Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB190321 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 14.11.2019 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_217/2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Fahrlässige schwere Körperverletzung etc. und Widerruf |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Kläger; Privatklägerin; Beschuldigten; Vorinstanz; Behandlung; Aussage; Verteidigung; Recht; Urteil; Berufung; Schwere; Rufen; Anklage; Körper; Staatsanwalt; Aussagen; Staatsanwaltschaft; Schlaganfall; Verhalten; Täter; Einvernahme; Untersuchung; Nothilfe; Unterlassung; Schulter |
Rechtsnorm: | Art. 12 StGB ; Art. 122 StGB ; Art. 125 StGB ; Art. 128 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 139 StPO ; Art. 2 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 32 BV ; Art. 325 StPO ; Art. 34 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 400 StPO ; Art. 401 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 433 StPO ; Art. 45 StGB ; Art. 46 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 5 StPO ; Art. 6 StPO ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 106 IV 312; 121 IV 18; 127 IV 101; 129 IV 6; 133 IV 158; 134 I 140; 134 IV 17; 135 IV 56; 137 IV 57; 139 IV 102; 141 IV 437; 143 IV 63; 144 IV 217; |
Kommentar zugewiesen: | TRECHSEL, PIETH, Praxiskommentar, 3. Aufl. , 2018 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB190321-O/U/cwo
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, Oberrichter lic. iur. B. Gut und Ersatzoberrichter lic. iur. J. Meier sowie die Gerichtsschreiberin
lic. iur. A. Götschi
Urteil vom 14. November 2019
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt (bis 19.12.2019) durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. , verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X2. ,
gegen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. M. Kehrli Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend fahrlässige schwere Körperverletzung etc. und Widerruf
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 13. Juli 2018 (Urk. D1/23) ist diesem Urteil beigeheftet.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig
der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB sowie
der Unterlassung der Nothilfe im Sinne von Art. 128 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 14 Monaten Freiheitsstrafe.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird bedingt aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.
Die mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Uznach vom 26. Juni 2013 gewährte Probezeit von 2 Jahren für die bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 130.- wird um 1 Jahr ab dem Urteilsdatum verlän- gert.
Die Privatklägerin wird mit ihren Zivilansprüchen (Schadenersatz und Genugtuung) auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin für die anwaltliche Vertretung eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 5'000.- (inkl. Barauslagen und MwSt) zu bezahlen.
Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 15'982.35 Kosten amtliche Verteidigung (inkl. Fr. 485.65 Barauslagen und MwSt)
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden vorab auf die Gerichtskasse genommen. Der Beschuldigte wird jedoch zur Nachzahlung gemäss Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO verpflichtet.
(Mitteilung)
(Rechtsmittel)
Berufungsanträge
der Verteidigung des Beschuldigten (Urk. 62, Urk. 77):
Es sei festzustellen, dass das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom
14. März 2019 hinsichtlich Ziff. 5 und Ziff. 7 in Rechtskraft erwachsen ist.
Der Beschuldigte sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
Es sei dem Beschuldigten aus der Staatskasse eine Entschädigung für Erwerbsausfall in der Höhe von Fr. 7'776.75 zzgl. Zins zu 5% von Fr. 906.75 ab 15. April 2016, Zins zu 5% von Fr. 2'905.20 ab
12. Juli 2018 und zzgl. Zins zu 5% von Fr. 3'964.80 ab
14. November 2019 zu bezahlen.
Ausgangsgemäss seien die Kosten der Untersuchung sowie des erstund zweitinstanzlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, definitiv auf die Staatskasse zu nehmen.
der Staatsanwaltschaft (Urk. 67): (schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
der Privatklägerschaft B.
(Urk. 69):
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Zum Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil kann zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 60 S. 2).
Mit Urteil vom 14. März 2019 (Urk. 60) erkannte das Bezirksgericht Hinwil
den Beschuldigten A.
(fortan Beschuldigter) der fahrlässigen schweren
Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB und der Unterlassung der Nothilfe im Sinne von Art. 128 StGB für schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten (Dispositivziffern 1 und 2). Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf drei Jahre festgesetzt (Dispositivziffer 3). Die mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Uznach vom 26. Juni 2013 gewährte Probezeit von zwei Jahren für die bedingt ausgefällte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 130.- wurde um ein Jahr verlängert (Dispositivziffer 4). Die Zivilklage von B. (fortan Privatklägerin) auf Schadenersatz und Genugtuung wurde sodann auf den Zivilweg verwiesen (Dispositivziffer 5). Der Beschuldigte wurde ferner verpflichtet, der Privatklägerin für die anwaltliche Vertretung eine Entschädigung von Fr. 5'000.- zu bezahlen (Dispositivziffer 6). Weitere Einzelheiten des Entscheides können dem Ingress dieses Urteils entnommen werden.
Das Urteil wurde bezüglich des Schuldpunkts und der Strafe mündlich eröffnet (Prot. I S. 22 ff.). Das Urteilsdispositiv wurde der Staatsanwaltschaft See/Oberland (fortan Staatsanwaltschaft), dem Beschuldigten und der Privatklägerin in der Folge je am 19. März 2019 zugestellt (Urk. 53). Mit Eingabe vom
21. März 2019 liess der Beschuldigte daraufhin Berufung anmelden (Urk. 54). Am
3. April 2019 erfolgte die Mitteilung der Berufungsanmeldung an die Staatsanwaltschaft und die Privatklägerin (Urk. 55). Das Urteil ging dem Beschuldigten und der Privatklägerin je am 7. Juni 2019 sowie der Staatsanwaltschaft am
11. Juni 2019 (Urk. 58) in begründeter Fassung zu (Urk. 57 = Urk. 60). Mit Präsidialverfügung vom 17. Juni 2019 wurden die Akten dem Obergericht überwiesen (Urk. 59 = Urk. 61).
4. Unter dem 17. Juni 2019 reichte die amtliche Verteidigung sodann die Berufungserklärung ein (Urk. 62). Aus dieser geht hervor, dass vom Beschuldigten ein Freispruch verlangt wird. Beweisanträge behielt sich die amtliche Verteidigung darin vor. Mit Präsidialverfügung vom 8. Juli 2019 wurde der Privatklägerin und der Staatsanwaltschaft in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 StPO, Art. 401 StPO und Art. 34 StGB eine Kopie der Berufungserklärung zugestellt und Frist angesetzt, um gegebenenfalls zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben werde, oder um begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 65). In der Folge teilte die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 15. Juli 2019 mit, dass sie auf Anschlussberufung verzichte und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantrage. Beweisanträge stellte sie keine (Urk. 67). Die Privatklägerin reichte am
18. Juli 2019 eine Stellungnahme ein, worin sie (ebenfalls) die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragte (Urk. 69). Mit Eingabe vom 13. November 2019 (Urk. 74) reichte die amtliche Verteidigung kurz vor der heutigen Berufungsverhandlung Seite 2 und 3 der Patientenakte der Privatklägerin ins Recht (Urk. 75/1-2). Sie beantragte, es sei die Privatklägerin und/oder die Patientenstelle zu verpflichten, die vollständige Patientendokumentation (der Privatklägerin) im Original herauszugeben. Bereits unter dem 27. Juni 2019 war überdies ein aktueller Strafregisterauszug über den Beschuldigten eingeholt worden (Urk. 64), welcher mit dem bereits bei den Akten liegenden (Urk. D1/18/2) inhaltlich übereinstimmt.
5. Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung erschien der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers (Prot. II S. 3).
Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung und wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils dementsprechend gehemmt (vgl. SCHMID/JOSITSCH, StPO Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 402
N 1). Der Beschuldigte beantragt je einen Freispruch von den Vorwürfen der fahrlässigen schweren Körperverletzung und der Unterlassung der Nothilfe. Damit stehen - mit Ausnahme der Verweisung der Zivilansprüche der Privatklägerin auf den Zivilweg (Dispositivziffer 5) und der Kostenfestsetzung (Dispositivziffer 7, vgl. Urk. 77 S. 1) - sämtliche Dispositivziffern zur Disposition. Der Entscheid der Vorinstanz ist daher - mit Ausnahme der Zivilforderung der Privatklägerin und der Kostenfestsetzung - in vollem Umfang zu überprüfen. Somit ist das vorinstanzliche Urteil in den Dispositivziffern 5 und 7 in Rechtskraft erwachsen (Art. 404 Abs. 1 StPO), was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.
Beweisantrag
Vorab ist auf den Antrag der amtlichen Verteidigung einzugehen, wonach die Privatklägerin und/oder die Patientenstelle zu verpflichten sei, die vollständige Patientendokumentation (der Privatklägerin) im Original herauszugeben. Zur Begründung führte sie an, die eingereichten Dokumente, Seite 2 und 3 der Patientenakte der Privatklägerin (Urk. 75/1-2), seien unvollständig (der linke Rand sei abgeschnitten) und - da es sich um Kopien handle - schlecht lesbar sowie teils mit Ergänzungen bzw. Überschreibungen versehen (Urk. 74 S. 3, Urk. 77 S. 8).
Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab (Art. 6 Abs. 1 StPO). Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 2 StPO). Eine Behörde darf auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichten, wenn sie aufgrund der bereits abgenommenen Beweise ihre Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener (antizipierter) Beweiswürdigung annehmen kann, dass ihre Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 134 I 140 E. 5.3; 131 I 153 E. 3).
Neben den beiden eingereichten Seiten 2 und 3 (Urk. 75/1-2) befindet sich auch Seite 1 der Patientendokumentation der Privatklägerin bei den Akten (Urk. D1/6/6). Nach Vorlage von Urk. 75/1-2 führte der Beschuldigte auf die Frage, ob es daneben noch weitere Notizen von ihm in dieser Sache gebe, aus, er denke, es gebe keine weiteren Einträge von ihm (Urk. 76 S. 17).
Zum einen ist daher von der Original-Patientendokumentation nicht zu erwarten, dass sie weitere Einträge des Beschuldigten in dieser Sache enthält.
Zum anderen sind auf Seite 3 am linken Rand einzig die Tage der Datumsangaben der ersten beiden von insgesamt drei Einträgen abgeschnitten, welche sich allesamt auf Behandlungen im Dezember 2014 beziehen. Die restlichen Teile der Seiten 2 und 3 sind gut lesbar und gemäss Angaben des Beschuldigten auch nicht unvollständig.
Ein Beizug der Patientendokumentation im Original erscheint vor diesem Hintergrund nicht erforderlich. Der Beweisantrag der amtlichen Verteidigung ist abzuweisen.
Im Übrigen wäre aufgrund der Aussagen des Beschuldigten ohnehin nicht davon auszugehen, dass die Patientendokumentation Aufschlüsse (zu seinem Vorteil) darüber geben kann, dass und welche Tests er durchgeführt habe, deren Ergebnisse negativ gewesen seien, und/oder dass er im Rahmen einer Anamnese systematisch Angaben der Privatklägerin erfragt habe bzw. gestützt auf diese habe ausschliessen können, dass er nicht behandeln dürfe. Denn der Beschuldigte hatte auf die Frage, ob er sich von der Anamnese beim letzten Besuch der Privatklägerin Notizen gemacht habe, angegeben, er schreibe jeweils nur Testergebnisse und Sachen auf, die positiv ausgefallen seien. Dann wisse er, dass er nicht behandeln dürfe. Wenn er jede Frage aufschreiben würde, die mit Nein oder Ok beantwortet werde, komme er gar nicht zum Behandeln (vgl. Urk. 76 S. 10 und 16). Die Anamnese bei der Privatklägerin habe ergeben, dass alles ok gewesen sei (vgl. Urk. 76 S. 9 ff.).
Anklagegrundsatz
Die amtliche Verteidigung beanstandet, es sei im Anklagesachverhalt zur Unterlassung der Nothilfe nirgends erwähnt, dass die Privatklägerin in unmittelbarer Lebensgefahr schwebte. Eine entsprechende Verurteilung des Beschuldigten würde daher den Anklagegrundsatz verletzen (Urk. 77 S. 10).
Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 143 IV 63 ff., E. 2.2 mit Hinweisen). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Die Umschreibung muss so konkret und unverwechselbar sein, dass keine Unklarheit über den Tatvorwurf aufkommen kann (vgl. für das ordentliche Strafverfahren die Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft für das Vorverfahren [WOSTA], vom 18. September 2019, S. 238 f.). Artikel 325 Abs. 1 lit. f StPO verlangt, dass die Anklageschrift möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten bezeichnet mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung. Zum einen soll die beschuldigte Person Kenntnis erlangen, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, so dass sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann, was auch den Anspruch auf rechtliches Gehör garantiert (BGE 133 IV 235 ff., E. 6.2 f.; Urteil des Bundesgerichts 6B_492/2015 vom
2. Dezember 2015 E. 2.2 mit Hinweisen, nicht publ. in BGE 141 IV 437). Zum anderen soll auch das Gericht durch die Anklageschrift in die Lage versetzt werden, sich eine präzise Vorstellung des Anklagevorhalts zu machen. Es genügt demgemäss nicht, wenn pauschale Vorwürfe erhoben werden (BSK StPOHEIMGARTNER/NIGGLI, 2. Aufl. 2014, Art. 325 N 18).
Dem Anklagesachverhalt zur Unterlassung der Nothilfe ist zu entnehmen, dass die Ambulanz die Privatklägerin notfallmässig ins Spital eingeliefert habe, wo
die dringend notwendigen Sofortmassnahmen zur Verhinderung einer bleibenden Gehirnschädigung oder des Todes durch zentrale Atemlähmung [Hervorhebungen hinzugefügt] infolge der Unterversorgung des Gehirns mit Blut (insbesondere Blutverdünnung) eingeleitet worden seien (Urk. D1/23 S. 5).
Damit umschreibt dieser Anklagesachverhalt die unmittelbare Lebensgefahr, in der die Privatklägerin schwebte. Zudem macht die Verteidigung nicht geltend, der Beschuldigte habe sich in seiner Verteidigung nicht richtig vorbereiten kön- nen. Dies ist denn auch nicht ersichtlich.
Im Übrigen geht auch aus dem Anklagesachverhalt zur fahrlässigen schweren Körperverletzung, welcher demjenigen der Unterlassung der Nothilfe zeitlich unmittelbar vorangegangen ist, hervor, dass die Privatklägerin durch den Hirninfarkt in Lebensgefahr geraten sei und eine weitere Verschleppung von Blutgerinnseln mit nachfolgenden zusätzlichen Infarktarealen, welche weitere bleibende Schäden oder gar den Tod hätten nach sich ziehen können, nur dank der im Spital umgehend eingeleiteten medikamentösen Blutverdünnung mit Heparin habe verhindert werden können (Urk. D1/23 S. 3).
Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes liegt damit nicht vor.
1. Fest steht, dass die Privatklägerin den Beschuldigten am 17., 20. und
23. Dezember 2014 aufgrund von starken Verspannungen in der Schulter nach der Geburt ihrer Tochter für eine osteopathische Behandlung in der Praxis C. in [Ort] aufgesucht hat. Dabei kam es bei der Behandlung vom 23. Dezember 2014 zur Embolisation eines Thrombus, der sich zuvor aufgrund einer beidseitigen Dissektion der Arteria vertebralis gebildet hatte. Dies ist eine Abspaltung der inneren von der äussern Gefässwand mit nachfolgendem Verschluss oder starken Verengung des Gefässes (vgl. Urk. D1/5/6 S. 1). Diese Dissektion führte bei der Privatklägerin zu einem ischämischen Schlaganfall, das heisst zu einer Unterversorgung von Teilen des Gehirns mit sauerstoffreichem Blut. Der
Beschuldigte zog in der Folge keine ärztliche Hilfe bei, sondern informierte lediglich den Ehemann der Privatklägerin. Dieser Vorfall bildet Gegenstand des Sachverhalts gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 13. Juli 2018 (Urk. D1/23).
Im Anklagesachverhalt wird dem Beschuldigten im Zusammenhang mit der fahrlässigen schweren Körperverletzung zusammengefasst zunächst zur Last gelegt, er habe anlässlich der dritten Behandlung vom 23. Dezember 2014 unter Einsatz seines Körpergewichts schnelle und kräftige Manipulationen im Nacken/Schulterund Kopfbereich der auf dem Rücken liegenden Privatklägerin vorgenommen, wobei er ruckartige Drehbewegungen der Schulter auf die eine Seite sowie des Kopfes auf die andere Seite vorgenommen habe, welche zu einem hörbaren Knacken geführt hätten. Aufgrund dieser Manipulationen des Beschuldigten im Halsbereich der Privatklägerin habe diese einen ischämischen Schlaganfall/Hirninfarkt erlitten, wobei die entsprechenden Symptome (starker Drehschwindel, Übelkeit, Sensibilitätsstörungen im Gesicht, Sprechstörungen) unmittelbar nach Durchführung des abrupten Halswendemanövers aufgetreten seien. Der Hirninfarkt habe bei der Privatklägerin zu einem heftigen und länger anhaltenden Schwindel, Übelkeit, Sensibilitätsstörungen in der rechten Gesichtshälfte, Herunterhängen des rechten Augenlides, Schluckund Sprechstörungen sowie einer Armschwäche rechts geführt. Die Privatklägerin sei durch den Hirninfarkt in Lebensgefahr geraten, sei es doch nur einem Zufall zu verdanken gewesen, dass keine lebenswichtigen Hirnstammareale, die sich in unmittelbarer Nähe des Infarktareals befunden hätten, betroffen gewesen seien. Sodann habe nur dank der im Spital umgehend eingeleiteten medikamentösen Blutverdünnung mit Heparin eine weitere Verschleppung von Blutgerinnseln mit nachfolgenden zusätzlichen Infarktarealen, welche weitere bleibende Schäden oder gar den Tod hätten nach sich ziehen können, verhindert werden können. Die Privatklägerin leide noch heute an leichten bis mittelschweren kognitiven Defiziten, unter anderem in Form von verminderter Belastbarkeit, Kopfschmerzen und ausgeprägter Müdigkeit, welche zu Leistungseinschränkungen führen würden.
Der Beschuldigte hätte bei pflichtgemässer Sorgfalt bei der osteopathischen Behandlung im Nacken-/Schulter-/Kopfbereich Warnhinweise auf eine eingetretene Dissektion erkennen müssen. So habe die Privatklägerin nach der ersten Behandlung vom 17. Dezember 2014 über eine kurzzeitige Verschlechterung und nach der (zweiten) Behandlung vom 20. Dezember 2014 zusätzlich über deutlich zunehmende ausgeprägte Müdigkeit und Kopfschmerzen, welche ihr Mühe bereiten würden, den Kopf aufrecht zu halten, geklagt. Trotz dieser Hinweise auf die Ver- änderung der Symptomatik zwischen den einzelnen Behandlungen und auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der Privatklägerin habe es der Beschuldigte am 23. Dezember 2014 unterlassen, vor der Weiterbehandlung eine sorgfältige Zwischenanamnese vorzunehmen, medizinische Abklärungen zu tätigen und eine Behandlungsänderung zu prüfen. Stattdessen habe er sogleich mit den kraftvollen Manipulationen begonnen.
Mit dem von einem Osteopathen, welcher derartige heikle Manipulationen im Nackenbereich vornehme, geforderten notwendigen Fachwissens wäre der Geschehensablauf (Anzeichen einer aufgetretenen Dissektion, Manipulationen im Halsbereich, Hirninfarkt) für den Beschuldigten voraussehbar gewesen. Der Eintritt des Hirninfarkts wäre durch eine in dieser Situation gebotene Unterlassung der weiteren Manipulationen im Halsbereich auch ohne Weiteres vermeidbar gewesen (Urk. D1/23 S. 2 ff.).
Im Zusammenhang mit der Unterlassung der Nothilfe wird dem Beschuldigten im Anklagesachverhalt sodann vorgeworfen, dass die bei der Behandlung unmittelbar nach dem Halswendemanöver eingetretenen Symptome (starker Drehschwindel und Übelkeit, welche sich rasch und stetig verschlimmerten, starkes Brennen auf der rechten Gesichtsseite, Taubheitsempfinden, Schwierigkeiten beim Sprechen und Atemnot) klar für einen zentralnervösen ernstlichen Notfall, welcher umgehend ärztliche Hilfe erfordert hätte, gesprochen hätten. Obschon der Beschuldigte dies auch erkannt habe, habe er es unterlassen, unverzüglich ärztliche Hilfe anzufordern bzw. die Ambulanz zu alarmieren. Selbst nach ausdrücklicher Aufforderung der Privatklägerin, er solle einen Arzt rufen und nach entsprechender telefonischer Absprache mit dem Ehemann der Privatklägerin ha-
be es der Beschuldigte unterlassen, eine Ambulanz zu rufen, obschon er dies von seiner Praxis aus problemlos hätte tun können und ihm dies ohne Weiteres hätte zugemutet werden können. Nachdem der Ehemann der Privatklägerin nach nochmaliger telefonischer Rückfrage beim Beschuldigten realisiert habe, dass dieser - entgegen der Absprache, dass er (der Beschuldigte) die Ambulanz rufen werde - untätig geblieben sei, habe der Ehemann schliesslich die Ambulanz alarmiert, welche die Privatklägerin notfallmässig ins Spital eingeliefert habe (Urk. D1/23 S. 4 f.).
1. Der Beschuldigte hat den eingeklagten Sachverhalt sowohl in der Untersuchung als auch vor Vorinstanz und auch heute wieder (teilweise) in Abrede gestellt, wobei er nicht in Zweifel zog, dass die Privatklägerin während der Behandlung vom 23. Dezember 2014 einen ischämischen Schlaganfall bzw. einen Hirninfarkt erlitten habe, welche Folge einer beidseitigen Dissektion der Arteria vertebralis gewesen sei. Der Beschuldigte bestreitet betreffend den Vorwurf der fahrläs- sigen schweren Körperverletzung jedoch, bei der Behandlung der Privatklägerin Fehler gemacht zu haben. Zum einen verneint er, bei der Privatklägerin unter Einsatz seines Körpergewichtes schnelle und kräftige Manipulationen und ruckartige Drehbewegungen von Schulter und Kopf vorgenommen zu haben. Vielmehr habe er eine miofasziale Dehnung des verspannten Trapeziusmuskels vorgenommen, um der Privatklägerin das Gefühl zu geben, dass etwas passiere, was sie vielleicht nicht gehabt hätte, wenn er sie nur craniosakral behandelt hätte. Zum andern stellt er in Abrede, dass er es trotz veränderter Symptome und Warnhinweisen auf eine Dissektion unterlassen habe, vor der Behandlung vom 23. Dezember 2014 eine sorgfältige Zwischenanamnese vorzunehmen (Urk. 50 S. 1 ff. ; Prot. I S. 13 f., Urk. 76 S. 7 ff., Urk. 77 S. 2 und S. 7 ff.).
Hinsichtlich des Vorwurfs der Unterlassung der Nothilfe gestand der Beschuldigte in der Untersuchung und vor Vorinstanz ein, dass es für ihn klar gewesen sei, dass die Symptome der Privatklägerin Anzeichen für einen Schlaganfall gewesen seien und er gewusst habe, dass man sich in einem solchen Fall sofort ins Spital
zu begeben habe. Ebenso räumte er ein, keine Ambulanz gerufen zu haben. Dabei habe er aber den ausdrücklichen Wunsch der Privatklägerin respektiert (Urk. D1/4/4 S. 18 f., Urk. D1/4/6 S. 5, Urk. D1/4/10 S. 8 ; Prot. I S. 16 f., Urk. 76
S. 7 und 14). In seiner Einvernahme an der Berufungsverhandlung machte er demgegenüber erstmals geltend, nicht sofort bemerkt zu haben, dass die Symptome der Privatklägerin Anzeichen für einen Schlaganfall gewesen seien, und in keinem Moment gemerkt zu haben, dass eine Gefahr für ihr Leben bestanden habe. Auf die Frage, ob er es irgendwann einmal bemerkt habe oder gar nicht, gab der Beschuldigte nur an, bemerkt zu haben, dass es ihr immer schlechter und schlechter gegangen sei (Urk. 76 S. 13 f.).
Zum Geschehensablauf wurde der Beschuldigte im Rahmen der Untersuchung zunächst polizeilich (Urk. D1/4/4, Urk. D1/4/6) und hernach staatsanwaltschaftlich (Urk. D1/4/10, Urk. D1/4/13) sowie anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung befragt (Prot. I S. 13 ff.). Die am Vorfall beteiligte Privatklägerin wurde ebenfalls zunächst polizeilich (Urk. D1/1, Urk. D1/4/1) und alsdann staatsanwaltschaftlich als Auskunftsperson (Urk. D1/4/7, Urk. D1/4/12) befragt. Daneben wurden D. , der Ehemann der Privatklägerin (Urk. D1/4/2, Urk. D1/4/8) und E. , der Stiefvater der Privatklägerin (Urk. D1/4/3, Urk. D1/4/9) polizeilich und staatsanwaltschaftlich sowie C. , der Inhaber der Osteopathie Praxis (Urk. D1/4/11), staatsanwaltschaftlich befragt. Was die einzelnen Aussagen des Beschuldigten, der Privatklägerin und der verschiedenen Zeugen betrifft, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihre Wiedergabe in der Begrün- dung des vorinstanzlichen Entscheides verwiesen werden (Urk. 60 S. 12 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). In den Verfahrensakten liegen zudem ärztliche Befunde des Universitätsspitals Zürich (USZ), Klinik für Neurologie, vom 26. Dezember 2014 (Urk. D1/5/2), des Instituts für Rechtsmedizin (IRM) vom 26. Februar 2015 (Urk. D1/5/3), des Universitätsspitals Zürich (USZ), Klinik für Neurologie, vom 26. Dezember 2014 (Urk. D1/5/6) und der Verhaltensneurologie und Neuropsychologie Enge vom 17. Juni 2016 (Urk. D1/5/10), ein Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin IRM vom 5. März 2015 (Urk. D1/5/4) und ein manualmedizinisches (Akten-)Gutachten vom Dr. med. F. vom 23. Oktober 2017 (D1/7/10), die Akten der Patientenstelle (Urk. D1/5/8/1-5), eine Fotodokumentation des Anrufprotokoll
vom 23. Dezember 2014 (Urk. D1/3/1) sowie ein vom Beschuldigten zusammen
mit C. D1/6/5).
verfasstes, undatiertes Schreiben an die Patientenstelle (Urk.
Da der Beschuldigte den eingeklagten (Anklage-)Sachverhalt in Bezug auf die Behandlung, die Behandlungsart ohne Zwischenanamnese und den Beizug der ärztlichen Hilfe in Abrede stellt, ist dieser dementsprechend auf Grund der Akten und der heutigen Berufungsverhandlung nach den von Lehre und Praxis entwickelten Grundsätzen zu überprüfen.
Die Vorinstanz hat die theoretischen Grundsätze der richterlichen Beweiswürdigung korrekt wiedergegeben, sodass vollumfänglich auf die entsprechenden Erwägungen verwiesen werden kann (Urk. 60 S. 9 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Zu ergänzen ist was folgt:
Die Verteidigung hatte bereits vor Vorinstanz moniert, dass es um die Glaubwürdigkeit der Privatklägerin alles andere als gut bestellt sei. Sie mache, obschon sämtliche Arztberichte in den Akten von einer guten Prognose ausgehen würden, einen Dauerschaden in Millionenhöhe geltend. Die Privatklägerin habe also grosse finanzielle Interessen an einer Verurteilung des Beschuldigten, entsprechend klein sei daher ihre eigene Glaubwürdigkeit (Urk. 50 S. 3). Diesen Standpunkt vertrat die Verteidigung auch im Berufungsverfahren (Urk. 77 S. 3).
Die Vorinstanz hat keine Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des Beschuldigten, der Privatklägerin und der verschiedenen befragten Zeugen gemacht. Die allgemeine Glaubwürdigkeit einer Person ergibt sich nebst ihrer prozessualen Stellung auch aus ihrem wirtschaftlichen Interesse am Ausgang des Verfahrens sowie vor allem aus deren persönlichen Beziehungen und Bindungen zu den übrigen Prozessbeteiligten (vgl. OGer ZH SB160446 vom 10. Mai 2017 E. B.2). Allein aus dem Umstand, dass jemand beschuldigt wird, kann im Einzelfall nicht abgeleitet werden, dass diese Person weniger glaubwürdig sei. Das verstiesse gegen die Unschuldsvermutung. Auch Geschädigte sind nicht a priori weniger glaubwürdig, wenn bzw. weil sie Zivilansprüche stellen. Immerhin könnten solche Ansprüche ja auch gerechtfertigt sein. Nicht jeder, den keine Wahrheitspflicht trifft, lügt, nicht
jeder, der unter einer Wahrheitspflicht aussagt, sagt immer die Wahrheit. Das Anknüpfen der Glaubwürdigkeit am blossen Bestehen oder Nichtbestehen einer prozessualen Wahrheitspflicht gilt deshalb in der Lehre nicht als verlässliches Kriterium für die Aussagenanalyse (vgl. dazu BENDER/NACK/TREUER, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. München 2014; FRIEDRICH ARNZTEN, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl. München 2011; BLUDEWIG/BAUMER/TAVOR, Aussagenpsychologie für die Rechtspraxis, Zürich/St. Gallen 2017, S. 26 f.). Der Umstand, dass die Privatklägerin finanzielle Ansprüche gegenüber dem Beschuldigten geltend macht, vermag ihre Glaubwürdigkeit daher nicht zu beeinträchtigen. Im Übrigen ist anzumerken, dass der allgemeinen Glaubwürdigkeit des Aussagenden nach neueren Erkenntnissen und neuerer Rechtsprechung ohnehin kaum mehr eine eigenständige Bedeutung zukommt. Weitaus bedeutender ist - was die Vorinstanz richtig gesehen hat (Urk. 60 S. 9 ff.) - die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage, die durch die methodische Analyse ihres Inhalts darauf überprüft wird, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben entspringen.
Sodann ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelnes Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (vgl. 141 IV 249 E. 1.3.1. mit Hinweisen. Die Berufungsinstanz kann sich somit auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.
Die Vorinstanz hat in ihrer Beweiswürdigung zusammengefasst erwogen, dass die Aussagen der Privatklägerin insgesamt weit mehr Realitätsmerkmale aufweisen würden als jene des Beschuldigten. Die Privatklägerin habe den Geschehensablauf in der Regel von sich aus anschaulich und detailreich beschrieben. Sie habe nicht nur Aussagen zum Kerngeschehen, sondern auch die Begleitumstände geschildert. Dabei habe sie kaum Vorwürfe gegenüber dem Beschuldigten erhoben und es befänden sich in ihren Aussagen auch keine Hinweise auf Übertreibungen. Demgegenüber habe der Beschuldigte die ihm gestellten Fragen meist kurz und knapp, manchmal mit allgemein gehaltenen Erörterungen beantwortet. Hin und wieder habe er auch von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Seine Ausführungen seien eher detailarm und würden teilweise stereotyp wirken. Auffällig sei darüber hinaus eine Tendenz zur Bagatellisierung des Geschehens und zum Abschieben der Verantwortung auf die Privatklägerin. Richtig sei zwar - so die Vorinstanz fortfahrend -, dass die Aussagen der Privatklägerin durchaus gewisse Widersprüche aufweisen würden. Die Wür- digung von Aussagen könne sich aber nicht im Aufzeigen von Widersprüchen erschöpfen, zumal Widersprüchlichkeiten zufolge der natürlichen Grenzen des menschlichen Wahrnehmungsund Erinnerungsvermögens unvermeidlich seien und jedenfalls nicht von vornherein auf Unaufrichtigkeit hinweisen würden. In den wesentlichen Punkten seien die Aussagen der Privatklägerin jedoch widerspruchsfrei. Ausserdem habe die Privatklägerin lebhaft und nachvollziehbar von ihren Erlebnissen erzählt und in den späteren Einvernahmen auch eingeräumt, dass sie sich nicht mehr an alle Details erinnern könne. Betreffend die von der Privatklägerin erlittenen Verletzungen sei sodann in erster Linie auf die ärztlichen Berichte und Gutachten, namentlich das manualmedizinische Gutachten von Dr. med. F. vom 23. Oktober 2017 abzustellen. Dieses sei zwar in manchen Teilen sprachlich nicht ganz leicht verständlich, es sei aber offensichtlich sorgfäl- tig ausgearbeitet worden, beziehe sich korrekt auf die vorliegenden ärztlichen Befunde und nehme auch Bezug auf aktuelle Studien. Es bestehe somit kein Anlass, an den schlüssig begründeten Schlussfolgerungen des Sachverständigen zu zweifeln (Urk. 60 S. 10 f.).
Die vorstehend zitierte Beweiswürdigung der Vorinstanz ist überzeugend und zu übernehmen. Sie hat einlässlich und überzeugend dargetan, weshalb sie auf die Bestreitung und die Sachverhaltsvariante des Beschuldigten bzw. seiner Verteidigung nicht abstellen konnte und durfte. Ihren Erwägungen ist vollumfänglich beizupflichten (Urk. 60 S. 10 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Ergänzend bzw. präzisierend gilt es was folgt zu bemerken:
Festzuhalten ist zunächst, dass keine (Augen-)Zeugen die Behandlung und den nachfolgenden Hirnschlag der Privatklägerin in der Praxis von C. am 23. Dezember 2014 direkt beobachtet haben. Bis zum Eintreffen der Zeugen D. (Ehemann der Privatklägerin) und E. (Stiefvater der Privatklägerin)
waren keine weiteren Personen anwesend. Hinsichtlich des Geschehensablaufs in der Praxis von C. am nämlichen Tag können die weiteren Beweismittel höchstens als Indizien zum Behandlungsverlauf und zum Verhalten des Beschuldigten herangezogen werden.
Zum besseren Verständnis ist sodann festzuhalten, dass gemäss dem manualmedizinischen (Akten-)Gutachten von Dr. med. F. vom 23. Oktober 2017 (Urk. D1/7/10) der ischämische Schlaganfall die indirekte Folge einer Dissektion der Arterie vertebralis rechts ist. Die Dissektion verursachte einen Thrombus, welcher bei der Behandlung vom 23. Dezember 2014 embolisierte und zum Hirninfarkt führte. Die Dissektion hat zeitlich vor der Embolie stattgefunden und ist nicht erst am 23. Dezember 2014 aufgetreten. Die zeitliche Abfolge bis zur Hirnischämie ist somit das Auftreten eines Arterienmuskelwandhämatoms, dann die Dissektion und Entwicklung eines Thrombus, danach die Embolisation des Thrombus und nachfolgend die Gefässverlegung zelebral mit Ischämie. Es fand zudem eine beidseitige Dissektion, also der Arterie vertebralis rechts und links statt. Der (genaue) Zeitpunkt der Dissektionen ist unklar und nicht klar nachweisbar.
Zu bemerken ist ferner, dass die Anklagebehörde im massgeblichen Anklagesachverhalt nicht behauptet, die Dissektion der vertebralen Arterie sei durch die osteopathische Behandlung durch den Beschuldigten verursacht worden. Sie hält lediglich fest, dass diese mit grosser Wahrscheinlichkeit anlässlich einer früheren Behandlung durch den Beschuldigten entstanden sei. Dr. med. F. hält in seinem Gutachten eine Kausalität zwischen der Behandlung durch den Beschuldigten und der erwähnten Dissektion zwar für wahrscheinlich, aber nicht beweisbar. Aus dem unbestritten aufgetretenen Knacken könne diesbezüglich jedenfalls nichts abgeleitet werden.
Die Verteidigung bringt - wie bereits vor Vorinstanz - vor, die Aussagen der Privatklägerin betreffend die Behandlungsart seien wenig überzeugend. So fänden sich darin zahlreiche Widersprüche. So habe die Privatklägerin anlässlich der ersten Einvernahme ausgeführt, dass sie ihren rechten Arm auf die linke Hüfte haben legen müssen. Der Beschuldigte habe dann im Bereich ihres rechten
Oberkörpers gedrückt, worauf es geknackst habe. Schliesslich habe der Beschuldigte ihren Kopf in seine Hände genommen und den Kopf einmal heftig und schnell nach links gedreht. Tags zuvor habe die Privatklägerin der Ärztin des IRM indes noch gesagt, sie habe die rechte Hand an der linken Schulter, also nicht an der Hüfte, gehabt und es habe erst geknackst, als er ihren Kopf abrupt gewendet habe. Er habe dann den Kopf, erneut mit beiden Händen haltend aber noch ein zweites Mal gewendet (Urk. 50 S. 3; Urk. 77 S. 3).
Die Privatklägerin wurde am 26. Dezember 2014 im Universitätsspital Zürich von der Polizei erstmals mündlich befragt. Dabei erklärte sie, dass der Beschuldigte ihren Kopf ruckartig nach links gedreht habe. Sie habe das Gefühl gehabt, dass er sein ganzes Körpergewicht eingesetzt habe. Beim ersten Mal sei ein Knacken hörbar gewesen, beim zweiten Mal habe ein Drehschwindel eingesetzt (Urk. D1/1 S. 4). Am folgenden Tag wurde die Privatklägerin erneut polizeilich im Universitätsspital einvernommen (Urk. D1/4/1). Sie schilderte von sich den Behandlungsablauf wie folgt: Ich legte mich mit dem Rücken auf den Tisch. Ich musste dann meinen rechten Arm auf meine linke Hüfte legen. Hr. A. drückte dann im Bereich des Oberkörpers (rechts). Dabei knackste es das erste Mal. Er nahm meinen Kopf in seine Hände und drehte meinen Kopf nach links. Es war eine sehr heftige und schnelle Bewegung. Unmittelbar danach kam der Drehschwindel (Urk. D1/4/1 S. 2). Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 4. März 2016 verwies die Privatklägerin zunächst auf ihre polizeilichen Aussagen. Sodann gab sie zu Protokoll, dass sie sich noch darin erinnere, dass sie auf dem Rücken gelegen sei und der Beschuldigte ihren Kopf auf die linke Seite gedreht habe und ihren Körper bzw. ihre Schulter auf die andere Seite. Auf die konkrete Nachfrage, ob sie sich sonst noch an eine Bewegung erinnern könne, erklärte die Privatklägerin das Folgende: Nein, ich erinnere mich einfach an diese zwei Bewegungen, d.h. an die Bewegung des Kopfes auf die eine Seite des Körpers bzw. der Schulter auf die andere Seite (Urk. D1/4/4 S. 12). Die konkrete Nachfrage, ob der Beschuldigte bei der Behandlung sanfte Bewegungen gemacht oder eher festere Bewegungen vorgenommen habe, beantwortete die Privatklägerin dann wie folgt: Es war ein sehr festes Anpacken, es war mehr also kräftiger als die letzten zwei Male. Waren es langsame oder schnelle Bewegungen Es war ein schnelles also ruckartiges Bewegen. Sprechen Sie
jetzt von einer bestimmten Bewegung oder generell von seiner damaligen Behandlung Nein, es waren eigentlich alles ruckartige Bewegungen in dieser Behandlung. Bei seinem letzten Griff, den er gemacht hatte, spürte ich, wie er sein Bein gegen meinen Körper stemmte und mit seinem Körpergewicht dagegen drückte (Urk. D1/4/7 S. 13). Auf die Frage, ob die Privatklägerin den letzten Griff etwas genauer schildern könnte, gab sie folgendes zu Protokoll: Ich lag auf dem Rücken und er stand auf meiner Seite. Er beugte sich mit dem Oberkörper über mich. Er hat dann meine linke Schulter nach rechts hinübergezogen und meinen Kopf auf die linke Seite gezogen. Wie wurde die Schulter auf die rechte Seite gezogen Ich glaube mit seinen beiden Händen. Was war das für eine Bewegung Es war eine ruckartige Bewegung. Wie hat er den Kopf auf die linke Seite gezogen So wie ich mich erinnere, hatte ich den Kopf bereits auf der linken Seite und er zog einfach meine Schulter auf die rechte Seite (Urk. D1/4/7 S. 13). Auf die weitere Frage, wie die Privatklägerin diese ruckartige Schulterbewegung nach rechts empfunden haben, erklärte sie, dass es bei dieser ersten Bewegung mit der Schulter nach rechts, welche sie soeben geschildert habe, geknackst habe. Auch bei der zweiten Bewegung habe es geknackst. Auf die konkrete Nachfrage, wie die zweite Bewegung ausgeführt wurde, erwiderte die Privatklägerin was folgt: Dies war auch ein Ausdrehmanöver, vielleicht hat er meinen Oberkörper dabei noch mehr bewegt. Beide Bewegungen erfolgten ruckartig. Im Detail muss ich auch hier auf meine polizeilichen Aussagen verweisen. Nach der zweiten Bewegung wurde mir dann schwindlig. Ich hatte das Gefühl, dass er bei dieser Bewegung meine KopfNackengegend noch mehr gedreht hatte, so dass es dann zu diesem Schwindel kam (Urk. D1/4/7 S. 13).
Am 26. Dezember 2014 wurde die Privatklägerin von einer IRM-Ärztin körperlich untersucht. Dieser gegenüber gab die Privatklägerin betreffend die konkreten Manipulationen des Beschuldigten an, dass sie auf dem Rücken mit der rechten Hand auf ihrer linken Schulter gelegen habe. Der Beschuldigte habe den Kopf abrupt gewendet (nicht erinnerlich auf welche Seite). Dabei habe es geknackst. Danach habe er ihr nochmals den Kopf mit beiden Händen gehalten und abrupt zur linken Seite gewendet, worauf ein starker Drehschwindel aufgetreten sei (Urk. D1/5/4 S. 2).
Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, sind die Schilderungen der Privatklägerin betreffend die konkreten Manipulationen des Beschuldigten mit gewissen Widersprüchlichkeiten (z. B. zweimaliges Knacksen, Hand an Hüfte statt an Schulter) behaftet, wobei diese allerdings nur das Randgeschehen betreffen. Im Kerngeschehen ist die Aussage der Privatklägerin indes konstant und gleichlautend. In praktisch allen Einvernahmen erzählte die Privatklägerin, dass sie auf dem Rücken gelegen sei, dass die Schulter nach rechts und der Kopf nach links gezogen worden sei, dass es eine kräftige, schnelle und ruckartige Bewegung gewesen sei, dass es zwei Bewegungen gewesen seien, wobei es bei der ersten Bewegung geknackst habe und nach der zweiten Bewegung ein Drehschwindel aufgetreten sei. Es ist bekannt, dass gespeicherte Erinnerungen verblassen und vergessen werden. Ausserdem ist es dem menschlichen Gedächtnis unmöglich, sämtliche dort gespeicherten Informationen in jedem beliebigen Moment, sozusagen auf Knopfdruck abzurufen. Dadurch liegt es auf der Hand, dass Aussagen im Laufe der Zeit bei multipler Wiedergabe variieren. Eine durchgehende Konstanz, gerade über einen längeren Zeitraum hinweg, ist daher kaum erwartbar. Deswegen ist aussagepsychologisch eine Aussagekonstanz im Kerngeschehen wahrscheinlicher als im Randgeschehen. Das Kerngeschehen ist das, was die betreffende Auskunftsperson in der konkreten Situation emotional besonders wichtig erschien und sie bewegt hat. Und das ist der von der Privatklägerin wiedergegebene Geschehensablauf (Liegen auf dem Rücken, Schulter nach rechts und Kopf nach links, ruckartige, schnelle und feste zweimalige Bewegungen, Knacksen und Drehschwindel). In diesem Kerngeschehen widersprechen sich die Schilderungen der Privatklägerin gegenüber der Polizei und der IRM- Ärztin somit entgegen der Darstellung der Verteidigung nicht. Auch beruht der im Anklagesachverhalt beschriebene Vorgang (schnelle und kräftige Manipulationen im Nacken-/Schulterund Kopfbereich der auf dem Rücken liegenden Privatklägerin, wobei eine ruckartige Drehbewegung der Schulter auf die eine Seite sowie des Kopfes auf die andere Seite zu einem hörbaren Knacken geführt habe) nicht (einzig) auf den Aussagen der Privatklägerin anlässlich ihrer Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft am 4. März 2016, mithin auf Aussagen der Privatklägerin über ein Jahr nach dem Vorfall (Urk. 77 S. 4-6). Vielmehr hatte die Privatklägerin
diesen Vorgang - wie soeben dargelegt - (auch) bereits in ihren ersten Einvernahmen geschildert.
Der Glaubhaftigkeit der Schilderung der Privatklägerin nicht abträglich ist zudem, dass sie die Geschehnisse etwas ausführlicher und detaillierter schildert als in den polizeilichen Einvernahmen vom 26. und 27. Dezember 2014. Ein solches Aussageverhalten ist nicht aussergewöhnlich und spricht nicht ohne Weiteres dafür, dass ihre Aussagen nicht glaubhaft wären. Während die ersten polizeilichen Einvernahmen vom 26. und 27. Dezember 2014 lediglich rund drei bzw. 4 Tage nach dem fraglichen Vorfall erfolgten, hatte die Privatklägerin im Hinblick auf die staatsanwaltliche Einvernahme vom 4. März 2016 während rund dreizehn Monaten die Gelegenheit, sich die Geschehnisse nochmals in Ruhe zu überlegen und sich auf die Einvernahme vorzubereiten. Das wäre an sich eine Ausgangslage, in welcher Vorwürfe aggraviert und zugespitzt zurechtgelegt werden könnten, wenn es darum ginge, jemanden bewusst zu diskreditieren. Solche Tendenzen in den Aussagen der Privatklägerin sind aber nicht ersichtlich. Entsprechend ist davon auszugehen, dass sie auch bei der Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft bemüht war, bei der Wahrheit zu bleiben und die Geschehnisse so wiederzugeben, wie sie diese erlebt hat. Zudem fanden die polizeilichen Befragungen kurz nach dem Vorfall auf der Intensivstation des Universitätsspitals Zürich statt, zu einem Zeitpunkt also, in welchem die Privatklägerin gesundheitlich stark angeschlagen war. Und ferner kommt hinzu, dass das menschliche Gehirn bekanntlich keine Videokamera ist, und die Informationen sind nicht - wie auf einer Festplatte gespeichert - ständig abrufbar. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass während einer Aussage eines Zeugen bzw. einer Auskunftsperson Ergänzungen berichtet oder inhaltliche Lücken geschlossen werden. Daher können glaubhafte, spontane Erweiterungen in einer Aussage angebracht werden.
Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass das Aussageverhalten des Beschuldigten zur Behandlungsart wenig überzeugend ist (Urk. 60 S. 13 f.). So gab er in der ersten polizeilichen Einvernahme vom 13. Juni 2015 (Urk. D1/4/4) was folgt zu Protokoll: Ich habe zuerst die beiden Trapeziusmuskeln gedehnt. Und dann habe ich den Nacken mobilisiert und das war in Flexion=Kinn in Richtung des Brustbeins,
dann den Kopf seitlich mit dem Ohr in Richtung Schulter. Und dann noch die Rotation auf die anderen Seite (rechts und links). In dieser Bewegung gehe ich an die Grenze. Von der Patientin verlange ich dabei einen gewissen Gegendruck (Urk. D1/4/4 S. 15 und
S. 16). Diese Aussagen beschreiben offenkundig mit einer gewissen Kraft ausgeführte Manipulationen im Kopfbzw. Nackenbereich. In derselben Einvernahme erklärte der Beschuldigte zudem mehrfach, er habe der Privatklägerin wegen der Müdigkeit und der Kopfschmerzen eine sanftere Technik vorgeschlagen. Diese habe jedoch eine festere manuelle Technik verlangt. Deshalb habe er die Behandlung stärker als vorgeschlagen durchgeführt (Urk. D1/4/4 S. 13, 14 und 21). In der Hauptverhandlung vom 14. März 2019 erklärte er dann, er habe nicht kräf- tig manipuliert, vielmehr habe er eine Dehnung der Schulterund Nackenmuskulatur vorgenommen, welche durch einen sanften Zug auf die Muskeln bewirkt worden sei (Prot. I S. 13 f.). Anlässlich der Berufungsverhandlung gab er zwar zunächst an, die Privatklägerin nur an der Schulter gehalten und dann den Kopf seitlich gedehnt zu haben (Urk. 76 S. 8 [Neigen des rechten Ohres zur rechten Schulter]). Auf Vorhalt seiner Aussagen vom 13. Juni 2015, wonach dazu noch eine Rotation gekommen sei, räumte er dann ein, es sei sicher auch eine Rotation dabeigewesen, ansonsten man (nicht den Trapeziusmuskel, sondern) nur die Scalenimuskeln im Hals dehnen würde (vgl. Urk. 76 S. 18). Auch führte er nach eigenen Anagaben - entgegen der Darstellung seiner Verteidigung (Urk. 77 S. 8)
auch nicht nur einen Cranial Base Release (bei welchem er mit dem Finger am Schädel sanft die Nackenmuskulatur entspanne) bzw. eine sanfte Dehnung der Nackenmuskulatur/Brustwirbelsäule durch, sondern eigentliche Manipulationen: So gab er an, auch den Trapeziusmuskel der Privatklägerin gedehnt zu haben, um ihr das Gefühl zu geben, dass etwas passiere, was sie vielleicht nicht gehabt hätte, wenn er nur einen Cranial Base Release gemacht hätte. Hierbei habe diese Gegendruck geben müssen, worauf er den Muskel weiter gedehnt habe, und es dann zu einem Knacksen gekommen sei. Danach gefragt, was er mit seiner Aussage gemeint habe, wonach er dabei an die Grenze gehe, führte er aus, der Widerstand des Muskels sei eigentlich die Grenze. Er bete dann die Patientin, Gegendruck zu geben, und gehe dann ein klein bisschen weiter, bete sie dann wieder um Gegendruck, und gehe dann wieder ein bisschen weiter in die Dehnung. Das sei die Grenze (vgl. Urk. 76 S. 7 und 19). Diese inhaltlichen Ungereimtheiten lassen die Aussagen des Beschuldigten als nicht überzeugend erscheinen. Zu Recht hat die Vorinstanz auch erwogen, dass angesichts dieses Aussageverhaltens das Bestreben des Beschuldigten zur Bagatellisierung und Beschönigung offensichtlich sei (Urk. 60 S. 16).
Der Beschuldigte wendet ein, er habe ärztliche Hilfe beiziehen wollen. Dies sei ihm von der Privatklägerin indes untersagt worden, und gegen ihren Willen habe er nicht handeln wollen (Urk. D1/4/4 S. 18-20; Urk. D1/4/6 S. 4, 5 und 8, Urk. D1/4/10 S. 10 f.; Prot. I S. 16; Urk. 76 S. 7 und 14 f.).
Sowohl die Privatklägerin als auch der Zeuge D.
haben klar und
unmissverständlich ausgesagt, dass sie (beide) den Beschuldigten aufgefordert hätten, die Ambulanz zu rufen (Urk. D1/1 S. 4, Urk, D1/4/1 S. 3 f., Urk. D1/4/7 S. 14 ff., Urk. D1/4/12 S. 4, Urk. D1/4/2 S. 1 ff., Urk. D1/4/6 S. 3 f.). Die entsprechenden Aussagen des Zeugen D. sind vom Zeugen E. denn auch bestätigt worden (Urk. D1/4/3 S. 3 ff.; Urk. D1/4/5 S. 3 f.). Übereinstimmend haben alle vorgenannten Personen die gleiche Reaktion des Beschuldigten geschildert, wonach er dieser Aufforderung keine Folge geleistet habe. Die Privatklägerin führte in ihren Einvernahmen zudem mehrfach aus, sie habe den Beschuldigten gebeten, wenigstens einen Arzt zu rufen (Urk. D1/1 S. 4, Urk. D1/4/1 S. 3 f., Urk. D1/4/7 S. 14, Urk. D1/4/12 S. 8). Erst als sie - die Privatklägerin - realisiert habe, dass der Beschuldigte offenbar nicht in der Lage sei, rechtzeitig zu handeln, habe sie ihn gebeten, ihren Mann anzurufen (Urk. D1/4/7 S. 14 f.).
Die Schilderung des Sachverhalts im Zusammenhang mit der Frage des Beizugs der ärztlichen Hilfe durch den Beschuldigten erscheint im Gegensatz zu den Aussagen der Privatklägerin und der Zeugen D. und E. absolut lebensfremd und nicht plausibel. In der polizeilichen Befragung vom 13. Juni 2016 (Urk. D1/4/4) erklärte der Beschuldigte zunächst, er habe der Privatklägerin gesagt, dass man am besten ins Spital gehe. Das habe sie nicht gewollt. Er habe ihr dann vorgeschlagen, sie selber zu fahren. Das habe sie (ebenfalls) nicht gewollt. Ebenso habe sie keine Ambulanz gewollt (Urk. D1/4/4 S. 18). Die Privatklägerin habe ihn - den Beschuldigen - dann gefragt, ob er ihren Ehemann anrufen könne
(Urk. D1/4/4 S. 18 f.). Auf die Nachfrage, wer dann den Krankenwagen bestellt habe, erklärte der Beschuldigte, er glaube, es sei der Ehemann der Privatklägerin gewesen (Urk. D1/4/4 S. 19). Immerhin räumte er sogleich ein, dass die Sache dringend gewesen sei. Nicht richtig sei, dass die Privatklägerin ihn gebeten habe, die Ambulanz zu rufen; vielmehr habe er diese gerade nicht rufen dürfen (Urk. D1/4/4 S. 19 f.). Anlässlich der polizeilichen Befragung vom 23. November 2015 erklärte der Beschuldigte alsdann, er habe die Privatklägerin gefragt, ob er den Notarzt rufen solle, was sie verneint habe. Sie habe ihn dann vielmehr gebeten, ihren Ehemann anzurufen. Die Privatklägerin habe auf jeden Fall nicht gewollt, dass er den Notarzt anrufe (Urk. D1/4/6 S. 5). Als Begründung hiezu gab der Beschuldigte an, die Privatklägerin habe vielleicht Angst vor ihrem Ehemann gehabt (Urk. D1/4/6 S. 5). In der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. April 2018 sagte der Beschuldigte zunächst aus, er habe der Privatklägerin sofort vorgeschlagen, die Ambulanz zu rufen, was sie indes verweigert habe (Urk. D1/4/10
S. 8 f.). Es sei ihm sofort klar gewesen, dass die Privatklägerin Anzeichen für eine Schlaganfall gehabt habe. Er habe der Privatklägerin daher gesagt, dass man sofort ins Spital gehen müsse. Er habe ihr daher vorgeschlagen, sie ins Spital zu fahren. Sie habe dies aber nicht gewollt. Danach habe die Privatklägerin ihn gefragt, ob sie ihren Arzt anrufen könne. Er habe aber den Namen des Arztes nicht verstanden (Urk. D1/4/10 S. 9). Als Begründung, weshalb die Privatklägerin ihren Arzt hat anrufen wollen, gab der Beschuldigte nunmehr an, er habe keine Ahnung, vielleicht sei er - der Arzt - ihre Vertrauensperson gewesen. Auf die konkrete Nachfrage, weshalb die Privatklägerin denn in dieser Situation eine Vertrauensperson benötigte, gab der Beschuldigte zu Protokoll, dass man die Privatklä- gerin hierzu selber befragen müsse (Urk. D1/4/10 S. 9). Des weiteren führte der Beschuldigte aus, er habe dann den Ehemann der Klägerin angerufen und ihm geschildert, was passiert sei. Er - der Ehemann der Privatklägerin - habe ihm dann gesagt, er werde die Ambulanz rufen (Urk. D1/4/10 S. 9). Nachdem der Beschuldigte in der polizeilichen Befragung vom 23. November 2016 noch erklärte, er glaube, der Ehemann der Privatklägerin habe die Ambulanz alarmiert, war er sich an der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. April 2018 dann plötzlich sicher, dass der Ehemann der Privatklägerin die Ambulanz gerufen habe
(Urk. D1/4/10 S. 9 und S. 15). So gab er zu Protokoll, der Ehemann der Privatklä- gerin habe ihn später nochmals angerufen, um zu sagen, dass er die Ambulanz gerufen habe (Urk. D1/4/10 S. 9 und S. 15). An der vorinstanzlichen Hauptverhandlung vom 14. März 2019 gab der Beschuldigte zu Protokoll, die Privatklägerin habe ihm verboten, die Ambulanz zu verständigen, Sie habe ihm gesagt, er solle ihren Arzt rufen. Er habe geglaubt, sie habe ihren Gynäkologen gemeint. Da ihm nicht klar gewesen sei, welchen Arzt die Privatklägerin gemeint habe, habe er in der Folge ihren Ehemann angerufen. Dieser habe ihm gesagt, dass er die Ambulanz verständigen werde (Prot. I S. 16 f.). Abgesehen von den diversen Ungereimtheiten in den Aussagen des Beschuldigen, ist es überhaupt nicht nachvollziehbar und plausibel, weshalb die Privatklägerin dem Beschuldigten in ihrem höchst bedrohlichen gesundheitlichen Zustand die Alarmierung der Ambulanz bzw. eines Arztes hätte verbieten sollen. Der Privatklägerin ging es gesundheitlich sehr schlecht. Der Beschuldigte selber erklärte, dass es der Privatklägerin sehr schwindlig und übel gewesen sei. Sie habe komisch geredet. Es sei ihm sofort klar gewesen, dass dies Anzeichen für einen Schlaganfall gewesen seien (Urk. D1/4/10 S. 9). Überdies führte er diesbezüglich aus, sie habe versucht, den Namen ihres Arztes zu buchstabieren. Er habe sie jedoch nicht verstanden. Man habe gemerkt, dass sie Mühe gehabt habe, zu sprechen (Prot. I S. 17). Dies bestä- tigte der Beschuldigte auch in seiner Einvernahme an der Berufungsverhandlung (Urk. 76 S. 15). Aus alledem erhellt, dass die Privatklägerin dringend auf ärztliche Hilfe angewiesen war. Weshalb die Privatklägerin angesichts ihres Zustandes dem Beschuldigten den Beizug der Ambulanz oder eines Arztes hätte verbieten sollen, bleibt schleierhaft. Plausible Gründe hierfür hat der Beschuldigte jedenfalls nicht namhaft machen können. Zu welchem anderen Zweck als zur Alarmierung die Privatklägerin sonst trotz Sprechschwierigkeiten dem Beschuldigten den Namen ihres Arztes hätte buchstabieren wollen, ist denn auch nicht ersichtlich. Zu Recht hat die Vorinstanz hiezu im Übrigen erwogen, dass der Beschuldigte verpflichtet gewesen wäre, in dieser Situation die Ambulanz zu alarmieren, selbst wenn die Privatklägerin dies ihm ausdrücklich verboten hätte. Als Fachperson habe er die Gefahr gekannt und in der gegebenen Situation habe er die Verantwortung für die Gesundheit der Privatklägerin getragen. Es kann auf die zutreffenden
Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 60 S. 19; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Nicht alles im Leben läuft gradlinig ab; Störungen sind an der Tagesordnung. Es ist daher zu erwarten, dass sich ein Zeuge bzw. eine Auskunftsperson, der von einem komplexen Handlungsablauf berichtet, sich gerade an solche Misslichkeiten und Holprigkeiten erinnert (Komplikationsketten) und diese Details dem Gericht mitteilt. Ein solches Verhalten unterscheidet sich elementar von dem eines Lügners: In seinem Bestreben, eine überzeugende, glaubhaft wirkende Aussage zu vermitteln, muss er auf sein erlebtes und gespeichertes Allgemeinwissen zurückgreifen. Da er möglicherweise seine Aussage mehrfach (vor Polizei, Staatsanwaltschaft, Gutachter, Gericht) wiederholen muss, gelingt ihm dies verlässlicher, je komplikationsloser sich seine Aussage darstellt. Berichtet also der Zeuge von sich aus über Komplikationen und löst er sie im Laufe seiner Aussage auf, so hat dies einen höheren Beweiswert als eine Aussage, bei welcher der Handlungsstrang komplikationslos zum zentralen Beweisthema hinläuft.
Vorliegend hat die Privatklägerin von solchen Komplikationen im Zusammenhang mit der Alarmierung der Ambulanz berichtet. So hat sie in der polizeilichen Befragung vom 27. Dezember 2014 erzählt, dass der Beschuldigte ihr gesagt habe, sie solle ihm ihren Arzt angeben. Sie habe überlegen müssen. Da sie vor drei Wochen geboren habe, habe sie ihm den [Funktion] der Geburtshilfe im Spital Zollikerberg, Dr. G. , genannt. Der Beschuldigte habe sogar noch gefragt, ob sie ihm den Namen buchstabieren könne (Urk. D1/4/1 S. 3). In der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme von 4. März 2016 schilderte die Privatklä- gerin erneut, dass sie dem Beschuldigten gesagt habe, er solle einen Arzt rufen. Er habe sie dann gefragt, welchen Arzt er rufen solle, worauf ihr der Gynäkologe, der sie entbunden habe, in den Sinn gekommen sei. Den Namen dieses Arztes habe sie dem Beschuldigten mehrmals buchstabieren müssen. Es sei ein komplizierter Name gewesen (Urk. D1/4/7 S. 14). In der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme von 12. Juli 2018 erwähnte die Privatklägerin ebenfalls, dass sie versucht habe, den komplizierten Namen ihres Arztes zu buchstabieren (Urk. D1/4/12 S. 8). Ferner hat die Privatklägerin in diesem Zusammenhang von ihren
Gefühlen berichtet, was die Aussage individuell und selbst erlebt erscheinen lässt. So berichtete sie ein Mal davon, dass es auf ihrer rechten Gesichtshälfte wie Feuer gebrannt habe, und sie zu schwitzen begonnen habe (Urk. D1/4/1 S. 3, Urk. D1/4/12 S. 10). Ein anderes Mal berichtete sie davon, dass sie vom Beschuldigten einen Kaugummi erhalten habe. Beim Kauen des Kaugummis habe sie dann bemerkt, dass sie kaum mehr habe kauen können, weil ihre Zunge wahrscheinlich schon taub gewesen sei (Urk. D1/4/7 S. 14).
4.7. Was die Kritik der Verteidigung zur nicht durchgeführten Zwischenanamnese und zum Auftreten der Symptome des Hirninfarkts betrifft, so kann auf die ausführlichen und überzeugenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 60 S. 14-18; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Es bleibt hierzu anzufügen, dass der Beschuldigte auch in seiner Einvernahme an der Berufungsverhandlung - auch auf die entsprechende Frage hin - nicht konkret anzugeben vermochte, was Inhalt der Zwischenanamnese gewesen sein soll, die er am 23. Dezember 2014 erstellt haben will, und wie der von ihm vor Vorinstanz erwähnte Safety-Test von statten gegangen sei, den er bei der Privatklägerin am 23. Dezember 2014 durchgeführt haben will. Stattdessen begab er sich auf Allgemeinplätze und antwortete ausweichend, indem er ausführte, was er bei einer Anamnese jeweils frage, und angab, welchen Test (einen Nystagmus Test) er bei der Privatklägerin am 17. Dezember 2014 durchgeführt habe (Urk. 76
S. 9 f. i.V.m. Prot. I S. 13 f.).
In Bezug auf das Auftreten der Symptome des Hirninfarkts machte der Beschuldigte in seiner Einvernahme an der Berufungsverhandlung erstmals geltend, es sei ihm nicht sofort klar gewesen, dass die Privatklägerin Anzeichen für einen Schlaganfall gehabt habe. Auf die Frage, ob er diese irgendwann einmal bemerkt habe oder gar nicht, gab er einzig an, bemerkt zu haben, dass es der Privatklägerin immer schlechter und schlechter gegangen sei. Dass eine Gefahr für ihr Leben bestanden habe, habe er in keinem Moment gemerkt (vgl. Urk. 76 S. 13 f.). Diese neuen Aussagen sind aufgrund des von der Vorinstanz zutreffend erstellten Sachverhaltes, wonach die Symptome des Hirninfarktes unmittelbar nach Durchführung des abrupten Halswendemanövers aufgetreten sind (siehe den Verweis
oben auf Urk. 60 S. 14-18), und mit Blick auf seine bisherigen Aussagen, wonach ihm sofort klar gewesen sei, dass dies Anzeichen für einen Schlaganfall gewesen seien (vgl. oben E. 4.6.3), als blosse Schutzbehauptungen zu werten.
Damit ist der Anklagesachverhalt - wie die Vorinstanz richtig gesehen hat - im Wesentlichen als erstellt zu betrachten. Nicht erstellt ist lediglich die nebensächliche Behauptung, der Beschuldigte habe der Privatklägerin nach dem Hirninfarkt Suppe verabreicht. Es kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 60 S. 19 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Die Staatsanwaltschaft qualifiziert das Verhalten des Beschuldigten als fahrlässige schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB. Danach wird bestraft, wer fahrlässig einen Menschen am Köper oder an der Gesundheit schwer schädigt. Der Tatbestand setzt im Wesentlichen eine schwere Schädigung (Abs. 2) eines Menschen, eine Sorgfaltspflichtverletzung (welche auch in einer pflichtwidrigen Unterlassung bestehen kann) sowie den Kausalzusammenhang zwischen Schädigung und Sorgfaltswidrigkeit voraus (Urteil des Bundesgerichts 6B_200/2017 vom 1. November 2017 E. 4.1.).
Die Vorinstanz würdigte den von der Privatklägerin erlittenen ischämischen Schlaganfall als schwere Schädigung der Gesundheit im Sinne von Art. 122 Abs. 2 StGB. Die Privatklägerin habe sich nachweislich in Lebensgefahr befunden. Gemäss dem Gutachten zur körperlichen Untersuchung des USZ (recte IRM) sei es einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass bei der Privatklägerin keinen lebenswichtigen Hirnstammareale betroffen gewesen seien, welche rasch zum Tod durch eine zentrale Atemlähmung hätten führen können. Der ischämische Schlaganfall hätte daher ohne entsprechende Behandlung innert weniger Stunden zum Tode der Privatklägerin führen können. Es habe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Verlauf des Schlaganfalls bestanden und
die Privatklägerin habe in der Folge zumindest während langer Zeit (wenn nicht noch heute) unter Beeinträchtigungen ihrer Hirnleistung gelitten (Urk. 60 S. 22). Aufgrund dieser Umstände ist die Annahme einer schweren Schädigung der Gesundheit der Privatklägerin durch die Vorinstanz nicht zu beanstanden. Gemäss dem Gutachten zur körperlichen Untersuchung des IRM vom 5. März 2015 (Urk. D1/5/4) kann eine Unterversorgung des Gehirns - und insbesondere des Hirnstamms - mit sauerstoffreichem Blut aus den Arterien rasch zum Tode durch eine zentrale Atemlähmung führen. Es sei einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass lebenswichtige Hirnstammareale (Steuerungszentrum von Atmung und Blutkreislauf), die sich im Falle der Privatklägerin in unmittelbarer Nähe des Infarktareals befunden hätten, nicht betroffen gewesen seien. Durch die von den behandelnden Ärzten des Universitätsspitals Zürich eingeleitete medikamentöse Blutverdünnung mit Heparin habe ausserdem eine weitere Verschleppung von Blutgerinnseln mit nachfolgenden zusätzlichen Infarktarealen (wie sie bereits in der linken Grosshirnfläche kleinflächig zu finden gewesen seien), welche weitere, evtl. bleibende Schäden oder gar den Tod nach sich gezogen hätten, verhindert werden können (Urk. D1/5/4 S. 4). Die Verletzung der Privatklägerin ist somit klar als schwer im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB zu bezeichnen.
Der Beschuldigte bestreitet die ihm vorgeworfene Fahrlässigkeit (Urk. 50
S. 5). Zu entscheiden ist die Frage, ob der Beschuldigte eine ihn treffende Sorgfaltspflicht verletzt und so den ischämischen Schlaganfall der Privatklägerin verursacht hat.
Die Vorinstanz hat den Begriff der Fahrlässigkeit richtig umschrieben (vgl. Urk. 60 S. 20 ff.). Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt (Art. 12 Abs. 3 StGB). Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Dies schliesst nicht aus, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann. Denn einerseits begründet nicht jeder Verstoss gegen eine gesetzliche oder für bestimmte Tätigkeiten allgemein anerkannte Verhaltensnorm den Vorwurf der Fahrlässigkeit, und andererseits kann ein Verhalten sorgfaltswidrig sein, auch wenn nicht gegen eine bestimmte Verhaltensnorm verstossen wurde. Die Vorsicht, zu der ein Täter verpflichtet ist, wird letztlich durch die konkreten Umstände und seine persönlichen Verhältnisse bestimmt, weil naturgemäss nicht alle tatsächlichen Gegebenheiten in Vorschriften gefasst werden können (zum Ganzen BGE 133 IV 158 E. 5.1; 130 IV 7 E. 3.2; 127 IV 62 E. 2d; Urteil des Bundesgerichts 6S.8/2007 vom 24. April
2007, E. 6.1.1).
Grundvoraussetzung für das Bestehen einer Sorgfaltspflichtverletzung und mithin für die Fahrlässigkeitshaftung bildet die Vorhersehbarkeit des Erfolgs. Die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe müssen für den konkreten Täter mindestens in seinen wesentlichen Zügen voraussehbar sein. Zunächst ist daher zu fragen, ob der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen beziehungsweise erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz. Danach muss das Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Die Adäquanz ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden des Opfers beziehungsweise eines Dritten oder Materialoder Konstruktionsfehler, als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des Beschuldigten - in den Hintergrund drängen (BGE 135 IV 56 E. 2.1.; 131 IV 145
E. 5.1 und E. 5.2; 130 IV 7 E. 3.2; 128 IV 49 E. 2b; 127 IV 62 E. 2d, je mit Hinweisen).
Damit der Eintritt des Erfolgs auf das pflichtwidrige Verhalten des Täters zurückzuführen ist, genügt allerdings seine Voraussehbarkeit nicht. Weitere Voraussetzung ist, dass der Erfolg vermeidbar war. Dabei wird ein hypothetischer Kausalverlauf untersucht und geprüft, ob der Erfolg bei pflichtgemässem Verhalten des Täters ausgeblieben wäre. Für die Zurechnung des Erfolgs genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolgs bildete (BGE 135 IV 56 E. 2.1.; 130 IV 7E. 3.2.; 127 IV 34
E. 2a, je mit Hinweisen).
Ob eine Handlung im Sinne der Adäquanztheorie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen oder zu begünstigen, muss ex ante, d.h. vom Zeitpunkt des Handelns aus, entschieden werden; denn die nachträgliche (bessere) Kenntnis der Zusammenhänge kann nicht darüber entscheiden, ob eine Handlung im Zeitpunkt ihrer Vornahme erlaubt oder verboten war. Demgegenüber ist die für die Erfolgszurechnung ebenfalls wesentliche Frage, aus welcher Gefahr der Erfolg hervorgegangen ist, ob sich mithin im Erfolg gerade die vom Täter geschaffene oder gesteigerte Gefahr verwirklicht hat, unter Auswertung aller ex post bekannten Umstände zu beantworten (BGE 135 IV 56
E. 2.2; 130 IV 7 E. 3.2; je mit Hinweisen).
Die pflichtwidrige Unvorsichtigkeit kann auch in einem Übernahmeverschulden begründet sein (siehe BGE 106 IV 312 E. 6c; 135 IV 56 E. 4.3.2). Ein solches liegt vor, wenn der Beschuldigte eine Aufgabe übernommen hat, welcher er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse, etwa seiner Ausbildung, erkennbar nicht gewachsen ist. Die Sorgfaltswidrigkeit besteht in diesem Fall nicht darin, dass der Beschuldigte sich im Rahmen einer Tätigkeit pflichtwidrig unvorsichtig verhält. Sie liegt vielmehr schon darin, dass er die Tätigkeit überhaupt ausführt, obwohl er ihr, wie er hätte erkennen können, nicht gewachsen ist (BSK StGB I-NIGGLI/MÄDER, N 102 zu Art. 12 StGB; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl. 2011, § 16 N. 14).
4.1. Zur Frage der Sorgfaltspflichtverletzung hat die Vorinstanz erwogen, dass den Beschuldigten ein Übernahmeverschulden treffe. Die Privatklägerin habe
über Kopfschmerzen, Schwindel und Probleme, den Kopf aufrecht zu halten, geklagt. Diese Symptome hätten auf eine Durchblutungsstörung hingewiesen, die durch einen Thrombus hervorgerufen worden sein könnten. Zwar habe der Beschuldigte anerkannt, dass ihm das Risiko eines Schlaganfalls bei einer osteopathischen Behandlung bekannt gewesen sei, und habe auch behauptet, er habe die Symptome ernst genommen. Dies treffe aber nicht zu: Aufgrund der bestehenden Symptomatik hätte eine weitere Behandlung unterbleiben und hätten weitere medizinische Abklärungen erfolgen müssen. Dass der Beschuldigte diese Konsequenzen nicht gezogen habe, sei darauf zurückzuführen, dass ihm offenbar das erforderliche Fachwissen gefehlt habe. Im Gutachten von Dr. med. F. werde ihm denn auch die Fähigkeit, die Symptome richtig zu deuten, eine Dissektion zu erkennen und die Gefahr eines Schlaganfalls richtig zu erkennen, abgesprochen; dies gestützt auf die Prüfungsunterlagen der interkantonalen Prüfungskommission für Osteopathie. Der Beschuldigte habe die interkantonale Prüfung in Osteopathie drei Mal nicht bestanden und sei deshalb definitiv von dieser Prüfung ausgeschlossen worden. Es habe ihm bewusst sein müssen, dass ihm in derartigen heiklen Fällen das erforderliche Fachwissen fehle (Urk. 60 S. 23 f.).
Die Ausführungen der Vorinstanz sind zutreffend. Der Beschuldigte ist Osteopath. Er hat ein Diplom in Osteopathie, ausgestellt von der H. in
I.
[Ort] (J.
[Staat]) (Urk. D1/18/7). Allerdings scheiterte er im Jahre
2014 zum dritten Mal an der interkantonalen Prüfung für Osteopathen und wurde definitiv von dieser Prüfung ausgeschlossen (Urk. D1/9/4/3). Gemäss Prüfungsunterlagen wurden beim Beschuldigten grosse Lücken bei der Anamnese, beim klinischen Test und bei der medizinischen und osteopathischen Synthese sowie in der Darstellung der therapeutischen Vorgehensweise festgestellt (Urk. D1/9/4/4- 6). Gemäss dem Gutachter Dr. med. F. verfügt der Beschuldigte nicht über die Fähigkeit der anamnestischen Sicherstellung des Risikoprofils sowie der Durchführung einer therapeutischen Massnahme (Urk. D1/7/10 S. 11). Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte für eine selbständige osteopathische Behandlungsfähigkeit, insbesondere für Halswirbelsäulenbehandlungen, den Anforderungen der interkantonalen Prüfungskommission und somit den geltenden Diagnostikund Behandlungsrichtlinien nicht entspreche (Urk. D1/7/10
S. 12). Dem Beschuldigten würden die notwendigen Kenntnisse zur Erkennung der Symptome einer Dissektion und eines Hirninfarkts fehlen und er habe auch die dazu notwendigen Behandlungsalgorithmen nicht einleiten können (Urk. D1/7/10 S. 13). Für den Beschuldigten - so der Gutachter fortfahrend - sei nicht voraussehbar gewesen, dass seine Handlungsweise bei der bestehenden Symptomatik zu einer möglichen respektive zunehmenden Dissektion und nachfolgendem Hirninfarkt führen konnte. Für eine solche Beurteilung hätte es eine höhere fachliche Qualifikation bedingt, welche der Beschuldigte nicht erfüllt habe. Demzufolge hätte der Beschuldigte die Therapie nicht weiter ausführen sollen; er hätten vielmehr medizinische Abklärungen erfolgen sollen (Urk. D1/7/10 S. 13). Insgesamt muss dem Beschuldigten nach Auffassung des Gutachters die fachliche Behandlungskompetenz abgesprochen werden (Urk. D1/7/10 S. 15 f.). Dass der Beschuldigte einzig aufgrund sprachlicher Defizite an der interkantonalen Osteopathieprüfung dreimal und damit definitiv scheiterte (Urk. 50 S. 7; Urk. 77 S. 9), erscheint ausgeschlossen. Es ist absolut lebensfremd und unplausibel, dreimal an einer Prüfung teilzunehmen, obwohl man, wie der Beschuldigte angab, kaum versteht, was einen die Leute dort überhaupt fragen (Urk. 76 S. 13).
Der Beschuldigte hat somit keine Ausbildung, die ihn zur prognostischen Beurteilung der allfälligen Risikos seiner konkreten Handlungsweise (Halswirbelsäulenbehandlung) befähigt. Er war nicht in der Lage, die Symptome einer Dissektion und eines Hirninfarkts zu erkennen und eine mögliche Komplikation zu kontrollieren. Die Privatklägerin klagte nach den ersten beiden Behandlungen vom 17. und
20. Dezember 2014 über eine kurzeitige Verschlechterung und deutlich zunehmende ausgeprägte Müdigkeit und Kopfschmerzen, die ihr Mühe bereiten würden, den Kopf aufrecht zu halten. Diese Veränderung der Symptomatik und speziell das Auftreten von neuartigen Kopfschmerzen sowie Nacken-Schulterschmerzen stellen gemäss dem Gutachter einen Warnhinweis für eine Dissektion dar. Ebenso können das Unwohlsein und die Müdigkeit als Frühsymptome einer Dissektion gewertet werden (Urk. D1/7/10 S. 11). Trotz dieser Symptome holte der Beschuldigte vor der weiteren Behandlung/Therapie keine weiteren medizinischen Informationen bzw. Abklärungen ein, führte keine Zwischenanamnese und Tests durch. Daraus ergibt sich, dass der Beschuldigte die weitere Behandlung
der Privatklägerin im Halswirbelsäulenbereich nicht hätte übernehmen bzw. durchführen dürfen; er hätte die Privatklägerin nach den gebotenen Abklärungen etc. vielmehr umgehend einem Facharzt zuweisen müssen. Es trifft ihn daher
wie die Vorinstanz richtig gesehen hat (Urk. 60 S. 23 f.) - ein Übernahmeverschulden. Es ist offensichtlich vorwerfbar, dass der Beschuldigte eine mit Risiken verbundene Aufgabe übernommen hat, welcher er erkennbar nicht gewachsen war, weil er nicht über die für die möglichst risikoarme Erfüllung der Aufgabe bzw. Behandlung erforderliche Ausbildung verfügte.
Auch die übrigen Voraussetzungen für einen Schuldspruch wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung sind im Lichte der vorstehenden allgemeinen Erwägungen (siehe E. 3.3. und 3.4. hiervor) nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz erfüllt. Es kann auf die ausführlichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 60 S. 22 ff.).
Der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs war im Sinne der Adäquanz voraussehbar. Dass das sorgfaltswidrige Handeln des Beschuldigten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens geeignet waren, den Hirninfarkt der Privatklägerin mitherbeizuführen, kann nicht ernsthaft in Frage stehen. Das ergibt sich daraus, dass bei derartigen Verletzungen wie einem Schlaganfall der Zeitablauf für die weitere Entwicklung des Gesundheitszustandes eine wesentliche Rolle spielt. Die Folgen wären daher jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weniger schwerwiegend ausgefallen, wenn der Beschuldigte medizinische Abklärungen, eine sorgfältige Anamnese sowie Tests durchgeführt und hernach die Behandlung nicht weitergeführt hätte.
Im Zusammenhang mit der Vermeidbarkeit des Erfolgs wendet die Verteidigung ein, dass eine Embolisation des Thrombus auch ohne die osteopathische Behandlung aufgetreten wäre und diese Behandlung einfach zeitlich mit dem Hirninfarkt zusammengefallen sei (Koinzidenz). Sie beruft sich hierfür auf das Gutachten von Dr. med. F. (Urk. D1/7/10 S. 12), nach welchem offen gelassen werden müsse, ob der Hirninfarkt auch ohne Manipulationsbehandlung eingetreten wäre (Urk. 50 S. 5; Urk. 77 S. 7).
Die Vorinstanz nimmt in diesem Zusammenhang an, dass an der Kausalität zwischen der Behandlung durch den Beschuldigen und dem bei der Privatklägerin eingetretenen Schlaganfall keine Zweifel bestehen würden. Laut dem manualmedizinischen Gutachten von Dr. med. F. könne mit grosser Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass der Thrombus durch die Manipulation embolisiert worden sei und so den Hirninfarkt verursacht habe (D1/7/10 S. 15). Es sei unwahrscheinlich, dass der Thrombus auch ohne die osteopathische Behandlung embolisiert wäre (D1/7/10 S. 12). Dass der Gutachter von grosser Wahrscheinlichkeit spreche, sei seiner wissenschaftlichen Genauigkeit geschuldet. Hier gehe es um die richterliche Würdigung sämtlicher Umstände und diese würden ein klares Bild zeigen: Der Schlaganfall sei unmittelbar nach dem abrupten Halswendemanöver aufgetreten. Er sei offensichtlich eine Folge dieser Manipulation. Gemäss dem Gutachten könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Thrombus irgendwann auch ohne eine osteopathische Behandlung embolisiert wäre. Es genüge aber, dass eine korrekte Untersuchung und die gebotenen Vorsichtsmassnahmen des Beschuldigten den Schlaganfall aller Wahrscheinlichkeit nach verhindert hätten (Urk. 60 S. 23 f.).
Die Erwägungen der Vorinstanz sind zutreffend und zu übernehmen. Der Gutachter hat zur Frage der Vermeidbarkeit des Schlaganfalls klar ausgeführt, es bleibe zwar unklar, ob ein Hirninfarkt bei einer mit grosser Wahrscheinlichkeit schon vorhandenen Dissektion mit Thrombosierung, vermeidbar gewesen wäre, da Prodromalsyndrome bereits existiert hätten. Es könne jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass durch die Manipulation der Thrombus ins Gefässsystem embolisiert wurde und den Hirninfarkt verursacht hat (Urk. D1/7/10 S. 15). Zu Recht hält die Vorinstanz (auch) fest, dass der Infarkt unmittelbar nach dem abrupten Halswendemanöver aufgetreten sei und offensichtlich eine direkte Folge dieser Manipulation sei. Im Schlaganfall hat sich eine Gefahr verwirklicht, welche der Beschuldigte durch die Übernahme der Behandlung trotz Fehlens einer entsprechenden Ausbildung geschaffen beziehungsweise begünstigt hat. Damit war der Erfolg (auch) vermeidbar.
Die Staatsanwaltschaft qualifiziert das Verhalten des Beschuldigten zudem als Unterlassung der Nothilfe. Nach Art. 128 Abs. 1 StGB macht sich schuldig, wer einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte. Der Tatbestand der Unterlassung der Nothilfe nach Art. 128 StGB ist ein Unterlassungsdelikt (BGE 121 IV 18 E. 2a S. 20). Für den objektiven Tatbestand genügt es, dass der Täter der verletzten Person nicht hilft. Ob die Hilfe erfolgreich gewesen wäre, ist belanglos. Hilfe ist namentlich auch geboten, wenn es nur darum geht, einem Verletzten oder Sterbenden Schmerzen zu ersparen. Die Hilfeleistungspflicht entfällt, wenn offensichtlich kein Bedürfnis dafür besteht, sei es, dass die verletzte Person selber für sich sorgen kann, dass sich Dritte hinreichend ihrer annehmen, dass sie die Hilfe ausdrücklich ablehnt oder dass sie tot ist. Hilfe muss mithin als geboten oder doch zumindest als sinnvoll erscheinen (Urteil 6B_267/2008 vom 9. Juli 2008 E. 4.3 mit Hinweisen). Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz hinsichtlich der Voraussetzungen der Hilfeleistungspflicht einschliesslich der eigenen Hilfeleistungsmöglichkeiten (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl. Bern 1995, § 4 N 74), wobei Eventualvorsatz genügt.
Wie vorstehend erwogen hat der Beschuldigte den bei der Privatklägerin eingetretenen Schlaganfall verursacht, mithin die Privatklägerin verletzt. Damit war der Beschuldigte zur Hilfeleistung verpflichtet. Dass es geboten und ihm zumutbar gewesen war, einen Arzt zu rufen, bestreitet der Beschuldigte nicht (Prot. I
S. 17). Hierzu war die Privatklägerin angesichts ihres Zustandes nach dem Schlaganfall nicht in der Lage. Sie war hilfsbedürftig im Sinne von Art. 128 StGB. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.
Die Verteidigung rügt, es fehle an der objektiven Tatbestandsvoraussetzung dass der Beschuldigte die Privatklägerin in unmittelbare Lebensgefahr gebracht habe (Urk. 50 S. 7 f.; Urk. 77 S. 10). Diese Rüge ist unbegründet. Wie vorstehend bereits erwogen, hat der Beschuldigte die Privatklägerin verletzt. Damit war der Beschuldigte unabhängig vom Vorliegen einer unmittelbaren Lebensgefahr zur
Hilfeleistung verpflichtet. Und selbst wenn sein Verhalten nicht als Verletzung der Privatklägerin zu qualifizieren wäre, lag bei der Privatklägerin offenkundig eine unmittelbare Lebensgefahr vor. Es kann auf die vorstehenden Ausführungen im Zusammenhang mit dem Gutachten zur körperlichen Untersuchung des IRM vom
5. März 2015 (Urk. D1/5/4) verwiesen werden. Daraus erhellt klar, dass ohne eine rasche medizinische Behandlung die Privatklägerin Gefahr gelaufen wäre, in einigen Stunden zu sterben. Damit ist die unmittelbare Lebensgefahr gegeben (BGE 121 IV 18). Der Auffassung des Beschuldigten, es fehle am objektiven Tatbestand von Art. 128 StGB, ist daher nicht beizupflichten.
3. Im hier zu beurteilenden Fall steht daher einzig noch zur Diskussion, ob der Beschuldigte den subjektiven Tatbestand des Art. 128 Abs. 1 StGB erfüllt hat. Die Vorinstanz hat hierzu erwogen, dass der Beschuldigte gemäss eigenen Angaben den eingetretenen Schlaganfall und damit auch die Notlage der Privatklägerin erkannt habe. Es sei ihm klar gewesen, dass die Privatklägerin dringend auf ärztliche Hilfe angewiesen gewesen sei. Das manualmedizinische Gutachten vom
23. Oktober 2017 (Urk. D1/7/10) halte denn auch fest, dass bei Auftreten von Drehschwindel, Dysarthrie, Gesichtsschmerzen und Lähmungsgefühl sofort Nothilfemassnahmen eingeleitet werden müssten. Dennoch habe es der Beschuldigte unterlassen, beim Auftreten der ersten eindeutigen Symptome unverzüglich ärztliche Hilfe beizuziehen. Zögerlich habe er sich entschieden, stattdessen den Ehemann der Privatklägerin zu informieren (Urk. 60; Art. 82 Abs. 4 StPO). Diese vorinstanzlichen Erwägungen sind zutreffend und zu übernehmen. Die Erstinstanz hat aufgrund des festgestellten Wissen um den Schlaganfall, die Notlage der Privatklägerin und die eigene Verpflichtung, zu Recht den Vorsatz des Beschuldigten bejaht. Die Vorinstanz hat den Beschuldigten daher zu Recht wegen Unterlassung der Nothilfe im Sinne von Art. 128 StGB verurteilt.
4. Insgesamt ist der Schuldspruch der Vorinstanz bestätigen. Der Beschuldigte ist daher der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StGB und der Unterlassung der Nothilfe im Sinne von Art. 128 StGB schuldig zu sprechen.
Urteil Vorinstanz / Parteistandpunkte
Die Vorinstanz bestrafte den Beschuldigten mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Im Zusammenhang mit dem ordentlichen Strafrahmen erwog die Vorinstanz, dass dieser sowohl für die fahrlässige schwere Körperverletzung gemäss Art. 125 StGB als auch für die Unterlassung der Nothilfe gemäss Art. 128 StGB Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe betrage (Urk. 60 S. 26). Alsdann gibt die Vorinstanz die Grundsätze der Strafzumessung wieder und hält insbesondere fest, dass die am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Bestimmungen der Revision des Strafgesetzbuches nicht zu einer milderen Bestrafung des Beschuldigten führe, weshalb das zur Zeit der Tatbegehung geltende alte Recht anwendbar sei (Urk. 60 S. 26 f.).
Bei der Strafzumessung geht die Vorinstanz von der Unterlassung der Nothilfe als dem schwersten vom Beschuldigten verübten Delikt aus. Bei der Unterlassung der Nothilfe stuft sie das objektive und subjektive Verschulden als schwer ein und taxiert das Gesamtverschulden als erheblich (Urk. 60 S. 27), während sie es bei der fahrlässigen schweren Körperverletzung als nicht leicht bewertet (Urk. 60 S. 28). Sie setzt die hypothetische Einsatzstrafe - in Berücksichtigung des Asperationsprinzips - für beide Taten auf 14 Monate fest (Urk. 60 S. 28). Schliesslich trägt sie den Täterkomponenten Rechnung. Sie hält fest, dass sich aus dem Werdegang und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten keine strafzumessungsrelevanten Faktoren ergeben (Urk. 60 S. 29). Den Umstand, dass der Beschuldigte wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln im Jahre 2013 mit einer bedingten Geldstrafe bestraft wurde, stellte sie ganz geringfügig straferhöhend in Rechnung (Urk. 60 S. 29). Auf eine Strafminderung aufgrund des Nachtatverhaltens und langer Verfahrensdauer verzichtete sie (Urk. 60 S. 29). Insgesamt sprach das Bezirksgericht - wie eingangs gesehen - eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten aus, da eine Geldstrafe nach Art. 34 Abs. 1 StGB sowohl in der alten als auch der neuen Fassung nicht mehr in Betracht komme (Urk. 60 S. 29 f.).
Der appellierende Beschuldigte beantragt eine mildere Bestrafung (Urk. 50 S. 12; Urk. 77 S. 11 f.).
Im Rahmen der Tatkomponente der fahrlässigen schweren Körperverletzung beanstandet der Beschuldigte, entgegen der Vorinstanz könne nicht von einem Übernahmeverschulden ausgegangen werden. Der Beschuldigte habe eine 5-jährige Ausbildung zum Osteopathen erfolgreich abgeschlossen, sich fortlaufend weitergebildet und auch sein damaliger Arbeitgeber habe nicht an den Fähigkeiten des Beschuldigten gezweifelt (Urk. 77 S. 11).
Zur Täterkomponente rügt der Beschuldigte, die Vorinstanz habe dieser zu wenig Bedeutung beigemessen. So dürfe sich die vom Beschuldigten nicht zu verantwortende, überlange Verfahrensdauer nicht nur ganz geringfügig strafmindernd auswirken. Der Fall sei nicht kompliziert und ziemlich genau fünf Jahre nach dem Vorfall finde erst die Berufungsverhandlung statt (Urk. 77 S. 11; Prot. II S. 5).
Die Staatsanwaltschaft hält dafür, dass das vorinstanzliche Strafmass zu bestätigen sei (Urk. 67).
Übergangsrecht
Am 1. Januar 2018 sind die revidierten Bestimmungen des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, das neue Sanktionenrecht in Kraft getreten. Gemäss Art. 2 Abs. 1 StGB wird ein Straftäter nach demjenigen Recht beurteilt, das bei der Begehung in Kraft war. Das neue Recht ist indes anwendbar, wenn es für den Täter das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB). Hinsichtlich derselben Tat ist entweder nur das alte oder das neue Recht anzuwenden, eine kombinierte Anwendung ist ausgeschlossen (Grundsatz der Alternativität). Nachdem die mit der Revision vorgenommenen Änderungen primär den Anwendungsbereich der Geldstrafe betreffen bzw. einschränken (Wegfall des teilbedingten Vollzugs, Verkürzung der maximalen Anzahl Tagessätze auf 180, Festlegung einer Tagesuntersatzgrenze) bzw. die Wiedereinführung der kurzen Freiheitsstrafen (bis sechs Monate) mit sich bringen, was gegenüber dem bisherigen Recht kaum als milder qualifiziert werden kann,
ist im Folgenden von der weiteren Anwendbarkeit des alten Rechts auszugehen. So oder anders hätte vorliegend auch die Anwendung des neuen Sanktionenrechts keine konkreten für den Beschuldigten günstigen Auswirkungen auf das Strafmass oder die Strafart.
Strafrahmen
Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Bei der Bildung der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB ist vorab der Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für die schwerste Tat innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. Die Einsatzstrafe ist unter Einbezug der anderen Straftaten in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen. Der Richter hat mithin in einem ersten Schritt gedanklich die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt festzulegen, indem er alle diesbezüglichen straferhöhenden und strafmindernden Umstände berücksichtigt. In einem zweiten Schritt hat er die Strafe zu erhöhen, um die weiteren Delikte zu sanktionieren. Auch insoweit muss er den jeweiligen Umständen Rechnung tragen (BGE 127 IV 101 E. 2b m.Hw.; Urteil des Bundesgerichts 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011
E. 3.3.4 m.Hw., nicht publ. in: BGE 137 IV 57).
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips nach Art. 49 Abs. 1 StGB nur mög- lich, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt (sog. konkrete Methode). Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht. Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 144 IV 217 E. 2.2., 3.3. und 3.4.; 142 IV 265 E. 2.3.2;138 IV 120
E. 5.2 S. 122; 137 IV 57 E. 4.3.1 S. 58).
Die Vorinstanz hat - wie vorstehend bereits ausgeführt - auf eine Gesamtfreiheitsstrafe erkannt. Die auszusprechende Gesamtstrafe basiert auf den verschuldensangemessenen Einzelstrafen und nicht umgekehrt. Erst nachdem es sämtliche Einzelstrafen (gedanklich) festgesetzt hat, kann das Gericht beurteilen, ob und welche Einzelstrafen gleichartig sind (BGE 144 IV 217 E. 4.1.; 141 IV 61
E. 6.1.2 S. 67; 138 IV 120 E. 5.2; instruktiv auch: 6B_323/2010 vom 23. Juni 2010
E. 3.2; je mit Hinweisen). In einem ersten Schritt sind daher die Einzelstrafen für die konkreten Delikte festzulegen und anschliessend muss geprüft werden, aus welchen Einzelstrafen Gesamtstrafen zu bilden sind.
Die tatund täterangemessene Strafe ist grundsätzlich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens der anzuwendenden Strafbestimmung festzusetzen. Dieser ist vom Gesetzgeber in aller Regel sehr weit gefasst worden, um sämtlichen konkreten Umständen Rechnung zu tragen. Vorliegend drängt sich - mit der Vorinstanz (Urk. 60 S. 26) - keine Erweiterung des ordentlichen Strafrahmens auf.
Anders als die Vorinstanz erachtet das Obergericht die fahrlässige schwere Körperverletzung als die schwerste Straftat. Der massgebende ordentliche Strafrahmen für die fahrlässige schwere Körperverletzung beträgt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Art. 125 StGB). Die selbe Sanktion ist für die Unterlassung der Nothilfe vorgesehen (Art. 128 StGB). Soweit das verschuldensangemessene Strafmass die Ausfällung einer Geldstrafe noch erlaubt, ist der bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgend auf eine solche zu erkennen, da beim nicht einschlägig vorbestraften Beschuldigen die Ausfällung einer Freiheitsstrafe aus Zweckmässigkeitsund Effizienzgründen nicht nötig erscheint.
Innerhalb des Strafrahmens ist die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu bemessen, wobei das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Täters sowie die Wirkung der Strafe auf dessen Leben zu berücksichtigen sind (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden wird dabei nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit dieser nach den gesamten Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB).
Für die Zumessung der Strafe ist zwischen der Tatund der Täterkomponente zu unterscheiden. Bei der Tatkomponente ist als Ausgangspunkt die objektive Schwere der Delikte festzulegen und zu bewerten. Dabei ist anhand des Ausmasses des Erfolgs sowie aufgrund der Art und Weise des Vorgehens zu beurteilen, wie stark das strafrechtlich geschützte Rechtsgut beeinträchtigt wurde. Ebenfalls von Bedeutung sind die kriminelle Energie, der Tatbeitrag bei Tatausführung durch mehrere Täter sowie ein allfälliger Versuch. Hinsichtlich des subjektiven Verschuldens sind insbesondere das Motiv, die Beweggründe, die Willensrichtung sowie das Mass an Entscheidungsfreiheit des Täters zu beurteilen. Die Täterkomponente umfasst die persönlichen Verhältnisse und das Vorleben, insbesondere frühere Strafen oder Wohlverhalten, sowie das Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren, insbesondere Reue und Einsicht oder ein Geständnis (BSK StGB I-WIPRÄCHTIGER/KELLER, N 90 ff. zu Art. 47).
Strafzumessung
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung und die an sie gestellten Anforderungen wiederholt dargelegt. Darauf kann verwiesen werden (BGE 134 IV 17 E. 2.1; BGE 129 IV 6 E. 6.1; BGE 127 IV 101 E. 2c; je mit Hinweisen).
Tatkomponente der fahrlässigen schweren Körperverletzung
Die Vorinstanz geht von einem schweren objektiven Tatverschulden aus. Sie erwog in dieser Hinsicht, dass ein massiver Hirnschaden und der Tod der Patientin gedroht hätten. Allerdings - so die Vorinstanz fortfahrend - sei der Hirnschlag, den die Privatklägerin erlitten habe, nur teilweise auf ein vorwerfbares Verhalten des Beschuldigte zurückzuführen, nämlich auf eine mangelhafte Anamnese und Untersuchung vor der Behandlung und auf den Entscheid, die Behandlung in einer riskanten Art durchzuführen, obwohl klare Anzeichen dafür bestanden hätten, dass die Behandlung gefährlich sein könnte. Man könne ohne weiteres davon ausgehen, dass der Beschuldigte die Privatklägerin nicht einer schweren Gefahr habe aussetzen wollte. Sein Fehlverhalten sei wohl mit fachlicher Überforderung und möglicherweise auch mit Zeitknappheit zu erklären. So bleibe es vor allem beim Vorwurf eines - nicht mehr leicht wiegenden - Übernahmeverschuldens. Mit dem dreimaligen Nichtbestehen der interkantonalen Osteopathieprüfung und der definitiven Nichtzulassung zur erneuten Prüfung seien dem Beschuldigten die Grenzen seiner fachlichen Kapazität deutlich aufgezeigt worden. Man hätte von ihm erwarten dürfen, dass er angesichts der klaren Zeichen einer Durchblutungsstörung des Gehirns vorsichtshalber von seinen osteopathischen Manipulationen absehe und die Privatklägerin an einen ausgewiesenen Arzt weiterverweise. Dass er dies nicht getan habe und die Privatklägerin weiter mit kräftigen Manipulationen behandelt hat, wiege nicht leicht (Urk. 60 S. 28).
Die Privatklägerin erlitt lebensgefährliche Verletzung, die nur dank einer umgehend eingeleiteten medikamentösen Blutverdünnung nicht zum Tode führten. Das Gutachten des IRM vom 5. März 2015 (Urk. D1/5/4) hält dies eindrücklich fest. Gemäss dem Bericht der Verhaltensneurologie/Neuropsychologie Enge vom 17. Juni 2016 (Urk. D1/5/10) muss mit bleibenden Nachteilen (zeitlich limitierte Arbeitsfähigkeit von 50%) gerechnet werden (Urk. D1/5/10 S. 3), welche auch ihr berufliches Fortkommen tangieren wird (vgl. Urk. 69). Das objektive Tatverschulden wiegt daher - mit der Vorinstanz (Urk. 60 S. 28) - schwer. Zu Recht hat die Erstinstanz in subjektiver Hinsicht allerdings festgehalten, dass das Fehlverhalten des Beschuldigten auf eine fachliche Überforderung und auf die knappen zeitlichen Verhältnisse zurückzuführen ist. Die subjektive Tatschwere relativiert die objektive Tatschwere daher erheblich. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beschuldigte sich entgegen seiner Verteidigung den Vorwurf des Übernahmeverschuldens gefallen lassen muss.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass das gesamte Tatverschulden des Beschuldigen noch nicht erheblich wiegt. Die hypothetische Einsatzstrafe ist auf 270 Tageseinheiten (entsprechend neun Monate) anzusetzen. Dieses Strafmass erlaubt gemäss dem im Tatzeitpunkt geltenden Sanktionenrecht noch die Ausfällung einer Geldstrafe.
Tatkomponente der Unterlassung der Nothilfe
Dem Beschuldigten ist namentlich anzulasten, dass er der Privatklägerin keine sofortige Hilfe geleistet und die Ambulanz nicht umgehend alarmiert hat. Er hat sich zwar um die Privatklägerin gekümmert und sie nicht einfach im Stich bzw. alleine gelassen bzw. sich von ihr entfernt. Die Folgen seines von ihm begangenen Fehlers wurden dadurch indes nicht wesentlich gelindert. Der Beschuldigte hat die naheliegende Gefahr einer dauerhaften Schädigung des Gehirns und sogar des Todes, die er durch seine Behandlung herbeigeführt und der er die Privatklägerin ausgesetzt hatte, durch das Unterlassen der Nothilfe perpetuiert bzw. die Nothilfe verzögert. Relativierend ist immerhin zu bemerken, dass das (Fehl-)Verhalten des Beschuldigten das Eintreffen der Ambulanz nicht um Stunden, sondern bloss um Minuten verzögert hat. Das Nichthandeln des Beschuldigten ist im Rahmen aller denkbar möglichen Tatvarianten der Unterlassung der Nothilfe noch im oberen Bereich des untersten Drittels des Strafrahmens anzusiedeln. Das objektive Tatverschulden ist daher noch als leicht zu taxieren.
Hinsichtlich der subjektiven Tatschwere ist festzustellen, dass der Beschuldigte hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale mit direktem Vorsatz gehandelt hat. Seine Beweggründe, nicht zu helfen, waren rein egoistischer Natur, wäre es dem Beschuldigten ohne jegliche Gefahr für das eigene Leben oder die eigene Gesundheit zuzumuten und auch möglich gewesen, der Privatklägerin zu helfen und die erforderliche ärztliche Hilfe umgehend beizuziehen. Insofern ist sein Handeln bzw. Nichthandeln auch als verwerflich zu bezeichnen. Zugute zu halten ist dem Beschuldigten einzig, dass er von der Eskalation der Ereignisse wohl überrascht wurde. Allzu gross kann der Schock aber nicht gewesen sein, war er doch in der Lage, den Ehemann der Privatklägerin zu informieren. Das subjektive Tatverschulden vermag die objektive Tatschwere daher nicht erheblich zu relativieren. Bei dieser Ausgangslage erscheint für die Unterlassung der Nothilfe isoliert betrachtet eine Strafe von 210 Tageseinheiten (entsprechend sieben Monate) als angemessen. Dieses Strafmass erlaubt gemäss dem im Tatzeitpunkt geltenden Sanktionenrecht noch die Ausfällung einer Geldstrafe.
Angesichts der Gleichartigkeit der Strafen ist in Anwendung des Asperationsprinzips nach Art. 49 Abs. 1 StGB indes eine Gesamtstrafe zu bilden. In Anwendung des Asperationsprinzips erweist sich eine Erhöhung der hypothetischen Einsatzstrafe für die fahrlässige schwere Körperverletzung um 150 Tageseinheiten (entsprechend fünf Monate) als angemessen. Damit resultiert eine Strafe in der Höhe von insgesamt 420 Tageseinheiten (entsprechend vierzehn Monate).
Täterkomponente
Persönliche Verhältnisse
Die Vorinstanz hat die persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten richtig zusammengefasst (Urk. 60 S. 28 f.). Darauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Aktualisierend führte die Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung aus, an seinen persönlichen Verhältnissen habe sich seither nichts Wesentliches verändert (Urk. 76 S. 1 ff.). Aus der Biographie der Beschuldigten ergibt sich somit nichts für die vorliegende Strafzumessung Relevantes.
Der Beschuldigte weist eine Vorstrafe auf. Mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Uznach vom 26. Juni 2013 wurde er wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 130.- bestraft (Urk. 64). Die Vorstrafe ist nicht einschlägig und liegt einige Zeit zurück, weshalb es mit einer marginalen Erhöhung der Strafe sein Bewenden hat.
Das Bundesgericht hat im Entscheid 121 IV 202 in E. 2d.cc darauf hingewiesen, dass ein positives Nachtatverhalten zu einer Strafreduktion im Bereich von einem Fünftel bis zu einem Drittel führen könne. Diese Praxis fusst auf der Überlegung, dass Geständnisse zur Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens und zur Wahrheitsfindung beitragen können. Gemäss Bundesgericht kann jedoch nur ein ausgesprochen positives Nachtatverhalten zu einer Strafreduktion von einem Drittel führen. Zu einem solchen gehört ein umfassendes Geständnis von allem Anfang an und aus eigenem Antrieb, also nicht erst auf konkrete Vorwürfe hin oder nach Vorlage entsprechender Beweise. Ferner gehört kooperatives
Verhalten in der Untersuchung dazu, beispielsweise dass aufgrund des Verhaltens eines Beschuldigten weitere Delikte aufgeklärt oder Mittäter zur Rechenschaft gezogen werden können, was ohne sein kooperatives Mitwirken nicht mög- lich gewesen wäre. Schliesslich gehört Einsicht ins Unrecht der Tat und Reue dazu. Nur wenn all diese Faktoren erfüllt sind, kann eine Strafreduktion von einem Drittel erfolgen. Fehlen einzelne Elemente, ist die Strafe entsprechend weniger stark zu reduzieren. Ein Verzicht auf eine Strafminderung kann sich dann aufdrängen, wenn das Geständnis die Strafverfolgung nicht erleichtert hat, namentlich weil der Täter nur aufgrund einer erdrückenden Beweislage oder gar erst nach Ausfällung des erstinstanzlichen Urteils geständig geworden ist (OGer ZH SB150229 vom 15. Oktober 2015, E. 5.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_974/2009 vom 18. Februar 2010, E. 5.4; 6B_737/2007 vom 14. April 2008, E. 1.2;
6S.531/2006 vom 24. Januar 2007, E. 3.6.3).
Der Beschuldigte ist betreffend die ihm vorgeworfenen Delikte nicht geständig. Mit der Vorinstanz ist sodann davon auszugehen, dass sich der Beschuldigte in der Untersuchung teilweise wenig kooperativ zeigte und anlässlich der Hauptverhandlung teilweise die Aussage verweigerte. Von echter Reue und gereifter Einsicht kann beim Beschuldigten auch nicht gesprochen werden. Zwar hat sich der Beschuldigte am Tag nach dem Vorfall bei Ehemann der Privatklägerin nach deren Befinden erkundigt (vgl. Urk. D1/4/10 S. 16), angesichts der im Laufe des Verfahrens immer weitgehenderen Relativierung bzw. Bagatellisierung des eigenen Fehlverhaltens, der ebenfalls stets schwindenden Kooperationsbereitschaft und schliesslich des Verhaltens anlässlich der Hauptverhandlung als pure Lippenbekenntnisse. Eine Strafminderung aufgrund des Nachtatverhaltens fällt daher ausser Betracht, was die Vorinstanz richtig gesehen hat (Urk. 60 S. 29).
Die Verteidigung kritisiert die unnötig lange Verfahrensdauer (Urk. 50
S. 11; Urk. 77 S. 11). Die Kritik ist unbegründet. Das in Art. 5 StPO, Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK festgeschriebene Beschleunigungsgebot verpflichtet die Behörden, das Strafverfahren zügig voranzutreiben, um den Beschuldigten nicht unnötig über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Ungewissen zu lassen.
Dies gilt für das gesamte Verfahren, angefangen von der ersten Orientierung des Beschuldigten über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bis zum letzten Entscheid in der Sache. Welche Verfahrensdauer angemessen ist, hängt von den Umstän- den des Einzelfalles ab, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Zu gewichten ist dabei insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Falles, ob die Behörden und Gerichte oder der Beschuldigte durch ihr Verhalten zur Verfahrensverzögerung beigetragen haben, sowie die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen. Bestimmte Zeitgrenzen, deren Überschreitung ohne weiteres eine Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Folge hätte, gibt es jedoch nicht. Von den Behörden und Gerichten kann nicht verlangt werden, dass sie sich ständig einem einzigen Fall widmen. Zeiten, in denen das Verfahren stillsteht, sind unumgänglich. Wirkt keiner dieser Zeitabschnitte stossend, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (Urteil des Bundesgerichts 6S.467/2004 vom 11. Februar 2005, E. 2.2.2; 6B_274/2014 vom 28. Juli 2014,
E. 1.3.2.)
Die Strafanzeige durch E. , den Stiefvater der Privatklägerin, erfolgte am 26. Dezember 2014 (Urk. D1/1 S. 3). Noch gleichentags wurde die Privatklägerin von der Kantonspolizei Zürich im Universitätsspital einvernommen und rechtsmedizinisch untersucht (Urk. D1/1 S. 4, Urk. D1/5/4 S. 1) und der Ehemann sowie der Stiefvater der Privatklägerin polizeilich befragt (Urk. D1/4/2 und 3). Am
27. Dezember 2014 erfolgte ein neuerliche polizeiliche Einvernahme der Privatklägerin (Urk. D1/4/1). In der Folge war eine umfangreiche Untersuchung unumgänglich. Am 5. März 2015 erstattete das IRM das Gutachten zur körperlichen Untersuchung (Urk. D1/5/4). Nachdem die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zü- rich die Anerkennung des Gerichtstandes und die Übernahme des Untersuchung mit Schreiben vom 22. April 2015 abgelehnt hatte (Urk. D1/14/1-5), beauftragte die Staatsanwaltschaft die Kantonspolizei Zürich am 24. April 2015 mit einem Ermittlungsauftrag (Urk. D1/13/1). Am 23. November 2015 fand die polizeiliche Einvernahme des Beschuldigten statt (Urk. D1/4/6). Am 4. März 2016 und 13. April 2016 wurden die Privatklägerin, ihr Ehemann (D. ) und ihr Stiefvater
(E. ) sowie der Beschuldigte und C.
staatsanwaltschaftlich einver-
nommen (Urk. D1/4/7-11). Am 12. Juli 2018 erfolgten sodann eine weitere Einvernahme der Privatklägerin und die Schlusseinvernahme des Beschuldigten (Urk. D1/4/12 und 13). Bereits unter dem 12. Mai 2016 hatte die Staatsanwaltschaft [Titel] Ost. Med. K. als Fachgutachter angefragt. Dieser erklärte sich mit Schreiben vom 8. Juni 2016 bereit, ein Gutachten zu erstellen. In der Folge wurde er von der Verteidigung aber abgelehnt (Urk. D1/8/1, 2 und 11). Die Suche bzw. die Abklärungen für einen neuen Gutachter gestalteten sich anschliessend sehr schwierig. Es kann hierfür auf die umfangreiche Korrespondenz verwiesen werden (Urk. D1/8/12). Anfangs Februar 2017 konnte in der Person von
Dr. med. F.
dann ein geeigneter Fachgutachter gefunden werden (Urk.
D1/7/1-3). Am 18. April 2017 erteilte die Staatsanwaltschaft Dr. med. F. den Gutachtensauftrag (Urk. D1/7/6). Dieser erstattete am 23. Oktober 2017 das manualmedizinische Aktengutachten (Urk. D1/7/10). Mit Schreiben vom 13. April 2018 nahm der Beschuldigte zum Fachgutachten Stellung (Urk. D/1/7/15). Wäh- rend laufender Strafuntersuchung zog die Staatsanwaltschaft im Juni 2016 zudem die Akten der interkantonalen Prüfungskommission für Osteopathie (Urk. D1/9/1- 4), einen ärztlichen Befund des USZ, Klinik für Neurologie, die Akten der Patientenstelle und einen neuropsychologischen Bericht der der Verhaltenspsychologie/Neuropsychologie Enge bei (Urk. D1/5/5-10). Am 13. Juli 2018 erhob die Staatsanwaltschaft schliesslich Anklage bei der Vorinstanz (Urk. D1/23). Im Lichte der vorstehenden Erwägungen ist der zeitliche Ablauf des Vorverfahrens angesichts der Komplexität des Falls und der erforderlichen Untersuchungsmassnahmen (namentlich die Erstellung des Fachgutachtens und Befragung zahlreicher Personen) nicht zu beanstanden.
Die Hauptverhandlung wurde zunächst auf den 15. November 2018 anberaumt. Aufgrund einer Erkrankung des Beschuldigten wurde sie alsdann auf den 14. März 2019 verschoben (Urk. 40-42). Am 14. März 2019 wurde das Urteil bezüglich des Schuldpunkts und der Strafe mündlich eröffnet (Prot. I S. 22 ff.). Das Urteilsdispositiv wurde der Staatsanwaltschaft See/Oberland dem Beschuldigten und der Privatklägerin in der Folge je am 19. März 2019 zugestellt (Urk. 53) und das schriftliche Urteil ging dem Beschuldigten und der Privatklägerin je am
7. Juni 2019 sowie der Staatsanwaltschaft am 11. Juni 2019 zu (Urk. 58). Die Dauer des Verfahrens von etwa viereinhalb Jahren ist gesamthaft betrachtet nicht
unangemessen lang. Im Zusammenhang mit der fahrlässigen schweren Körperverletzung der Privatklägerin stellten sich komplexe Fragen, welche eine sachverständige Begutachtung erforderlich machten. In diesem Zusammenhang erwies sich die Suche nach einem geeigneten Gutachter als schwierig. Unter diesen Umständen ist eine Verletzung des Beschleunigungsgebots wegen der Dauer des gesamten Verfahrens zu verneinen.
Im Rahmen der Täterkomponente wirkt sich die nicht einschlägige Vorstrafe marginal straferhöhend aus. Die Biographie des Beschuldigten, sein Nachtatverhalten und das Beschleunigungsgebot wirken sich strafzumessungsneutral aus. Die Täterkomponente erhöht die hypothetische Einsatzstrafe daher nur ganz gering. In Würdigung aller massgebenden Strafzumessungsfaktoren erscheinen die von der Vorinstanz ausgefällten 14 Monate Freiheitsstrafe im Ergebnis als etwas zu tief. Eine höhere Strafe scheidet indes wegen des Verbotes der reformatio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO) aus.
Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, überschreitet vorliegend die Gesamtstrafe von 420 Tageseinheiten (entsprechend 14 Monate) die Grenze von einem Jahr bzw. 360 Tagessätzen (Urk. 60 S. 30). Damit ist die Aussprechung einer Geldstrafe ausgeschlossen und es ist in jedem Fall eine Freiheitsstrafe zu verhängen (Urteil des Bundesgerichts 6B_65/2009 vom 13. Juli 2009 E. 1.4.2.). Der Beschuldigte ist daher mit einer Freiheitstrafe 14 Monaten zu bestrafen.
Die Vorinstanz schob den Vollzug der Freiheitsstrafe auf und setzte eine Probezeit von drei Jahren an (Urk. 60 S. 17). Die Vorstrafe wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln aus dem Jahre 2013 betrifft nicht die heute zu beurteilenden Anklagevorwürfe und ist insoweit nicht einschlägig. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass das Strafverfahren einen nachhaltigen Eindruck auf den Beschuldigten gemacht hat und er sich in Zukunft wohl verhalten wird, zumal er dies auch in den seit dem Vorfall inzwischen vergangenen Jahren getan hat (vgl. Urk. 64; Urk. 76 S. 6). An der Berufungsverhandlung zeigte sich der Beschuldigte zudem einsichtig bezüglich seines Fehlers, den Ehemann der Privatklägerin anzurufen statt die Ambulanz zu alarmieren (vgl. Urk. 76 S. 15). Daher ist der Vollzug der Freiheitsstrafe aufzuschieben und die Probezeit auf zwei statt drei Jahre festzusetzen.
Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder ein Vergehen, so kann der Strafaufschub widerrufen werden (Art. 46 Abs. 1 StGB). Der Widerruf darf nicht mehr angeordnet werden, wenn seit dem Ablauf der Probezeit drei Jahre vergangen sind (Art. 46 Abs. 5 StGB). Dies gilt auch für Ersatzmassnahmen nach Art. 46 Abs. 2 StGB (TRECHSEL/PIETH, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 46 N 16).
Die vorliegenden Straftaten fallen zwar in die mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Uznach vom 26. Juni 2013 (Urk. D1/18/3) ausgesprochene Probezeit von zwei Jahren. Da seit dem Ablauf der Probezeit am 26. Juni 2015 jedoch mehr als drei Jahre vergangen sind, darf der Widerruf nicht mehr angeordnet werden. Auf den Antrag um Verlängerung der mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Uznach von 26. Juni 2013 angesetzten Probezeit von zwei Jahren ist somit nicht einzutreten.
Die Vorinstanz verpflichtete den Beschuldigten, der Privatklägerin für die anwaltliche Vertretung eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 5'000.- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen (Urk. 60 S. 34 Dispositivziffer 6). Zur Begründung erwog sie im Wesentlichen, eine Aufwandaufstellung sei nicht beigelegt worden. Sein Aufwand habe sich im Wesentlichen auf die Entgegennahme der Instruktion und das Aktenstudium sowie das Redigieren der Eingabe vom
8. November 2018 (Urk. 37) beschränkt. Trotz des hohen Streitwerts erscheine deshalb eine Entschädigung in der Höhe von (pauschal) Fr. 5'000.- als ausreichend (Urk. 60 S. 32).
Der amtliche Verteidiger beanstandet, mit dieser Schätzung habe die Vorinstanz ihr Ermessen klar überschritten. Da der Vertreter der Privatklägerin seine Aufwendungen nicht belegt habe und im Strafverfahren abgesehen von der erwähnten Eingabe nicht in Erscheinung getreten sei, könne die Entgegennahme von Instruktionen nicht mit grossem Aufwand verbunden gewesen sein. Ob er alle Strafverfahrensakten studiert habe, sei auch nicht zwingend anzunehmen. Weiter wisse man nicht, ob er seinen Aufwand hierfür nicht bereits im Rahmen der
Schadensregulierung bei der Haftpflichtversicherung von C.
in Rechnung
gestellt habe. Daher könne er diesen Aufwand nicht noch einmal in Rechnung stellen (Urk. 77 S. 12 f.).
Artikel 433 Abs. 1 lit. a StPO räumt der Privatklägerschaft gegenüber der beschuldigten Person einen Anspruch auf angemessene Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Verfahren ein, wenn sie obsiegt. Das Obsiegen besteht im Regelfall in der Verurteilung der beschuldigten Person (bei der Konstituierung als Strafkläger) und/oder Obsiegen der Privatklägerschaft als Zivilkläger im Zivilpunkt (ZR 111 [2012] Nr. 18 S. 41 ff. E. 5). Die Aufwendungen im Sinne von Art. 433 Abs. 1 StPO betreffen in erster Linie Anwaltskosten, soweit diese durch die Beteiligung am Strafverfahren selbst verursacht wurden und für die Wahrung der Interessen der Privatklägerschaft notwendig waren (BGE 139 IV 102 E. 4.1). Beim Entscheid darüber, ob der Privatklägerschaft eine angemessene Entschädigung für notwendige Aufwendungen zusteht, verfügt das Gericht über ein weites Ermessen (Urteil des Bundesgerichts 6B_981/2017 vom 7. Februar 2018, E. 4.3.2 m.w.H.).
Der amtliche Verteidiger macht von vornherein nicht geltend, inwiefern das von der Vorinstanz dem Rechtsvertreter der Privatklägerin zugesprochene Pauschalhonorar nicht angemessen oder inwiefern dessen Aufwendungen nicht notwendig gewesen sein sollen. Ausgehend von einem Stundenansatz von Fr. 220.- erschiene ein Stundenaufwand von rund 23 Stunden in Anbetracht der Verantwortung und der Schwierigkeit des Falles ohne weiteres als angemessen - dies auch mit Blick auf die von der Vorinstanz festgesetzte Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.- sowie die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von
Fr. 15'982.35. Im Übrigen steht der Vorinstanz diesbezüglich ein weites Ermessen zu, in welches nur zurückhaltend einzugreifen ist, was sich vorliegend nicht rechtfertigen würde.
1.1.3 Die Verpflichtung des Beschuldigten, der Privatklägerin für ihre anwaltlichen Aufwendungen eine Entschädigung in der Höhe von CHF 5'000.- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen (Dispositivziffer 6) ist somit zu bestätigen.
1.2. Das Kostendispositiv der Vorinstanz (Dispositivziffern 7 und 8) ist ebenfalls zu bestätigen.
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist praxisgemäss auf CHF 3'000.- festzusetzen.
Der amtliche Verteidiger beantragte für seinen Aufwand eine Entschädigung von insgesamt Fr. 4'863.- (inkl. Mehrwertsteuer). Darin enthalten ist auch ein geschätzter Aufwand von acht Stunden für die Berufungsverhandlung, inklusive Er- öffnung, Vorund Nachbesprechung sowie einer Stunde für den Hinund Rückweg (Urk. 77 S. 15 i.V.m. Urk. 73 und Urk. 78).
Die Berufungsverhandlung dauerte samt Eröffnung des Urteils knapp vier Stunden (vgl. Prot. II S. 3 und 9). Hinzu kommt eine Stunde für den Hinund Rückweg sowie eine angemessene Zeit für die Vorund Nachbesprechung mit dem Beschuldigten. Insgesamt ist die Entschädigung des amtlichen Verteidigers somit pauschal auf Fr. 4'700.- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer festzusetzen.
Im Berufungsverfahren erfolgt die Kostenauflage nach Obsiegen und Unterliegen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Erwirkt eine Partei, die ein Rechtsmittel ergriffen hat, einen für sie günstigeren Entscheid, so können ihr die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn die Voraussetzungen für das Obsiegen erst im Rechtsmittelverfahren geschaffen worden sind oder der angefochtene Entscheid nur unwesentlich abgeändert wird (Art. 428 Abs. 2 lit. a und lit. b StPO).
Der angefochtene Entscheid ist durch die auf zwei statt drei Jahre festzusetzende Probezeit und das Nichteintreten auf den Antrag um Verlängerung der mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Uznach von 26. Juni 2013 angesetzten Probezeit nur unwesentlich abzuändern bzw. der Beschuldigte unterliegt mit seiner Berufung praktisch vollumfänglich. Zudem zeigte sich der Beschuldigte erst an der Berufungsverhandlung einsichtig bezüglich seines Fehlers, den Ehemann der Privatklägerin anzurufen statt die Ambulanz zu alarmieren. Deshalb sind ihm die Kosten dieses Verfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung ausgangsgemäss aufzuerlegen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung im Berufungsverfahren sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Weshalb die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO nicht vorzubehalten sein soll, begründet die Verteidigung nicht (Urk. 77 S. 15; Prot. II S. 5) und ist auch nicht ersichtlich.
Gemäss § 19 Abs. 3 des Gesundheitsgesetzes machen die Strafbehörden auch im Bereich der bewilligungsfreien Heiltätigkeiten Mitteilungen an die kantonale Gesundheitsdirektion, nämlich dann, wenn ihre Wahrnehmungen für ein Tätigkeitsverbot erheblich sein könnten.
Die Vorinstanz hat hiezu erwogen, dass das unzureichende Fachwissen des Beschuldigten allenfalls Anlass für ein Tätigkeitsverbot oder für die Anordnung bestimmter Auflagen sein könnte, weshalb die Gesundheitsdirektion daher über das Urteil zu informieren sei (Urk. 60 S. 33). Diese Erwägungen sind entgegen der Verteidigung (Urk. 77 S. 15) nicht zu beanstanden und daher zu bestätigen.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 14. März 2019 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
Es wird erkannt:
1. - 4. ( )
5. Die Privatklägerin wird mit ihren Zivilansprüchen (Schadenersatz und Genugtuung) auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
6. ( )
7. Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 15'982.35 Kosten amtliche Verteidigung (inkl. Fr. 485.65 Barauslagen und MwSt)
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten. 8. ( )
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. ist schuldig der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StGB und der Unterlassung der Nothilfe im Sinne von Art. 128 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf zwei Jahre festgesetzt.
Auf den Antrag um Verlängerung der mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Uznach von 26. Juni 2013 angesetzten Probezeit von zwei Jahren wird nicht eingetreten.
Die Verpflichtung des Beschuldigten, der Privatklägerin für ihre anwaltlichen Aufwendungen eine Entschädigung in der Höhe von CHF 5'000.- (inkl. Barauslagen und MwSt) zu bezahlen (Dispositivziffer 6) wird bestätigt.
Die erstinstanzliche Kostenauflage (Dispositivziffer 8) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.-- ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 4'700.-- amtliche Verteidigung
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft See/Oberland
den Vertreter der Privatklägerin im Doppel für sich und zuhanden der Privatklägerin
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft See/Oberland
den Vertreter der Privatklägerin im Doppel für sich und zuhanden der Privatklägerin
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A und Formular B
das Migrationsamt des Kantons Zürich
das Untersuchungsamt Uznach Grynaustrasse 3, 8730 Uznach (Aktenzeichen ST.2013...), unter Hinweis auf Dispositivziffer 4
die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 14. November 2019
Der Präsident:
lic. iur. R. Naef
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Götschi
Zur Beachtung:
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht oder die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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