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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB190282
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB190282 vom 28.11.2019 (ZH)
Datum:28.11.2019
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_265/2020
Leitsatz/Stichwort:Schändung
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Privatklägerin; Geschlecht; Geschlechts; Kondom; Beschuldigten; Geschlechtsverkehr; Schützt; Berufung; Geschützt; Handlung; Staatsanwalt; Urteil; Staatsanwaltschaft; Schändung; Geschützte; Person; Verfahren; Recht; Vorinstanz; Recht; Aussage; Sexualpartner; Einwilligung; Tatbestand
Rechtsnorm: Art. 191 StGB ; Art. 231 StGB ; Art. 28 ZGB ; Art. 319 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:120 IV 194; 133 IV 49; 138 IV 13; 141 IV 249;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB190282-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. M. Langmeier und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Keller sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Bussmann

Urteil vom 28. November 2019

in Sachen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt Dr. iur. R. Jäger,

Anklägerin und Berufungsklägerin

gegen

A. ,

Beschuldigter und Berufungsbeklagter sowie Anschlussberufungskläger verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

betreffend Schändung

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, I. Abteilung, vom 13. Februar 2019 (DG180057)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 17. September 2018 (Urk. 18) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 40 S. 23 f.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte wird freigesprochen.

  2. Es wird davon Vormerk genommen, dass der Beschuldigte die Zivilklage in der Höhe von Fr. 388.- anerkannt hat.

  3. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 3'900.-; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 2'100.- Gebühr für die Strafuntersuchung Fr. 72.90 Auslagen Vorverfahren

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  4. Die Kosten werden dem Beschuldigten auferlegt.

  5. (Mitteilung)

  6. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

(Prot. II S. 4 f.)

  1. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 42 S. 2, Urk. 55 S. 1)

    1. Der Beschuldigte sei schuldig zu sprechen der Schändung im Sinne von Art. 191 StGB.

    2. Der Beschuldigte sei zu bestrafen mit einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, dies als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 1. Juli 2019.

    3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe sei aufzuschieben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.

    4. Es seien die Kosten für das Vor-, Hauptund Berufungsverfahren dem Beschuldigten aufzuerlegen.

  2. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 48 S. 2; Urk. 56 S. 2)

  1. In Bestätigung der Dispositiv-Ziffer 1 des Erkenntnisses im Dispositiv des Urteils des Bezirksgerichts Bülach vom 13. Februar 2019 (DG180057) sei A. freizusprechen und die Berufung der Staatsanwaltschaft sei abzuweisen.

  2. Unter vollständiger Ersetzung der Dispositiv-Ziffer 4 des Erkenntnisses im Dispositiv des Urteils des Bezirksgerichts Bülach vom 13. Februar 2019 (DG180057) und der zugehörigen Erwägungen seien

    1. die Kosten des Verfahrens einschliesslich der Berufungsinstanz der Staatskasse aufzuerlegen und

    2. A.

      sei aus dieser Kasse für die Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte bis einschliesslich der Berufungsinstanz eine Entschädigung in Höhe der heute und der vorinstanzlich eingereichten Honorarnote zzgl. des Zeitaufwands einer Nachbesprechung von 30 Minuten zu einem Stundenansatz von Fr. 300.- zzgl. MWST zu gewähren.

      Erwägungen:

      1. Prozessuales
  1. Prozessgeschichte

    1. Mit vorstehend wiedergegebenem Urteil vom 13. Februar 2019 wurde der Beschuldigte vom Vorwurf der Schändung im Sinne von Art. 191 StGB freigesprochen. Es wurde davon Vormerk genommen, dass der Beschuldigte die Zivilklage in der Höhe von Fr. 388.- anerkannt hat. Die Kosten der Untersuchung und des vorinstanzlichen Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt (Urk. 40 S. 23).

    2. Gegen dieses Urteil meldete die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom

      18. Februar 2019 fristgerecht Berufung an (Urk. 34). Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 36) am 29. April 2019 (Urk. 37) reichte die Staatsanwaltschaft am 15. Mai 2019 (Datum Poststempel) - ebenfalls fristgerecht - die Berufungserklärung ein (Urk. 42). Mit Präsidialverfügung vom 18. Juni 2019 wurde die Berufungserklärung in Anwendung von Art. 402 Abs. 2 und 3 StPO dem Beschuldigten und der Privatklägerin zugestellt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben oder ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Gleichzeitig wurde der Beschuldigte aufgefordert, Unterlagen betreffend seine finanziellen Verhältnisse einzureichen, sowie der Privatklägerin Frist angesetzt, um zu erklä- ren, ob sie den Antrag stelle, dass dem urteilenden Gericht eine Person gleichen Geschlechts angehöre, bzw. ob sie für den Fall einer Befragung verlange, von einer Person gleichen Geschlechts einvernommen zu werden (Urk. 46).

    3. Mit Eingabe vom 27. Juni 2019 liess der Beschuldigte Anschlussberufung erheben. Sodann liess er das ausgefüllte Datenerfassungsblatt betreffend seine finanziellen Verhältnisse einreichen (Urk. 48; Urk. 50). Die Privatklägerin liess sich nicht vernehmen.

    4. Zur heutigen Berufungsverhandlung erschienen der Beschuldigte in Begleitung seiner Verteidigung, Rechtsanwalt Dr. iur. X. , sowie der leitende Staatsanwalt Dr. iur. R. Jäger (Prot. II S. 4). Vorfragen waren keine zu entscheiden und - abgesehen von der Befragung des Beschuldigten (Urk. 54) - auch keine Beweise abzunehmen (Prot. II S. 5 f.). Im Anschluss an die Parteiverhandlung wurde das Urteil gefällt, eröffnet und kurz erläutert (Prot. II S. 6 ff.).

  2. Umfang der Berufung

    1. Die Berufung der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen den vorinstanzlichen Freispruch vom Vorwurf der Schändung im Sinne von Art. 191 StGB (Urk. 42 S. 2, Urk. 55 S. 1). Die Anschlussberufung des Beschuldigten richtet sich gegen die vorinstanzliche Kostenauflage. Sodann beantragt der Beschuldigte eine Entschä- digung für die anwaltliche Vertretung im Untersuchungsund Haupt-, sowie Berufungsverfahren (Urk. 48 S. 2, Urk. 56 S. 2).

    2. Nicht angefochten ist das vorinstanzliche Urteil deshalb hinsichtlich deren Dispositiv-Ziffer 2 (Vormerknahme Anerkennung Zivilklage der Privatklägerin) sowie Dispositiv-Ziffer 3 (Kostenfestsetzung) (Prot. II S. 6). Entsprechend ist vorab vorzumerken, dass das Urteil vom 13. Februar 2019 diesbezüglich in Rechtskraft erwachsen ist. Im restlichen Umfang ist es im Berufungsverfahren zu überprüfen.

  3. Formelles

    1. Soweit für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des eingeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, so erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet.

    2. Im Übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Die Berufungsinstanz kann sich somit auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.

II. Sachverhalt
  1. Grundsätze der Sachverhaltserstellung und wesentliche Beweismittel

    Was die Vorinstanz zu den massgebenden Grundsätzen der Sachverhaltserstellung, den Beweiswürdigungsregeln sowie den verfügbaren Beweismitteln ausführt, ist nicht zu beanstanden (Urk. 40 S. 3 ff.). Zur Vermeidung von Wiederholungen kann darauf verwiesen werden.

  2. Tatvorwurf

    Gemäss Anklageschrift soll sich am 23. September 2017 Folgendes zugetragen haben: Die Privatklägerin B. habe dem Beschuldigten im Vorfeld zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr ein Kondom übergeben, welches sich dieser übergezogen habe. Der Beschuldigte habe den anschliessenden Geschlechtsverkehr unterbrochen und die Privatklägerin oral stimuliert. In diesem Moment habe der Beschuldigte unbemerkt das Kondom entfernt und sei anschliessend von hinten mit seinem Penis ungeschützt in die Vagina der Privatklägerin eingedrungen. Die Privatklägerin, deren Gesicht beim Oralverkehr vom Beschuldigten abgewandt gewesen sei, habe aufgrund der Position, in der sie sich befunden habe, keine Möglichkeit gehabt, das Entfernen des Kondoms zu bemerken, und habe sich deshalb gegen das ungeschützte Eindringen auch nicht wehren können, bis es hierfür schon zu spät gewesen sei. Erst nach ungefähr einer Minute ungeschützten Geschlechtsverkehrs habe die Privatklägerin das Fehlen des Kondoms bemerkt und den Beschuldigten darauf angesprochen. Indem dieser das Kondom heimlich entfernt habe, habe er das Unwissen der Privatklägerin bewusst ausgenutzt, zumal er aufgrund des zuvor mit der Privatklägerin geführten Gesprächs gewusst habe, dass diese nur mittels Kondom geschütztem Geschlechtsverkehr zugestimmt habe (Urk. 18 S. 2).

  3. Standpunkt des Beschuldigten

    Wie schon in der Untersuchung und vor Vorinstanz räumte der Beschuldigte auch anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung ein, dass er am 23. September 2017 im Laufe des einvernehmlich stattfindenden Geschlechtsverkehrs ohne

    Kondom mit seinem Penis in die Privatklägerin eingedrungen sei (Urk. 7/1 S. 3 ff. F/A 23, 36 f., 40, 60, 67, 69; Urk. 7/2 S. 2 ff. F/A 4, 9, 20; Prot. I S. 8, 10; Urk. 54

    S. 4, 9). Gemäss seinen Aussagen in der polizeilichen Einvernahme hat die Privatklägerin ihm das Kondom abgezogen, bevor sie ihn oral befriedigt habe. Ihr sei bewusst gewesen, dass er dann kein Kondom mehr getragen habe. Als die Privatklägerin ihm danach gesagt habe fuck me, habe er dies dahingehend verstanden, dass die Privatklägerin mit ungeschütztem Geschlechtsverkehr einverstanden gewesen sei. Sodann machte er geltend, die Privatklägerin habe ihm nie explizit gesagt, dass sie keinen ungeschützten Sex wünsche (Urk. 7/1 S. 3 ff. F/A 23, 36 f., 40, 42, 44, 60, 67, 69 und 73). Dabei blieb er im Wesentlichen auch bei der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme und der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (Urk. 7/2 S. 2 ff. F/A 4, 9, 12, 15, 20, 22 f., 25 und 45; Prot. I S. 8 ff.), wobei er seine Aussage zeitweise aber relativierte, und angab, zwar anzunehmen, dass sie es gewesen sei, die das Kondom ausgezogen habe, es aber nicht mehr genau sagen zu können (Urk. 7/2 S. 4 F/A 13). Heute gab er an, nicht sagen zu können, wie das Kondom von seinem Penis weggekommen sei. Grundsätzlich verkleinere sich sein Penis ziemlich fest, wenn er erschlaffe, weshalb ein Kondom dann gar nicht mehr halte. Er wisse auch nicht mehr ganz sicher, ob - nach dem ersten Geschlechtsverkehr - tatsächlich die Privatklägerin an ihm Oralverkehr vorgenommen habe oder ob vielleicht er sie oral befriedigt habe (Urk. 54 S. 9).

  4. Vorinstanzliches Urteil

    Die Vorinstanz erachtete den zur Anklage gebrachten Sachverhalt nach Würdigung der zur Verfügung stehenden Beweismittel als erstellt. Sie folgte im Wesentlichen den Aussagen der Privatklägerin und verwarf die Vorbringen des Beschuldigten (Urk. 40 S. 7 ff.).

  5. Würdigung

    Es kann vorweggenommen werden, dass den überzeugenden Erwägungen der Vorinstanz gefolgt werden kann. Die nachfolgenden Erwägungen sollen dies nur noch verdeutlichen und ergänzen:

    1. Aufgrund der diesbezüglich gleichlautenden Aussagen des Beschuldigten und der Privatklägerin ist erstellt, dass der Beschuldigte zu Beginn des Geschlechtsverkehrs zunächst noch ein Kondom trug (Urk. 7/1 S. 3 und 5 F/A 23 und 36; Urk. 8/1 S. 5 F/A 30 f.; Urk. 8/2 S. 4 f. F/A 14; Prot. I S. 15; Urk. 54 S. 4).

      Ebenfalls erstellt ist aufgrund der gleichlautenden Aussagen des Beschuldigten und der Privatklägerin, dass der Beschuldigte zu einem späteren Zeitpunkt ohne Kondom in die Privatklägerin eingedrungen ist (Urk. 7/1 S. 3 und 5 F/A 22 f. und 36; Urk. 7/2 S. 2 F/A 4; Urk. 8/2 S. 5 und 9 F/A 14 und 27; Prot. I S. 23; Urk. 54

      S. 4, 8 f.). Als die Privatklägerin dies bemerkte und den Beschuldigten darauf ansprach, endete der Geschlechtsverkehr zwischen den Beiden (Urk. 7/1 S. 5 ff. F/A 36, 39 und 49; Urk. 7/2 S. 3 F/A 9; Prot. I S. 13; Urk. 54 S. 4). Bestritten wird jedoch durch den Beschuldigten zunächst, dass die Privatklägerin vorgängig explizit erklärt habe, dass sie nur Geschlechtsverkehr mit einem Kondom haben wolle.

    2. Diesbezüglich ist mit der Vorinstanz festzuhalten, dass die Darstellung der Privatklägerin, sie habe in den Geschlechtsverkehr nur mit Kondom eingewilligt, zu überzeugen vermag. Dieser Umstand wird nicht nur durch die glaubhaften Aussagen der Privatklägerin belegt, wonach sie gegenüber dem Beschuldigten explizit gesagt habe, sie wünsche den Sex nur mit einem Kondom (Urk. 8/1 S. 3 und 5 ff. F/A 18, 30, 44 und 52; Urk. 8/2 S. 5 und 10 F/A 14 und 36; Prot. I S. 16). Auch das von ihr gezeigte Verhalten in der fraglichen Nacht und danach spricht dafür. So begab sie sich sogleich am dem Geschlechtsverkehr folgenden Tag in ärztliche Behandlung und nahm Medikamente zur HIV-Prophylaxe (PEP: HIVPostexpositions-Prophylaxe) ein, welche Behandlung beträchtliche Nebenwirkungen zur Folge haben kann. Sodann äusserte sie gegenüber dem Beschuldigten wiederholt und mit Nachdruck den Wunsch, dass er sich ebenfalls testen lasse, sodass eine eventuelle Übertragung von Geschlechtskrankheiten frühzeitig hätte erkannt respektive ausgeschlossen werden können (Urk. 8/1 S. 3 f. F/A 18; Urk. 8/2 S. 4 f. F/A 14). Das Bitten der Privatklägerin erfolgte offenbar in derart hartnäckiger Weise, dass es dem Beschuldigten zumindest zu Beginn gar lästig erschienen ist (Urk. 7/1 S. 8 F/A 56). Doch nicht nur dies spricht dafür, dass die Privatklägerin gegenüber dem Beschuldigten auf die Benutzung eines Kondoms

      bestanden hat, um eben solche Folgen zu vermeiden. Vielmehr zeigt sich dies auch am Umstand, dass sie, nachdem sie bemerkt hatte, dass der Beschuldigte ohne Kondom in sie eingedrungen war, den Geschlechtsverkehr sofort beendete.

    3. Zwar haben sich die soeben genannten Umstände teilweise erst nach dem Geschlechtsverkehr ohne Kondom realisiert. Indessen kann mit Fug daraus geschlossen werden, dass die Privatklägerin gegenüber dem Beschuldigten vor dem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr unmissverständlich zum Ausdruck brachte, dass sie den Geschlechtsverkehr mit ihm nur geschützt ausüben wolle. Dies zeigt sich auch daran, dass sie dem Beschuldigten weitere Kondome zur Verfügung stellte, nachdem dieser sagte, dass ihm das erste Kondom nicht passe respektive er den Geschlechtsverkehr ohne Kondom besser möge (vgl. Urk. 8/2 S. 10 F/A 36; Prot. I S. 12 f.). Auch in diesem Moment rückte sie nicht von ihrer Bedingung ab. Vor diesem Hintergrund war auch dem Beschuldigten klar, dass die Privatklägerin den Geschlechtsverkehr nur mit einem Kondom vollziehen will. Sodann gab der Beschuldigte selber zu Protokoll, dass die Privatklägerin ihm vor dem Geschlechtsverkehr ein Kondom gegeben habe (Urk. 7/1 S. 3, 5 und 10 F/A 23, 36 und 70, Urk. 54 S. 6). Indessen machte er abweichend von den Aussagen der Privatklägerin geltend, es sei nur ein Kondom gewesen und er habe dieses bereitwillig angezogen. Diese Behauptung des Beschuldigten vermag vor dem Hintergrund des Chatverlaufs und den konstanten Aussagen der Privatklägerin nicht zu überzeugen. Im Chat mit dem Beschuldigten schrieb die Privatklägerin in englischer Sprache, sie habe dem Beschuldigten ungefähr fünf Kondome gegeben, nachdem dieser sich darüber beschwert habe, dass das erste zu klein gewesen sei (Urk. 4/2 S. 6). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Privatklägerin dem Beschuldigten so etwas schreiben sollte, wenn sich dies nicht auch effektiv so zugetragen hat. Der Beschuldigte schrieb auf diese Nachricht der Privatklägerin word. Wenn der Beschuldigte geltend macht, er habe word nicht als Zustimmung gemeint, sondern er habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass er diese Aussage zur Kenntnis nehme, so ändert dies nichts daran, dass der Beschuldigte die Aussage der Privatklägerin nicht in Frage stellte, sondern unwidersprochen liess. Sollte die Aussage der Privatklägerin, sie habe dem Beschuldigten mehrere Kondome zur Verfügung gestellt, nachdem dieser sich über das erste

      Kondom beschwert habe, nicht zutreffen, so wäre zu erwarten gewesen, dass der Beschuldigte der Privatklägerin widerspricht oder nachfragt, wie sie dies meine. Dies geschah aber nicht, sondern er schrieb lapidar word. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Privatklägerin dem Beschuldigten mehrere Kondome zur Verfügung stellte und der Beschuldigte - entgegen dessen Behauptung - nicht nur das eine Kondom und dies ohne Widerwillen benutzte. Und selbst wenn es nicht so gewesen wäre, dass die Privatklägerin dem Beschuldigten mehrere Kondome, sondern lediglich eines gereicht hätte, so wäre es für den Beschuldigten auch dann klar gewesen, dass die Privatklägerin nur geschützten Geschlechtsverkehr mit ihm haben wollte. Aufgrund des Gesagten konnten beim Beschuldigten keine Zweifel daran bestehen, dass der Geschlechtsverkehr mit der Privatklägerin nur mit einem Kondom stattfinden durfte.

    4. Sodann erweisen sich mit der Vorinstanz (Urk. 40 S. 10 ff.) die Aussagen des Beschuldigten betreffend die Frage, wer das Kondom entfernt habe, im Gegensatz zu den Aussagen der Privatklägerin als unscharf und teilweise nicht kohärent (vgl. dazu auch vorstehende Erw. II.3). Hervorzuheben ist auch hier, dass die Aussage der Privatklägerin im Chat mit dem Beschuldigten unwidersprochen geblieben ist, dass er das Kondom ohne ihr Einverständnis entfernt habe (especially after you took off the condom without consent). Zwar antwortete der Beschuldigte, er sei davon ausgegangen, dass die Privatklägerin einverstanden gewesen sei (well I thought consent was implied when you said fuck me). In Frage gestellt wurde damit durch den Beschuldigten aber nur der Umstand, dass die Privatklägerin nicht mit dem ungeschützten Eindringen in sie einverstanden gewesen sei. Nicht widersprochen hat der Beschuldigte aber der Aussage der Privatklägerin, dass er - der Beschuldigte - es gewesen sei, der das Kondom entfernt habe. Seine Erklärungsversuche in der Untersuchung, weshalb er darauf nicht mit Widerspruch reagiert habe, vermögen nicht zu überzeugen. Vielmehr fällt auf, dass er auf den entsprechenden Vorhalt ausweichend antwortete (Urk. 7/2 S. 7 f. F/A 27 ff.). Er hat die Privatklägerin auch nie direkt der Lüge bezichtigt, sondern gab nur an, über die Aussagen der Privatklägerin nicht spekulieren zu wollen (Prot. I S. 23, Urk. 54 S. 7 f.). In der Untersuchung erklärte er auf die unterschiedlichen Darstellungen von ihm und der Privatklägerin bezüglich der

      Frage, wer das Kondom ausgezogen habe, angesprochen, dass er sich schon gut vorstellen könne, dass sie in diesem Moment nicht gewusst habe, dass er das Kondom nicht angehabt habe (Urk. 7/2 S. 5 F/A 18). Heute hat er seine Aussagen hinsichtlich der Frage, wer das Kondom abgezogen hatte weiter relativiert und sinngemäss geltend gemacht, dass es vielleicht einfach abgefallen ist (vgl. schon vorstehende Erw. II.3). Insgesamt ist mit der Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass es der Beschuldigte war, welcher das Kondom entfernte, während er die Privatklägerin oral befriedigte. Anzeichen dafür, dass sich die Privatklägerin eine andere Wirklichkeit suggerierte und die Dinge so zurecht gelegt hatte, wie sie für sie selbst am Besten passten, wie dies die Verteidigung geltend macht (Urk. 56 S. 10), sind keine ersichtlich.

    5. Wie die Vorinstanz weiter richtig erwogen hat, spielt es keine Rolle, ob der Beschuldigte - wie in der Anklageschrift umschrieben - von hinten in die Privatklägerin eingedrungen ist oder die Penetration erfolgte, während die Privatklägerin auf dem Rücken lag (Urk. 40 S. 13). Die genaue Position beim ungeschützten Verkehr lässt sich bei gegebener Beweislage denn auch nicht mit letzter Sicherheit erstellen. In der polizeilichen Einvernahme der Privatklägerin erfolgte keine Befragung zum Kerngeschehen. Im Verlaufe der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme führte sie auf Befragen aus, dass der Beschuldigte beim ungeschützten Verkehr von hinten in sie eingedrungen sei (Urk. 8/2 S. 14 F/A 56). An früherer Stelle erklärte sie indessen, dass sie nach dem sie in der Küche gewesen seien, im Bett die Missionarsstellung gemacht hätten (Urk. 8/2 S. 10 F/A 38), was mit den Ausführungen des Beschuldigten übereinstimmt (Urk. 7/1 S. 6 F/A 41, Prot. I

      S. 25). Alleine massgebend ist aber, dass die Privatklägerin gemäss ihren konstanten Angaben nicht erkennen konnte, dass der Beschuldigte sich anschickte, ohne Kondom in sie einzudringen (vgl. dazu Urk. 40 S. 13 mit Verweisen), was auch vom Beschuldigten anerkannt wurde (Urk. 7/1 S. 6 F/A 46). Dass die Privatklägerin die Penetration nie und nimmer zugelassen hätte, wenn sie gewusst hät- te, dass der Beschuldigte kein Kondom trägt, zeigt sich wiederum am Verhalten der Privatklägerin: Sofortiger Abbruch des Geschlechtsverkehrs, heftige Reaktion der Privatklägerin gegenüber dem Beschuldigten sowie Konsultation eines Arztes und anschliessende Medikamenteneinnahme.

    6. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Sachverhalt gemäss Anklageschrift erstellt ist, mit Ausnahme der Position beim ungeschützten Geschlechtsverkehr. Hiervon ist für die nachfolgende rechtliche Würdigung auszugehen.

III. Rechtliche Würdigung
  1. Betreffend die theoretischen Ausführungen zum Legalitätsprinzip sowie die Normenauslegung kann vorab auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 14 f.). Diese erweisen sich als richtig und können so übernommen werden. Umfassend, detailliert sowie zutreffend hat die Vorinstanz sodann das Verhalten des Beschuldigten gewürdigt. Auch darauf kann verwiesen werden (Urk. 40 S. 13 ff., E. III.3). Die nachfolgenden Erwägungen sollen dies wiederum nur nochmals verdeutlichen:

  2. Gemäss Art. 191 StGB macht sich einer Schändung strafbar, wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht. Das mit den Sexualdelikten geschützte Rechtsgut ist die sexuelle Selbstbestimmung, die sexuelle Integrität. Dabei geht es um die Mög- lichkeit, sich sexuell frei und unabhängig zu entfalten und Beziehungen selbstän- dig und eigenverantwortlich ohne Zwang zu gestalten (BSK StGB II-M AIER, Art. 190 N 1 m.H.). Art. 191 StGB schützt damit wie die sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung die sexuelle Freiheit (BGE 120 IV 194, 198). Es geht konkret um den Schutz von Personen, die einen zur Abwehr ausreichenden Willen zum Widerstand gegen sexuelle Übergriffe nicht oder nicht sinnvoll bilden, äussern oder betätigen können (Urteil 6S.171/2006 des Bundesgerichts vom 15. Februar 2007; Urteil 6B_453/2007 des Bundesgerichts vom 19. Februar 2008; Urteil 6B_232/2016 des Bundesgerichts vom 21. Dezember 2016). Den Materialien kann entnommen werden, dass die früheren Tatbestände der Schändung und der Unzucht mit Schwachsinnigen in einem Tatbestand vereint wurden, mit dem Ziel, Personen zu schützen, die seelisch und körperlich nicht in der Lage sind, sich gegen sexuelle Zumutungen zu wehren. Neben der physischen ist auch die psychische Wehrlosigkeit erfasst, welche eine gültige Einwilligung zu einer

    geschlechtlichen Handlung und die Verantwortung dafür ausschliessen würden, wobei als Beispiele die Geisteskrankheit, Schwachsinn, Bewusstlosigkeit oder Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit angeführt wurden (BBl 1985 II 1077). Der Gesetzgeber hatte dabei Personen im Blick, welche dauernd oder bloss vor- übergehend, chronisch oder situationsbedingt an schweren psychischen Defekten leiden, oder auch in einem Zustand hochgradiger Intoxikation mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten oder aufgrund von körperlicher Invalidität nicht in der Lage sind, sich gegen sexuelle Handlungen zur Wehr zu setzen. Der Missbrauch einer zum Widerstand gegen sexuelle Zumutungen unfähigen Person wird vom Gesetzgeber als schwerwiegend erachtet, was sich insbesondere daran zeigt, dass eine Schändung mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden kann. Damit steht auf eine Schändung die gleiche Strafandrohung wie beispielsweise auf eine Vergewaltigung, einen Totschlag oder eine schwere Körperverletzung.

    Das Bundesgericht weitete den Schändungstatbestand in jüngerer Zeit in doch relativ weitgehender Weise auch auf Fälle aus, in denen das Opfer an und für sich durchaus in der Lage gewesen wäre, sich einen Willen zu bilden, die sexuelle Handlung des Täters jedoch erst wahrnehmen konnte, als diese bereits geschehen war. So wurde eine Schändung bejaht bei einem Physiotherapeuten, welcher einer nackt und auf dem Bauch liegenden Patientin bei einer Massage mit den Fingern in die Vagina griff. Eine nackt auf dem Bauch liegende Patientin habe wegen ihrer Lage auf dem Behandlungstisch nicht sehen können, was mit ihr geschehe. Den sexuellen Übergriff habe sie erst wahrgenommen, als sie seine Finger an ihrem Geschlechtsteil gespürt und sich verkrampft habe, also zu dem Zeitpunkt, als der Täter schon begonnen habe, sie zu missbrauchen. Entscheidend sei, dass der Täter sich zum Missbrauch angeschickt habe im Wissen darum, dass das Opfer den Angriff überhaupt nicht habe erkennen können, und damit dessen vorbestehende Wehrlosigkeit ausgenützt habe (BGE 133 IV 49). Ebenfalls bejaht wurde eine Schändung bei einem Physiotherapeuten, welcher bei seiner Patientin, die in Unterwäsche auf einem Massagetisch in seitlich instabiler Lage lag, in ihrem Rücken mit seinem erigierten Penis gegen ihr Geschlechtsorgan und ihr über den Tisch ragendes Gesäss rieb (Urteil 6B_920/2009 des Bundesgerichts vom 18. Februar 2010).

    Bereits an dieser Stelle sei erwähnt, dass der vorliegende Fall durchaus Parallelen zu den soeben genannten Bundesgerichtsentscheiden aufweist, jedoch in einem entscheidenden Punkt wesentlich anders gelagert ist, worauf auch die Vorinstanz zu Recht hinweist (Urk. 40 S. 19). Während sich die Opfer gemäss den Bundesgerichtsentscheiden zugrundeliegenden Sachverhalten keinen Willen über die sexuellen Handlungen an sich und damit über das ob bilden konnten, weil sie in den gegebenen Situationen schlichtweg nicht mit sexuellen Handlungen rechnen mussten, war die Privatklägerin mit der sexuellen Handlung an sich einverstanden, formulierte jedoch noch ein wie. Die zitierte Rechtsprechung, auf welche auch die Staatsanwaltschaft verweist (Urk. 31 S. 12, Urk. 42 S. 3 f., Urk. 55 S. 4 f.), hilft also im vorliegenden Fall für die konkrete Frage nicht weiter.

  3. Die Formulierung missbrauchen in Art. 191 StGB soll zum Ausdruck bringen, dass ein vor dem Eintritt der Urteilsund Widerstandsunfähigkeit gegebenes Einverständnis unter Umständen die Anwendung des Tatbestandes ausschliesst (BSK StGB II-M AIER, Art. 191 N 14). Falls demnach im vorliegenden Fall eine gül- tige Einwilligung im strafrechtlichen Sinn vorgelegen hätte, würde die Tatbestandsmässigkeit entfallen.

    1. Als Grundvoraussetzung für eine wirksame Einwilligung müssen Einwilligende die Fähigkeit zur Einwilligung besitzen. Diese kann aufgrund des Alters und der Einsichtsfähigkeit oder aufgrund von Krankheiten oder Drogen dauerhaft oder vorübergehend ausgeschlossen sein. Die zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs mit dem Beschuldigten 18 Jahre alte Privatklägerin war nicht in ihrer Einsichtsfähigkeit eingeschränkt, zumal sie vor dem Geschlechtsverkehr auch nur eine kleine Menge Alkohol konsumiert hatte (vgl. Urk. 7/1 S. 4 F/A 29; Urk. 8/2 S. 7 F/A 16). Sie war damit ohne Weiteres fähig, gültig in den Geschlechtsverkehr einzuwilligen.

    2. Sodann muss die Einwilligung freiwillig erfolgen. Die Freiwilligkeit ist massgebliches Kennzeichen der Einwilligung. Das betroffene Rechtsgut ist - wie gesehen

      - die sexuelle Selbstbestimmung, mitunter also die Möglichkeit, sich sexuell frei und unabhängig zu entfalten und Beziehungen selbständig und eigenverantwortlich ohne Zwang zu gestalten. Gleichzeitig betrifft die sexuelle Selbstbestimmung

      aber selbstverständlich auch die einzelnen Handlungen während des sexuellen Kontaktes. Die Einwilligung zum Geschlechtsverkehr bedeutet nicht per se die Zulässigkeit sämtlicher Varianten. So bedarf beispielsweise eine anale Penetration während des Geschlechtsverkehr einer eigenen Einwilligung. Entscheidend ist deshalb vorliegend, in welche Handlung die Privatklägerin eingewilligt hat. Daraus folgend ist die Frage zu beantworten, ob der geschützte und der ungeschützte Geschlechtsverkehr unterschiedliche sexuelle Handlungen darstellen.

    3. Diese Ansicht wird von der Staatsanwaltschaft vertreten: Der Grund liege zwar nicht vorab auf der tatsächlichen Ebene, weil beim Tragen eines Kondoms zumindest im Bereich der Geschlechtsteile kein Hautkontakt stattfinde. Der viel wichtigere Unterschied liege darin, dass durch das Tragen des Kondoms der Austausch von Körperflüssigkeiten, wie Sperma oder Blut, weitestgehend verhindert werde, was wiederum das Ansteckungsrisiko für diverse Geschlechtskrankheiten und sexuell übertragbare Krankheiten, wie HIV und Hepatitis, entscheidend minimiere.

      Deshalb könne die sexuelle Handlung Geschlechtsverkehr mit Kondom mit der sexuellen Handlung Geschlechtsverkehr ohne Kondom nicht als identisch angesehen werden. Mittels Kondom geschützter Geschlechtsverkehr und ungeschützter Geschlechtsverkehr seien genauso unterschiedlich wie Vaginalverkehr und Analverkehr. Die logische Konsequenz daraus sei, dass eine Einwilligung in die sexuelle Handlung Geschlechtsverkehr mit Kondom eben nicht auch eine Einwilligung in die sexuelle Handlung Geschlechtsverkehr ohne Kondom sei. Dass die Privatklägerin mit geschütztem Geschlechtsverkehr einverstanden gewesen sei, könne aus diesen Gründen nicht dahingehend verstanden werden, dass sie mit sämtlichen sexuellen Handlungen einverstanden gewesen sei. Die Ansicht, dass die Frau mit dem Geschlechtsverkehr an und für sich einverstanden gewesen sei und darum auch die sexuelle Handlung Geschlechtsverkehr ohne Kondom grundsätzlich akzeptiert habe, sei somit im vorliegenden Fall in doppelter Hinsicht falsch: Zum einen, weil es nicht das gleiche sei und zum anderen, weil die Geschädigte im Vorfeld explizit gesagt habe, dass sie mit Geschlechtsverkehr ohne Kondom nicht einverstanden sei (Urk. 42 S. 5, Urk. 55 S. 7 f.).

    4. Praktisch gesehen macht es natürlich einen Unterschied, ob der vaginale Geschlechtsverkehr mit oder ohne ein Kondom stattfindet. Nicht nur wird die Vereinigung mit oder ohne Kondom gemeinhin haptisch leicht anders empfunden, sondern stellt aufgrund des direkten Kontaktes der Geschlechtsorgane eine etwas andere Qualität von Intimität dar. Aus diesem Grund mag man mit der Staatsanwaltschaft zunächst geneigt sein, den Geschlechtsverkehr mit und ohne Kondom als unterschiedliche sexuelle Handlungen anzusehen. Bei genauerer Betrachtung geht es aber in beiden Fällen um die Penetration mit dem männlichen Geschlechtsorgan oder nach dem Gesetzeswortlaut eben um einen Beischlaf. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch wird in beiden Fällen von (vaginalem) Geschlechtsverkehr gesprochen, ob nun der Geschlechtsverkehr geschützt oder ungeschützt erfolgt. Zudem ist es so, dass der Geschlechtsverkehr, ob nun mit oder ohne Kondom, per se eine sehr intime Handlung darstellt und die Verwendung bzw. Nichtverwendung eines Kondoms diesbezüglich letztlich nur einen graduellen Unterschied ausmacht.

    5. Weiter ist es zwar mit der Staatsanwaltschaft sicher richtig, dass durch die Benutzung eines Kondoms das Ansteckungsrisiko von Geschlechtskrankheiten und sexuell übertragbaren Krankheiten weitestgehend minimiert werden kann. Allerdings geht die Argumentation der Staatsanwaltschaft im vorliegenden Zusammenhang an der Sache vorbei. Denn auch wenn die (getäuschte) Privatklägerin natürlich ein berechtigtes Interesse an ihrer Forderung hat, dass der Beschuldigte ein Kondom benützt, um sie vor Geschlechtskrankheiten zu schützen, so bezieht sich dieses Interesse nicht auf die vom Tatbestand der Schändung geschützte sexuelle Integrität ihrer Person, also die Umstände ob und mit wem sie sexuelle Handlungen vornehmen will. Vielmehr betrifft dieses Anliegen im Kern ihre Gesundheit respektive ihre körperliche Unversehrtheit, worauf auch die Verteidigung hinweist (Urk. 56 S. 13). Die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit wird aber nicht durch die Tatbestände nach Art. 187 ff. StGB, sondern durch die Delikte gegen Leib und Leben im Sinne von Art. 122 ff. StGB bzw. indirekt auch durch Art. 231 StGB pönalisiert.

      Der Verwendungszweck eines Kondoms ist es denn auch, die körperliche Integrität der Sexualpartner zu schützen bzw. ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Die Verwendung eines Kondoms stellt dagegen nicht etwa eine spezielle Ausprägung des Geschlechtsverkehrs dar, wie zum Beispiel der Oraloder Analverkehr. Mit anderen Worten geht es in der absoluten Mehrheit der Fälle nicht darum, mit dem Kondom eine spezielle sexuelle Praktik auszuleben, sondern das Kondom dient lediglich dazu, eine sexuelle Handlung wie Vaginal-, Analoder Oralverkehr gefahrenminimiert durchführen zu können. Das Kondom ist sozusagen das Mittel zum Zweck und nicht der Zweck. Natürlich sind Fälle denkbar, in denen die Sexualpartner ein entsprechend beschaffenes Kondom (auch) zur Luststeigerung verwenden. Indessen dürfte es sich dabei um Ausnahmen handeln. Zudem geht es bei den Fällen von Stealthing - und insbesondere auch im konkret zu beurteilenden Fall - ja gerade nicht darum, dass die Sexualpartnerin über einen Lustentzug klagen würde, sondern darum, dass sich der Sexualpartner über ihren Willen hinweggesetzt und sie einem Risiko der Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit oder einer ungewollten Schwangerschaft ausgesetzt hat.

      Dass die Benutzung eines Kondoms nicht die sexuelle Selbstbestimmung beschlägt, sondern vielmehr die körperliche Unversehrtheit bzw. Gesundheit betrifft, zeigt sich auch an folgendem, den vorliegenden Sachverhalt gleichsam spiegelnden Beispiel: Eine Person willigt in den Geschlechtsverkehr ein, möchte diesen aber nur unter der Bedingung vollziehen, dass der Sexualpartner kein Kondom benutzt. In der Folge benützt der Sexualpartner aber für den Geschlechtsverkehr ein Kondom. Auch hier würde in der Sache - würde man der Argumentation der Staatsanwaltschaft folgen - eine andere sexuelle Handlung vorliegen, welche gegen den explizit geäusserten Willen der betroffenen Person erfolgt ist. Mit Fug kann aber davon ausgegangen werden, dass es in einer solchen Konstellation weder zu einer Strafanzeige der betroffenen Person noch zu einer Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Schändung kommen würde.

    6. Ablehnend zu beantworten ist sodann die Frage, ob es möglich ist, die Einwilligung in den Geschlechtsverkehr von einer Bedingung (Benützung eines Kondoms) abhängig zu machen, bei deren Nichteinhaltung die Einwilligung wegfällt.

      Würde man dies zulassen, wäre zugleich zu klären, welche Bedingungen massgebend sein sollen, bei deren Nichteinhaltung die Einwilligung entfällt und eine Strafbarkeit des Täters in Frage kommt. Damit würden sich mit der Vorinstanz zahlreiche, äusserst schwierige Abgrenzungsfragen stellen, auf welche weder das Gesetz noch Lehre oder Rechtsprechung eine Antwort bereithält. Klar wäre zwar wohl, dass nicht sämtliche denkbaren Bedingungen strafrechtlich relevant sein könnten. So wäre es naheliegend, dass zum Beispiel die Bedingung, dass der Sexualpartner ein bestimmtes Alter (über 16 Jahren) habe, zu keiner Strafbarkeit führen könnte, wenn der Sexualpartner effektiv nicht dieses Alter haben sollte. Wesentlicher wären aber wohl Bedingungen beispielsweise bezüglich Religionszugehörigkeit oder Geschlecht einer Person. Gerade die Religionszugehörigkeit bezeichnet die Staatsanwaltschaft aber pauschal als unwesentlich, da es nicht um eine ungewollte sexuelle Handlung gehe, sondern um eine religiöse Frage, welche vom schweizerischen Strafrecht nicht erfasst sei (Urk. 42 S. 6, Urk. 55 S. 9). Wollte man aber Bedingungen bei einer Einwilligung in den Geschlechtsverkehr zulassen, so wäre nicht einsichtig, weshalb dieser Fall gerade nicht erfasst sein sollte. So wäre es durchaus nachvollziehbar, wenn es für den einen Sexualpartner essentiell wichtig wäre, nur mit einer Person einer bestimmten religiösen Ausrichtung Geschlechtsverkehr zu haben. Denn gerade im Glaubensbereich kann die psychische Belastung gravierend sein, wenn sich eine strenggläubige Person aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung versagt, mit einer Person eines bestimmten (anderen) Glaubens Geschlechtsverkehr zu haben und dies dann dennoch geschieht. Doch ob nun über die religiöse Ausrichtung oder die Benutzung eines Kondoms getäuscht wird: beiden Fällen gemeinsam ist, dass es zwar um einen Vertrauensbruch zwischen den Sexualpartnern geht, welcher aber nicht die sexuelle Selbstbestimmung betrifft und deshalb auch nicht durch den Schän- dungstatbestand geschützt ist. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen dem erwähnten Beispiel und der vorliegend zu beurteilenden Konstellation besteht darin, dass die Verwendung eines Kondoms sich auch physisch zeigt.

      Es ist weiter auf folgenden Umstand hinzuweisen: Es dürfte sich von selbst verstehen, dass eine Person konkludent oder ausdrücklich nur unter der Bedingung in ungeschützten Geschlechtsverkehr einwilligt, dass der Sexualpartner nicht Trä-

      ger von Geschlechtskrankheiten ist oder Kontrazeptiva gegen ungewollte Schwangerschaften einnimmt, falls kein Kinderwunsch bestehen sollte. Indessen sind dem Gericht keine Fälle bekannt, in denen es zu einer Verurteilung oder nur schon zu einer Anklage wegen einer Schändung gekommen wäre, wenn der Sexualpartner Träger von Geschlechtskrankheiten war oder es aufgrund fehlender Verwendung von Kontrazeptiva zu einer ungewollten Schwangerschaft gekommen wäre. Dies obwohl offensichtlich auch hier eine Bedingung für den Geschlechtsverkehr nicht eingehalten worden wäre. Vielmehr ergingen in Fällen der Übertragung von Geschlechtskrankheiten Verurteilungen wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger (schwerer) Körperverletzung.

    7. Zu verwerfen ist sodann die Argumentation der Staatsanwaltschaft, wenn sie die Erfüllung des Tatbestandes davon abhängig machen will, ob der Sexualpartner vorgängig gewisse Handlungen verbal explizit ausgeschlossen hat. So führt die Staatsanwaltschaft aus, wenn eine Frau vor dem Geschlechtsverkehr dem Partner explizit sage, sie wolle nicht an einer bestimmten Stelle geleckt werden und der Partner dies dennoch tue, indem er die Frau mit dieser Handlung derart überrasche, dass sich diese nicht dagegen zur Wehr setzen kann, sei dies ebenfalls eine Schändung. Würde es hingegen an einer solchen Absprache fehlen, würde der Tatbestand auf der subjektiven Seite scheitern (Urk. 42 S. 6, Urk. 55

      S. 8 f.). Bei dieser Sichtweise erfüllte beim Geschlechtsverkehr grundsätzlich jede spontane Interaktion, mit welcher die eine Person überrascht wird, den objektiven Tatbestand einer Schändung. So würde in der Konsequenz grundsätzlich jede spontane Handlung während dem Geschlechtsverkehr a priori pönalisiert, da dadurch zumindest der objektive Tatbestand erfüllt wäre und - allenfalls - erst am subjektiven Tatbestand scheitern würde. Das kann nicht sein. Man stelle sich vor, der eine Sexualpartner schickt sich an, eine spontane Handlung vorzunehmen, obwohl er in diesem Moment schon Bedenken hat, dass dies für den anderen Sexualpartner auch in Ordnung ist. Wenn er die Handlung dann trotzdem vornimmt und diese dann vom anderen als unerwünscht empfunden wird, müsste eine eventualvorsätzliche Schändung bejaht werden. Dabei müsste es sich auch nicht um etwas sehr Ausgefallenes handeln, ist doch die Grenze des Erlaubten/Unerlaubten bei jedem Menschen individuell. Genau dieser individuelle Massstab wäre

      jedoch mitunter entscheidend für die Frage, ob der Schändungstatbestand erfüllt wäre oder nicht.

      Eine solche A-priori-Pönalisierung war nicht die Intention des Gesetzgebers. Mit dem Tatbestand der Schändung wollte der Gesetzgeber - wie bereits erwähnt - Personen schützen, die einen zur Abwehr ausreichenden Willen zum Widerstand gegen sexuelle Übergriffe nicht oder nicht sinnvoll bilden, äussern oder betätigen können. Sicher nicht die Absicht war es, spontane sexuelle Interaktionen zwischen grundsätzlich einwilligungsfähigen Personen unter Generalverdacht zu stellen. Eine solche Auslegung des Tatbestandes würde nicht mehr dem Schutz der sexuellen Freiheit dienen, sondern quasi zu mehr sexueller Unfreiheit führen. Es kann nicht sein, dass man mit dem Sexualpartner vor dem Akt jede Einzelheit im Sinne eines Was geht, was nicht besprechen müsste, nur um anschliessend nicht Gefahr zu laufen, dass es zu einer Anzeige wegen einer Schändung kommt. Das wäre schlicht lebensfremd.

  4. Mit der Vorinstanz würde eine Verurteilung schliesslich gegen das Legalitätsprinzip verstossen. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss das Gesetz so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 138 IV 13 E. 4.1.). Klar ist, dass der Beschuldigte zwar wissen musste, dass sein Handeln nicht richtig war. Aber damit rechnen, dass er damit den Tatbestand der Schändung und mithin einen Tatbestand mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe erfüllen könnte, musste er nicht. Eine Verurteilung würde den Tatbestand von Art. 191 StGB in unzulässiger Weise überdehnen.

  5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Verhalten des Beschuldigten den Tatbestand der Schändung im Sinne von Art. 191 StGB nicht erfüllte. Der vorinstanzliche Freispruch ist somit zweitinstanzlich zu bestätigen.

  6. Abschliessend muss aber das Folgende mit aller Deutlichkeit festgehalten werden: Nur weil sein Verhalten nicht unter einen geltenden Tatbestand subsumiert werden kann, bedeutet dies nicht, dass der Beschuldigte mit seinem Vor-

gehen nicht in moralisch vorwerfbarer Weise gehandelt hätte. Der Beschuldigte setzte sich über den klar geäusserten Willen der Privatklägerin hinweg. Er hat damit in einem sehr intimen Bereich der Privatklägerin eine Grenze überschritten, was nicht nur dazu führte, dass die Privatklägerin sich hintergangen fühlte. Um einer möglichen Erkrankung vorzubeugen, sah sie sich auf ärztliches Anraten hin auch dazu veranlasst, Medikamente mit möglicherweise erheblichen Nebenwirkungen einzunehmen. Sodann lebte sie über einen längeren Zeitraum im Ungewissen über eine mögliche Ansteckung durch den Beschuldigten. Das Verhalten des Beschuldigten zeitigte damit nicht nur physisch, sondern auch psychisch grosse Auswirkungen auf das Leben der Privatklägerin.

IV. Kostenund Entschädigungsfolgen
  1. Erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsfolgen

    1. Ausgangslage

      1. Die Vorinstanz auferlegte dem Beschuldigten in Anwendung von Art. 426 Abs. 2 StPO die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens. Zur Begründung führte sie aus, indem der Beschuldigte das Kondom gegen den Willen der Privatklägerin abgestreift habe, habe er gegen die Vereinbarung zwischen ihm und der Privatklägerin verstossen, geschützten Geschlechtsverkehr zu haben. Die Privatklägerin habe nicht in diese Handlung eingewilligt, was ihm auch bewusst gewesen sei, da die Privatklägerin unmissverständlich auf dem Tragen eines Kondoms während dem Geschlechtsverkehr beharrt habe. Insofern könne aus zivilrechtlicher Sicht die Verletzung der Persönlichkeit der Privatklägerin im Sinne einer Verletzung der sexuellen Integrität bejaht werden (Urk. 40 S. 22).

      2. Der Beschuldigte beantragt anschlussberufungsweise, es seien die Kosten des Verfahrens bis einschliesslich des erstinstanzlichen Verfahrens auf die Gerichtskasse zu nehmen (Urk. 48 S. 2). Die Verteidigung machte anlässlich der Berufungsverhandlung geltend, dass sich der Vorfall ihrer Auffassung nach anders abgespielt habe und eine Persönlichkeitsverletzung deshalb nicht begründet werden könne und auch nach der Tatversion des Beschuldigten sich höchstens die

        Frage einer fahrlässigen Körperverletzung stellen würde. Zudem fehle es an dem Kausalzusammenhang zwischen den Kosten des Verfahrens und dem Verhalten des Beschuldigten. Kausal für die Einleitung des Verfahrens sei vielmehr der Entscheid der Staatsanwaltschaft gewesen, vor Gericht eine Rechtsfrage zu klären (Urk. 56 S. 15).

          1. Würdigung

            1. Nach Art. 426 Abs. 2 StPO können einer freigesprochenen Person die Verfahrenskosten unter anderem dann ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt hat. Bei der Kostenpflicht im Falle von Freispruch handelt es sich um eine zivilrechtlichen Grundsätzen angenäherte Haftung für fehlerhaftes Verhalten, durch das die Einleitung oder Erschwerung eines Strafverfahrens verursacht wurde. Die Kosten- überbindung stellt mithin eine Haftung prozessualer Natur für die Mehrbeanspruchung der Untersuchungsorgane und die dadurch entstandenen Kosten dar. Eine Kostenauflage an einen nicht verurteilten Beschuldigten wegen zivilrechtlich schuldhaftem Verhalten kann sich auch auf Art. 28 ZGB stützen (Urteil 1B_21/2012 des Bundesgerichts vom 27. März 2012, E. 2.4).

            2. Nach Art. 28 Abs. 2 ZGB ist jede Verletzung der Persönlichkeit widerrechtlich, welche nicht durch die Einwilligung der verletzten Person, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. Wie gesehen ist der Sachverhalt, wie er zur Anklage gebracht wurde, abgesehen von der genauen Position beim ungeschützten Geschlechtsverkehr, erstellt (vgl. vorstehende Erw. II.5.6). Wenn die Verteidigung zur Begründung seines ablehnenden Standpunktes hinsichtlich der Kostenauflage zulasten des Beschuldigten von einer anderen Sachverhaltsversion ausgeht, widerspricht er damit dem Beweisergebnis. Gemäss erstelltem Sachverhalt entfernte der Beschuldigte während des Geschlechtsverkehrs unbemerkt das über seinen Penis gestreifte Kondom und drang anschliessend mit seinem Penis ungeschützt in die Vagina der Privatklägerin ein. Auch wenn dieses Verhalten des Beschuldigten - wie gesehen - keinen Straftatbestand erfüllt, so verletzte der Beschuldigte dadurch die von Art. 28 ZGB geschützte sexuelle Integrität der Privatklägerin. Der Beschuldig-

              te tat dies, obwohl die Privatklägerin ihm vor dem Geschlechtsverkehr klar zu verstehen gegeben hatte, dass sie nur geschützten Geschlechtsverkehr mit ihm haben wollte. Die Verletzung war damit nicht durch eine Einwilligung der Privatklägerin gedeckt, weshalb die Verletzung der Persönlichkeit der Privatklägerin widerrechtlich war. Vor diesem Hintergrund eröffneten die Strafbehörden eine Strafuntersuchung, weshalb die dadurch verursachten Kosten auch adäquat kausal auf das dem Beschuldigten zivilrechtlich vorwerfbare Verhalten zurückzuführen sind. Dass das Strafverfahren nun auch vor zweiter Instanz in einem Freispruch endete, ändert an dieser Kausalität - entgegen der Verteidigung (vgl. vorstehende Erw. IV.1.1.2) - nichts. Eine Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft darf nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen erfolgen. Bei zweifelhafter Beweisbzw. Rechtslage hat das für die materielle Beurteilung zuständige Gericht zu entscheiden (Art. 319 Abs. 1 StPO, Urteil 6B_744/2019 des Bundesgerichts vom 5. November 2019, E. 4.3.1). Die Rechtslage im vorliegenden Fall war keineswegs klar, was sich etwa schon daran zeigt, dass das Kantonsgericht Waadt in einem Urteil vom 8. Mai 2017 in Bezug auf die rechtliche Beurteilung des sogenannten Stealthing gerade anders entschieden hat (PE15.012315-LAE/PBR). Dass vorliegend überhaupt über die strittige Rechtsfrage zu entscheiden war, ist im Verhalten des Beschuldigten begründet.

            3. Aufgrund des Gesagten ist die vorinstanzliche Kostenregelung zweitinstanzlich zu bestätigen. Bei dieser Sachlage hat der Beschuldigte keinen Anspruch auf eine Prozessentschädigung für das Vorund Hauptverfahren.

  2. Kostenund Entschädigungsfolgen des Berufungsverfahrens

    1. Im Berufungsverfahren wird die Gerichtsgebühr grundsätzlich nach den für die Vorinstanz geltenden Regeln bemessen. Dabei wird auch berücksichtigt, ob das Urteil vollumfänglich oder nur teilweise angefochten worden ist (§ 16 Abs. 1

      i.V.m. § 14 Abs. 1 GebV OG). Vorliegend erscheint die Festsetzung einer Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.- als angemessen.

    2. Im Rechtsmittelverfahren werden die Kosten nach Massgabe des Obsiegens oder Unterliegens der Parteien auferlegt (Art. 428 StPO). Ob eine Partei im Rechtsmittelverfahren als obsiegend oder unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor Beschwerdeinstanz bzw. Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen wurden (BSK StPO II-D OMEISEN, Art. 428 N 6).

    3. Die Staatsanwaltschaft beantragte berufungsweise einen Schuldspruch im Sinne von Art. 191 StGB sowie eine Bestrafung des Beschuldigten mit einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 14 Monaten als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 1. Juli 2019, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren (Prot. II S. 4). Der Beschuldigte beantragte neben der Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils anschlussberufungsweise, es seien die Kosten des Vorund Hauptverfahrens auf die Gerichtskasse zu nehmen sowie es sei dem Beschuldigten für die anwaltliche Verteidigung im Vorund Hauptverfahren eine Prozessentschädigung aus der Gerichtskasse zuzusprechen (Prot. II S. 4 f.).

    4. Der vorinstanzliche Freispruch des Beschuldigten wird zweitinstanzlich bestätigt. Ebenfalls bestätigt wird die Kostenauflage an den Beschuldigten und das Absehen von einer Prozessentschädigung an den Beschuldigten für das Vorund Hauptverfahren. Da sich das Berufungsgericht schwergewichtig mit dem Schuldpunkt zu befassen hatte, erscheint es angemessen, die Kosten des Berufungsverfahrens zu einem Fünftel dem Beschuldigten aufzuerlegen und zu vier Fünfteln auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    5. Unter Verweis auf die geltend gemachten Aufwendungen und Auslagen der erbetenen Verteidigung für das Berufungsverfahren inkl. MwSt. (Urk. 57 S. 2 f.) ist dem Beschuldigten ausgangsgemäss eine reduzierte Prozessentschädigung in der Höhe von Fr. 3'800.- für die anwaltliche Verteidigung im Berufungsverfahren zuzusprechen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Bülach, I. Abteilung, vom 13. Februar 2019 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    2. Es wird davon Vormerk genommen, dass der Beschuldigte die Zivilklage in der Höhe von Fr. 388.- anerkannt hat.

    3. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 3'900.-; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 2'100.- Gebühr für die Strafuntersuchung Fr. 72.90 Auslagen Vorverfahren

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte wird freigesprochen.

  2. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 4) wird bestätigt.

  3. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.-.

  4. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten zu einem Fünftel auferlegt und zu vier Fünfteln auf die Gerichtskasse genommen.

  5. Dem Beschuldigten wird eine reduzierte Prozessentschädigung von Fr. 3'800.- für anwaltliche Verteidigung im Berufungsverfahren aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  6. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (übergeben)

    • die Privatklägerin B.

      (Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA mittels Kopie von Urk. 44

    • die Kantonspolizei Zürich, KIA-ZA, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)

  7. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 28. November 2019

Der Präsident: lic. iur. R. Naef

Die Gerichtsschreiberin: lic. iur. S. Bussmann

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