichtet. Diese Befragung sei nachzuholen, zumal die belastenden Aussagen von C. im Wesentlichen anlässlich seiner Einvernahme als Auskunftsperson vom 19. November 2019 erfolgt seien, bei welcher dem Beschuldigten kein Teilnahmerecht zugekommen sei. In seiner Einvernahme vom

        17. Januar 2020, an welcher der Beschuldigte habe teilnehmen können, habe C. die Aussagen teilweise verweigert, habe sich nicht mehr erinnern kön- nen, habe seine Aussagen korrigiert habe pauschal gewisse Aussagen anlässlich seiner früheren Einvernahme bestätigt. Dieses Vorgehen vermöge dem Konfrontationsanspruch des Beschuldigten nicht zu genügen (Urk. 56 S. 2 f.). Weiter führte die Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung zusammen-

        gefasst aus, die Aussagen von C. seien entgegen der Vor-instanz nicht etwa lebensnah und detailreich. Die angeblich lebensnahen und originellen Aussagen von C. würden nicht das Kerngeschehen betreffen. Vielmehr seien sei- ne Aussagen zum eigentlichen Kerngeschehen vage, unbestimmt und widersprüchlich geblieben (Urk. 69 S. 10). Es könne nicht auf die Aussagen von

    2. abgestellt werden. Im Ergebnis sei weder erstellt, dass der Beschuldigte in der in Frage stehenden Zeit im Besitz von je zwei Portionen Kokaingemisch

    von je mindestens 25 Gramm gewesen sei, noch dass er C. bei drei Gelegenheiten je 5 Gramm Kokaingemisch verkauft habe. Die Sache habe sich nach der heutigen Zeugeneinvernahme endgültig erledigt. C. habe nur von einem Kauf von Kokaingemisch in der Höhe von 5 Gramm erzählt; dieser stehe aber im Zusammenhang mit der vorgehaltenen WhatsApp-Nachricht und diese datiere vom Juni 2019 und diese Zeit sei nicht angeklagt (Urk. 69 S. 11).

      1. Das Bundesgericht hat seine Rechtsprechung zum Konfrontations- und Teil- nahmerecht des Beschuldigten gemäss Art. 147 StPO in mehreren jüngst ergangenen Entscheiden präzisiert und verfestigt. So führte es im Entscheid

        BGer. 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 (Fünferbesetzung) aus:

        2.2. Beschuldigte Personen haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV

        i.V.m. Art. 107 StPO) und müssen die Möglichkeit haben, die ihr zustehenden Verteidigungsrechte geltend zu machen (Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 3 EMRK). Grundrechtlich gewährleistet ist auch der Anspruch auf ein faires Strafverfahren (Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Daraus ergeben sich verschiedene verfahrensrechtliche Ansprüche betreffend Beweiserhebungen. Die Parteien können spätestens nach der ersten Einver- nahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen; Art. 108 StPO bleibt vorbehalten (Art. 101 Abs. 1 StPO). Die Parteien haben auch das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen (Art. 147 Abs. 1 StPO; 144 IV 97 E. 2.2

        S. 102; 143 IV 457 E. 1.6.1 S. 459; 141 IV 220 E. 4 S. 227 ff.). Eine Verletzung von

        Art. 147 Abs. 1 StPO führt gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO zu einem Beweisverwertungsverbot gegenüber der Partei, die an der Beweiserhebung nicht anwesend war (BGE 143 IV 397 E. 3.3.2 S. 403; 139 IV 25 E. 5.4.1 S. 34).

        Damit eine hinreichende Konfrontation stattfindet, muss sich der Befragte an der Konfrontationseinvernahme inhaltlich nochmals zur Sache äussern, sodass die beschuldigte Person ihr Fragerecht tatsächlich ausüben kann (BGE 140 IV 172 E. 1.5 S. 176 mit Verweisung auf das Urteil 6B_369/2013 vom 31. Oktober 2013 E. 2.3.3). Dabei ist keineswegs erforderlich, dass die befragte Person ihre Angaben wortwörtlich wiederholt. Macht sie Angaben zur Sache, so darf im Rahmen einer Gesamtwürdigung auch auf die Ergebnisse der früheren Beweiserhebung ergänzend zurückgegriffen werden. Denn die Frage, ob

        bei widersprüchlichen Aussagen späteren Erinnerungslücken auf die ersten, in Abwesenheit des Beschuldigten erfolgten Aussagen abgestellt werden kann, betrifft nicht die Verwertbarkeit, sondern die Würdigung der Beweise (Urteile 6B_1133/2019 vom

        18. Dezember 2019 E. 1.3.2; 6B_369/2013 vom 31. Oktober 2013 E. 2.3.3; je mit Hinweisen).

        Hingegen bleiben die in einer ersten Einvernahme in Verletzung von Art. 147 Abs. 1 StPO gemachten Aussagen nach Art. 147 Abs. 4 StPO unverwertbar, wenn sich die befragte Person im Rahmen einer späteren Konfrontation gar nicht mehr bzw. nicht frei und unbeeinflusst zur Sache äussert (vgl. BGE 143 IV 457 E. 1.6.1 ff. S. 459 ff.; Urteile 6B_76/2018 vom 15. Oktober 2018 E. 1; 6B_1035/2017 vom 20. Juni 2018 E. 1.3.3;

        6B_321/2017 vom 8. März 2018 E. 1.5.2). Daher genügt es nicht, dass die befragte Person ihre früheren Aussagen auf blossen Vorhalt hin bestätigt. Werden Aussagen, welche die Befragten in Einvernahmen ohne Gewährung des Teilnahmerechts nach Art. 147 Abs. 1 StPO machten, in späteren Konfrontationseinvernahmen den Befragten wörtlich vorgehalten, so werden diese Aussagen im Sinne von Art. 147 Abs. 4 StPO unzulässigerweise verwertet (BGE 143 IV 457 E. 1.6.1 S. 459).

      2. Im Entscheid BGer. 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021, der ebenfalls in Fün- ferbesetzung erging, erwog das Bundesgericht sodann Folgendes:

        5.1. Gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernomme- nen Personen Fragen zu stellen. Dieses spezifische Teilnahme- und Mitwirkungsrecht fliesst aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO). Es darf nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingeschränkt werden (Art. 101 Abs. 1, Art. 108, Art. 146 Abs. 4 und Art. 149 Abs. 2 lit. b StPO; BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; 141 IV 220

        E. 4.4; 139 IV 25 E. 4.2 mit Hinweis). Nach Art. 147 Abs. 4 StPO dürfen Beweise, die in Verletzung der Bestimmungen von Art. 147 StPO erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwendet werden, die nicht anwesend war (BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; 457 E. 1.6.1; 139 IV 25 E. 4.2 und 5.4.1).

          1. Vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht der Anspruch auf Parteiöffentlichkeit nicht. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen gestützt auf Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO, sind die Parteien mit anderen Worten nicht zur Teilnahme berechtigt (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario; BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; 139 IV 25 E. 5.4.3; Urteile

            6B_1385/2019 vom 27. Februar 2020 E. 1.1; 6B_128/2018 vom 8. Februar 2019

            E. 2.2.2).

          2. ( ) Die Strafuntersuchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall zu befassen beginnt. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn sie Zwangsmass- nahmen anordnet. Da die Vorladung als Zwangsmassnahme gilt, genügt es in aller Regel für die Eröffnung, wenn die Staatsanwaltschaft erste Untersuchungshandlungen selber vornimmt, namentlich die beschuldigte Person einvernimmt. Der Eröffnungsverfügung kommt mithin lediglich deklaratorische Wirkung zu (BGE 143 IV 397 E. 3.4.2; 141 IV 20

            E. 1.1.4 mit Hinweisen; Urteil 6B_1385/2019 vom 27. Februar 2020 E. 1.1).

          3. Ab Eröffnung der Untersuchung darf die Polizei grundsätzlich keine selbstständigen Ermittlungen mehr vornehmen und ohne entsprechende Delegation insbesondere keine formellen polizeilichen Einvernahmen zur Sache mehr durchführen (Urteil 6B_217/2015 vom 5. November 2015 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 423). Eine Ausnahme besteht bei einfachen Erhebungen zur Klärung des Sachverhalts. So ist etwa die selbstständige polizeiliche Ermittlung von Geschädigten und Zeugen sowie deren informatorische Befragung, namentlich zur Abklärung, ob diese beweisrelevante Angaben zum Sachverhalt machen können, weiterhin möglich (BGE 143 IV 397 E. 3.4.2 mit Hinweisen).

          4. Soweit die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung im Auftrag der Staatsanwaltschaft Einvernahmen durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Art. 312 Abs. 2 StPO; BGE 139 IV 25 E. 4.3 mit Hinweis und E. 5.4.3). Daraus folgt, dass die Parteien das Recht haben, bei Einvernahmen, welche die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft während deren Untersuchung durchführt, anwesend zu sein und Fragen zu stellen (BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; Urteile 6B_128/2018 vom 8. Februar 2019 E. 2.2.2; je mit

        Hinweisen; 6B_217/2015 vom 5. November 2015 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 423).

        Die Durchführung einer Einvernahme ohne Teilnahme des Beschuldigten steht einer Wiederholung der Beweiserhebung im Grundsatz zwar nicht entgegen. Wird aber die Einvernahme wiederholt resp. zu einem späteren Zeitpunkt eine Konfrontationseinver- nahme durchgeführt, darf die Strafbehörde nicht auf die Ergebnisse der vorausgegange- nen Einvernahmen zurückgreifen, soweit diese einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. ( )

        6.1. ( ) Falls der Übergang in die Untersuchung nach Art. 308 ff. StPO im Zeitpunkt der Einvernahmen bereits stattgefunden hat, hätten diese unter Gewährung des Teilnahmerechts durchgeführt werden müssen, zumal keine der vom Gesetz vorgesehenen Gründe für die Einschränkung dieses Rechts (vgl. E. 5.1 hiervor) ersichtlich sind. Ebenso wenig beschränkte sich die Polizei, wie den Einvernahmeprotokollen entnommen werden kann, auf die Vornahme einfacher Erhebungen wie die Ermittlung von Zeugen und deren informatorische Befragung, sondern sie führte formelle Befragungen durch. Auch in dieser Hinsicht ist somit keine Ausnahme vom Recht auf Teilnahme erkennbar. Von einem Verzicht des Beschwerdeführers kann sodann nicht ausgegangen werden, weshalb die Verletzung des Teilnahmerechts - die Eröffnung der staatsanwaltschaftlichen Untersuchung vorausgesetzt gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO die Unverwertbarkeit der im Jahr 2012 durchgeführten Befragungen der beiden Zeugen zur Folge hätte. Diesfalls wären auch die Einvernahmen vom 29. April 2016, bei denen den beiden Zeugen wiederholt ihre früheren Aussagen vorgehalten wurden, als unverwertbar anzusehen, denn das wörtliche Vorhalten unverwertbarer Aussagen stellt nach der Rechtsprechung eine unzulässige Verwertung im Sinne von Art. 141 Abs. 4 StPO dar (BGE 143 IV 457 E. 1.6.1; Urteile 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2; 6B_1385/2019 vom 27. Februar 2020 E. 1.1

        mit Hinweisen). Eine allfällige Verletzung des Teilnahmerechts bei den polizeilichen Befragungen lässt sich nicht dadurch heilen, dass den Zeugen die entsprechenden Aussagen in einer nachträglichen Konfrontationseinvernahme zur Bestätigung vorgehalten wurden.

      3. Im Entscheid BGer. 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 fasste das Bundesgericht seine Rechtsprechung schliesslich wie folgt zusammen:

    1.3.3. Soweit die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung Einvernahmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Art. 312 Abs. 2 StPO; Urteile 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 5.5; 6B_886/2017 vom 26. März 2018

    E. 2.3.1; 6B_217/2015 vom 5. November 2015 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 423; vgl. auch BGE 139 IV 25 E. 4.2 f.; je mit Hinweisen). Daraus folgt, dass die Parteien das Recht haben, bei Einvernahmen, welche die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft während deren Untersuchung durchführt, anwesend zu sein und Fragen zu stellen

    (BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; Urteile 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 5.5; 6B_128/2018

    vom 8. Februar 2019 E. 2.2.2; je mit Hinweisen; 6B_217/2015 vom 5. November 2015

    E. 2.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 423).

    Die Durchführung einer Einvernahme ohne Teilnahme des Beschuldigten steht einer Wiederholung der Beweiserhebung im Grundsatz zwar nicht entgegen. Wird aber die Einvernahme wiederholt resp. zu einem späteren Zeitpunkt eine Konfrontationseinver- nahme durchgeführt, darf die Strafbehörde nicht auf die Ergebnisse der vorausgegange- nen Einvernahmen zurückgreifen, soweit diese einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. ( )

    1.3.4. Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch der beschuldigten Person, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren. Er wird als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) auch durch Art. 32 Abs. 2 BV gewährleistet. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen (BGE 133 I 33 E. 3.1; 131 I 476 E. 2.2; je mit Hinweisen). Dies gilt auch betreffend die Einvernahme von Auskunftspersonen (Urteil 6B_1039/2014 vom 24. März 2015 E. 3.3.1 mit Hinweisen). Damit die Verteidigungsrechte gewahrt sind, muss der Beschuldigte namentlich in der Lage sein, die Glaubhaftigkeit einer Aussage prüfen und den Beweiswert in kontradiktorischer Weise auf die Probe und infrage stellen zu können (BGE 133 I 33 E. 3.1; 131 I 476 E. 2.2; 129 I 151 E. 3.1 und

    E. 4.2; Urteil 6B_383/2019 vom 8. November 2019 E. 8.1.2, nicht publ. in: BGE 145 IV 470; je mit Hinweisen). Dies setzt in aller Regel voraus, dass sich der Einvernommene in Anwesenheit des Beschuldigten (nochmals) zur Sache äussert (Urteile 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2 mit Hinweis; 6B_886/2017 vom 26. März 2018 E. 2.3.2;

    6B_542/2016 vom 5. Mai 2017 E. 2.4; 6B_764/2015 vom 6. Januar 2016 E. 1.7.3;

    6B_839/2013 vom 28. Oktober 2014 E. 1.4.2; 6B_369/2013 vom 31. Oktober 2013

    E. 2.3.3). Die Frage, ob bei widersprüchlichen Aussagen späteren Erinnerungslücken auf die ersten, in Abwesenheit des Beschuldigten erfolgten Aussagen abgestellt werden kann, betrifft nicht die Verwertbarkeit, sondern die Würdigung der Beweise (Urteile 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2; 6B_1133/2019 vom 18. Dezember 2019

    E. 1.3.2; 6B_542/2016 vom 5. Mai 2017 E. 2.4; 6B_369/2013 vom 31. Oktober 2013

    E. 2.3.3; je mit Hinweisen). Beschränkt sich die Wiederholung der Einvernahme aber im Wesentlichen auf eine formale Bestätigung der früheren Aussagen, wird es dem Beschuldigten verunmöglicht, seine Verteidigungsrechte wirksam wahrzunehmen (vgl. Urteile 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 6.1; 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2 mit

    Hinweis; 6B_542/2016 vom 5. Mai 2017 E. 2.4; 6B_764/2015 vom 6. Januar 2016

    E. 1.7.3; 6B_839/2013 vom 28. Oktober 2014 E. 1.4.2; 6B_369/2013 vom 31. Oktober

    2013 E. 2.3.3). Umso mehr ist von einer Nichtverwertbarkeit der ersten Einvernahme auszugehen, wenn eine (Auskunfts-)Person in einer späteren Konfrontationseinvernahme von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht (vgl. SARAH SUMMERS, ALINE SCHEIWILLER, DAVID STUDER, Das Recht auf Konfrontation in der Praxis, ZStrR 134/2016 S. 379 f.).

    4. Vorliegend wurde der massgebliche Belastungszeuge C. erstmals am

    19. November 2019 durch den polizeilichen Sachbearbeiter im Auftrag der Staatsanwaltschaft als Auskunftsperson befragt (vgl. Urk. 4/3/1 S. 1 Frage 1). Die Untersuchung gegen den Beschuldigten war zu diesem Zeitpunkt fraglos bereits eröffnet, befand er sich doch seit dem 2. Oktober 2019 unter dem Verdacht des Drogenhandels in Untersuchungshaft (vgl. Urk. 17/2 ff.; Art. 309 Abs. 1 lit. b StPO) und lautete der Ermittlungsauftrag des Staatsanwaltes dahingehend, den Umfang der deliktischen Tätigkeit des Beschuldigten festzustellen (Urk. 8; Urk. 3

    S. 2). Weiter handelte es sich bei der Einvernahme vom 19. November 2019 offenkundig nicht um eine oberflächliche, informatorische Befragung, sondern um eine eingehende, formelle Einvernahme von C. als Auskunftsperson zur Sache, wobei C. denn auch detaillierte, den Beschuldigten belastende Aussagen machte. Gleichwohl ist nicht ersichtlich, dass dem Beschuldigten und/oder seinem damaligen amtlichen Verteidiger (vgl. Urk. 15/2 und 15/13) Gelegenheit gegeben worden wäre, an dieser Einvernahme teilzunehmen. In Anbetracht der vorstehend dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung erweist sich diese Einvernahme damit grundsätzlich als unverwertbar, es sei denn C. hätte seine damaligen Aussagen in einer späteren Einvernahme frei und unbeeinflusst (und nicht auf Vorhalt dieser unverwertbaren Aussagen vom 19. November 2019) wiederholt. Diese Voraussetzungen treffen jedenfalls auf die staatsanwaltliche Konfrontationseinvernahme vom 17. Januar 2020 nicht zu: Dort erklärte C. zunächst, die Aussage verweigern zu wollen (Urk. 4/3/2 S. 1 f. und S. 3), worauf ihm der Staatsanwalt seine früheren Aussagen bei der Polizei vorhielt (Urk. 4/3/2

    S. 3 f.). Nachdem C. zunächst noch einmal wiederholte, dass er nichts mehr dazu sagen möchte (Urk. 4/3/2 S. 4 oben), äusserte er sich schliesslich im Folgenden pauschal zu seinen früheren Aussagen, etwa mit: Ja, Nein, Das kann sein. auch: Ich weiss es nicht mehr. (Urk. 4/3/2 S. 4 ff.). Freie Aussagen machte der Beschuldigte kaum und nur nach Vorhalt seiner früheren Aussagen bei der Polizei (etwa Urk. 4/3/2 S. 5 f. und S. 7). Gemäss der dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung erweisen sich damit auch die Aussagen von C. anlässlich der staatsanwaltlichen Einvernahme vom 17. Januar 2020 als nicht zu Lasten des Beschuldigten verwertbar.

    Die Vorinstanz verzichtete schliesslich auf eine Einvernahme von C. , nach- dem sich dieser am Morgen der Hauptverhandlung telefonisch krankheitshalber abgemeldet hatte (vgl. Urk. 44-A; Prot. I S. 31; Urk. 54 S. 28 f.).

    Damit ist als Zwischenfazit festzuhalten, dass die Aussagen von C. in der Untersuchung gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO grundsätzlich nicht zu Lasten des Beschuldigten verwertbar sind.

    1. C. wurde zur heutigen Berufungsverhandlung (erneut) als Zeuge vorgeladen, nachdem er wegen seiner Beteiligung am anklagegegenständlichen Sachverhalt mit Strafbefehl des Statthalteramts Meilen vom 10. März 2020 bereits rechtskräftig verurteilt wurde (Urk. 64/6; vgl. dazu BGE 144 IV 97, E. 3.3, m.w.H.). Er machte heute zusammengefasst folgende Aussagen:

      Er habe den Beschuldigten über Kollegen wegen eines Trampolinnetzes kennengelernt, das er gewollt habe. Das sei vor ca. zwei Jahren gewesen. Auf Vorhalt von Urk. 4/1/4, Beilage 2 (Bericht), bejahte er die Frage, ob ihm diese Kommu- nikation etwas sage und führte aus, C'. zu sein. Auf weitere Frage, ob er vom Beschuldigten Kokain bezogen habe, führte er aus, das habe er einmal, wisse aber nicht mehr wann. Er bestätigte aber, dass die ihm vorgehaltene Kommu- nikation mit dem Kokainbezug beim Beschuldigten zu tun habe. Es sei im Chat darum gegangen, dass er vom Beschuldigten 5 Gramm gewollt habe, welche er auch erhalten habe, als er sie bei ihm abholte. Der Zeuge bestätigte erneut, dass die Kokainübergabe mit der erwähnten Kommunikation, welche am 12. Juni 2019 stattgefunden hatte, im Zusammenhang stehe. Er wisse nicht mehr, ob er für das Kokain bezahlt habe, aber er hätte Fr. 400.bezahlen müssen. Auf die Frage, ob er noch weiteres Kokain beim Beschuldigten gesehen habe, führte er aus, der Beschuldigte habe ihm diese 5 Gramm bereits in einem Plastik abgepackt gebracht. Auf die Frage, wieso er in der polizeilichen Befragung angegeben habe, er habe dreimal beim Beschuldigten Kokain bezogen, führte er aus, er habe es dreimal versucht und einmal sei es zustande gekommen (Prot. II S. 28 ff.).

    2. Der Zeuge C. sagte heute sehr vage aus und seine Aussagen sind äusserst widersprüchlich zu seinen bisherigen Aussagen, welche ohnehin nur zu Gunsten des Beschuldigten verwendet werden dürfen. In der Untersuchung sprach C. von drei Kokainübergaben, anlässlich der Berufungsverhandlung führte er hingegen aus, er habe es dreimal probiert, aber es habe nur eine Kokainübergabe stattgefunden. Von einer grösseren Kokainportion, die er gemäss Aussagen in der Untersuchung beim Beschuldigten gesehen und von welcher dieser die für ihn bestimmte Portion abgeschnitten haben will, ist keine Rede mehr. Vielmehr führte er heute aus, der Beschuldigte habe ihm die 5 Gramm bereits in einem Plastik abgepackt übergeben. Was insbesondere auffällt ist, dass C. ausführte, dass die (einzige) Kokainübergabe im Zusammenhang mit dem erwähnten Chat vom 12. Juni 2019 stehe, und dieser Zeitpunkt fällt nicht in den Anklagezeitraum von ca. Herbst 2018 bis zu einem nicht näher bekannten Datum vor dem 5. März 2019. Es liegen folglich keine zu Lasten des Beschuldigten verwertbaren Aussagen von C. vor, welche belegen, dass der Beschul- digte C. im angeklagten Zeitraum dreimal Kokain übergeben Kokain zum Verkauf besessen hätte. Der Sachverhalt gemäss Anklageziffer 1.3 kann folglich nicht erstellt werden und der Beschuldigte ist diesbezüglich ebenfalls freizusprechen.

  3. Sicherstellungen

    Ausgangsgemäss sind dem Beschuldigten die bei ihm sichergestellten Gegenstände (Mobiltelefon mit zwei SIM-Karten) sowie Fr. 1'300.- Bargeld nach Eintritt der Vollstreckbarkeit dieses Urteils herauszugeben (Urk. 13/4; Urk. 14; Art. 267 Abs. 1 StPO).

  4. Kosten- und Entschädigungsfolgen
  1. Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens, inklusive der Kosten der amtlichen Verteidigung, sind ausgangsgemäss auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 423 StPO; Art. 135 StPO; Art. 428 Abs. 1 StPO).

  2. Die Kosten der amtlichen Verteidigung für das Berufungsverfahren sind auf Fr. 4'400.- (inkl. MWST) festzusetzen (vgl. Urk. 67).

  3. Die Verteidigung beantragte für die erstandene Haft von 108 Tagen eine Genugtuung für den Beschuldigten (Urk. 69 S. 1 und S. 12 f.). Die Anrechnung der Untersuchungshaft an eine andere Sanktion im Sinne von Art. 51 StGB geht der Zusprechung einer Genugtuung aber vor. Denn es gilt, dass zu entziehende Freiheit wenn immer möglich mit bereits entzogener Freiheit zu kompensieren ist (PK StGB-Trechsel/Thommen, 3. Aufl. 2018, Art. 51 N 1; Urteil des Bundesge-

richts 6S.421/2005 vom 23. März 2006 E. 3.2.4, BGE 133 IV 150 E. 5.1, BGE 135

IV 126). Die Untersuchungshaft kann nicht nur auf neu auszufällende, sondern auch auf früher verhängte Freiheitsstrafen angerechnet werden, wobei es unerheblich ist, ob diese bedingt unbedingt ausgesprochen wurden (BGE 133 IV 150 E. 5.1, BGE 135 IV 126 E. 1.3.6). Mangels Schuldspruch im Berufungsverfahren ist die im vorliegenden Verfahren vom Beschuldigten erstandene Haft von 108 Tagen an die Reststrafe von 153 Tagen Freiheitsstrafe gemäss Verfügung des Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung vom 11. Juni 2021 (vgl. Urk. 66

S. 2) anzurechnen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Horgen, I. Abteilung, vom 14. Juli 2020 bezüglich der Dispositivziffern 6 (Einziehung Verpackungsmaterial), 8 (Entschädigung amtliche Verteidigung) und

    9 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. wird vollumfänglich freigesprochen.

  2. Die im vorliegenden Verfahren vom Beschuldigten erstandene Haft von 108 Tagen wird an die Reststrafe von 153 Tagen gemäss Verfügung des Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung vom 11. Juni 2021 angerechnet.

  3. Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 17. Januar 2020 beschlagnahmten Gegenstände (Mobiltelefon Samsung, Lager-Nr. A013'070'263, und zwei SIM-Karten, Lager-Nr. A013'070'274 und A013'070'285) sowie Fr 1'300.- Bargeld (hinterlegt bei der Bezirksgerichtskasse) werden dem Beschuldigten nach Eintritt der Vollstreckbarkeit herausgegeben.

    Wird innert 3 Monaten ab Vollstreckbarkeit kein entsprechendes Begehren gestellt, verfallen die Gegenstände und das Bargeld der Obergerichtskasse.

  4. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 4'400.amtliche Verteidigung

  5. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  6. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat

    • das Bundesamt für Polizei

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)

    • die Kantonspolizei Zürich, Asservaten-Triage, Zeughausstrasse 11, Postfach, 8021 Zürich (betreffend Dispositivziffer 3)

    • die Kasse des Bezirksgerichts Horgen (betreffend Dispositivziffer 3)

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste (betreffend Dispositivziffer 2)

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular B (betreffend Dispositivziffer 2)

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mittels Kopie von Urk. 66 zur Löschung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d der Verordnung über das Strafregister.

  7. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung

des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 24. September 2021

Die Präsidentin:

Oberrichterin lic. iur. Schärer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. Schwarzenbach-Oswald

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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