Zusammenfassung des Urteils SB200445: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 6. September 2022 ein Urteil in einem Fall der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl gegen den Beschuldigten A. gefällt. Der Beschuldigte wurde für verschiedene Vergehen gemäss Betäubungsmittelgesetz und anderen Straftaten schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, wovon 17 Monate aufgeschoben wurden. Zudem wurde eine Geldstrafe von Fr. 1'600.– verhängt. Die Gerichtskosten wurden auf Fr. 5'400.00 festgesetzt. Die Person, die verloren hat, ist männlich.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB200445 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 06.09.2022 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_1280/2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. und Widerruf |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Kokain; Verteidigung; Betäubungsmittel; Gramm; Vorinstanz; BetmG; Anklage; Beruf; Berufung; Konsum; Staatsanwalt; Hinweis; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Recht; Urteil; Fahrt; Sinne; Bezug; Aussage; Hinweise; Person; Gericht; Freiheit; Verfahren; Schul |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ;Art. 106 StGB ;Art. 129 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 140 StPO ;Art. 141 StPO ;Art. 147 StPO ;Art. 148a StGB ;Art. 158 StPO ;Art. 159 StPO ;Art. 19 StGB ;Art. 263 StPO ;Art. 267 StPO ;Art. 268 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 29 StPO ;Art. 30 StPO ;Art. 31 SVG ;Art. 317 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 325 StPO ;Art. 329 StPO ;Art. 350 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 401 StPO ;Art. 41 StGB ;Art. 42 StGB ;Art. 423 StPO ;Art. 424 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 43 StGB ;Art. 437 StPO ;Art. 45 StGB ;Art. 46 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 5 StPO ;Art. 51 StGB ;Art. 69 StGB ;Art. 71 StGB ;Art. 8 BV ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ;Art. 91 SVG ; |
Referenz BGE: | 110 IV 99; 111 IV 31; 120 IV 334; 120 IV 340; 121 IV 193; 127 IV 101; 127 IV 172; 131 I 476; 132 IV 132; 133 I 33; 133 IV 187; 134 IV 140; 134 IV 1; 134 IV 97; 135 IV 191; 136 IV 55; 138 IV 100; 138 IV 120; 138 IV 29; 140 IV 11; 140 IV 172; 141 IV 249; 142 IV 14; 142 IV 265; 142 IV 378; 142 IV 401; 142 IV 49; 143 IV 453; 143 IV 49; 143 IV 63; 144 IV 217; 144 IV 277; 144 IV 313; 145 IV 1; 145 IV 312; 146 IV 1; 148 IV 89; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB200445-O/U/hb
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Stiefel, Präsident, lic. iur. Faga und lic. iur.
Castrovilli sowie die Gerichtsschreiberin MLaw Meier
Urteil vom 6. September 2022
in Sachen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. Kloiber Anklägerin und Erstberufungsklägerin
gegen
Beschuldigter und Zweitberufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. HSG X1. , vertreten durch Beiständin B. ,
betreffend Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. und Widerruf
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich - Sihl vom 23. März 2020 (Urk. 26) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 51 S. 111 ff.)
Der Beschuldigte A. ist schuldig
des Verbrechens im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG,
des mehrfachen Vergehens im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG,
der mehrfachen Übertretung im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG, teilweise in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. b BetmG,
des Fahrens in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2 Abs. 2 lit. c VRV, sowie
des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe im Sinne von Art. 148a Abs. 2 StGB (leichter Fall).
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (wovon gesamthaft 208 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind) sowie einer Busse von Fr. 1'600.–.
a) Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird im Umfang von 17 Monaten aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt. Im Übrigen (7 Monate) wird die Freiheitsstrafe vollzogen.
b) Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Tagen.
Der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Frauenfeld vom 23. Juli 2018 für eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 60.– gewährte bedingte Strafvollzug wird widerrufen. Die Geldstrafe ist zu bezahlen.
Von der Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung wird abgesehen.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmte Barschaft in der Höhe von Fr. 734.40 (Fr. 380.– [A012'363'472] und Fr. 354.40 [EUR 350.–, A012'363'483; Barkaution Nr.
19-10007007]) wird zur teilweisen Deckung der Verfahrenskosten verwen- det.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmten und bei der Stadtpolizei Zürich unter der Polis-Geschäfts-Nr. 5 lagernden Gegenstände werden eingezogen und nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Lagerbehörde vernichtet:
A012'363'461, 3 SIM-Karten (Netzbetreiber Lebara, Sunrise und Yallo)
A012'363'518, Mobiltelefon iPhone, IMEI-Nummer 1
A012'363'529, Mobiltelefon Nokia C2, IMEI-Nummer 2
A012'363'574, 3 SIM-Karten (Netzbetreiber Yallo und Lycamobile)
A012'363'609, Mobiltelefon Samsung 3, IMEI-Nummer 4
A012'363'643, Mobiltelefon Samsung
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmten und bei der Stadtpolizei Zürich unter der Polis-Geschäfts-Nr. 5 lagernden Gegenstände werden nach Eintritt der Rechtskraft dem Beschuldigten herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist durch die Lagerbehörde vernichtet:
A012'362'571, Notizzettel mit Telefonnummern
- A012'363'450, 2 Schlüssel Kaba (6/7)
A012'363'507, Bankkundenkarte Zürcher Kantonalbank
- A012'363'530, 13 USB-Sticks
- A012'363'541, 2 SD-Karten
A012'363'632, 2 externe Harddisks
A012'363'654, Laptop Acer mit der Seriennummer 8
A012'363'665, Tablet iPad mit der Seriennummer 9
A012'363'676, diverse Notizen mit Abrechnungen und Telefonnummern
A012'363'687, 2 externe Harddisks Western Digital
Das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmte Mobiltelefon iPhone SE mit der IMEI-Nummer 10 (Asservat- Nr. A012'363'110) wird der berechtigten Person C. nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist durch die Lagerbehörde vernichtet.
Das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmte und bei der Stadtpolizei Zürich unter der Polis-Geschäfts-Nr. 5 lagernde Mobiltelefon iPhone 7+ mit der Rufnummer 11 (A012'363'096) wird eingezogen und der Lagerbehörde zur gutscheinenden Verwendung überlassen.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmten und bei der Stadtpolizei Zürich unter der Polis-Geschäfts-Nr. 5 lagernden Gegenstände werden eingezogen und nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch die Lagerbehörde vernichtet:
A012'362'548, 1 Plastiksack mit Kokain, 54.2 Gramm
A012'362'559, 1 gefaltetes Papier mit Kokain, 1.1 Gramm
A012'363'063, 1 Plastiksack mit 4 Pipettenflaschen mit Hanföl
A012'363'494, 1 Minigrip Kokain, 0.5 Gramm
A012'363'552, 2 Minigrip Haschisch, 4.4 Gramm
A012'363'563, 4 lose Klumpen Haschisch, 1 Gramm
A012'363'585, 1 Minigrip Heroin, 0.5 Gramm
A012'363'596, 1 Minigrip mit Amphetamin, 0.3 Gramm
A012'363'610, Diverse neue Minigrip
A012'363'621, 2 Suppenlöffel mit Rückständen
Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 5'400.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.00 Gebühr Strafuntersuchung
Fr. 2'015.30 Auslagen (Gutachten/Expertisen etc.)
Fr. 3'445.00 Auslagen Untersuchung
Fr. 1'200.00 Gebühr gem. OG-Entscheid, UB190027-O Fr. 1'200.00 Gebühr gem. OG-Entscheid, UB190089-O
Fr. 14'946.60 amtliche Verteidigung (RA X1. ; Akontozahlung) Fr. 19'694.00 amtliche Verteidigung (RA X1. ; Schlusszahlung) Fr. 772.75 amtliche Verteidigung (RA X2. )
Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Berufungsanträge:
(Prot. II S. 4 f.)
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 54/1 S. 4 f.; Urk. 69 S. 2 f.)
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf des Verbrechens im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG von Schuld und Strafe freizusprechen.
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf des mehrfachen Vergehens im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG von Schuld und Strafe freizusprechen.
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der mehrfachen Übertretung im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG, teilweise in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. b BetmG, von Schuld und Strafe freizusprechen.
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf des Fahrens in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2 Abs. 2 lit. c VRV von Schuld und Strafe freizusprechen.
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe im Sinne von Art. 148a StGB, auch bezüglich eines leichten Falls nach Art. 148a Abs. 2 StGB, von Schuld und Strafe freizusprechen.
Es sei auf den Widerruf des mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Frauenfeld vom 23. Juli 2018 für eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu CHF 60.-gewährten bedingten Strafvollzugs und Bezahlung der Geldstrafe zu verzichten.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmte Barschaft in der Höhe von CHF 734.40 (CHF 380.-- und EUR 350.--) sei dem Beschuldigten, eventualiter seinen beiden Kin- dern unter der Kontrolle der Beistandschaft der Kinder, herauszugeben.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmten und bei der Stadtpolizei Zürich unter der Polis- Geschäfts-Nr. 5 lagernden Gegenstände seien dem Beschuldigten herauszugeben.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens seien vollumfänglich auf die Staatskasse zu nehmen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung seien auf die Staatskasse zu nehmen, ohne ein Nachforderungsrecht beim Beschuldigten vorzubehalten.
Der Beschuldigte sei angemessen, mit mindestens CHF 300.-pro Hafttag, für die erlittene Haft zu entschädigen.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, einschliesslich der amtlichen Verteidigung (zzgl. 7.7% MWST) zu Lasten des Staates.
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 58, schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Erwägungen:
Prozessgeschichte
Das vorstehend wiedergegebene Urteil vom 9. September 2020 wurde den Parteien gleichentags mündlich eröffnet (Prot. I S. 14 ff.). Die Staatsanwaltschaft meldete mit Schreiben vom 11. September 2020 innert Frist Berufung an, ebenso der Beschuldigte mit Schreiben vom 18. September 2020 (Urk. 45 und Urk. 46).
Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 48 und Urk. 50/1-2) reichte der Beschuldigte am 6. November 2020 fristgerecht die Berufungserklärung ein (Urk. 54/1). Die Staatsanwaltschaft zog ihre Berufung am 23. Oktober 2020 zurück, was vorab vorzumerken ist (Urk. 52). Mit Präsidialverfügung vom 13. November 2020 wurde die Berufungserklärung in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 und Art. 401 StPO der Staatsanwaltschaft zugestellt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 56). Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Schreiben vom 18. November 2020 auf Anschlussberufung (Urk. 58).
Am 2. Dezember 2020 wurde auf den 29. Juni 2021 zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 61).
Mit Eingabe vom 3. Dezember 2020 stellte die Verteidigung den Antrag, es seien die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 6. März 2019 beschlagnahmten und unter der Polis-Geschäfts-Nr. 5 lagernden Gegenstände dem Beschuldigten herauszugeben, nachdem das Urteil der Vorinstanz (Urteilsdispositiv-Ziffer 8) diesbezüglich in Rechtskraft erwachsen sei (Urk. 62). Die Verfahrensleitung wies den Antrag am 8. Dezember 2020 ab (Urk. 63).
Am 29. Juni 2021 fand die Berufungsverhandlung statt. Es erschien der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers (Prot. II S. 4). Dieser thematisierte unter dem Titel Vorfragen mehrere Punkte zur Rechtskraft, zum Verschlechterungsverbot und zur Verwertbarkeit verschiedener Beweismittel. Darauf wird nachfolgend einzugehen sein (Urk. 69 S. 3 f.; vgl. auch Prot. II S. 7).
Im Anschluss an die Berufungsverhandlung verzichteten die Parteien auf eine mündliche Urteilseröffnung und -erläuterung (Art. 84 Abs. 3 StPO; Prot. II S. 32).
Am 1. Juli 2021 wurde ein ärztliches Gutachten über den geistigen Zustand des Beschuldigten, dessen Schuldfähigkeit sowie die Zweckmässigkeit einer Massnahme nach den Artikeln 56 - 64 StGB eingeholt und Dr. med. D. als Gutachter bestellt (Urk. 71). Mit Eingabe vom 15. Juli 2021 ersuchte der Beschul- digte um Zustellung der Tonaufzeichnung der Berufungsverhandlung, die ihm mit Schreiben vom 20. Juli 2021 zugestellt wurde (Urk. 75; Urk. 76). Am 1. November 2021 wurde dem Beschuldigten Frist gesetzt, ein von ihm gestelltes Protokollberichtigungsbegehren zu begründen (Urk. 82; Urk. 83). Das begründete Begehren ging innert erstreckter Frist am 29. November 2021 ein und wurde in der Folge am 27. Dezember 2021 teilweise gutgeheissen (Urk. 85-86; Urk. 88). Nach Eingang des Gutachtens von Dr. med. D. vom 31. März 2022 (Urk. 91) wurde den Parteien Frist gesetzt, um zum Gutachten Stellung zu nehmen sowie ihre Berufungsanträge abschliessend zu stellen und zu begründen (Urk. 93). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Stellungnahme (Urk. 95), der Beschuldigte liess sich innert erstreckter Frist mit Eingabe vom 8. Juni 2022 vernehmen (Urk. 97). Die geänderte Zusammensetzung des Gerichts wurde den Parteien am 14. und
15. Juli 2022 angezeigt (Urk. 90).
Umfang der Berufung
Der Beschuldigte beantragt, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Er wendet sich zudem gegen den Widerruf des mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Frauenfeld vom 23. Juli 2018 gewährten bedingten Strafvollzugs einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 60.-- (Dispositivziffer 4), die Verwendung
einer beschlagnahmten Barschaft zur Kostendeckung (Dispositivziffer 6), die Einziehung beschlagnahmter Gegenstände (Dispositivziffer 7) und die Kostenauflage (Dispositivziffer 13). Unangefochten blieben das Absehen von einer Landesverweisung (Dispositivziffer 5), die Herausgabe respektive Einziehung verschiedener beschlagnahmter Gegenstände (Dispositivziffern 8 - 11) und die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Dispositivziffer 12). In diesem Umfang ist der vorinstanzliche Entscheid in Rechtskraft erwachsen, was vorab vorzumerken ist (Art. 399 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 437 StPO).
Im Übrigen steht der angefochtene Entscheid unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots im Sinne von Art. 391 Abs. 2 StPO zur Disposition.
Prozessuales
Verwertbarkeit verschiedener Aussagen
Die Verteidigung behauptete im erstinstanzlichen Verfahren, die überwiegende
Anzahl der Aussagen von E.
seien mangels Gewährung von Teilnahmerechten nicht zulasten des Beschuldigten verwertbar (Urk. 41 S. 4 und 10). Diesen Standpunkt wiederholte die Verteidigung im Berufungsverfahren (Urk. 69 S. 8).
Die Rüge ist unbegründet. Sofern sich die Strafverfolgungsbehörden auf Aussagen eines Zeugen eines Beschuldigten aus einem getrennt geführten Verfahren abstützen, ist dem Konfrontationsrecht Rechnung zu tragen. Die Aussagen können nur verwertet werden, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, die ihn belastenden Aussagen in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen respektive den Beschuldigten im getrennten Verfahren zu stellen (BGE 140 IV 172
E. 1.3 S. 176 mit Hinweisen). Der Anspruch auf Befragung der Belastungszeugen nach Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Er wird als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV auch durch Art. 32 Abs. 2 BV geschützt (BGE 133 I 33 E. 3.1 S. 41; 131 I 476 E. 2.2 S. 480; je mit Hinweisen).
Dem Konfrontationsrecht des Beschuldigten wurde betreffend E. Rechnung getragen. Dem Beschuldigten wurde Einsicht in die verschiedenen Einvernahmen von E. gewährt (Urk. 16/28). Zudem wurde ihm und seiner Verteidigung anlässlich der Konfrontationseinvernahme vom 11. September 2019 das Recht auf Ergänzungsfragen eingeräumt (Urk. 2/7 S. 2 und 10). Der Beschuldigte und dessen Verteidigung hatten demnach hinreichend Gelegenheit, die belastenden Aussagen in Zweifel zu ziehen und Fragen an E. zu stellen. Ein Beweisverwertungsverbot liegt nicht vor.
Grundsatz der Verfahrenseinheit
Soweit die Verteidigung die getrennte Verfahrensführung beanstandet (Urk. 69
S. 5 ff.), erhebt sie die Rüge ohne Grund. Art. 29 StPO statuiert den Grundsatz der Verfahrenseinheit. Dieser bildet gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts schon seit Langem ein Wesensmerkmal des schweizerischen Strafprozessrechts. Er bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile und gewährleistet insofern das Gleichbehandlungs- und Fairnessgebot (Art. 8 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO). Überdies dient er der Prozessökonomie (Art. 5 Abs. 1 StPO). Eine Verfahrenstrennung ist gemäss Art. 30 StPO nur bei Vorliegen sachlicher Gründe zulässig und muss die Ausnahme bleiben. Die sachlichen Gründe müssen objektiv sein. Getrennte Verfahren sollen vor allem der Verfahrensbeschleu- nigung dienen bzw. eine unnötige Verzögerung vermeiden helfen. Als sachlicher Trennungsgrund gilt etwa die grosse Zahl von Mittätern, die länger dauernde Unerreichbarkeit einzelner mitbeschuldigter Personen die bevorstehende Verjährung einzelner Straftaten (BGE 138 IV 29 E. 3.2 S. 31 f., 214 E. 3.2 S. 219; Urteil 1B_553/2018 vom 20. Februar 2019 E. 2.1; je mit Hinweisen).
Die gemeinsame Verfolgung und Beurteilung von Straftaten setzt nach Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO Mittäterschaft Teilnahme voraus. Bei Betäubungsmitteldelikten handelt es sich um Delikte, die sich typischerweise durch Arbeitsteilung auszeichnen und von mehreren Personen in unterschiedlichen Rollen gemeinsam begangen werden (PETER ALBRECHT, Die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes [Art. 19–28l BetmG], 3. Aufl. 2016, N. 148 zu Art. 19 BetmG). Die extrem weite Fassung der Verbotsmaterie in Art. 19 Abs. 1 BetmG hat aber zur Folge, dass verschiedene der aufgezählten verbotenen Handlungen, welche zwar den Charakter der Mittäterschaft Teilnahme an Drogengeschäften von Drittpersonen aufweisen können, als selbständige Straftatbestände eingestuft werden. Wer in solchen Fällen selber alle Merkmale eines gesetzlichen Straftatbestands objektiv und subjektiv erfüllt, ist nach der Praxis nicht bloss Teilnehmer, sondern Täter (BGE 142 IV 401 E. 3.3.2 S. 405; Urteil 6B_1026/2017 vom 1. Juni 2018
E. 1.2.2; je mit Hinweisen; ALBRECHT, a.a.O., N. 149 zu Art. 19 BetmG). Das Bun- desgericht schlussfolgerte, wer etwa unbefugt Betäubungsmittel kaufe, sei nur Täter nach Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG und nicht auch Mittäter des Lieferanten im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG, weshalb Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO, welcher die Beurteilung von Mittätern und Teilnehmern in einem Verfahren gebiete, nicht einschlägig sei (Urteil 6B_1026/2017 vom 1. Juni 2018 E. 1.2.2). Auch ein allfälliges Unterordnungsverhältnis macht einen Täter rechtlich nicht zum Gehilfen (BGE 133 IV 187 E. 3.3 S. 194 mit Hinweis).
Die Staatsanwaltschaft legt dem Beschuldigten zur Last, er habe von E. rund 50 Gramm Kokain für Fr. 3'500.-gekauft, um dieses gewinnbringend an
Konsumenten zu verkaufen. Aus den Einvernahmen von E.
geht hervor,
dass diesem ein Betäubungsmittelhandel mit ca. 70 Betäubungsmittelkäufern vorgehalten wurde (vgl. etwa Urk. 3/13 S. 14). Damit geht die Anklagebehörde von unterschiedlichen Rollen aus und wirft sie dem Beschuldigten und E. nicht ein gemeinsames Handeln vor. Der Grundsatz der Verfahrenseinheit im Sinne von Art. 29 StPO wurde nicht verletzt.
Dem Beschuldigten kam damit im Verfahren gegen E. keine Parteistellung zu. Er hatte keinen gesetzlichen Anspruch auf Teilnahme an den Beweiserhebungen und an den Einvernahmen von E. im eigenständigen Untersuchungsoder Hauptverfahren (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario).
Verwertbarkeit der Aussagen von F.
Der Beschuldigte wurde mit F.
nicht konfrontiert. Dessen Aussagen sind
nach den zutreffenden Ausführungen der Verteidigung (Urk. 41 S. 11; Urk. 69
S. 25 f.) nicht zulasten des Beschuldigten verwertbar.
Rüge der Verletzung von Teilnahmerechten bei polizeilichen Einvernahmen
Die Verteidigung stellte sich im erstinstanzlichen Verfahren auf den Standpunkt, es dürfe nur auf Aussagen im Rahmen von Konfrontationseinvernahmen abgestellt werden. Aussagen anlässlich von polizeilichen Einvernahmen seien wegen fehlender Teilnahmerechte nicht verwertbar (Urk. 41 S. 20). Diese auch im Berufungsverfahren wiederholte Argumentation (vgl. beispielsweise Urk. 69 S. 8, 22 und 26) ist offensichtlich unzutreffend. Die Parteien haben das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Die Anwesenheit der Verteidigung bei polizeilichen Einvernahmen richtet sich nach Artikel 159 (Art. 147 Abs. 1 StPO). Bei polizeilichen Einvernahmen der beschuldigten Person hat diese das Recht, dass ihre Verteidigung anwesend sein und Fragen stellen kann (Art. 159 Abs. 1 StPO). Die Parteien haben mithin kein Recht, bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen, anwesend zu sein (Umkehrschluss aus Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO; Urteil 6B_128/2018 vom 8. Februar 2019 E. 2.2.2). Die hier zur Diskussion stehenden
Einvernahmen von G. , H. , I. , J. , K. , L.
und
M.
(Urk. 4/11, Urk. 4/32, Urk. 4/30, Urk. 4/27, Urk. 4/28, Urk. 4/16 und
Urk. 4/12) wurden im polizeilichen Ermittlungsverfahren und nicht im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführt. Ihrer Verwertung steht nichts entgegen, nach- dem der Beschuldigte mit den genannten Personen konfrontiert wurde (Urk. 4/33, Urk. 4/35, Urk. 4/37, Urk. 4/38, Urk. 4/39, Urk. 4/40 und Urk. 4/41). Nicht anders verhält es sich entgegen der Verteidigung (Urk. 69 S. 47 f.) mit der Einvernahme von L. . Zwar machte dieser anlässlich der Konfrontationseinvernahme von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern (Urk. 4/40). Der Beschuldigte und dessen Verteidigung hatten deshalb entgegen dem Dafürhalten der Vorinstanz (Urk. 51 S. 16 f.) keine Gelegenheit, die Auskunftsperson mit ihren früheren Aussagen eingehend zu konfrontieren. Hingegen ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die fehlende Befragung des Belastungszeugen nicht zu beanstanden, wenn der Zeuge etwa berechtigterweise das Zeugnis verweigert, wenn er trotz angemessener Nachforschungen unauffindbar bleibt, dauernd für lange Zeit nicht einvernahmefähig ist wenn er verstorben ist. Die Verwertbarkeit der Aussage erfordert allerdings, dass der Beschuldigte zu den belastenden Aussagen hinreichend Stellung nehmen konnte, die Aussagen sorgfältig geprüft wurden und ein Schuldspruch sich nicht allein darauf abstützt. Ausserdem darf der Umstand, dass der Angeschuldigte seine Rechte nicht (rechtzeitig) wahrnehmen konnte, nicht in der Verantwortung der Behörde liegen (BGE 131 I 476 E. 2.2 und 2.3.4 mit Hinweisen). L. war nicht Privatkläger und deshalb nicht zur Aussage verpflichtet (Art. 180 Abs. 1 und Art. 178 lit. b-g StPO). Dass er am 24. Oktober 2019 gegenüber der Staatsanwaltschaft in Anwesenheit des Beschuldigten lediglich die bei der Polizei am
11. Juni 2019 deponierten Aussagen bestätigte, im Übrigen aber keine weiteren Fragen beantworten wollte, lag nicht in der Verantwortung der Strafverfolgungsbehörden. Der Vorwurf des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe fusst wie noch zu zeigen sein wird - nicht allein auf den Aussagen der besagten Auskunftsperson. Zu ihren Schilderungen konnte der Beschuldigte auch ohne direkte Konfrontation Stellung nehmen. Zusammenfassend sind die Aussagen von L. verwertbar. Wie noch zu zeigen sein wird, hat diesbezüglich zu- dem eine Verfahrenseinstellung zu erfolgen.
Anklageprinzip
Die Anklage umschreibt den Tatzeitraum in Bezug auf das Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz respektive den Verkauf von Kokain an G. mit 29. Dezember 2019 bis 22. Februar 2019 (Urk. 26 S. 3). Es handelt sich dabei um einen offensichtlichen Verschrieb. Da die Mehrheit der übrigen Delikte laut Anklage entweder am 22. Februar 2019 wenige Monate vorher bis zum besagten Datum erfolgte, ist von einem Deliktszeitraum ab 29. Dezember 2018 bis zum 22. Februar 2019 auszugehen. Aus dem Verschrieb der Jahreszahl kann der Beschuldigte nichts zu seinen Gunsten ableiten. Er macht auch nicht geltend, dadurch würden Zweifel begründet, welches Verhalten ihm vorgeworfen werde. Der Anklagevorwurf wird unverwechselbar und genügend konkret gekennzeich- net. Eine Verletzung des Anklageprinzips liegt nicht vor (vgl. zum Anklageprinzip BGE 143 IV 63 E. 2.2 S. 65 mit Hinweisen).
Im Zusammenhang mit dem mehrfachen unrechtmässigen Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe wird dem Beschuldigten zur Last gelegt, in Verletzung seiner Deklarationspflicht gegenüber den Sozialen Diensten der Stadt Zürich ein Einkommen von Fr. 8'881.25 nicht angezeigt zu haben. Dadurch sei ihm in diesem Umfang zu viel wirtschaftliche Sozialhilfe ausbezahlt worden (Urk. 26 S. 6 ff.). Es rechtfertigt sich, im Rahmen der Erwägungen zum Schuldpunkt im Einzelnen zu prüfen, ob unter dem Titel des Anklagegrundsatzes der Lebenssachverhalt und das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten hinreichend konkretisiert sind (E. II.6.5 nachfolgend).
Schlusseinvernahme
Der Vorhalt anlässlich der Schlusseinvernahme vom 10. Januar 2019 (Urk. 2/9, richtig: 10. Januar 2020) deckt sich nur teilweise mit dem Vorwurf in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich - Sihl vom 23. März 2020 (Urk. 26). Die Vorinstanz hält fest, dass in der Schlusseinvernahme in Frage 36 nur ein Teil der Übertretungen vorgehalten und in Bezug auf den Sozialhilfebetrug die Deliktsperiode anders formuliert worden sei (Urk. 51 S. 9 f.). Diese Erwägungen treffen zu. Unterschiedlich fielen etwa auch der Zeitraum und der Detaillierungsgrad des vorgeworfenen Kokainverkaufs und die vom Beschuldigten am 22. Februar 2019 zum Eigenkonsum auf sich getragene Menge Kokain aus.
In rechtlicher Hinsicht verweist die Vorinstanz auf Meinungen in der Lehre, wo- nach die Schlusseinvernahme einen Beitrag zur Vorbereitung und Durchführung der Gerichtsverhandlung bilde sowie ein Kontrollinstrument für die Untersuchungsbehörde und eine Einstiegshilfe in die Akten darstelle. Art. 317 StPO sei eine blosse Ordnungsvorschrift (Urk. 51 S. 9 f.). Diese Erwägungen können über- nommen werden (vgl. auch Urteil 6B_98/2016 vom 9. September 2016 E. 3.4.2). Ergänzend bleibt Folgendes festzuhalten. Der vorgeworfene Handel mit Kokain blieb im Schlussvorhalt betreffend Anzahl Geschäfte, Anzahl Abnehmer sowie Menge unbestimmt. Der Vorwurf wurde in der Anklageschrift insbesondere mit der Nennung zweier Käufer und der jeweils verkauften (Gesamt-)Menge konkretisiert. In der Anklageschrift näher umschrieben und zeitlich enger gefasst wurde auch der Vorwurf des mehrfachen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen der Sozi-
alhilfe. Damit ist aber offensichtlich, dass dem Beschuldigten die Vorwürfe in der Schlusseinvernahme teilweise nur in unbestimmter und nicht abschliessender Form vorgehalten wurden. Daraus kann der Beschuldigte für seinen Standpunkt jedoch nichts ableiten. Aus der Anklage konnte er ersehen, welche Delikte ihm vorgeworfen werden. Zu den einzelnen und hinreichend umschriebenen Vorwürfen nahm er in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung wie auch in der Berufungsverhandlung Stellung (Prot. I S. 1, Urk. 39 S. 14 ff., Urk. 41, Prot. II S. 22 ff.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht ersichtlich.
Unzulässige Kronzeugenregelung
Die Verteidigung beanstandet, die Untersuchungsbehörde habe bei sämtlichen befragten Personen eine Kronzeugenregelung eingesetzt. Bei allen Personen, die gegen den Beschuldigten ausgesagt hätten, müssen wohl, wie mit Nichtwissen anzunehmen ist, wohl explizit zumindest implizit bzw. suggestiv durch die Staatsanwaltschaft Vorteile bzw. die Nicht-Strafverfolgung in Aussicht gestellt worden sein (Urk. 69 S. 7 ff.).
Die Verteidigung erhebt die Kritik ohne Grund. Weder kamen E.
und die
weiteren Auskunftspersonen respektive Zeugen im Ausland - dem Schweizer Strafprozess ist eine Kronzeugenregelung fremd in den Genuss von Strafreduktionen anderen Vorteilen. Noch würde deren Befragung als Kronzeugen mit einem Beweisverwertungsverbot einhergehen (Urteil 6B_1269/2016 vom 21. August 2017 E. 3.4). Nachdem die Rüge der Verteidigung pauschal und vage ausfällt, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu.
Soweit die Verteidigung in den Einvernahmen von E. , G. , J. ,
M. , L. , K. , H.
und I.
suggestive und tendenziöse
Fragen verortet und in diesem Sinne verbotene Beweiserhebungsmethoden beanstandet, kann ihr ebenso wenig gefolgt werden. Die Verteidigung verweist beispielsweise auf die Konfrontationseinvernahme vom 11. September 2019 und rügt, die Anklägerin habe die Antworten vorgegeben (Urk. 69 S. 8 mit Hinweis auf Urk. 2/7 S. 2). Dazu fällt Folgendes auf. Der Vorhalt früherer Depositionen betreffend den Preis des verkauften Kokains erfolgte erst, als E. angab, sich nicht
mehr an den Preis zu erinnern. Diese Fragetechnik ist deshalb nicht zu beanstan- den. Nicht sachgerecht fiel hingegen aus, E. gleich zu Beginn der Konfrontationseinvernahme aufzufordern zu schildern, wie es dazu gekommen sei, dass der Beschuldigte am 22. Februar 2019 die Wohnung (von E. ) mit 49.7 Gramm Kokain verlassen habe (Urk. 2/7 S. 2). Gleichwohl kann dahingestellt bleiben, ob die vom Beschuldigten gerügten Fragen in suggestiver Weise gestellt wurden. Unklare, mehrdeutige suggestiv angelegte Fragen, welche eine bestimmte Antwort nahelegen, eine bestimmte Erwartung des Vernehmenden erkennen lassen denen nicht bewiesene Tatsachen zu Grunde liegen, sind unzulässig. Jedoch ist das Verbot von Suggestivfragen, da diese nicht unter den Begriff der Täuschung im Sinne einer verbotenen Beweiserhebungsmethode fallen (Art. 140 StPO), als Ordnungsvorschrift ausgestaltet. Deshalb sind Antworten trotz suggestiver Fragestellung grundsätzlich verwertbar (vgl. Art. 141 Abs. 3 StPO; Urteil 6B_1401/2016 vom 24. August 2017 E. 2.2). Dies gilt in Bezug auf E. wie auch in Bezug auf die übrigen obgenannten Personen.
Rüge unzulässiger Überwachungsmassnahmen und unzulässiger Auswertung des Mobiltelefons des Beschuldigten trotz Siegelungsantrag
Hinweise auf Zwangsmassnahmen, welche die Untersuchungsbehörde angeord- net und deren Genehmigung nicht vorgelegen hätte, gehen aus den Untersuchungsakten nicht hervor. Gegenteiliges vermag die Verteidigung nicht aufzuzeigen. Sie bringt vor, der Beschuldigte müsse während mehrerer Monate illegal überwacht worden sein. Dieser erinnere sich an merkwürdige Begegnungen in Bars mit Drittpersonen, Autos, welche sich in seiner Nähe gehäuft aufhalten und an verschiedene andere Dinge (Urk. 69 S. 13 f.). Seien nicht gegen ihn selbst unzulässige Überwachungsmassnahmen angeordnet worden, dann müsse dies in den gegen E. und/oder F. geführten Verfahren der Fall sein (Urk. 97
S. 2). Diese Ausführungen erschöpfen sich in blosse Mutmassungen und zeigen eine Verletzung von Gültigkeitsvorschriften im Rahmen der Beweiserhebung nicht auf.
Ebenso wenig kann der Verteidigung gefolgt werden, soweit sie vorbringt, das Mobiltelefon des Beschuldigten sei trotz Siegelungsantrag ausgewertet worden,
weshalb als Konsequenz ein Freispruch in allen Anklagepunkten ergehen müsse (Urk. 69 S. 14). Zum einen hiess das Zwangsmassnahmengericht ein Entsiegelungsgesuch der Untersuchungsbehörde, das sich unter anderem auf das Mobiltelefon und die Rufnummer des Beschuldigten bezog, am 5. April 2019 gut (Urk. 13/6-7). Zum andern sind etwaige Kurzmitteilungen, selbst wenn sie zuvor gesichtet worden wären, hier nicht Teil des Beweisfundaments (ebenso wenig daraus folgende mittelbare Beweise). In Verletzung von Gültigkeitsvorschriften von den Strafbehörden erlangte Beweise liegen mithin nicht vor. Ergänzend bleibt festzuhalten, dass die rückwirkende Überwachung der vom Beschuldigten und von E. verwendeten Rufnummern durch das hiesige Zwangsmassnahmengericht am 12. und 13. März 2019 genehmigt wurde (Urk. 8/8a und Urk. 8/8b).
Ausgangsgemäss ist der im gleichen Zusammenhang gestellte Antrag auf Aktenbeizug abzuweisen (vgl. 97 S. 2).
Rüge der Verletzung des Rechts auf Wahlverteidigung
Der Beschuldigte bringt vor, bei der ersten polizeilichen Einvernahme sei Rechtsanwalt X2. aufgeboten worden. Er habe aber damals erklärt, den Bruder von I. als Rechtsanwalt haben zu wollen. Dieser wäre über die in seinem Mobiltelefon abgespeicherte Nummer als N. eruierbar gewesen. Sein Recht auf Wahlverteidigung sei verletzt worden, was zu einem Freispruch führen müsse (Urk. 69 S. 15).
Es war nicht Aufgabe der Untersuchungsbehörde, einen Rechtsanwalt ausfindig zu machen, dessen Name, Anwaltskanzlei, Telefonnummer sonstigen Kontaktdaten der Beschuldigte nicht kannte und von dem der Beschuldigte nur die (unvollständigen) Angaben eines Bruders hatte. Gleichwohl geht aus den Einver- nahmeprotokollen vom 23. Februar 2019 und 24. Februar 2019 hervor, dass die Stadtpolizei respektive die Staatsanwaltschaft versucht hatte, den vom Beschul- digten gewünschten Rechtsanwalt zu kontaktieren (Urk. 2/1 S. 2 und Urk. 2/2
S. 1). Blieb dies ohne Erfolg, liegt dies in der Verantwortung des Beschuldigten, der ohne Grund sein Recht auf Wahlverteidigung im Sinne von Art. 129 StPO als verletzt rügt. Im Übrigen bleibt festzuhalten, dass der Beschuldigte bereits am 24.
Februar 2019 ausdrücklich die Bestellung von Rechtsanwalt X1. als amtlichen Verteidiger beantragte (Urk. 2/2 S. 4; vgl. auch Urk. 21/3). Erhebt er gleichwohl und im Gegensatz zum erstinstanzlichen Verfahren die fragliche Rüge im Berufungsverfahren, verstösst er gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens.
Rüge der fehlenden Belehrung betreffend Recht auf Verteidigung
Der Beschuldigte sieht Art. 143 Abs. 1 lit. c StPO verletzt, da er bei verschiede- nen Einvernahmen und bei der Hafteinvernahme vom 24. Februar 2019 insbesondere betreffend sein Recht auf Verteidigung nicht aufgeklärt worden sei (Urk. 69 S. 16 f.).
Gemäss Art. 158 Abs. 1 StPO weisen Polizei Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person zu Beginn der ersten Einvernahme in einer ihr verständlichen Sprache unter anderem darauf hin, dass gegen sie ein Vorverfahren eingeleitet worden ist und welche Straftaten Gegenstand des Verfahrens bilden (lit. a) sowie dass sie berechtigt ist, eine Verteidigung zu bestellen gegebenenfalls eine amtliche Verteidigung zu beantragen (lit. b; vgl. auch Art. 143 Abs. 1 lit. b und lit. c StPO). Diese Hinweise erfolgten zu Beginn der ersten polizeilichen Einvernahme vom 23. Februar 2019 (Urk. 2/1 S. 1). Die Behörde ist nicht verpflichtet, die ausführliche Belehrung vor jeder weiteren Einvernahme zu wiederholen (Urteile 6B_1214/2019 vom 1. Mai 2020 E. 1.3.1; 6B_518/2014 vom 4. Dezember 2014
E. 1.5). Wurde die Belehrung vom Vortag am 24. Februar 2019 nicht wiederholt und der Beschuldigte (in Gegenwart seiner Verteidigung) nicht auf die Möglichkeit einer Verteidigung hingewiesen, ist dies deshalb nicht zu beanstanden. Im Übrigen stellte sich das Beweisergebnis nicht anders dar, selbst wenn die im Rahmen der Hafteinvernahme deponierten Aussagen des Beschuldigten nicht verwertbar wären.
Allgemeines
Die Vorinstanz hat die theoretischen Grundsätze der richterlichen Beweiswür- digung dargelegt (Urk. 51 S. 14 f.). Darauf kann verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO), ebenso auf die vorinstanzlichen Erwägungen zur Frage der Glaubwürdigkeit des Beschuldigten und von verschiedenen Auskunftspersonen (Urk. 51 S. 21 ff.). Im Übrigen kann sich die Berufungsinstanz auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (vgl. BGE 141 IV 249 E. 1.3.1
S. 253; 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; je mit Hinweisen).
Mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Dossier 1)
Konsum von verschiedenen Betäubungsmitteln
Die Vorinstanz kommt zusammengefasst zum Schluss, der Anklagesachverhalt sei erstellt. Der Beschuldigte habe anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 19. Juni 2019 den Konsum von Kokain in sehr detaillierter Form geschildert. In verschiedenen Einvernahmen habe er eingestanden, weitere Betäubungsmittel (Heroin, LSD, Amphetamin, Ecstasy, 2CB und Marihuana) eingenommen zu haben. Dabei habe der Beschuldigte den Konsum der einzelnen Betäubungsmittel konkretisiert. Sein Geständnis habe er anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung bestätigt und decke sich mit dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM) vom 4. April 2019 (Urk. 51 S. 11 f.).
Der Beschuldigte anerkannte vor Vorinstanz, Marihuana respektive Haschisch, Kokain, Heroin, LSD, GHB, GBL und Amphetamin wie in der Anklage umschrieben konsumiert zu haben (Urk. 39 S. 19). Die Verteidigung bezeichnete den Beschuldigten als langjährigen Betäubungsmittelkonsumenten. Sie hielt vor Vorinstanz fest, der Beschuldigte sei bezüglich des Eigenkonsums von Betäubungsmitteln sofort geständig gewesen. Er habe den Konsum verschiedener Drogen rasch offengelegt. Die Aussagen zum Konsum würden, so die Verteidigung weiter, durch das Gutachten des IRM bestätigt werden. Der Beschuldigte sei da-
mit der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG schuldig zu sprechen (Urk. 41 S. 2, 5 f. und 17).
Im Berufungsverfahren wendet sich die Verteidigung neu gegen den Schuldspruch und beantragt, der Beschuldigte sei vom entsprechenden Vorwurf freizusprechen (Urk. 54/1 S. 4).
Zum umständlich formulierten Anklagevorwurf (Konsum von Kokain, Marihuana respektive Haschisch, Heroin, LSD, GHB, GBL und Amphetamin) hielt der Beschuldigte in den verschiedenen Einvernahmen Folgendes fest. Heroin konsumiere er selten, wöchentlich zweiwöchentlich, wöchentlich bis monatlich (Urk. 2/4 S. 9, Urk. 2/5 S. 2, Urk. 2/8 S. 2). Kokain habe er in den letzten zwei Monaten vor der Verhaftung öfters konsumiert, dies konnte am Schluss […] an einem Tag 1 Gramm sein 0.25 Gramm 1.5 Gramm, vor Mitte Dezember 2018 sehr selten (Urk. 2/4 S. 9, Urk. 2/5 S. 2 f., Urk. 2/8 S. 3 f.). Haschisch oder Marihuana habe er ab und zu, täglich einbis zweimal konsumiert, vor Mitte Dezember 2018 eher wenig (Urk. 2/4 S. 9, Urk. 2/5 S. 2, Urk. 2/8 S. 4). Weiter habe er in den letzten zwei Monaten vor der Verhaftung LSD konsumiert, dies selten (Urk. 2/4 S. 9, Urk. 2/5 S. 2). GHB und GBL habe er eher selten genommen (Urk. 2/5 S. 2). Amphetamin habe er in den letzten zwei Monaten vor der Verhaftung zum Schluss dann vermehrt genommen, dies vielleicht ab Februar bis Mitte Februar ab Mitte Januar, möglicherweise auch im Dezember (Urk. 2/4 S. 9, Urk. 2/5 S. 2, Urk. 2/8 S. 3). Diese Angaben sind abgesehen von den konsumierten Substanzen in zeitlicher und quantitativer Hinsicht ganz unbestimmt. Eingeräumt wird, dass der Beschuldigte zahlreiche Betäubungsmittel (teilweise auch im gleichen Zeitraum) konsumierte. Es erstaunt nicht, dass die Erinnerungen des Beschuldigten unscharf und er in seinen Zugaben vage bleibt.
Das Gutachten des IRM vom 4. April 2019 untersuchte einen Zeitraum ab Mitte Dezember 2018 bis Ende Februar 2019. Aus der Haaranalyse geht insbesondere Folgendes hervor. Die Ergebnisse sprächen für einen Konsum von Opiaten. Mindestens ein Teil der Opiate sei in Form von Gassen-Heroin konsumiert worden. Innerhalb der untersuchten Zeitspanne sei von einem schwachen Opiat- Drogen-Konsum auszugehen. Weiter würden die Ergebnisse auf einen starken
bis sehr starken Kokain-Konsum, einen schwachen bis mittelstarken Ampheta- min-Konsum, einen (nicht angeklagten) schwachen bis mittelstarken MDMA- Konsum und einen (nicht angeklagten) 2C-B-Konsum hinweisen (Urk. 7/5).
Gestützt auf die Expertise des IRM und die Zugaben des Beschuldigten ist damit ab Mitte Dezember 2018 bis 22. Februar 2019 folgender Konsum erstellt:
Heroin: geringer Konsum respektive monatlich;
Kokain: starker bis sehr starker Konsum, 0.25 - 1.5 Gramm pro Tag;
Amphetamin: schwacher bis mittelstarker Konsum respektive wöchentlich (angeklagte Zeitspanne ca. Januar 2019 bis 22. Februar 2019).
In Bezug auf den laut Anklage weiter zurückliegenden Konsum ( Heroin: ab Mitte Oktober 2018 wöchentlich bis zweiwöchentlich; Kokain: ab ca. Juni 2018) sind der Beschuldigte und die Verteidigung auf ihre ursprünglichen Zugeständnisse zu behaften. Gleiches gilt in Bezug auf den Konsum von Marihuana respektive Ha- schisch (ab ca. Juni 2018 bis Mitte Dezember 2018, ab Mitte Oktober 2018 bis Mitte Dezember 2018 einbis zweimal pro Tag) sowie den Konsum von LSD, GHB und GBL (ab Mitte Oktober 2018 bis 22. Februar 2019 wöchentlich bis mo- natlich). Nicht zweifelhaft ist, dass der Beschuldigte wusste, was er konsumierte. Der angeklagte Sachverhalt ist auch in subjektiver Hinsicht erstellt.
Angeklagter und erstellter Konsum stellen sich damit wie folgt dar:
ca. Juni 18 - Mitte Oktober 18:
Mitte Oktober 18 - Mitte Dezember 18: einbis zweimal pro Tag
ca. Juni 18 - Mitte Oktober 18:
Mitte Oktober 18 - Mitte Dezember 18: einmal pro Tag
ca. Juni 18 - Mitte Dezember 18: unbestimmter Konsum
Mitte Dezember 18 - 22.2.19:
ca. Juni 18 - Mitte Dezember 18: unbestimmter Konsum
Mitte Dezember 18 - 22.2.19:
Mitte Oktober 18 - 22.2.19: wöchentlich bis zweiwöchentlich
Mitte Oktober 18 - Mitte Dezember 18: zweiwöchentlich
Mitte Dezember 18 - 22.2.19: geringer Konsum resp. monatlich
Mitte Oktober 18 - 22.2.19:
Mitte Oktober 18 - 22.2.19:
Wird nicht wegen aller Delikte verurteilt, die nach Auffassung der Anklage in Tatmehrheit begangen worden sein sollen, muss soweit es nicht zu einer Einstellung kommt ein Freispruch erfolgen, um die Anklage erschöpfend zu behandeln (BGE 142 IV 378 E. 1.3 S. 381 f.). Der Beschuldigte ist vom Vorwurf teilweise freizusprechen.
Besitz und Aufbewahren von verschiedenen Betäubungsmitteln
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, am 22. Februar 2019 1.1 Gramm Kokain (Bruttogewicht) zum Eigenkonsum auf sich getragen zu haben. Weiter habe er am 23. Februar 2019 an seinem früheren Wohnort an der O. -strasse
… in Zürich ein Minigrip mit 0.5 Gramm Kokain, zwei Minigrip mit insgesamt 4.4 Gramm Haschisch, vier lose Klumpen Haschisch von insgesamt 1 Gramm, ein Minigrip mit 0.5 Gramm Heroin und ein Minigrip mit 0.3 Gramm Amphetamin (jeweils Bruttogewicht) zum Eigenkonsum aufbewahrt. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, der Vorwurf sei erstellt. Der Beschuldigte habe den angeklagten Sachverhalt in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 16. Mai 2019 eingestanden. Sein Geständnis decke sich mit den Durchsuchungsprotokollen vom 22. Februar 2019 und der Bildbeilage der Stadtpolizei Zürich (Urk. 51 S. 11 f.).
Der Beschuldigte anerkannte vor Vorinstanz, Kokain, Haschisch, Heroin und Amphetamin wie in der Anklage umschrieben zum Eigenkonsum auf sich getragen respektive in seiner Wohnung aufbewahrt zu haben (Urk. 39 S. 19). Die Verteidigung beantragte vor Vorinstanz, der Beschuldigte sei der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG, teilweise in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. b BetmG, schuldig zu sprechen (Urk. 41 S. 2).
Im Berufungsverfahren wendet sich die Verteidigung neu gegen den Schuldspruch und beantragt, der Beschuldigte sei diesbezüglich freizusprechen (Urk. 54/1 S. 4). Dieser hielt anlässlich der Berufungsverhandlung fest, er sei sich
nicht sicher, ob es sich bei 1.1 Gramm Kokain um das Bruttooder Nettogewicht gehandelt habe (Prot. II S. 23 f.).
Das Geständnis des Beschuldigten anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 16. Mai 2019 wie auch vor Vorinstanz (Urk. 2/4 S. 4 und 7 f.; Urk. 39 S. 19) stimmt mit den bei ihm sichergestellten Betäubungsmitteln überein (Urk. 5/2). Gestützt auf seine Schilderungen bestehen auch keine Zweifel, dass er wusste, was er zum Zwecke des Eigenkonsums auf sich trug und aufbewahrte. Der Anklagesachverhalt ist erstellt.
Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert wer zum eige- nen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 19 begeht, wird mit Busse bestraft (Art. 19a Ziff. 1 BetmG). Gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG macht sich strafbar, wer Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt auf an- dere Weise erlangt.
Mit dem Konsum der verschiedenen Betäubungsmitteln hat der Beschuldigte die in Art. 19a Ziff. 1 BetmG umschriebenen Übertretungen begangen. Indem er zum Eigenkonsum Betäubungsmittel auf sich trug und in seiner Wohnung aufbewahrte, besass er diese im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG. Betreffend die objektiven Tatbestandsmerkmale handelte der Beschuldigte gestützt auf das Beweisergebnis mit Wissen und Willen und damit vorsätzlich. Das Lagern und Aufbewahren ist in der Regel im Begriff des unbefugten Besitzes enthalten (F INGER- HUTH/SCHLEGEL/JUCKER, Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz, 3. Aufl. 2016,
N. 76 zu Art. 19 BetmG). Ein Lagern im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. b BetmG liegt entgegen der Vorinstanz (Urk. 51 S. 73 und 111) deshalb nicht vor.
Der Beschuldigte ist demnach schuldig zu sprechen der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG, teilweise in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG. Teilweise ist der Beschuldigte wie ausgeführt vom Vorwurf freizusprechen.
Fahren in fahrunfähigem Zustand (Dossier 2)
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, am 22. Februar 2019 unter Einfluss
von Kokain von einem unbekannten Ort in der Stadt Zürich nach P.
und
wenig später zurück nach Zürich gefahren zu sein. Die Vorinstanz kommt zusammengefasst zum Schluss, der Anklagesachverhalt sei erstellt. Der Beschul- digte habe den Vorwurf in der Untersuchung und anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung anerkannt. Auch die Verteidigung habe auf einen Schuldspruch plädiert (Urk. 51 S. 12 f.).
Im Berufungsverfahren wendet sich die Verteidigung neu gegen den Schuldspruch und beantragt, der Beschuldigte sei vom entsprechenden Vorwurf freizusprechen (Urk. 54/1 S. 4).
Der Beschuldigte räumte nach den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen wiederholt ein, vor der fraglichen Fahrt Kokain konsumiert zu haben (Urk. 2/4 S. 7, Urk. 2/6 S. 1, Urk. 2/8 S. 5, Urk. 2/9 S. 6, Urk. 39 S. 19 f.). Er stellte damit seine anfängliche Bestreitung gegenüber der Polizei (Urk. 2/1 S. 2) in ei- nem frühen Zeitpunkt der Untersuchung richtig. In der Folge bestätigte er den Vorwurf im Untersuchungs- und erstinstanzlichen Verfahren konstant. Dies hielt er auch im Berufungsverfahren so fest (Prot. II S. 25). Hinweise, dass dieses Geständnis wahrheitswidrig erfolgt wäre, sind keine ersichtlich. Vielmehr passt es mit dem Eingeständnis überein, in der Phase vor der Verhaftung täglich Kokain konsumiert zu haben (Urk. 2/5 S. 2). Vernünftige Zweifel am angeklagten Sachverhalt sind keine erkennbar.
Die Verteidigung stellt auch in Bezug auf diesen Vorwurf Verfahrensfehler in den Raum, ohne dies näher zu konkretisieren und den Antrag auf Freispruch näher zu begründen (Urk. 69 S. 37). Soweit sie sich damit auf den Standpunkt stellen sollte, das Fahren unter Kokaineinfluss respektive die Annahme einer Fahrunfähigkeit beruhe einzig auf nicht verwertbare Aussagen des Beschuldigten und sei durch weitere Beweismittel wie etwa ärztliche Untersuchungen polizeiliche Beobachtungen nicht belegt und deshalb nicht rechtsgenügend nachgewiesen, kann ihr nicht gefolgt werden.
Zwar trifft zu, dass der Vorwurf, der Beschuldigte habe im Zeitpunkt der Fahrt unter Kokaineinfluss gestanden, sich einzig auf die Aussagen des Beschuldigten stützt. Der kontrollierende Polizeibeamte beschrieb den Beschuldigten unter an- derem als unruhig mit verzögerter Reaktion und stumpfer Stimmung. Aussprache, Gang und Aussteigen aus dem Fahrzeug seien unauffällig gewesen (Urk. D2/2
S. 2). Weitere Beweismittel (wie etwa Beobachtungen durch beigezogene Ärzte in Bezug auf Anzeichen von Fahrunfähigkeit, Blut- und Urinanalysen, ärztliche Untersuchungen etc.) liegen keine vor, da der Beschuldigte eine medizinische Untersuchung verweigerte und die (zwangsweise) Blutentnahme und die Sicherstellung einer Urinprobe erst rund zehn Tage später angeordnet wurden (Urk. D2/2
S. 5 und Urk. D2/3). Damit steht insbesondere nicht fest, welche exakten Messwerte im Blut des Beschuldigten hätten nachgewiesen werden können. Gemäss Art. 2 Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) und Art. 34 lit. c der Verordnung vom 22. Mai 2008 des ASTRA zur Strassenverkehrskontrollverordnung (VSKV-ASTRA; SR 741.013.1) gilt ein Lenker als fahrunfähig bei einem Kokainmesswert im Blut von mindestens 15 µg/L. Hingegen bleiben andere Beweismittel (als eine Blutprobe) für die Feststellung der Fahrunfähigkeit vorbehalten und der Einfluss der Substanz kann auch aufgrund von Zustand und Verhalten der verdächtigten Person durch Ermittlung über den Konsum festgestellt werden (vgl. Art. 55 Abs. 4 Satz 2 SVG und Art. 17 der Verordnung vom 28. März 2007 über die Kontrolle des Strassenverkehrs [Strassenverkehrskontrollverordnung, SKV; SR 741.013]). Dabei handelt es sich um eine Wiederholung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung nach Art. 139 Abs. 1 StPO (Urteil 6B_999/2017 vom 25. April 2018 E. 1.3.3; vgl. auch BGE 127 IV 172 E. 3d S. 175 f.).
Der Beschuldigte räumte ein, etwa eine Stunde vor der Fahrt nach P. Kokain konsumiert zu haben (Urk. 2/4 S. 7, Urk. 2/8 S. 5, Urk. 2/9 S. 6). In der fraglichen Zeit (seit Mitte Dezember 2018 bis zu seiner Verhaftung) konsumierte er täglich 0.25 - 1.5 Gramm Kokain (E. II.2.6.1 vorstehend). Selbst wenn zu Gunsten des Beschuldigten angenommen wird, er habe vor der Fahrt lediglich 0.25 Gramm Kokain konsumiert, stand er unter (einem nachweisbaren) Kokaineinfluss. Die Überschreitung des Grenzwerts von 15 µg/L ist nicht zweifelhaft. Nach einer Dosis von 25 mg (0.025 Gramm) erreicht der Gehalt im Blut Spitzen von 400 - 700
µg/L. Die Plasma-Halbwertszeit von Kokain beträgt 0.7 - 1.5 Stunden (siehe Kokain und Crack: Drogenprofil, https://www.emcdda.europa.eu/publications/dru gprofiles/cocaine_de). Der Grenzwert von 15 µg/L wird mithin bereits mit einem Zehntel der vom Beschuldigten konsumierten Portion um mindestens das 25fache überschritten. Es bestehen deshalb keine Zweifel, dass im Zeitpunkt der Fahrt im Blut des Beschuldigten Kokain vorhanden und nachweisbar war. Mit dem damals täglichen Kokainkonsum und insbesondere dem Konsum unmittelbar vor der Fahrt nahm der Beschuldigte zumindest in Kauf, unter Kokaineinfluss ein Fahrzeug zu lenken.
Gemäss Art. 91 Abs. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, wer in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkoholoder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt (lit. a) aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt (lit. b).
Die Vorinstanz hat in ihrer rechtlichen Würdigung theoretische Erwägungen zum objektiven und subjektiven Tatbestand des Fahrens in fahrunfähigem Zustand gemacht und die vom Beschuldigten am 22. Februar 2019 getätigte Fahrt unter Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2 Abs. 2 lit. c VRV subsumiert (Urk. 51 S. 73). Darauf kann verwiesen werden.
Der Beschuldigte ist entsprechend schuldig zu sprechen.
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Dossier 1)
Die Vorinstanz kommt zusammengefasst zum Schluss, der angeklagte Sachverhalt sei erstellt. Der Beschuldigte habe am 22. Februar 2019 von E.
49.7 Gramm Kokain (Nettogewicht) mit einem Reinheitsgehalt von 95% (entsprechend 47.2 Gramm reines Kokain) erworben, um das Kokain mindestens teilweise gewinnbringend an Konsumenten zu verkaufen (Urk. 51 S. 50 f.).
Der Beschuldigte stellte sich vor Vorinstanz im Wesentlichen auf den Standpunkt, den Sack mit dem Kokain in der Wohnung von E. gestohlen zu haben. Er habe nicht genau gewusst, was sich im Sack befunden und wem der
Sack gehört habe. Dass darin Drogen sein würden, habe er angenommen. Die Betäubungsmittel seien für den Eigenkonsum gewesen. Was er schlussendlich mit den Drogen gemacht und ob er sie auch verschenkt verkauft hätte, kön- ne er nicht sagen. Es treffe nicht zu, dass er das Kokain von E. gekauft habe (Urk. 39 S. 14 ff.).
Anlässlich der Berufungsverhandlung wiederholte der Beschuldigte im Wesentlichen den bereits geschilderten Standpunkt (Prot. II S. 22 f.). Ergänzend führte die Verteidigung aus, der Beschuldigte sei fälschlicherweise zum Drogendealer stilisiert worden. Dieser sei im Zeitpunkt der Verhaftung ein schwerer Betäubungsmittelkonsument gewesen. Es sei hervorzuheben, dass E. die Aussagen des Beschuldigten zur Mitnahme des Sacks mit weissem Pulver durch den Beschul- digten in seiner Wohnung niemals auch nur ansatzweise bestritten habe, was aber zwingend notwendig gewesen wäre, um überhaupt als Belastung des Beschuldigten angesehen zu werden. Die Aussagen E. s erachtet die Verteidigung, soweit überhaupt verwertbar, sodann nicht als konsistent. Diese müssten zugunsten des Beschuldigten ausgelegt werden. Praktisch alle Aussagen seien mit irgendwelchen einschränkenden Begriffen behaftet und er widerspreche sich oft selber. Die einzige Konstante sei, dass er sich nicht genau erinnern könne. Es liege auf der Hand, dass wenn irgendwelche Kommissionsgeschäfte zwischen dem Beschuldigten und E. stattgefunden hätten, dazu irgendwelche Beweise existieren müssten, was aber nicht der Fall sei. Schliesslich rügt die Verteidigung eine falsche Beweiswürdigung der Vorinstanz (Urk. 69 S. 18 ff.).
Unbestritten und erstellt ist, dass der Beschuldigte am 22. Februar 2019 unter anderem einen Plastiksack Kokain auf sich trug, der aus der Wohnung von
E.
stammte (Urk. 5/2 S. 1). Das Kokain wies laut Gutachten des Forensischen Instituts Zürich (FOR) ein Nettogewicht von 49.7 Gramm und einen Reinheitsgrad von 95% auf, was rechnerisch eine Reinsubstanz von 47.2 Gramm ergibt (entgegen dem Gutachten, das eine Reinsubstanz von 47.4 Gramm berechnet, Urk. 6/9). Soweit sich die Verteidigung auf den Standpunkt stellt, vom Reingewicht sei der Vertrauensbereich von 5.5 Gramm abzuziehen (Urk. 41 S. 7; Urk. 69 S. 19), kann ihr grundsätzlich gefolgt werden. Hingegen bezieht sich der
Vertrauensbereich nicht auf das ermittelte Nettogewicht und bedeutet er nicht ei- ne Reduktion in Gramm. Vielmehr wird im Gutachten des FOR der Vertrauensbereich in Prozenten angegeben und als Unterkategorie von Gehalt [%] aufgeführt. Damit wird den Messungenauigkeiten in Bezug auf die Ermittlung des Gehalts Rechnung getragen. Dies geht auch aus der Erklärung in der Expertise hervor (Der in der Resultatübersicht angegebene Vertrauensbereich bezieht sich auf die Empfehlungen zur Angabe der Messunsicherheit für Gehaltsbestimmungen von Cocain […] in Stoffproben […]). Ein Nettogewicht von 49.7 Gramm bei einem Reinheitsgrad von 89.5% (95% ./. 5.5%) ergibt damit eine massgebende Reinsubstanz von 44.5 Gramm.
4.4.
Die Vorinstanz hat die Schilderungen von E. als glaubhaft gewürdigt und kommt zum Schluss, dass diese mit den Telefonkontakten zwischen ihm und
dem Beschuldigten in Einklang stehen. Laut E.
habe er das Kokain dem
Beschuldigten verkauft, wobei es sich um ein einmaliges Geschäft gehandelt habe. Da mehrere Personen in dessen Wohnung ein- und ausgegangen seien, hätte E. problemlos die Darstellung des Beschuldigten übernehmen können. Er hätte demnach unter anderem behaupten können, nichts mit dem Kokain zu tun gehabt zu haben dieses sei ihm gestohlen worden. Mit dem Verkaufsgeschäft habe sich E. erheblich belastet. Die Vorinstanz setzt sich mit weiteren Momenten auseinander, insbesondere mit den geschilderten Zahlungsmodalitäten und dem Umstand, dass der in der Anklage behauptete Bargeldbetrag von Fr. 3'500.-- nicht aufgefunden werden konnte (Urk. 51 S. 47 ff.).
Die vorinstanzliche Würdigung ist sorgfältig ausgefallen und kann übernommen werden. Richtig ist auch, wenn die Vorinstanz die Argumentation des Beschuldig-
ten, E.
schütze mit einer Falschaussage eine Drittperson (Urk. 39 S. 15),
verwirft. Dazu hätte E.
eben die Darstellung des Beschuldigten übernehmen die Aussage verweigern können (wie er dies in Bezug auf seinen Lieferanten auch tat, Urk. 3/2 S. 2, Urk. 3/7 S. 6). Zutreffend ist auch, dass das Fehlen des Bargeldbetrages von Fr. 3'500.--, wird ein Kommissionsgeschäft ausge-
schlossen, nicht gegen die Darstellung von E.
spricht. Dies gilt hier auch
deshalb, da zwischen der Verhaftung des Beschuldigten zusammen mit F. in Zürich und der Hausdurchsuchung von E. in P. genügend Zeit verstrich, um den Bargeldbetrag wegzuschaffen zu verstecken (Urk. 1/1 S. 1 und 4, Urk. 5/1).
In Bezug auf die Aussagen des Beschuldigten erwägt die Vorinstanz, diese seien zu Beginn der Untersuchung nicht konstant ausgefallen. Der Beschuldigte habe sich in wenig überzeugender Weise in ein gutes Licht stellen wollen. Es sei lebensfremd, dass das fragliche Kokain unbeaufsichtigt in einem Sack beim Eingang der Wohnung deponiert gewesen sei und der Beschuldigte ausgerechnet jene Person bestohlen habe, die er immer wieder zu Vorzugskonditionen chauffiert habe. Unglaubhaft sei zudem die Behauptung, das Kokain zum Eigenkonsum besessen zu haben. Zum einen habe der Beschuldigte eingeräumt, gelegentlich Kokain im Wert von Fr. 20.-bis Fr. 50.-verkauft zu haben. Zum andern werde er durch die Auskunftspersonen G. und J. in Bezug auf den Verkauf von Kokain belastet. Auch in Anbetracht seiner Sozialhilfeabhängigkeit könne ausgeschlossen werden, dass er eine solch grosse Menge an Betäubungsmitteln lediglich zum Eigenkonsum erworben habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er beabsichtigt habe, das Kokain mindestens teilweise gewinnbringend zu verkaufen (Urk. 51 S. 49 ff.). Auf diese überzeugenden Erwägungen kann vorab verwiesen werden.
Im Folgenden sind die von der Vorinstanz hervorgehobenen Punkte vereinzelt zu ergänzen. Es trifft zu, dass am 22. Februar 2019 zahlreiche telefonische Kontakte zwischen dem Beschuldigten und E. belegt sind. E. und der Beschuldigte kontaktierten sich im Laufe des genannten Tages zwischen 11 Uhr und 20 Uhr zwanzigmal (Urk. 8/10 S. 21, Urk. 8/13 S. 2 ff.). Will der Beschuldigte E. fast jeden Tag getroffen haben (sie hätten sich sehr häufig gesehen, er
habe E.
gefahren, sie hätten zusammen einen Joint geraucht, gegessen
und am Computer gespielt, Urk. 2/7 S. 5 f.), passen die zahlreichen Telefonanrufe etc. für blosse kollegiale Treffen nicht ohne Weiteres zusammen. Vielmehr stellen
sie ein Indiz dafür dar, dass der Beschuldigte E.
für andere Zwecke auf-
suchte, die er nicht offenlegen wollte. Die Abwicklung von Betäubungsmittelgeschäften ist damit mindestens denkbar. In einem ähnlichen Kontext steht, dass zwischen Oktober 2018 und Februar 2019 E. den Beschuldigten über 400 Mal telefonisch kontaktierte zu kontaktieren versuchte und in derselben Zeitspanne der Beschuldigte E. über 700 Mal telefonisch kontaktierte zu kontaktieren versuchte, was der Beschuldigte nicht in Abrede stellte (Urk. 8/9, Urk. 8/10, Urk. 8/12, Urk. 2/6 S. 7). Selbstverständlich ist hier einzig der Kokainhandel vom 22. Februar 2019 Prozessgegenstand. Über 1'100 Anrufe in weniger als fünf Monaten sind aber für blosse kollegiale Treffen zumindest aussergewöhnlich und fügen sich in das bereits skizzierte Bild (vgl. zur Genehmigung der rückwirkenden Überwachung der vom Beschuldigten und von E. verwendeten Rufnummern Urk. 8/8a und Urk. 8/8b).
Qualifiziert die Vorinstanz die Darstellung des Beschuldigten als nicht überzeugend, kann ihr ohne Weiteres gefolgt werden. Dass der Beschuldigte ein mit ei- nem Marktwert von mehreren tausend Franken unbeaufsichtigtes Pack Kokain im
Türbereich der Wohnung von E.
auffand, er diese Betäubungsmittel von
seinem Kollegen einer ihm unbekannten Person entwendete und dabei den Inhalt des Packs nicht kannte, scheint unter Würdigung der konkreten Umstände unwahrscheinlich zu sein. Gleiches gilt betreffend den behaupteten Eigenkonsum mit Blick auf die von der Vorinstanz hervorgehobenen Umstände (Verkäufe an
G.
und J.
[siehe nachfolgend], eingeräumte gelegentliche Verkäufe
von Kokain im Wert von Fr. 20.-bis Fr. 50.--, Sozialhilfeabhängigkeit des Beschuldigten). Der Beschuldigte wird zudem durch weitere Umstände belastet. In seiner Wohnung wurden diverse neue Minigrip sichergestellt, was auf den zur Last gelegten Handel und nicht wie vom Beschuldigten erklärt auf eine Münzsammlung hindeutet (Urk. 5/2 S. 2, Urk. 2/4 S. 8). Für einen Erwerb des Kokains spricht auch, dass E. wiederholt einräumte, weiteren Personen unter anderem Kokain verkauft zu haben (beispielsweise Urk. 3/9 S. 1 f., Urk. 3/10 S. 9 f., Urk. 3/11 S. 11, Urk. 3/13 S. 4). In dessen Wohnung wurde nebst weiteren Drogen und Utensilien 430 Gramm Kokain sichergestellt (Urk. 5/1 S. 3). Am selben Tag, kurz nachdem der Beschuldigte die Wohnung von E. verlassen hatte, bezogen zwei Personen vom selben Ort Marihuana und Haschisch (Urk. 1/1 S. 4, Urk. 3/11 S. 8). Auch dieses Moment ist ein (wenn auch leichtes) Indiz, dass der
Beschuldigte besagten Ort zum gleichen Zweck wie die anderen Personen respektive für den Erwerb von Betäubungsmitteln aufsuchte. Dass schliesslich auf Zetteln, die beim Beschuldigten sichergestellt wurden, gemäss Polizeirapport Telefonnummern bestbekannter Betäubungsmittelkonsumenten notiert wurden, ist gestützt auf die Akten nicht nachvollziehbar, kann aber dahingestellt bleiben (Urk. 5/4 S. 1 und 14, Urk. 1/1 S. 11). Insgesamt muss die Beweislage als erdrückend bezeichnet werden.
Die für den Weiterverkauf bestimmte Menge umschreibt die Vorinstanz als erheblicher Anteil, selbst wenn der Beschuldigte einen Teil selbst habe konsumieren wollen (Urk. 51 S. 71). Dies kann übernommen werden. Es bestehen kei- ne erheblichen Zweifel, dass der von Betäubungsmitteln und finanziell vom Sozialamt abhängige Beschuldigte (Urk. 2/1 S. 3, Urk. 2/5 S. 2, Urk. 39 S. 9) den ganz überwiegenden Anteil des Kokains verkaufen und damit seine eigene Sucht fi- nanzieren wollte. Dabei hält die Vorinstanz richtig fest, dass Menge und Reinheitsgrad nicht in erster Linie auf einen Eigenkonsum schliessen lassen. Hätte der Beschuldigte das Kokain in erster Linie für den Eigenkonsum bezogen, ist zudem nicht schlüssig, weshalb er selbst bei einem täglichen Konsum von 1.5 Gramm an einem Tag die rund 30-fache Menge bezogen hätte. Der Beschuldigte und E. trafen sich fast täglich (Urk. 2/7 S. 5). An diesem Beweisergebnis ändert entgegen der Verteidigung das Fehlen von Kundenlisten nichts (Urk. 69 S. 55).
Es liegt auf der Hand, dass der Beschuldigte wusste, was er erwarb. Es ist mithin nicht zweifelhaft, dass er das Kokain wissentlich und willentlich von
E.
bezog. Dies lässt sich letztlich auch aus der Argumentation des Beschuldigten und der Verteidigung schliessen, wonach die Betäubungsmittel für eigene Zwecke behändigt worden seien. Wer etwas mit einer bestimmten Absicht nimmt, weiss in aller Regel, was er nimmt. Keine Zweifel bestehen weiter, dass der Beschuldigte die Menge und den hohen (wenn auch nicht exakten) Reinheitsgrad kannte.
Ob in Abweichung der Vorinstanz (Urk. 51 S. 66) nicht nur eine Inkaufnahme der Gefährdung vieler Menschen bejaht werden müsste, kann dahingestellt bleiben. Zwar reicht das Bewusstsein des Täters, dass die Drogenmenge quantitativ er-
heblich ist, aus. Weiter genügt die Kenntnis, dass der Gebrauch des fraglichen Betäubungsmittels beträchtliche Schädigungen der menschlichen Gesundheit zu bewirken vermag (FINGERHUTH/SCHLEGEL/JUCKER, a.a.O., N. 201 f. zu Art. 19 BetmG). Die unscharfe Formulierung in der Anklage ([…] war sich der Beschul- digte bewusst bzw. nahm zumindest billigend in Kauf, dass die Menge […] die Gesundheit vieler Menschen gefährden konnte) umschreibt hingegen keinen direkten Vorsatz. Die vorinstanzlichen Erwägungen sind im Ergebnis zu übernehmen.
4.5. Zusammenfassend ist der anklagerelevante Sachverhalt betreffend den Kokainhandel vom 22. Februar 2019 im oben genannten Sinne erstellt.
4.6.
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe wird bestraft, wer Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt erwirbt auf andere Weise erlangt (Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG). Der Täter wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, womit eine Geldstrafe verbunden werden kann, bestraft, wenn er weiss annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann (Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG). Eine Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen liegt bei einer Kokainmenge von 18 Gramm vor, wobei die Menge des reinen Stoffs entscheidend ist (BGE 145 IV 312, Regeste und E. 2.1.3 S. 317 f.; 138 IV 100 E. 3.2 S. 103; 120
IV 334 E. 2a S. 338; 109 IV 143 E. 3b S. 145; Urteil 6B_1424/2019 vom 15. September 2020 E. 2.4.5; je mit Hinweisen).
Die Verteidigung wendet sich gegen die Qualifikation im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG. Sie argumentiert im Wesentlichen, angesichts der konkreten Umstände könne nicht von einer qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz ausgegangen werden. Eine Gefährdung einer unbestimmten Vielzahl von Personen sei ausgeschlossen. Die Qualifikation eines schweren Falles scheide aus, wenn es nur um den Eigenkonsum gehe wo allenfalls nur eine kleine Zahl von Abnehmern Betäubungsmittel erhalte. Aufgrund des zum relevanten Zeitpunkts starken Eigenkonsums des Beschuldigten sei anzunehmen,
dass mindestens drei Viertel der Menge für den Eigenkonsum bestimmt gewesen sei. Im Übrigen hätte der Beschuldigte das Kokain nur im Kollegenkreis abgegeben, das heisst einem geschlossenen Kreis von wenigen Konsumenten (Urk. 41 S. 13 f. und 24 f.; Urk. 69 S. 33 f.).
Die Argumentation der Verteidigung dringt nicht durch. Bei Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG handelt es sich um eine Widerhandlung, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann. Der Tatbestand ist als abstraktes Gefähr- dungsdelikt ausgestaltet (B ERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Vol. II,
3. Aufl. 2010, N. 76 zu Art. 19 BetmG). Führt die Verteidigung aus, der Beschul- digte habe nur einen geschlossenen Kreis von wenigen Abnehmern mit Kokain beliefert, kann ihr nicht gefolgt werden. Ihre Argumentation, der Beschuldigte hätte das Kokain nur im Kollegenkreis weiterverbreiten können, da er kein Drogen- dealer sei, ist zirkelschlüssig. Der Beschuldigte selbst hielt fest, nur selten Kokainverkäufe getätigt zu haben (Urk. 2/5 S. 4). Zum einen sind seltene Verkäufe selbstredend nicht gleichbedeutend mit einem geschlossenen Kreis von Abnehmern. Dass der Beschuldigte das Kokain ausschliesslich einzelnen Personen ver- äusserte, geht aus seinen Schilderungen nicht hervor. Zum andern ist die Beteuerung schon deshalb unwahr, weil der Beschuldigte G. in weniger als zwei Monaten sechsmal Kokain verkaufte (siehe nachfolgend). G. äusserte die Vermutung, der Beschuldigte beliefere auch weitere Personen mit Betäubungs-
mitteln (Urk. 4/33 S. 4). Laut J.
habe der Beschuldigte gross gekauft
(Urk. 4/27 S. 3). Aus diesen blossen Mutmassungen geht immerhin hervor, dass beide Käufer sich nicht als Teil eines kleinen Kollegenkreis des Beschuldigten sahen. Von einem überblickbaren kleineren Freundeskreis kann nicht gesprochen werden. Nichts für den Standpunkt des Beschuldigten abzuleiten vermag der Verteidiger mit dem Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGE 120 IV 340 und 110 IV 99). Er übersieht das Wesen des zu beurteilenden Deliktes als abstraktes Gefährdungsdelikt, bei welchem der Nachweis nicht erforderlich ist, dass die Gefahr eingetreten vom Täter gewollt war (BGE 111 IV 31). Das Bundesgericht verneinte zwar einen schweren Fall bei einem Täter, der einen kleinen Anteil der (im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG) grossen Betäubungsmittelmenge einem Freund abgegeben und den Rest für den eigenen Konsum verwendet hatte (BGE 110 IV 99). Ebenso wenig fiel unter den qualifizierten Tatbestand der Täter, der 50 Gramm gestrecktes Heroin seiner drogensüchtigen Freundin gegeben hatte. Es habe eine enge Beziehung bestanden und der Täter habe ihr aus ihrer Situation heraushelfen wollen. Bei einer solchen Konstellation, bei der die Drogen lediglich an eine bereits süchtige Bezugsperson zum eigenen gemeinsamen Konsum abgegeben werden und bei der zudem die Gewissheit bestehe, dass diese die Drogen selbst konsumiere und nicht an Dritte weitergebe, könne die abstrakte Gefahr, dass Betäubungsmittel in die Hände unbestimmt vieler, unter Umständen auch gesunder Menschen gelangen, vernachlässigt werden (BGE 120 IV 334 E. 2b/aa S. 340 f.). Dies ist bei einem offenen Kreis von Abnehmern offensichtlich nicht der Fall. Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob die Abnehmer ausschliesslich drogensüchtige Personen gewesen wären. Dies schliesst eine mittelbare unmittelbare Gefährdung der Gesundheit zweifelsohne nicht aus.
Zusammenfassend ist der Beschuldigte schuldig zu sprechen der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG.
Mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Dossier 1)
Die Vorinstanz sieht als erstellt, dass der Beschuldigte zwischen dem
29. Dezember 2018 und dem 22. Februar 2019 G.
an sechs sieben
Gelegenheiten insgesamt 4.8 bis 5.6 Gramm Kokain guter Qualität, aber mit ei- nem unbestimmten Reinheitsgehalt zum Preis von Fr. 100.-pro 0.8 Gramm Kokain verkaufte. Zudem habe der Beschuldigte in der Zeit zwischen ca. Juni 2018 und Januar 2019 J. bei drei Gelegenheiten jeweils 1 Gramm Kokain mit ei- nem unbestimmten Reinheitsgehalt zum Preis von Fr. 120.-pro Gramm verkauft (Urk. 51 S. 51 ff.).
Der Beschuldigte stellte sich vor Vorinstanz im Wesentlichen auf den Standpunkt, es stimme sicherlich, dass er mal etwas organisiert habe. Das sei unter Konsumenten üblich. Wenn ich etwas für jemanden besorgt habe, dann hat
er auch mal etwas für mich besorgt. Es sei nicht einseitig gewesen, sondern ein Geben und Nehmen (Urk. 39 S. 18 f.).
Anlässlich der Berufungsverhandlung wiederholte der Beschuldigte im Wesentlichen den bereits geschilderten Standpunkt. Ergänzend führte die Verteidigung aus, G. sehe den Beschuldigten eher als Kollegen denn als Dealer. Offensichtlich gehe es um Kollegendienste bzw. um gemeinsamen Konsum und nicht um Drogenhandel im engeren Sinne. Die in der Anklage festgehaltenen 10 Gramm Kokain seien massiv zu hoch gegriffen. Man könne maximal von der Hälf-
te, d.h. 5 Gramm Kokain (brutto) ausgehen. In Bezug auf J.
erachtet die
Verteidigung den Sachverhalt ebenfalls als nicht rechtsgenügend erstellt, da es sich aufgrund dessen Aussagen auch um weniger als drei Mal 1 Gramm Kokain gehandelt haben könnte (Urk. 69 S. 34 ff.).
Die Vorinstanz hat die Aussagen von G.
korrekt gewürdigt, worauf
verwiesen werden kann. Es trifft zu, dass G. die Verkäufe überzeugend und realitätsnah schilderte und er festhielt, das vom Beschuldigten bezogene Kokain sei von sehr guter respektive ausserordentlicher Qualität gewesen (Urk. 4/11 S. 3, Urk. 4/33 S. 3). Letzteres korrespondiert mit dem Kokain, das der Beschuldigte am 22. Februar 2019 auf sich trug. Ab 29. Dezember 2018 bis zum 22. Februar 2019 sind zudem rund 80 telefonische Kontakte Kontaktversuche an insgesamt 12 Tagen belegt (Urk. 4/11, Beilage; vgl. zur Genehmigung der rückwirken- den Überwachung der vom Beschuldigten verwendeten Rufnummer Urk. 8/8a). G. schilderte, nicht jedem telefonischen Kontakt sei ein Kokainkauf gefolgt (Urk. 4/33 S. 4). Es ist deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz gestützt auf dessen weiteren Angaben zum Schluss gelangt, dass der
Beschuldigte an sechs sieben Gelegenheiten G.
jeweils 0.8 Gramm
Kokain guter Qualität zum Preis von jeweils Fr. 100.-verkaufte. Zu Gunsten des Beschuldigten ist dabei von sechs Verkäufen zu je 0.8 Gramm auszugehen. Die Verkäufe tätigte der Beschuldigte wissentlich und willentlich.
J. schilderte im Detail die Anzahl der abgewickelten Kokaingeschäfte, die jeweils bezogene Menge, den Preis für die Betäubungsmittel und den Preis für die Lieferung. Wie die Vorinstanz unter anderem unter Hinweis auf die Einvernahme vom 24. Oktober 2019 (Urk. 4/38) richtig erwägt, sind dessen Aussagen detailliert und überzeugend ausgefallen. Richtig ist auch, wenn die Vorinstanz die Behauptung des Beschuldigten, J. nicht zu kennen, den Ergeb- nissen der rückwirkenden Teilnehmeridentifikation gegenüberstellt. 66 telefonische Kontakte Kontaktversuche zwischen dem Beschuldigten und J. innerhalb von rund drei Monaten sprechen insoweit eine klare Sprache (Urk. 4/27, Beilage).
Zusammenfassend verkaufte der Beschuldigte J. in der Zeit zwischen ca. Juni 2018 und Januar 2019 bei drei Gelegenheiten wissentlich und willentlich jeweils 1 Gramm Kokain mit einem unbestimmten Reinheitsgehalt zum Preis von Fr. 120.-pro Gramm. Der angeklagte Sachverhalt ist mit der Vorinstanz erstellt.
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe wird bestraft, wer Betäubungsmittel unter anderem unbefugt veräussert (Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG).
Die Vorinstanz hat die Kokainverkäufe zutreffend als mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG gewürdigt. Der Beschuldigte ist entsprechend schuldig zu sprechen.
Mehrfacher unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe (Dossier 3)
Der Beschuldigte bezog ab 1. Januar 2018 bis zum 22. Februar 2019 von den Sozialen Diensten der Stadt Zürich (SOD) wirtschaftliche Hilfe im Umfang von Fr. 35'531.--. Die Anklage wirft dem Beschuldigten vor, im Wissen um seine Pflicht, Änderungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu mel- den, ein Einkommen von insgesamt Fr. 8'881.25 nicht angezeigt zu haben. Dieses Einkommen habe der Beschuldigte erzielt, indem er für mehrere Personen entgeltliche Fahrten ausgeführt habe. In der irrtümlichen Annahme seiner Mittellosigkeit hätten ihm die SOD im Umfang von Fr. 8'881.25 zu viel wirtschaftliche Sozialhilfe ausbezahlt. Die Vorinstanz kommt zusammengefasst zum Schluss, der Anklagevorwurf sei zur Hauptsache erstellt. Dabei geht sie von einem Bruttogewinn von Fr. 4'350.-aus. Nach Abzug des Betriebsaufwands habe der Nettogewinn rund Fr. 3'000.-oder weniger betragen (Urk. 51 S. 53 ff. und 74 f.).
Der Beschuldigte hielt vor Vorinstanz fest, er habe die Fahrten nicht mit ei- nem gewerbsmässigen Taxi, sondern einem Privatfahrzeug ausgeführt. Er habe für die Fahrten meistens Entgelt für Benzin, Unterhalt ein Trinkgeld bekommen. Manchmal habe er für eine Fahrt auch Kokain erhalten. Das Sozialamt habe gewusst, dass er Fahrten mache und diese nicht gewinnorientiert seien. Dass er dies melde müsse, selbst wenn kein Gewinn anfallen würde, habe ihm das Sozialamt zwar gesagt. Dies sei aber bei ihm irgendwie in Vergessenheit geraten. Fahre man günstiger als ein Taxioder ein Uberfahrer, verdiene man nichts mehr (Urk. 39 S. 20 ff.).
Anlässlich der Berufungsverhandlung wiederholte der Beschuldigte im Wesentlichen den bereits geschilderten Standpunkt. Ergänzend führte die Verteidigung zusammengefasst aus, mit den Fahrten im Kollegen- und Bekanntenkreis habe der Beschuldigte kein Einkommen erzielt. Zudem habe es die Untersuchungsbehörde unterlassen, in der Anklage eine plausible Gewinnrechnung anzuführen und nachzuweisen, dass er ein Einkommen generiert habe. Die Kalkulationen der Untersuchungsbehörde seien willkürlich, nicht belegt und durch die Aussagen der verschiedenen Auskunftspersonen nicht nachgewiesen. Da der Beschuldigte kein Einkommen erzielt habe, habe er auch keine unwahren Angaben gegenüber den Sozialen Diensten der Stadt Zürich gemacht (Urk. 69 S. 38 ff.).
6.3.
Die Vorinstanz hat die Aussagen des Beschuldigten sowie von E. , G. , H. , I. , J. , K. , L. und M. in den verschiedenen Einvernahmen im Detail wiedergegeben (Urk. 51 S. 32 ff., 42 ff., 53 ff.). Um Wiederholungen zu vermeiden, kann darauf verwiesen werden.
Richtig ist, dass sämtliche Auskunftspersonen den Beschuldigten als Taxifahrer kennenlernten respektive ihn so nannten (etwa Urk. 4/27 S. 2, Urk. 4/28 S. 2, Urk. 4/12 S. 2). Die Preise für die Fahrten umschrieben die Auskunftspersonen als sehr günstig (Urk. 4/30 S. 1) respektive die Hälfte eines offiziellen Taxis (Urk. 4/32 S. 3, Urk. 4/12 S. 3). Einzig G. hielt fest, ausschliesslich bezahlt
zu haben, als der Beschuldigte noch mit eingeschaltetem Taxameter gefahren sei. Private Fahrten habe er nie bezahlt (Urk. 4/33 S. 5).
In Bezug auf die Fahrten von E. hielt der Beschuldigte fest, er habe ihn im Januar und Februar 2019 mindestens 10 Mal gefahren, insgesamt 40 Mal auch mehr, in der Zeit ab Oktober 2018 bis im Februar 2019 in einzelnen Wochen 2, 4 5 Mal (Urk. 2/4 S. 11, Urk. 2/6 S. 9, Urk. 2/7 S. 10). E. hielt fest, ab Oktober 2018 bis im Februar 2019 (bis zur Verhaftung mithin während 21 Wochen) seien es pro Woche zwei Fahrten gewesen. Der Fahrpreis habe Fr. 35.-bis Fr. 50.-betragen. Insgesamt seien es wohl weniger als 40 Fahrten gewesen (Urk. 3/7 S. 21 f.). Damit kann auf die Zugaben des Beschuldigten ab-
gestellt werden, wonach er für E.
ab Oktober 2018 bis zum 22. Februar
2019 40 Fahrten zu je mindestens Fr. 35.-mit nicht genau bestimmbaren Fahrstrecken und Fahrtdauer ausführte.
In Bezug auf die Fahrten von J.
hielt dieser fest, der Beschuldigte
habe ihn einoder zweimal gefahren zu einem Preis von Fr. 20.--. Dies sei vielleicht im Jahre 2018 gewesen (Urk. 4/38 S. 2 f.). Damit ist von einer Fahrt zu ei- nem Preis zu Fr. 20.-im Jahre 2018 auszugehen mit nicht genau bestimmbarer Fahrstrecke und Fahrtdauer.
In Bezug auf M. , L. , K. , H. und I. kann das vorinstanzliche Beweisergebnis übernommen werden. Erstellt gelten damit:
eine unbekannte Anzahl Fahrten für M. ab ca. Januar 2018 bis zum
22. Februar 2019 zu einem Preis von insgesamt ca. Fr. 1'000.-mit nicht ge- nau bestimmbaren Fahrstrecken und Fahrtdauer;
eine unbekannte Anzahl Fahrten für L.
ab September 2018 bis zum
22. Februar 2019 zu einem Preis von insgesamt ca. Fr. 400.-bis Fr. 500.-mit nicht genau bestimmbaren Fahrstrecken und Fahrtdauer;
ca. zehn Fahrten für K.
ab ca. Januar 2018 bis zum 31. Dezember
2018 zu einem Preis von insgesamt ca. Fr. 300.-bis Fr. 500.-mit nicht ge- nau bestimmbaren Fahrstrecken und Fahrtdauer;
ca. 56 Fahrten für H. ab ca. Januar 2018 bis zum 22. Februar 2019 zu einem Preis von je Fr. 15.-bis Fr. 20.-mit nicht genau bestimmbaren Fahrstrecken und Fahrtdauer;
ca. zehn Fahrten für I. ab ca. Januar 2018 bis zum 22. Februar 2019 zu einem Preis von je maximal Fr. 20.-mit nicht genau bestimmbaren Fahrstrecken und Fahrtdauer.
Die Vorinstanz gelangt zur Überzeugung, dass jeweils eine die Unkosten übersteigende Entschädigung ausgerichtet worden sei. Der Beschuldigte sei nicht umsonst gefahren, sondern habe für die Fahrten etwas verlangt und sei stets be-
zahlt worden. Es sei unglaubhaft, wenn der Beschuldigte E.
von Oktober
2018 bis Februar 2019 zweimal pro Woche gefahren und dafür kein Entgelt verlangt habe. Dabei habe es sich nicht um einen blossen Ersatz der Unkosten gehandelt (Urk. 51 S. 55 f. und 63). Insgesamt habe ein Bruttogewinn von Fr. 4'350.-
resultiert. Davon seien noch Abzüge für Benzin, Unterhalt und Verkehrssteuern zu machen. Aufgrund der tiefen Fahrpreise müsse angenommen werden, dass der Beschuldigte effektiv keinen hohen Gewinn habe erzielen können (Urk. 51
S. 65). Dieser habe sich dem Betrag von Fr. 3'000.-angenähert den Betrag unterschritten (Urk. 51 S. 75).
Im Zusammenhang mit dem laut Anklage erzielten Einkommen und der bezogenen Sozialhilfe ist zu prüfen, ob der Anklagegrundsatz gewahrt ist.
Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (vgl. Art. 350 StPO). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe im objektiven und subjektiven Bereich genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der beschul-
digten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 143 IV 63 E. 2.2 S. 65 mit Hinweisen).
Die Anklage legt dem Beschuldigten zur Last, mit mehreren entgeltlichen nicht genau bestimmbaren Fahrten ein Einkommen von insgesamt ca. Fr. 8'881.25 erzielt zu haben. In den Anträgen auf wirtschaftliche Sozialhilfe vom
24. Oktober 2017 und 8. Oktober 2018 sei der Beschuldigte auf seine Pflicht hingewiesen worden, Änderungen in seinen Einkommens- und Vermögensverhält- nissen sofort den SOD zu melden. Dieser Pflicht sei er nicht nachgekommen. Aufgrund der irrtümlichen Annahme seiner Mittellosigkeit hätten die SOD dem Beschuldigten im Umfang von ca. Fr. 8'881.25 zu viel wirtschaftliche Sozialhilfe ausbezahlt.
Damit legt die Anklage dem Beschuldigten zur Last, aufgrund eines nicht deklarierten Einkommens von Fr. 8'881.25 zu viel wirtschaftliche Sozialhilfe im gleichen Umfang ausbezahlt erhalten zu haben.
Wer jemanden durch unwahre unvollständige Angaben, durch Verschweigen von Tatsachen in anderer Weise irreführt in einem Irrtum bestärkt, sodass er ein anderer Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe bezieht, die ihm dem andern nicht zustehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr Geldstrafe bestraft (Art. 148a Abs. 1 StGB). Mit dieser Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass nur der Bezug unberechtigter Leistungen zu bestrafen ist (Botschaft vom 26. Juni 2013 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes [Umsetzung von Art. 121 Abs. 3-6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer], BBl 2013 6038 Ziff. 2.1.6 Fn. 196). Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe hat, wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann (§ 14 des Sozialhilfegesetzes vom 14. Juni 1981 [SHG; LS 851.1]). Zu den eigenen Mitteln gehören alle Einkünfte und das Vermögen unter anderem der hilfesuchenden Person (§ 16 Abs. 2 lit. a der Verordnung vom 21. Oktober 1981 zum Sozialhilfegesetz [SHV; LS 851.11]). Zu den Einnahmen zählen alle geldwerten Zuflüsse, die einer unterstützten Person zur Verfügung stehen (SKOS-Richtlinien D.1., Er-
läuterungen lit. a). Massgebend für die Bemessung von finanziellen Leistungen der Sozialhilfe ist damit (mit der Vorinstanz, die vom Bruttogewinn die Geschäfts- unkosten in Abzug bringt) der Nettoerlös. Dies korreliert hier auch mit den Leistungsentscheiden für die Zeit ab November 2017 bis Oktober 2019, welche von der Unterstützung von monatlich rund Fr. 2'500.-etwaige Einnahmen des Beschuldigten in Abzug bringen (Urk. D3/3/8-9). Fehlende falsche Auskünfte über die finanziellen Verhältnisse führen zu angemessenen Kürzungen und nicht zum Wegfall der Leistungen (§ 24 lit. a Ziff. 2 SHG).
Während die Anklage zusammengefasst auf ein Bruttoeinkommen abstellt, klammert sie die mit den fraglichen Fahrten erzielten Nettoerlöse aus. Dass der Beschuldigte einen Nettogewinn erwirtschaftete (und gegebenenfalls in welcher Höhe), wird in der Anklage nicht dargelegt und dem Beschuldigten damit nicht zur Last gelegt. In Bezug auf die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten (Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO) muss die Anklage die Sachverhaltselemente präzis und konzis umschreiben, die für eine Subsumtion der anwendbaren Straftatbestände erfor- derlich sind (H EIMGARTNER/NIGGLI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014 [nachfolgend Basler StPO-Kommentar],
N. 19 zu Art. 325 StPO). Die objektiven Merkmale des Straftatbestands, welche die beschuldigte Person erfüllt haben soll, müssen ausnahmslos mit Sachverhaltsbehauptungen umschrieben werden (LANDSHUT/BOSSHARD, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), 3. Aufl. 2020, N. 11 zu Art. 325 StPO). Objektives Sachverhaltselement von Art. 148a StGB ist unter anderem der Bezug von Leistungen, die unberechtigterweise zugesprochen wurden, respektive die schädigende Vermögensverfügung. Im Sozialversicherungsrecht ist ein Vermögensschaden gegeben, wenn der Versicherte auf die ausbezahlten Leistungen keinen Anspruch hatte (Urteil 6B_750/2012 vom 12. November 2013 E. 2.3.4, nicht publ. in BGE 140 IV 11). Dieses objektive Tatbestandsmerkmal ist nicht Gegenstand der Anklage. Nicht umschrieben werden damit auch, welche für einen Leistungsanspruch relevanten Angaben unterblieben.
Dass und in welchem Umfang der Beschuldigte ein Nettoerlös erzielt hat, wird ihm nicht generell geschweige denn in präziser Weise vorgeworfen. Die Anklage genügt damit insbesondere der Informationsfunktion nicht und der Vorwurf wurde auch nicht im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen konkretisiert (vgl. Urk. 2/6 S. 8, Urk. 2/9 S. 6). Der Beschuldigte darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (BGE 143 IV 63 E. 2.2 S. 65 mit Hinweisen). Auch die Beweise, insbesondere die Einvernahmen der verschiedenen Auskunftspersonen, enthalten keine höchstens nur vage Angaben zu den gefahrenen Strecken und keine Angaben zu den Fahrzeiten. Sie sind deshalb ungenügend. Nähere Schilderungen zu den fraglichen Fahrten im Jahre 2018 und zu Beginn von 2019, anhand derer der Aufwand des Beschuldigten berechnet werden könnte, sind keine zu erwarten. Weitere Beweismittel, die Rückschlüsse auf Geschäftsunkosten erlauben würden, liegen nicht vor. Das Verfahren ist diesbezüglich in Anwendung von Art. 329 Abs. 4 StPO einzustellen (SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 1296 Fn. 35).
Selbst wenn angenommen wird, dass mit der Bezifferung des Erwerbseinkommens der relevante Sachverhalt genügend umschrieben wird und damit die Anklage den gesetzlichen Anforderungen genügte, führte der Vorwurf nicht zu ei- ner Verurteilung. Gestützt auf die Aussagen von E. , G. , H. ,
I. , J. , K. , L.
und M.
steht nicht fest, welche Strecken der Beschuldigte zurücklegte und welcher Betriebsaufwand damit einherging (E. II.6.3 vorstehend). Der Beschuldigte fuhr laut seinen Fahrgästen sehr günstig respektive verlangte die Hälfte eines normalen Taxis. Er selbst unterstrich, man verdiene nichts mehr, fahre man günstiger als ein Uberfahrer. Als notorisch gilt, dass die Einkommenssituation von Taxifahrern im Raum Zürich schwierig bis prekär ist und die günstigeren Tarife vom Fahrdienst Uber die Situation verschärft haben. Die Angaben des Beschuldigten sind damit nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Es ist Sache des Staates, das Gegenteil rechtsgenügend nachzuweisen (Art. 10 Abs. 3 StPO). Mit Blick auf das Beweisfundament steht nicht fest, dass der Beschuldigte in der fraglichen Zeit durch die entgeltlichen nicht ge- nau bestimmbaren Fahrten einen Nettogewinn erwirtschaftete, der nicht deklariert zu einem Bezug unberechtigter Leistungen führte. Selbst bei einer genügen- den Anklage verblieben erhebliche und unüberwindbare Zweifel, dass sich der
Anklagesachverhalt tatsächlich so zugetragen hat. Der Beschuldigte wäre vom Vorwurf des mehrfachen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe freizusprechen (Dossier 3).
Anträge/Grundsätze
Die Vorinstanz bestraft den Beschuldigten mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten und einer Busse von Fr. 1'600.--.
Die Verteidigung beantragt, der Beschuldigte sei von Schuld und Strafe freizusprechen (Urk. 54/1 S. 5).
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheids (Urk. 58).
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB und die an sie gestellten Begründungsanforderungen wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59 ff. mit Hinweisen). Entsprechendes gilt für die Bil- dung der Einsatz- und der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB in Anwendung des Asperationsprinzips (BGE 144 IV 313 E. 1.1 S. 316 ff., 217 E. 2.2 und E. 3
S. 219 ff.; 141 IV 61 E. 6.1.2 S. 67 f.; je mit Hinweisen). Darauf sowie auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen (Urk. 51 S. 24 ff.) kann verwiesen wer- den.
Die Bildung einer Gesamtstrafe ist nur bei gleichartigen Strafen möglich. Ungleichartige Strafen sind kumulativ zu verhängen, da das Asperationsprinzip nur greift, wenn mehrere gleichartige Strafen ausgesprochen werden. Mehrere gleichartige Strafen liegen vor, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällen würde. Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2 S. 267 f.; 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f.; je mit
Hinweisen). Wie zu zeigen sein wird, sind für die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, die Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Fahren in fahrunfähigem Zustand jeweils Freiheitsstrafen auszufällen. Damit sind die Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe gegeben.
Ebenso steht damit fest, dass trotz Vorstrafe im Jahre 2018 keine teilweise retrospektive Konkurrenz im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB vorliegt, da dem Beschuldigten damals eine Geldstrafe auferlegt wurde. Eine Zusatzstrafe kann nur ausgesprochen werden, soweit die Strafen der neu zu beurteilenden Delikte und die Grundstrafe gleichartig sind (BGE 145 IV 1 E. 1.3 S. 8; 142 IV 265
E. 2.4.2 S. 269; je mit Hinweisen).
Das Bundesgericht unterstreicht in seiner jüngeren Rechtsprechung, dass Art. 49 Abs. 1 StGB keine Ausnahme von der konkreten Methode erlaubt. Es schliesst die Ausfällung einer Einheitsstrafe im Sinne einer Gesamtbetrachtung aus (BGE 144 IV 217 E. 3.5.4 S. 235 f. mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung wurde wiederholt bestätigt (BGE 144 IV 313 E. 1.1.2 S. 317 f. und Urteile 6B_712/2018 vom 18. Dezember 2019 E. 3.1; 6B_1033/2019 vom 4. Dezem-
ber 2019 E. 5.2 und 5.3; 6B_166/2019 vom 6. August 2019 E. 3.2.4;
6B_409/2018 vom 7. Juni 2019 E. 2.3; 6B_884/2018 vom 5. Februar 2019
E. 1.2.2). Damit sind nach der konkreten Methode für sämtliche Delikte ge- danklich Einzelstrafen zu bilden.
Wahl Sanktionsart/Strafrahmen
Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97
E. 4.2 S. 100 mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll nach konstanter Rechtsprechung bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 123; Urteil 6B_125/2018 vom 14. Juni 2018
E. 1.3.2; je mit Hinweis).
Die Geldstrafe stellt die Hauptsanktion dar (BGE 134 IV 97 E. 4.2.2 S. 101). Sie wiegt als Vermögenssanktion prinzipiell weniger schwer als ein Eingriff in die persönliche Freiheit (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 123; 134 IV 97 E. 4.2.2
S. 101, 82 E. 7.2.2 S. 90). Am Vorrang der Geldstrafe hat der Gesetzgeber im Rahmen der erneuten Revision des Sanktionenrechts entgegen der ursprünglichen Stossrichtung festgehalten (BGE 144 IV 217 E. 3.6 S. 237 f. mit Hinweisen). Art. 41 StGB statuiert diese Priorität. Eine kurze Freiheitsstrafe anstelle ei- ner Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen ist unter anderem zulässig, wenn eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten (Art. 41 Abs. 1 lit. a StGB).
Für die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz steht einzig eine Freiheitsstrafe zur Diskussion. Die Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz betreffen ebenfalls den verbotenen Umgang mit Kokain. Sie stehen zum qualifizierten Kokainhandel thematisch und (insbesondere der Verkauf an G. ) zeitlich in engem Zusammenhang. Die neun Verkäufe tätigte der Beschuldigte innerhalb einer Probezeit. Die früheren Strafverfahren, die be- dingten Geldstrafen sowie die Bussen zeitigten keine genügende Warnwirkung. Erhebliche Zweifel an der spezialpräventiven Wirkung einer Geldstrafe bestehen auch in Bezug auf das Fahren in fahrunfähigem Zustand. Auch dieses Delikt tangiert den verbotenen Umgang mit Kokain. Der Beschuldigte lenkte ein Fahrzeug, obwohl er in der fraglichen Zeit täglich Kokain konsumierte und ihm nur rund ein halbes Jahr zuvor wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand eine bedingte Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 60.-auferlegt worden war. Es scheint deshalb geboten, auch für die Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Fahren in fahrunfähigem Zustand gedanklich je Einzelfreiheitsstrafen und damit eine Gesamtfreiheitsstrafe auszufällen.
Für die Übertretungen ist eine Gesamtbusse auszufällen.
2.2. Das Gesetz sieht für die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG eine Strafandrohung von Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vor, womit eine Geldstrafe verbun- den werden kann. Für die Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19
Abs. 1 lit. c BetmG) und das Fahren in fahrunfähigem Zustand (Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG) beträgt der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe. Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe führen nur bei aussergewöhnlichen Umständen dazu, die Grenzen des ordentlichen Strafrahmens zu verlassen und sie nach oben unten zu erweitern (BGE 136 IV 55
E. 5.8 S. 63 mit Hinweisen). Strafschärfungsgründe (Deliktsmehrheit und mehrfache Tatbegehung) sind aber straferhöhend und Strafmilderungsgründe (Art. 19 Abs. 3 lit. b BetmG) strafmindernd zu berücksichtigen.
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG
Bei der Beurteilung der objektiven Tatschwere ist die Drogenmenge in der Regel ein wesentliches Strafzumessungskriterium, weil sie das Gefährdungspotential und damit das Ausmass der Rechtsgutverletzung widerspiegelt. Auch der Gesetzgeber definiert den schweren Fall in Art. 19 Abs. 2 BetmG unter anderem anhand der Drogenmenge. In der Praxis kommt diesem Kriterium häufig vorrangige ausschlaggebende Bedeutung zu. Richtigerweise kommt ihm bei der Strafzumessung eine wichtige, aber keine vorrangige Bedeutung zu. Die Strafe ist demnach nicht allein nach der Menge einer Droge, sondern auch und in erster Li- nie nach dem Verschulden des Täters zu bemessen (Urteil 6S.59/2005 vom 2. Oktober 2006 E. 7.4 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 132 IV 132). Die genaue Betäubungsmittelmenge und gegebenenfalls ihr Reinheitsgrad verlieren an Be- deutung, wenn mehrere Qualifikationsgründe gemäss Art. 19 Abs. 2 BetmG gegeben sind, und sie werden umso weniger wichtig, je deutlicher der Grenzwert im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG überschritten ist (BGE 121 IV 193 E. 2b/aa S. 196, 202 E. 2d/cc S. 206).
Massgebend ist das Verschulden, und dieses hängt wesentlich auch davon ab, in welcher Funktion der Täter am Betäubungsmittelhandel mitwirkte. So trifft den Transporteur grundsätzlich ein geringeres Verschulden als denjenigen, der diese Betäubungsmittel verkauft zum Zwecke der Weiterveräusserung erwirbt (W IPRÄCHTIGER/KELLER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2019,
N. 100 zu Art. 47 StGB). Wesentlich ist auch die Stellung des Beschuldigten in
der Hierarchie des Drogenhandels (Urteil 6B_286/2011 vom 29. August 2011
E. 3.4.1). Jedoch kann auch derjenige, der nur Anweisungen ausführt, innerhalb eines Verteilungsnetzes eine wichtige und unabdingbare Rolle spielen, was einen erheblichen strafrechtlichen Vorwurf zu begründen vermag (BGE 135 IV 191 E. 3.4 S. 195).
Liegt die angelastete Betäubungsmittelmenge ein Vielfaches über dem Grenzwert für die Annahme eines schweren Falls, darf die Menge der umgesetzten Drogen unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Gesundheitsgefährdung vieler Menschen bei der Strafzumessung zusätzlich straferhöhend berücksichtigt wer- den. Eine Verletzung des sogenannten Doppelverwertungsverbots liegt nicht vor (Urteil 6B_294/2010 vom 15. Juli 2010 E. 3.3.2 mit Hinweis; vgl. zum Doppelverwertungsverbot BGE 142 IV 14 E. 5.4 S. 17; 120 IV 67 E. 2b S. 71 f.; je mit Hinweisen).
Der Beschuldigte hat 49.7 Gramm Kokain (Nettogewicht) erworben, was bei einem Reinheitsgrad von 89.5% eine Reinsubstanz von 44.5 Gramm ergibt. Dies entspricht etwa dem 2 ½-Fachen des oben genannten Grenzwertes, was in- nerhalb des qualifizierten Tatbestandes nur leicht zusätzlich zu Buche schlägt. Zur Beurteilung steht ein einmaliges Geschäft. Eine hohe Stellung des Beschul- digten innerhalb der Drogenorganisation sowie eine hochgradige Organisation sind nicht erstellt. Vielmehr ist von einer eher untergeordneten Hierarchiestufe auszugehen. Zudem kann nicht von einem besonders raffinierten Vorgehen ausgegangen werden. Gleichwohl bedeutet der Erwerb einer entsprechenden Menge mit einem hohen Reinheitsgrad und dem Ziel, den ganz überwiegenden Anteil an Konsumenten zu verkaufen, nichts anderes, als dass der Beschuldigte das letzte, aber wichtige Bindeglied zwischen Drogenproduzenten und Drogenabnehmern darstellte. Zwar wird dem Beschuldigten weder ein langer Deliktszeitraum noch eine Vielzahl von einzelnen Handlungen zur Last gelegt. Gleichwohl offenbarte er eine nicht unerhebliche kriminelle Energie, indem er das Kokain zum Zwecke des Weiterverkaufs erwarb. Die objektive Tatschwere ist (bei einem Strafrahmen von 1 bis 20 Jahren Freiheitsstrafe) als leicht einzustufen.
3.3.
War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe (Art. 19 Abs. 2 StGB). Der Schuldvorwurf, der einem nur vermindert schuldfähigen Täter gemacht werden kann, ist verglichen mit einem voll schuldfähigen Täter geringer. Das Schuldprinzip verlangt deshalb, dass die Strafe für eine in verminderter Schuldfähigkeit begangene Tat niedriger sein muss, als wenn der Täter - unter sonst gleichen Umständen voll schuldfähig gewesen wäre. Die mil- dere Strafe ergibt sich aus dem leichteren Verschulden (BGE 136 IV 55 E. 5.5
S. 59 f. mit Hinweisen).
Das Gutachten von Dr. med. D. vom 31. März 2022 stellt eine emotional instabile, impulsive und dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung, eine Kokainabhängigkeit (ICD-10: F14.2) und einen multiplen schädlichen Substanzgebrauch (ICD-10: F19.1) fest. Der Gutachter führt einleitend aus, der Beschuldigte habe sich einer Begutachtung nicht unterziehen wollen, weshalb die diagnostische Einschätzung zurückhaltend vorgenommen werde. In der Folge beleuchtet der Experte die leibliche Ursprungsfamilie, die frühkindliche Entwicklung, die Schul- und Lehrzeit, die berufliche Entwicklung sowie die familiäre Situation des Beschuldigten als erwachsene Person. Im Jahre 2012 sei der Beschuldigte ob- dachlos geworden und habe sich in psychiatrische Behandlung begeben. Ein biographischer Knick sei wohl etwa im Jahre 2010 zu verorten. In den Jahren 2012 und 2016/2017 seien stationäre Aufenthalte in der PUK Zürich und in der Psychiatrischen Klinik Kilchberg erfolgt. Zur Diagnose zeigt der Gutachter auf, welche allgemeine Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt sein müssten. Solche Allgemeinkriterien für eine Persönlichkeitsstörung, selbst wenn Auffälligkeiten der Persönlichkeit zu bestehen schienen, könnten nicht sicher bejaht werden. Deshalb werde von einer Persönlichkeitsakzentuierung mit impulsiven und dissozialen Zügen ausgegangen. Basierend auf den Konsumangaben des Beschuldigten und einer Haaranalyse im Jahre 2019 sei von einer Kokainabhängigkeit und einem schädlichen Gebrauch weiterer Drogen auszugehen. PTSD (posttraumatische Belastungsstörung), ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), Phobien, Zwänge sowie ausgeprägte depressive manische Phasen bestünden nicht. Zur Schuldfähigkeit wird in der Expertise weiter festgehalten, Hinweise für
eine Einschränkung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit seien nicht erkennbar. Die Persönlichkeitsakzentuierung, die Kokainabhängigkeit und der deutliche Konsum diverser Drogen liessen nicht den Schluss zu, dass bereits eine relevante Einschränkung bestanden habe. Die Einsicht in das Unrecht dürfte aufgrund des Erfahrungswissens gegeben gewesen sein. Ebenso wenig sei erkennbar, dass die Steuerung zu den fraglichen Handlungen beeinträchtigt gewesen wäre. Bezüglich aller Vorwürfe betreffend das Betäubungsmittelgesetz sei von einer erhaltenen Schuldfähigkeit auszugehen. Gleiches gelte in Bezug auf das Fahren in fahrunfähigem Zustand und den unrechtmässigen Bezug von Sozialhilfe (Urk. 91 S. 22 ff.).
Dr. med. D. hält in Beantwortung der Gutachterfragen rekapitulierend fest, der Beschuldigte sei bei sämtlichen Tatvorwürfen bezüglich Einsicht als auch Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen. Die genannten Diagnosen hätten wie auch weitere Faktoren (finanzielle Knappheit, Nähe einer dysfunktionalen drogenkonsumierenden Peer-Group) zwar die Tatbegehungen begünstigt. Sie würden aber die Annahme einer Minderung von Einsicht und Steuerung nicht rechtfertigen. Zudem bestehe ein einschlägiges Erfahrungswissen betreffend Verstösse gegen das BetmG und SVG. Beim unrechtmässigen Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung handle es sich weiter um ein Geschehen, das ei- ne entsprechende Kontrolle, eine Übersicht und ein dosiertes Vorgehen verlange (Urk. 91 S. 30).
Das Gericht würdigt Gutachten grundsätzlich frei. In Fachfragen darf es davon indessen nicht ohne triftige Gründe abweichen, und Abweichungen müssen begründet werden. Ein Abweichen ist zulässig, wenn die Glaubwürdigkeit des Gutachtens durch die Umstände ernsthaft erschüttert ist. Umgekehrt kann das Abstellen auf nicht schlüssige Gutachten unter Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Willkürverbot und gegen Verfahrensrechte der Parteien verstossen (BGE 142 IV 49 E. 2.1.3 S. 53; 141 IV 369 E. 6.1 S. 372
f.; 140 II 334 E. 3 S. 338; je mit Hinweisen).
Soweit der Beschuldigte Kritik gegen die gutachterlichen Ausführungen erhebt, tut er dies ausdrücklich nur im Rahmen einer Eventualbegründung für den Fall, dass
das Gericht eine Massnahme anordnen würde (vgl. Urk. 97 S. 3). Wie noch zu zeigen sein wird, steht eine erstmalige Anordnung einer Massnahme im Berufungsverfahren nicht zur Diskussion (E. VI nachfolgend). Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Expertise von Dr. med. D. überzeugend ausfällt. Unbegründet ist die Kritik, ein Aktengutachten sei nicht zulässig gewesen, da unter anderem die aus den Akten abgeleiteten medizinischen Informationen aus zweiter und dritter Hand stammten und nicht geeignet seien, hinreichend substanziierte Feststellungen zu erlauben (Urk. 97 S. 3 f.). Nach der Rechtsprechung ist es in erster Li- nie Aufgabe des angefragten Sachverständigen zu beurteilen, ob sich ein Aktengutachten ausnahmsweise verantworten lässt (BGE 146 IV 1 E. 3.2.2 S. 7; 127 I 54 E. 2e f. S. 57 f.). Wie weit sich ein Sachverständiger gestützt auf die Aktenlage festlegen kann und will, wenn keine persönliche Untersuchung stattfinden konnte, ist bis zu einem gewissen Grad seinem gutachterlichen Ermessen überlassen (BGE 146 IV 1 E. 3.2.4 S. 8; Urteil 6B_1165/2019 vom 30. Januar 2020 E. 1.4).
Dass der Gutachter dieses Ermessen verletzt hätte, ist weder aufgezeigt noch erkennbar.
Die Schlussfolgerungen in der Expertise einer Persönlichkeitsakzentuierung mit impulsiven und dissozialen Zügen, einer Kokainabhängigkeit und eines multiplen schädlichen Substanzgebrauchs unterlegt der Gutachter unter anderem, indem er die Biographie des Beschuldigten, die Jahre ab der Familiengründung 2007, den biographischen Knick ab 2010, die Beschreibungen durch frühere Therapeuten, die stationären Aufenthalte in Psychiatrischen Kliniken, die früher gestellten Diag- nosen, die Vorakten der Kantonspolizei zu Betäubungsmitteldelikten, die Haaranalyse im 2019 sowie die Angaben des Beschuldigten zu seinen Konsumvorlieben beleuchtet. Dabei legt der Gutachter dar, weshalb die Datenlage trotz Auffälligkeiten in der Persönlichkeit den Schluss auf eine Persönlichkeitsstörung nicht zulässt und von einer Persönlichkeitsakzentuierung auszugehen ist. Das Aktengutachten zeichnet insgesamt und unter Berücksichtigung der dem Experten zur Verfügung stehenden Informationen ein differenziertes Bild. Die Schlussfolgerungen leuchten ein. Die Kritik der Verteidigung etwa, der Gutachter diagnostiziere die Kokainabhängigkeit und den multiplen schädlichen Substanzgebrauch ohne Wiedergabe der einschlägigen Eingangskriterien (Urk. 97 S. 4 f.), vermag die
Überzeugungskraft der Expertise nicht zu erschüttern. Im Übrigen unterstrich selbst die Verteidigung, der Beschuldigte sei ein langjähriger und schwerer Betäubungsmittelkonsument (Urk. 69 S. 18, 21, 33, 52 und 55). Nicht entscheidend ist, dass die Diagnosen nicht mit letzter Sicherheit gestellt werden können. Diesen Umstand hat der Beschuldigte, welcher sich weigerte, sich für die Untersuchungen zur Verfügung zu stellen, selbst zu vertreten. Er trägt trotz des im Gesetz verankerten Begutachtungsobligatoriums letztlich die Konsequenzen seiner fehlenden Mitwirkung, zumal er gegen seinen Willen nicht zur Teilnahme an der Begutachtung gezwungen werden kann (Urteil 6B_1165_2019 vom 30. Januar 2020
E. 1.8.2 mit Hinweisen). Weiter fällt die Herleitung dissozialer Züge im Gutachten entgegen der Verteidigung überzeugend und nicht etwa zirkelschlüssig aus. Triftige Gründe, welche ein Abweichen vom Gutachten erforderlich machen würden, werden schliesslich auch in Bezug auf die festgestellte Schuldfähigkeit nicht aufgezeigt. Von einem Kontrollverlust ist selbst in der von der Verteidigung wiedergegebenen Definition keine Rede (Urk. 97 S. 5 f.). Gewichtige Umstände, welche die gutachterlichen Schlussfolgerungen betreffend tatbegünstigende, nicht aber die Schuldfähigkeit einschränkende Faktoren in Frage stellen könnten, vermag der Beschuldigte nicht darzutun.
Zusammenfassend ist die gutachterliche Beurteilung einer erhaltenen Schuldfähigkeit zu übernehmen.
Bei der Würdigung der subjektiven Tatschwere gilt damit Folgendes. Der Beschuldigte wusste, dass es sich um Kokain handelte. Er kannte die Menge sowie den hohen (wenn auch nicht exakten) Reinheitsgrad und er wollte den überwiegenden Anteil der Betäubungsmittel verkaufen. Die Gefährdung vieler Menschen nahm er in Kauf. In der fraglichen Zeit lebte er vom Sozialamt. Mit Blick auf die ihm gewährte Unterstützung von monatlich rund Fr. 2'500.-- (Urk. D3/3/8-9) befand er sich in engen finanziellen Verhältnissen. Gleichwohl waren ihm Hobbys wie Ski- und Snowboardfahren sowie Wakeboarden möglich (Urk. 39 S. 13). Insgesamt kann eine finanzielle Notlage, welche auf eine erheblich reduzierte Entscheidungsfreiheit schliessen liesse und den Beschuldigten zum deliktischen Verhalten getrieben hätte, nicht ausgemacht werden.
Anders zu beurteilen ist der eigene Betäubungsmittelkonsum und die damit einhergehende Beschaffungskriminalität. Je leichter es für den Täter gewesen wäre, die von ihm übertretene Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt seine Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 127 IV 101 E. 2a S. 103 mit Hinweis). Bei den inneren Umständen ist unter anderem an psychische Störungen zu denken, die noch unterhalb der Schwelle der Verminderung der Schuldfähigkeit liegen ( STRATENWERTH/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Strafen und Massnahmen, 3. Aufl. 2020, § 5 N. 35). Das Gutachten von Dr. med.
D.
stellt wie ausgeführt eine emotional instabile, impulsive und dissoziale
Persönlichkeitsakzentuierung, eine Kokainabhängigkeit (ICD-10: F14.2) und einen multiplen schädlichen Substanzgebrauch (ICD-10: F19.1) fest. Wenngleich der Gutachter eine Verminderung der Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit ausschliesst, hält er fest, dass sich die Persönlichkeitsakzentuierung und die Suchtmittelproblematik tatbegünstigend ausgewirkt haben (Urk. 91 S. 24 ff.). Diesem Umstand trägt die Vorinstanz zutreffend strafmindernd Rechnung (vgl. Urteil 6B_608/2011 vom 26. April 2012 E. 3). Damit vermögen die Elemente der subjektiven Tatkomponente die objektive Tatschwere leicht zu relativieren (vgl. auch Art. 19 Abs. 3 lit. b BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 BetmG).
Bei einer Gesamtbetrachtung wird die objektive Tatschwere durch die Elemente der subjektiven Tatkomponente leicht relativiert. Dies führt zu einem Gesamtverschulden, welches unter Berücksichtigung aller denkbaren Betäubungsmitteldelikte als leicht zu bezeichnen ist. Damit rechtfertigt es sich, die Einsatzstrafe mit der Vorinstanz im unteren Bereich des unteren Strafrahmen- drittels auf 16 Monate festzusetzen.
Mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Dossier 1)
Der Beschuldigte verkaufte J. in der Zeit zwischen ca. Juni 2018 und Januar 2019 bei drei Gelegenheiten jeweils 1 Gramm Kokain mit einem unbestimmten Reinheitsgehalt zum Preis von Fr. 120.-pro Gramm. In der Zeit zwi-
schen ca. 29. Dezember 2018 und 22. Februar 2019 verkaufte er G.
bei
sechs Gelegenheiten jeweils 0.8 Gramm Kokain guter Qualität zum Preis von Fr. 100.-pro 0.8 Gramm. Für eine Schätzung des Reinheitsgrads kann auf die
durchschnittliche Qualität des in den Handel gelangenden Kokains abgestellt werden (BGE 138 IV 100 E. 3 S. 105; Urteil 6B_237/2018 vom 24. August 2018
E. 1.4.1). Darauf verweist die Vorinstanz zutreffend, wobei ihre Erwägungen zu präzisieren sind (Urk. 51 S. 68). Der Mittelwert von Kokain-Hydrochlorid betrug im Jahre 2018 bei Mengen von weniger als 1 Gramm 70% und bei Mengen von 1 <
10 Gramm 65% (für das Jahr 2009 66.8% respektive 70.2%; vgl. https://www.sgrm.ch/de/forensische-chemie-und-toxikologie/fachgruppe forensische-chemie/statistiken-kokain-und-heroin/). Der Beschuldigte verkaufte
J.
drei Portionen zu 1 Gramm mit mindestens 65% Reinheitsgehalt und
G. sechs Portionen zu 0.8 Gramm mit mindestens 66.8% Reinheitsgehalt.
Damit tätigte der Beschuldigte in vergleichbarer Weise drei Verkaufsgeschäfte mit je 0.65 Gramm reinem Kokain und sechs Verkaufsgeschäfte mit je 0.53 Gramm reinem Kokain.
In subjektiver Hinsicht ist bei allen neun Vorfällen von direktem Vorsatz auszugehen. Betreffend die finanzielle Notlage und Beschaffungskriminalität kann auf das bereits Ausgeführte verwiesen werden. Damit vermögen die Elemente der subjektiven Tatkomponente die objektive Tatschwere leicht zu relativieren.
Bei den einzelnen Vorfällen ist (unter Berücksichtigung aller denkbaren Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz) jeweils von einem leichten Verschulden auszugehen. Die einzelnen Mengen von 0.65 und 0.53 reinem Kokain sind vergleichbar. Für ein einzelnes Verkaufsgeschäft ist gedanklich eine Freiheitsstrafe von zehn Tagen festzulegen. Die Einsatzstrafe ist neunmal mit rund sieben Tagen und insgesamt um zwei Monate zu asperieren.
Fahren in fahrunfähigem Zustand (Dossier 2)
Der Beschuldigte lenkte am 22. Februar 2019 nach dem Konsum von Kokain einen Personenwagen. Die zurückgelegten Strecken führten von einem un-
bekannten Ort in der Stadt Zürich zur Liegenschaft Q.
[Strasse] … in
P. und wenig später von dort bis zur R. -strasse … in Zürich. Der direkte Rückweg beträgt rund 13 Kilometer. Die Fahrten erfolgten im Februar an einem Freitagabend ab ca. 19 Uhr und damit auf einer stark befahrenen Strecke nach Einbruch der Dunkelheit. Der Beschuldigte nahm in Kauf, unter Kokaineinfluss ein Fahrzeug zu lenken.
Selbst wenn die tatsächlich konsumierte Menge Kokain unbekannt ist, ist das Gesamtverschulden als nicht mehr leicht zu bezeichnen.
Merklich straferhöhend wirken sich die einschlägige Vorstrafe vom 23. Juli 2018 (Urk. 100) und das Delinquieren während laufender Probezeit aus. Das Geständnis (Urk. 2/4 S. 7) ist merklich strafmindernd zu berücksichtigen, da der Vorwurf mit der Verteidigung (Urk. 69 S. 67) und entgegen der Vorinstanz mangels objektiver Beweismittel ganz wesentlich auf den Aussagen des Beschuldigten beruht (Urk. 51 S. 94; vgl. E. II.3.3 und 3.4).
Die Fahrt in fahrunfähigem Zustand wäre mit einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Monaten zu ahnden. Die Einsatzstrafe ist um einen Monat zu erhöhen.
Mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Dossier 1)
Der Beschuldigte trug 1.1 Gramm Kokain (Bruttogewicht) für den Eigenkonsum auf sich und bewahrte zum selben Zweck in seiner Wohnung verschiedene Betäubungsmittel auf (0.5 Gramm Kokain, 5.4 Gramm Haschisch, 0.5 Gramm Heroin und 0.3 Gramm Amphetamin; jeweils Bruttogewicht). Er konsumierte zahlreiche Betäubungsmittel (Kokain, Heroin, Haschisch respektive Marihuana, LSD, GHB, GBL und Amphetamin) während mehrerer Monate. Die Vorinstanz hält fest, der Beschuldigte habe beträchtliche Mengen von harten Drogen (teilweise täglich) über einen längeren Zeitraum konsumiert. Er habe direktvorsätzlich gehandelt und es sei insgesamt von einem keinesfalls leichten Verschulden auszugehen (Urk. 51 S. 89 f.). Diese Erwägungen können übernommen werden.
Infolge mehrfacher Tatbegehung ist eine Gesamtbusse auszufällen (Art. 49 Abs. 1 StGB), wobei die Festsetzung einer Strafe für die schwerste Tat und die Asperation für die einzelnen Konsumationen nicht praktikabel ist. Vielmehr drängt sich aufgrund der zahlreichen Delikte eine Gesamtbetrachtung auf. Der Höchstbetrag der Busse beträgt Fr. 10'000.-- (Art. 26 BetmG, Art. 333 Abs. 3 StGB,
Art. 106 Abs. 1 BetmG). Leicht straferhöhend wirken sich die Vorstrafe und der Konsum während laufender Probezeit aus. Der Beschuldigte gestand den Konsum der verschiedenen Betäubungsmittel ein, was zu einer Strafminderung führt. Lediglich leicht wirkt sich das Geständnis in Bezug auf den Besitz der Betäubungsmittel aus. Diese wurden beim Beschuldigten sichergestellt, weshalb die Beweislage erdrückend war (Urk. 5/2). Weiter sind für die Bemessung der Busse die Verhältnisse des Beschuldigten relevant (Art. 106 Abs. 3 StGB). Der Beschul- digte hielt vor Vorinstanz fest, er werde seit ca. vier Jahren vom Sozialamt unterstützt. Weitere Einkünfte habe er nicht. Er habe keine Ersparnisse und Schulden von rund Fr. 40'000.-- (Urk. 39 S. 9 ff.).
In Nachachtung der aufgeführten Momente erscheint eine Busse von Fr. 500.-als angemessen.
Zwischenfazit
Die Freiheitsstrafe von 16 Monaten als Einsatzstrafe ist auf 19 Monate zu asperieren. Die Gesamtbusse ist auf Fr. 500.-festzusetzen.
Täterkomponente etc.
Die Vorinstanz hält zusammengefasst fest, der Beschuldigte sei in der Schweiz geboren und habe zwei Schwestern. Sein Sohn (2007) und seine Tochter (2010) stünden seit der Scheidung im Jahre 2019 unter der Obhut der Mutter. Beide Eltern hätten die elterliche Sorge inne. Der Beschuldigte sei in Zürich aufgewachsen und habe hier die Schulen und seine Ausbildung absolviert. Nach der Sekundarschule habe er eine Lehre als Radio- und Fernsehelektriker abgeschlossen. Der Beschuldigte habe kurz auf dem erlernten Beruf gearbeitet, eine Weiterbildung gemacht und sei darauf bei S. im internen Support tätig gewesen. Nach seiner Entlassung habe er als Taxifahrer gearbeitet, zuletzt selbständig mit geliehenen Fahrzeugen. Der Beschuldigte habe kein Vermögen und Schulden in der Höhe von rund Fr. 40'000.-- (Urk. 51 S. 91 f.). Diese Erwägungen können übernommen werden. Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hielt der Beschuldigte zudem fest, er werde seit rund vier Jahren vom Sozialamt
unterstützt, habe keine weiteren Einkünfte und sei auf Stellensuche (Urk. 39 S. 9 f.). Ergänzend bzw. aktualisierend führte der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung aus, mit seiner Ex-Frau noch ein weiteres Kind gehabt zu haben, welches jedoch zwei Monate nach der Geburt verstorben sei. Zudem habe er eine Stieftochter, die Tochter seiner Ex-Frau aus früherer Ehe. Seine Kinder würden alle zwei Wochen bei ihm übernachten und sein Sohn besuche ihn teilweise vierbis fünfmal unter der Woche. In Bezug auf seine finanzielle Situation hielt er fest, er könne nicht genau sagen, wie hoch seine Schulden seien. Es könne auch Fr. 60'000.– Fr. 80'000.– sein (Prot. II S. 11, S. 15 f.).
Aus den persönlichen Verhältnissen ergibt sich nichts für die Strafzumessung Relevantes.
Soweit der Beschuldigte aufgrund seiner Kinder eine erhöhte Strafempfindlichkeit behauptet (Prot. II S. 31), kann ihm nicht gefolgt werden. Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass jedes Strafverfahren neben dem Schuldspruch und der Sanktion zusätzliche Belastungen mit sich bringt. Einschränkungen im sozialen und beruflichen Umfeld sind eine gesetzmässige Folge jeder freiheitsbeschränkenden Sanktion (Urteil 6B_301/2019 vom 17. September 2019 E. 1.4.1 mit Hinweisen). Aussergewöhnliche Umstände, die das durchschnittliche Mass übersteigen, sind beim Beschuldigten nicht gegeben (vgl. zur Strafempfindlichkeit von Tätern als Eltern kleiner Kinder: Urteile 6B_364/2014 vom 30. Juni 2014 E. 2.4; 6B_243/2016 vom 8. September 2016 E. 3.4.2; 6B_681/2013 vom 26. Mai
2014 E. 1.3.4).
Am 23. Juli 2018 wurde der Beschuldigte von der Staatsanwaltschaft Frauenfeld wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu einer bedingten Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 60.-- und einer Busse von Fr. 800.-verurteilt (Urk. 65). Diese Vorstrafe wurde bereits (beim Fahren in fahrunfähigem Zustand und bei der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes) Rechnung getragen. Darüber hinaus fällt sie nicht zusätzlich ins Gewicht, weshalb von einer weiteren Straferhöhung aufgrund der Vorstrafen abzusehen ist.
Soweit der Beschuldigte seine Taten teilweise eingestand, fand auch dies bereits im Rahmen der Einzelstrafen Erwähnung.
Die Rüge der Verletzung des in Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 14 Ziff. 3 lit. c UNO-Pakt II und Art. 5 StPO geregelten Beschleunigungsgebots dringt nicht durch (vgl. dazu BGE 143 IV 49 E. 1.8.2 S. 61 mit Hinweisen). Untersuchungs- und Gerichtsverfahren geben unter diesem Titel zu keinen Bemerkungen Anlass. Inwiefern die Verfahrensdauer unzulässig lang eigentliche Bearbeitungslücken vorliegen sollten, ist nicht erkennbar. Die Verteidigung belässt es damit, die Kritik zu erheben, ohne sie auch nur im Ansatz zu begrün- den (Urk. 69 S. 62).
Zusammenfassung
Der Beschuldigte ist zu bestrafen mit einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten und einer Busse von Fr. 500.--. Die erstandene Haft von 208 Tagen ist anzurech- nen (Art. 51 StGB).
Für den Fall, dass die Busse schuldhaft nicht bezahlt wird, ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen auszusprechen (Art. 106 Abs. 2 StGB).
1.
Nach Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. Für den bedingten Vollzug nach Art. 42 Abs. 1 StGB genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, das heisst die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2 S. 5 f.). Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen (vgl. dazu im Einzelnen BGE 134 IV 1 E. 4.2.1 S. 5 mit Hinweisen; zur zwingenden
Beachtung der Warnungswirkung der zu vollziehenden Strafe BGE 134 IV 140
E. 4.5 S. 144 mit Hinweisen).
Nach Art. 43 Abs. 1 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Die teilbedingte Strafe ist als Mittellösung zwischen dem vollständigen Aufschub der Strafe und deren Vollzug eingeführt worden. Grundvoraussetzung für eine teilbedingte Strafe gemäss Art. 43 StGB ist wie bei Art. 42 StGB, dass die Legalprognose des Täters nicht schlecht ausfällt. Der Hauptanwendungsbereich der teilbedingten Strafe liegt bei Freiheitsstrafen zwischen zwei und drei Jahren. Fällt die Legalprognose nicht negativ aus, tritt der teilbedingte Freiheitsentzug an die Stelle des in diesem Bereich nicht mehr möglichen vollbedingten Strafvollzuges (BGE 144 IV 277 E. 3.1.1 S. 280 f. mit Hinweisen). Im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42 und Art. 43 StGB zwischen einem und zwei Jahren Freiheitsstrafe ist hingegen der (vollständige) Strafaufschub die Regel. Der teilbedingte Vollzug kommt nur (subsidiär) zur Anwendung, wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird. Ergeben sich insbesondere aufgrund früherer Verurteilungen ganz erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters, ermöglicht der Teilvollzug für die Zukunft eine bessere Prognose. Das Gericht kann mit Hilfe der teilbedingten Strafe im Bereich höchst ungewisser Prognosen dem Dilemma Alles Nichts entgehen. Erforderlich ist aber stets, dass der teilweise Strafvollzug einerseits eine günstige Legalprognose erlaubt und anderseits für die Erhöhung der Bewährungsaussichten unumgänglich erscheint. Besteht hingegen keinerlei Aussicht, dass der Täter sich durch den
ganz teilweise gewährten Strafaufschub im Hinblick auf sein zukünftiges Legalverhalten positiv beeinflussen lässt, ist die Strafe in voller Länge zu vollziehen (BGE 144 IV 277 E. 3.1.1 S. 280 f. mit Hinweisen).
Die auszufällende Freiheitsstrafe von 19 Monaten bewegt sich im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42 und Art. 43 StGB, in dem der (vollständige) Strafaufschub die Regel ist. Der Beschuldigte wurde im Jahre 2018
wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand mit einer bedingten Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 60.-- und einer Busse von Fr. 800.-bestraft. Zwar trifft laut Vor-instanz zu, dass der Beschuldigte mehrheitlich nicht geständig ist und damit keine Reue Einsicht erkennen lässt. Hingegen betrifft die Vorstrafe eine be- dingte Geldstrafe. Das frühere Delikt bewegt sich mit Blick auf die geringen Strafmasse im leichteren Bereich. Die letzte Verurteilung liegt knapp drei Jahre zurück. Dass sich der Beschuldigte seit den heute zu beurteilenden Taten bewährt hat, vermag die in der Zwischenzeit erfolgte Eröffnung einer Strafuntersuchung nicht ernsthaft in Frage zu stellen (Urk. 100). Insgesamt fällt die Beurteilung der Prognose zu Gunsten des Beschuldigten aus. Es ist davon auszugehen, dass das vorliegende Strafverfahren, die heute auszufällende Freiheitsstrafe und insbesondere der lange Freiheitsentzug von 208 Tagen den Beschuldigten ge- nügend beeindruckt haben. Auch die frühere zu widerrufende Geldstrafe (siehe nachfolgend) ist mit Blick auf die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten spürbar. Insgesamt sind die genannten Umstände ausreichend, um dem Beschuldigten den Ernst der Lage deutlich zu machen und das Fehlen einer ungünstigen Prognose anzunehmen. Letzten Zweifeln ist mit einer Probezeit von vier Jahren zu begegnen. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist damit entgegen der Vorinstanz aufzuschieben.
1.
Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so wi- derruft das Gericht gemäss Art. 46 Abs. 1 StGB die bedingte Strafe den be- dingten Teil der Strafe. Ist nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung auf einen Widerruf. Es kann den Verurteilten verwarnen die Probezeit um höchstens die Hälfte der im Urteil festgesetzten Dauer verlängern.
Der Beschuldigte wurde während der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Frauenfeld am 23. Juli 2018 festgesetzten zweijährigen Probezeit mehrfach
und teilweise einschlägig straffällig. Die Vorinstanz schätzt die Bewährungsaussichten als negativ ein. Auf ihre Erwägungen kann verwiesen werden (Urk. 51
S. 97). Es ist daher der nachträgliche Vollzug der bedingt ausgesprochenen Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 60.– anzuordnen, was innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt (vgl. Art. 46 Abs. 5 StGB).
Eine stationäre Massnahme ordnete die Vorinstanz nicht an. Eine Berufung der Staatsanwaltschaft liegt nicht vor. Die erstmalige Anordnung einer Massnahme im Berufungsverfahren würde das Verschlechterungsverbot im Sinne von Art. 391 Abs. 2 StPO verletzen (BGE 148 IV 89 E. 4.4 S. 94 f.).
1.
Die Zwangsmassnahme der Beschlagnahme ist in Art. 263 ff. StPO geregelt. Gemäss Art. 263 Abs. 1 StPO können Gegenstände und Vermögenswerte einer beschuldigten Person einer Drittperson beschlagnahmt wer- den, wenn die Gegenstände und Vermögenswerte voraussichtlich zur Sicherstellung von Verfahrenskosten, Geldstrafen, Bussen und Entschädigungen gebraucht werden (lit. b; vgl. auch Art. 268 StPO) wenn sie voraussichtlich einzuziehen sind (lit. d; sogenannte Einziehungsbeschlagnahme). Eine weitere Beschlagnahme regelt das Strafgesetzbuch in Art. 71 Abs. 3 StGB im Zusammenhang mit der Ersatzforderung (sogenannte Ersatzforderungsbeschlagnahme). Ist die Beschlagnahme eines Gegenstands Vermögenswertes nicht vorher aufgehoben worden, so ist über seine Rückgabe an die berechtigte Person, seine Verwendung zur Kostendeckung über seine Einziehung im Endentscheid zu befinden (Art. 267 Abs. 3 StPO). Die Einziehung deliktischer Gegenstände und Vermögenswerte ist in Art. 69 ff. StGB geregelt.
Die beim Beschuldigten beschlagnahmten Barschaften von Fr. 380.-- und Fr. 354.40 (EUR 320.--; Urk. 12/1 und Urk. 5/7-8) sind mit der Vorinstanz
zur teilweisen Deckung der Verfahrenskosten zu verwenden. Beim vorinstanzlichen Hinweis auf den Betrag von EUR 350.-handelt es sich um einen Verschrieb.
Die Vorinstanz zieht verschiedene Gegenstände ein (3 SIM-Karten [Lebara, Sunrise und Yallo], 1 Mobiltelefon iPhone, 1 Mobiltelefon Nokia C2, 3 SIM- Karten [Yallo und Lycamobile], 1 Mobiltelefon Samsung 3, 1 Mobiltelefon Sams- ung) und ordnet deren Vernichtung an (Urk. 51 S. 108 f. und Dispositivziffer 7).
Sämtliche Gegenstände wurden in Anwendung von Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO allein zu Beweiszwecken beschlagnahmt (Urk. 12/1 und Urk. 26 S. 11). Ein Deliktskonnex und eine konkrete Gefährdung werden nicht behauptet, weshalb eine Einziehung gestützt auf Art. 69 StGB ausgeschlossen ist. Ein reines Beweismittel ist stets zurückzugeben (B OMMER/GOLDSCHMID, in: Basler StPO-Kommentar, a.a.O.,
N. 8 f. zu Art. 267 StPO). Die Gegenstände sind deshalb entgegen der Vorinstanz an den Beschuldigten zurückzugeben.
Kostenfolgen im erstinstanzlichen Verfahren
Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung ist wie ausgeführt in Rechtskraft erwachsen (Dispositivziffer 12). Das Verfahren betreffend mehrfachen unrechtmässigen Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe (Dossier 3) ist einzustellen. Die beschuldigte Person trägt gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Wird sie nur teilweise schuldig gesprochen, sind ihr die Verfahrenskosten grundsätzlich nur anteilsmässig aufzuerlegen. Der beschuldigten Person können die gesamten Kosten des Untersuchungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens auferlegt werden, wenn die ihr zur Last gelegten Handlungen in einem engen und direkten Zusammenhang stehen und alle Untersuchungshandlungen hinsichtlich jedes Anklagepunkts notwendig waren (Urteil 6B_115/2019 vom 15. Mai 2019 E. 4.3 mit Hinweisen). Ein einheitlicher Sachverhaltskomplex liegt hier nicht vor. Die entsprechenden Verfahrenskosten sind auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 423 StPO). Es rechtfertigt sich,
die erstinstanzliche Gerichtsgebühr (Fr. 5'400.--), die Gebühr für die Strafuntersuchung (Fr. 2'100.--) und die Auslagen in der Untersuchung (Fr. 3'445.--) zu zwei Dritteln dem Beschuldigten aufzuerlegen und zu einem Drittel auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die weiteren erstinstanzlichen Kosten stehen im Zusammenhang mit dem Kokainhandel, so die Auslagen für Gutachten von Fr. 2'015.30 (vgl. Urk. 6/2-12) und die Gebühren des Obergerichts im Haftverfahren von zweimal Fr. 1'200.-- (Urk. 22/17 und Urk. 22/32). Diese Kosten sind dem Beschuldigten vollumfänglich aufzuerlegen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung (Fr. 14'946.60, Fr. 19'694.-- und Fr. 772.75) sind auf die Gerichtskasse zu nehmen. Eine allfällige Rückerstattungspflicht im Umfang von zwei Dritteln bleibt vorbehalten (Art. 135 Abs. 4 StPO).
Kosten- und Entschädigungsfolgen im Berufungsverfahren
Die Verfahrenskosten sind auf Fr. 3'000.– zu veranschlagen (Art. 424 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und § 14 der Gebührenverordnung des Obergerichts). Die Kosten im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob eine Partei im Rechtsmittelverfahren als obsiegend unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor Beschwerdeinstanz bzw. Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen wurden (T HOMAS DOMEISEN, in: Basler StPO-Kommentar, a.a.O., N. 6 zu Art. 428 StPO).
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Berufung noch innerhalb der Frist zur Einreichung der Berufungserklärung zurückgezogen hat, sind ihr praxisgemäss diesbezüglich keine Kosten aufzuerlegen. Der Beschuldigte strebte mit seiner Berufung einen Freispruch an. Er unterliegt mit seinen Anträgen mit Ausnahme der Einstellung des Verfahrens betreffend mehrfachen unrechtmässigen Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe (Dossier 3). Die Staatsanwaltschaft beantragt die Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids und unterliegt in Bezug auf den Schuldpunkt (teilweise), den Strafpunkt (teilweise), den Vollzug (vollständig) und die Einziehung (vollständig). Ausgangsgemäss rechtfertigt es sich, dem Beschuldigten die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten für die amtliche Verteidigung, zu zwei Drit-
teln aufzuerlegen und zu einem Drittel auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Kosten der amtlichen Verteidigung für das Berufungsverfahren sind auf die Gerichtskasse zu nehmen. Eine allfällige Rückerstattungspflicht im Umfang von zwei Dritteln bleibt vorbehalten (Art. 135 Abs. 4 StPO).
Die amtliche Verteidigung, Rechtsanwalt lic. iur. X1. , macht einen Aufwand von 102.6 Stunden sowie Barauslagen von total Fr. 900.-geltend, was einer Gesamtforderung von Fr. 25'279.40 (inkl. MwSt.) entspricht. Der geltend gemachte Aufwand von gesamthaft 102.6 Stunden erscheint überhöht und dem Verfahren nicht angemessen. Die amtliche Verteidigung stellt beispielsweise eine rund vierstündige Besprechung betreffend das erstinstanzliche Urteilsdispositiv und allein im Juni 2021 sechs Gefängnisbesuche (inklusive über sieben Stunden Besprechungen mit dem Beschuldigten) in Rechnung (Urk. 67). Gemäss § 17 Abs. 1 lit. b AnwGebV beträgt die Grundgebühr für die Führung eines Strafprozesses einschliesslich Vorbereitung des Parteivortrags und Teilnahme an der Hauptverhandlung vor den Bezirksgerichten in der Regel Fr. 1'000.– bis Fr. 28'000.–. Gemäss § 18 Abs. 1 AnwGebV wird die Gebühr im Berufungsverfahren grundsätzlich nach den für die Vorinstanz geltenden Regeln bemessen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es zulässig, für das Anwaltshonorar Pauschalen vorzusehen (BGE 143 IV 453 E. 2.5.1). Zwar weist der vor dem Bezirksgericht geführte und nun von der Berufungsinstanz zu beurteilende Strafprozess einen doch grösseren Aktenumfang aus und umfasste mehrere Anklagesachverhalte, die allesamt noch Gegenstand des Berufungsverfahrens bildeten. So- dann wurde noch ein Gutachten eingeholt. Rechtlich komplexe Fragen, die weiteren Aufwand erforderlich gemacht hätten, sind allerdings nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist sodann, dass der amtliche Verteidiger bereits über entsprechen- de Aktenkenntnisse verfügte, von der Vorinstanz für das Vorverfahren und das erstinstanzliche Gerichtsverfahren mit rund Fr. 34'600.-entschädigt wurde und im Berufungsverfahren weitgehend die gleichen Argumente vorbrachte wie vor Vorinstanz. Vor diesem Hintergrund ist das geltend gemachte Honorar, welches sich im oberen Bereich des Gebührenrahmens bewegt, zu kürzen und eine Pauschale im mittleren Bereich des genannten Gebührenrahmens vorzusehen. Rechnung zu
tragen gilt es darüber hinaus den nach der Berufungsverhandlung erfolgten weiteren Eingaben der Verteidigung, insbesondere der Stellungnahme zum Gutachten
von Dr. med. D.
(Urk. 97). Eine pauschale Entschädigung für das Beru-
fungsverfahren (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) in der Höhe von Fr. 20'000.-erscheint vorliegend angemessen.
Es wird beschlossen:
Vom Rückzug der Berufung der Staatsanwaltschaft Zürich - Sihl wird Vormerk genommen.
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 9. September 2020 bezüglich Dispositivziffern 5 (Absehen von einer Landesverweisung), 8 - 11 (Herausgabe respektive Einziehung verschiedener beschlagnahmter Gegenstände) und 12 (erstinstanzliche Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen ist.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil (mit dem Hinweis, dass die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände gemäss Ziffer 8 des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs vom Beschuldigten anlässlich des Berufungsverfahrens bereits verlangt wurde).
Es wird erkannt:
Das Verfahren wird bezüglich des Vorwurfs des mehrfachen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe eingestellt (Dossier 3).
Der Beschuldigte A.
ist schuldig
der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2
lit. a BetmG;
des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG;
der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG, teilweise in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG;
des Fahrens in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2 Abs. 2 lit. c VRV.
Im Übrigen wird der Beschuldigte vom Vorwurf der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG freigesprochen.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 19 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 208 Tage durch Haft erstanden sind, sowie mit einer Busse von Fr. 500.--.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt.
Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen.
Die mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Frauenfeld vom 23. Juli 2018 be- dingt ausgefällte Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 60.-wird vollzogen.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich - Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmten Barschaften von Fr. 380.-- und Fr. 354.40 (EUR 320.--) werden zur teilweisen Deckung der Verfahrenskosten verwendet.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich - Sihl vom 6. März 2019 beschlagnahmten Gegenstände werden dem Beschuldigten nach Eintritt der Vollstreckbarkeit herausgegeben:
3 SIM-Karten, Netzbetreiber Lebara, Sunrise und Yallo, A012'363'461
Mobiltelefon iPhone, IMEI-Nr. 1, A012'363'518
Mobiltelefon Nokia C2, IMEI-Nr. 2, A012'363'529
3 SIM-Karten, Netzbetreiber Yallo und Lycamobile, A012'363'574
Mobiltelefon Samsung 3, IMEI-Nr. 4, A012'363'609
Mobiltelefon Samsung, A012'363'643
Wird innert 3 Monaten ab Vollstreckbarkeit kein entsprechendes Begehren gestellt, werden die Gegenstände der Lagerbehörde zur Vernichtung bzw. gutscheinenden Verwendung überlassen.
Die erstinstanzliche Gerichtsgebühr (Fr. 5'400.--), die Gebühr für die Strafuntersuchung (Fr. 2'100.--) und die Auslagen in der Untersuchung (Fr. 3'445.--) werden zu zwei Dritteln dem Beschuldigten auferlegt und zu einem Drittel auf die Gerichtskasse genommen. Die Auslagen für Gutachten (Fr. 2'015.30) sowie die Gebühren des Obergerichts in den Verfahren UB190027 und UB190089 (Fr. 1'200.-- und Fr. 1'200.--) werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung (Fr. 14'946.60, Fr. 19'694.-- und Fr. 772.75) werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht im Umfang von zwei Dritteln bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.-- ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 20'000.– amtliche Verteidigung Fr. 10'170.– Gutachten
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung für das Berufungsverfahren, werden zu zwei Dritteln dem Beschuldigten auferlegt und zu einem Drittel auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht im Umfang von zwei Dritteln bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
das Sozialzentrum T. , … [Adresse], z.Hd. der Beiständin B.
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
das Sozialzentrum T. , … [Adresse], z.Hd. der Beiständin B.
das Bundesamt für Polizei
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)
die Kasse des Bezirksgerichts Zürich betr. Dispositivziffer 8
die Staatsanwaltschaft Frauenfeld, Unt.-Nr. SUV_F.2018.839
die Staatsanwaltschaft Frauenfeld, Rechnungswesen, betr. Vollzug der Geldstrafe gemäss Dispositivziffer 7
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A und B
die Kantonspolizei Zürich, Asservaten-Triage (K190223001), gemäss Dispositivziffer 9
die amtliche Verteidigung des Beschuldigten gemäss Dispositivziffer 9 betreffend Herausgabefrist.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des
Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 6. September 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Stiefel
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Meier
Zur Beachtung:
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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