Zusammenfassung des Urteils SB180413: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 26. März 2019 in einem Fall von mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern entschieden. Der Beschuldigte wurde schuldig gesprochen, jedoch wurde von der Ausfällung einer Strafe abgesehen. Stattdessen wurde eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB angeordnet. Die Gerichtskosten wurden dem Beschuldigten auferlegt, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, die auf die Gerichtskasse genommen wurden. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt. Der Beschuldigte wurde zu 2 Jahren Freiheitsstrafe unbedingt verurteilt, wovon 204 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind. Eine bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen gegen diesen Entscheid ist möglich.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB180413 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 26.03.2019 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_633/2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Urteil; Gericht; Vorinstanz; Verteidigung; Massnahme; Behandlung; Gutachten; Urteil; Kanton; Gutachter; Kantons; Berufung; Gerichts; Beurteilung; Gericht; Punkt; Recht; Handlung; Freiheit; Handlungen; Freiheitsstrafe; Staatsanwalt; Zusatzstrafe; Bundesgericht; Therapie; Staatsanwaltschaft |
Rechtsnorm: | Art. 101 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 3 StGB ;Art. 428 StPO ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 56 StGB ;Art. 59 StGB ;Art. 63 StGB ;Art. 97 StGB ; |
Referenz BGE: | 142 IV 329; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB180413-O/U/cw
Mitwirkend: die Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, und lic. iur. Ruggli sowie die Oberrichterin lic. iur. Schärer und die Gerichtsschreiberin lic. iur. Linder
Urteil vom 26. März 2019
in Sachen
,
Beschuldigter und Erstberufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
Anklägerin und Zweitberufungsklägerin
sowie
,
Privatklägerin
vertreten durch Inhaber der elterlichen Sorge C. , betreffend mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 11. April 2018 (Urk. 54) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte ist der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 - 3 StGB schuldig.
Von der Ausfällung einer Strafe wird abgesehen.
Es wird vorgemerkt, dass 204 Tage der dem Beschuldigten mit Entscheid des Strafgerichts des Sensebezirks vom 21. Januar 2015 auferlegten Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren bereits durch Untersuchungshaft im vorliegenden Verfahren erstanden sind.
Es wird eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) angeordnet.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom
16. September 2013 beschlagnahmten und bei der Kantonspolizei Zürich, Asservate-Triage, gelagerten Datenträger gemäss Sicherstellungsliste 03502011 werden eingezogen und vernichtet.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom
November 2017 beschlagnahmte EDV-Datensicherung KaPo Zürich, Festplatte Samsung, enthaltend Datensicherung im Encase-Format: 03502011 Teil 1 - 5 (5 Festplatten), wird an die Kantonspolizei Zürich, Digitale Forensik, zur gutscheinenden Verwendung herausgegeben.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom
November 2017 beschlagnahmten Gegenstände
drei Briefe D.
International, 1 Foto mit Kind, 1 Schreiben auf
Russisch betreffend E. (Punkt 4.1 gemäss Durchsuchungsprotokoll),
fünf F.
International an G. , total Fr. 2'646.79 (Punkt 4.2
gemäss Durchsuchungsprotokoll),
drei F. International Deutschland, eine Handnotiz mit Kontodaten (Punkt 4.3 gemäss Durchsuchungsprotokoll)
werden eingezogen und bei den Akten belassen.
Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 4'000.- ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 3'000.- Gebühr für das Vorverfahren, Fr. 19'212.10 Auslagen für Gutachten,
Fr. 3'645.10 Auslagen für das Ergänzungsgutachten, Fr. 3'440.- Auslagen Polizei,
Fr. 1'425.- Entschädigung der Dolmetscherin,
Fr. 15'295.40 Entschädigung des amtlichen Verteidigers (inkl. Entschädigung für vier Stunden Hauptverhandlung, Fr. 826.30 Barauslagen und 8.0% MWSt. [bis 31. Dezember 2017] bzw. 7.7% MWSt. [ab 1. Januar 2018]).
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, dem Beschuldigten auferlegt.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Berufungsanträge:
Der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich: (Urk. 99 S. 1)
In Abänderung von Ziffer 2 des Dispositivs des Urteils des Bezirksgerichts Hinwil vom 21. August 2018 sei der Beschuldigte mit einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten zu bestrafen unter Anrechnung von 204 Tagen Untersuchungshaft.
Ziffer 1 und die Ziffern 3 bis 8 des Dispositivs des Urteils der Vorinstanz seien zu bestätigen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens seien ausgangsgemäss dem Beschuldigten aufzuerlegen. Die Kosten der Verteidigung seien auf die Staatskasse zu nehmen.
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 100 S. 1)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils betreffend Schuldpunkt, Freiheitsstrafe, Einziehungen, Gebühren und Kostenverteilung (Dispositivziffern 1 und 2 sowie 4-8 des Urteils des Bezirksgerichts Hinwil vom
21. August 2018).
Es sei anstelle einer stationären Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 Ziff. 1 StGB anzuordnen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen.
Erwägungen:
Mit Urteil vom 21. August 2018 sprach das Bezirksgericht Hinwil den Beschuldigten wegen mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 Abs. 13 StGB schuldig. Von der Aussprechung einer Strafe sah das Gericht ab, davon ausgehend, dass eine Zusatzstrafe zur früheren Verurteilung wegen gleicher Tatbestände auszufällen wäre, wobei die früher ausgefällte Strafe bereits die gesetzliche Maximalstrafe darstelle, sodass die Zusatzstrafe Null betragen würde. Allerdings merkte die Vorinstanz vor, dass die Untersuchungshaft von 204 Tagen an die angepasste frühere Freiheitsstrafe von 7 ½ Jahren angerechnet werde. Das Gericht ordnete sodann für den Beschuldigten eine stationäre therapeutische Massnahme zur Behandlung psychischer Störungen im Sinne von Art. 59 StGB an (Urk. 82).
Gegen das Urteil meldete der Beschuldigte am 29. August 2018 Berufung an (Urk. 80) und liess am 12. September 2018 seine Berufungserklärung folgen (Urk. 85). Demnach ficht er lediglich die Anordnung einer stationären Massnahme an und beantragt stattdessen eine ambulante Massnahme. Die Staatsanwaltschaft meldete mit ihrer Berufungserklärung vom 3. September 2018 innert Frist ebenfalls Berufung an, wobei sie ihre Anfechtung auf den Strafpunkt und die Anrechnung der Untersuchungshaft bezog (Urk. 84). Weitere Rechtsmittel von Seiten der Parteien blieben aus.
Das vorinstanzliche Urteil ist somit unangefochten geblieben hinsichtlich der Dispositivziffern 1 (Schuldpunkt), 4-6 (Einziehung, Herausgabe an Kapo) und 7-8 (Kostendispositiv). In diesem Umfang ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen, was vorab festzustellen ist.
Mit Eingabe vom 23. Januar 2019 stellte die Verteidigung den Antrag, es sei der aktuelle Therapeut des Beschuldigten, Dr. phil. H. , als Zeuge zu befragen (Urk. 96). Dem Beweisantrag wurde nicht stattgegeben, sondern die Verteidigung wurde aufgefordert, sich um einen aktuellen Therapiebericht zu bemühen, womit sie sich einverstanden erklärte (vgl. Aktennotiz in Urk. 97). Inzwischen liegt der neue Therapiebericht von Dr. H. vor (Urk. 98/2). Nach der heute durchgeführten Berufungsverhandlung erscheint der Fall spruchreif.
Vor Vorinstanz war unter den Parteien strittig, ob für die vorliegend zu beurteilenden Delikte eine Zusatzstrafe zum Urteil vom 18. Oktober 2013 des Wolgograder Gebietsgerichts auszufällen sei, dessen Strafe von 12 Jahren Freiheitsstrafe mit Vollzug in der Strafkolonie mit strengen Haftbedingungen vom Präsidenten des Strafgerichts des Sensebezirks in Tafers, Kanton Freiburg, im Rahmen der Vollstreckbarkeitsüberprüfung auf 7 ½ Jahre Freiheitsstrafe angepasst worden ist. Die Anklägerin vertrat die Auffassung, dass zu einem ausländischen Urteil keine Zusatzstrafe ausgesprochen werden könne, sondern vielmehr eine eigenständige Strafe auszusprechen sei. Der Beschuldigte vertrat hingegen die Meinung, dass grundsätzlich eine Zusatzstrafe auszusprechen sei, im vorliegenden Fall aber eine theoretische Zusatzstrafe von Null resultieren würde, da die maximal zulässige Strafhöhe von 7 ½ Jahren mit dem vom Strafgericht des Sensebezirks angepassten russischen Urteil bereits erreicht sei. Beide Parteien berufen sich zur Begründung ihrer Position auf einen neueren Entscheid des Bundesgerichts (BGE 142 IV 329), legen diesen aber unterschiedlich aus. Die Vorinstanz folgte in ihrem Urteil vom 21. August 2018 der Auffassung der Verteidigung.
Im Berufungsverfahren vertraten die Parteien dieselben Standpunkte wie vor Bezirksgericht. Zu prüfen gilt es deshalb unter Einbezug der Erwägungen der Vorinstanz, wie der von beiden Seiten angerufene Leitentscheid des Bundesgerichts richtig ausgelegt und verstanden werden muss.
In seinem Entscheid setzt das Bundesgericht für die Ausfällung einer Zusatzstrafe zu einem ausländischen Urteil als erstes voraus, dass die Taten, über
welche das ausländische Urteil Recht gesprochen hatte, (auch) in den räumlichen Geltungsbereich des Schweizerischen Strafgesetzbuches fallen würden. Dieses Erfordernis ergebe sich daraus, dass Art. 49 Abs. 2 StGB wie auch die übrigen Normen des StGB den Anwendungsbereich des Strafgesetzbuches nicht zu erweitern vermögen. Diese Auffassung überzeugt ohne Weiteres; sie wird denn auch weder von den Parteien noch von der Vorinstanz in Frage gestellt.
Anders verhält es sich mit der zweiten vom Bundesgericht genannten Voraussetzung mit Bezug auf die Ausfällung einer Zusatzstrafe: Neben dem ersten Erfordernis soll gemäss Bundesgericht die Ausfällung einer Zusatzstrafe voraussetzen, dass die frühere Tat durch eine inländische Strafbehörde (materiell) beurteilt wurde; es müsse eine eigene Beurteilung der früheren Tat durch eine inländische Behörde im Schuldund Strafpunkt unter Einhaltung der prozessualen und materiellen Vorschriften gegeben sein. Sei dies nicht der Fall, könne keine Zusatzstrafe, sondern müsse eine eigenständige Strafe ausgesprochen werden.
Die Formulierung im Entscheid des Bundesgerichts erweist sich entgegen der Auffassung von Verteidigung und Vorinstanz als eindeutig und klar. Wenn das Bezirksgericht das Erfordernis einer eigenen materiellen Beurteilung der früheren Tat im Schuldund Strafpunkt durch eine inländische Strafbehörde so zu interpretieren glaubt, dass bereits eine theoretische, mithin rein gedankliche Beurteilung der früher abgeurteilten Tat durch das zweiturteilende inländische Gericht genüge (Urk. 82 S. 9), so vermag dies angesichts der deutlichen Worte im bundesgerichtlichen Leitentscheid nicht zu überzeugen. Es erweist sich vielmehr der Hinweis des Bundesgerichts auf Art. 3 Abs. 2 StGB und die gleichlautenden Bestimmungen in den anschliessenden Art. 4-7 StGB, wonach im Ausland ausgesprochene Strafen von schweizerischen Gerichten nicht übernommen werden, sondern lediglich der im Ausland gestützt darauf bereits erfolgte Vollzug an die schweizseits auszusprechende Strafe angerechnet werde, als wegleitend. Folglich setzt die Ausfällung einer Zusatzstrafe in Anwendung von Art. 49 Abs. 2 StGB voraus, dass eine eigene unter Einhaltung der prozessualen und materiellen Vorschriften erfolgte inländische Beurteilung der früheren Tat im Schuldund Strafpunkt vorliegt. Daran vermag die Kritik in der Literatur, welche auf die mögliche
Ungleichbehandlung von Tätern, die im Ausland und in der Schweiz abgeurteilt werden, hinweist (BSK StGB-Ackermann, Art. 49 N 162a), nichts zu ändern. Denn im erwähnten Bundesgerichtsentscheid (E. 1.4.1) ist diese Kritik vorwegnehmend bereits festgehalten, dass angesichts der umfassenden gesetzlichen Regelung der schweizerischen Strafhohheit keineswegs von einer vom Gesetzgeber nicht gewollten zufälligen Ungleichbehandlung die Rede sein könne.
Im vorliegenden Fall kommt was die Verteidigung und die Vorinstanz übersehen hinzu, dass der Entscheid des Präsidenten des Strafgerichts des Sensebezirks, worauf sich Verteidigung und Vorinstanz als inländisches zweiturteilendes Gericht berufen, in einem Vollstreckungsverfahren erging und sich auf das von der Schweiz und auch von Russland ratifizierte Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (SR 0.343) stützte. Gemäss diesem Übereinkommen ist der Vollstreckungsstaat an die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Urteilsstaats gebunden (Übereinkommen, Art. 11 Ziff. 1 lit. a). Eine eigene materielle Entscheidung im Schuldpunkt ist folglich dem inländischen Vollstreckungsgericht verwehrt; lediglich mit Bezug auf den Strafpunkt kann es die Sanktion des ausländischen Gerichts durch eine für dieselbe Straftat nach inländischem Recht vorgesehene Sanktion ersetzen, was der Präsident des Strafgerichts des Sensebezirks getan hat.
Im Ergebnis sind die im Leitentscheid des Bundesgerichts vorgegebenen Voraussetzungen, jedenfalls hinsichtlich einer eigenständigen materiellen Beurteilung auch im Schuldpunkt durch ein inländisches Zweitgericht, nicht erfüllt. Es ist für die vorliegend zu beurteilenden Delikte deshalb eine eigenständige Strafe auszusprechen.
Auf sexuelle Handlungen mit Kindern im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 StGB steht als Sanktion Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren Geldstrafe. Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu und berücksichtigt dabei das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf
das Leben des Täters. Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit er nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden (Art. 47 StGB).
Dem Beschuldigten werden rund ein Dutzend Fälle aus den Jahren 2005 bis 2008 zur Last gelegt, in denen er am mit dem dabei zwischen 4 und 7 Jahre alten Kind (B. ) sexuelle Handlungen vorgenommen (und es dabei fotografiert gefilmt) hat. Da sich der Beschuldigte immer wieder am selben Kind vergriff, ist davon auszugehen, dass er im Schilde führte, dieses bei jeder sich bietenden Gelegenheit erneut in seine sexuellen Bedürfnisse einzubeziehen. Dennoch ist es in der langen Deliktsperiode zu grossen zeitlichen Unterbrüchen gekommen, weshalb die Vorinstanz die strafbare Handlung zu Recht als mehrfach begangen qualifiziert hat. Umständehalber liegt es jedoch nahe, die Tatschwere mit Bezug auf die ganze, dasselbe Kind betreffende Delinquenz zu bemessen. Bereits angesichts der vielfachen Repetition der Übergriffe und ihrer Vornahme über mehrere Jahre wiegt die Tatschwere in objektiver Hinsicht recht schwer. Dass es sich dabei stets um dasselbe Kind gehandelt hat, macht das Ausmass der Tatschwere nicht geringer. Weil es sich beim Opfer um das Göttikind des Beschuldigten handelte, erscheint der Machtund Vertrauensmissbrauch diesem gegenüber als besonders gravierend. Auch die Art der inkriminierten Handlungen war weitreichend (u.a. Spreizen der Schamlippen des Kindes und Einführen eines Fingers in die Vagina, Frottierenlassen des Penis durch das Kind bis zum Samenerguss, Masturbation vor dem Kind, Verleiten des Kindes, dass es nackt an unpässlichen Orten uriniere). Zwar hat der Beschuldigte gegenüber dem Kind keine Brachialgewalt angewendet; entgegen seiner Darstellung hat er dem Kind mit seiner Vorgehensweise dennoch Gewalt angetan, auch wenn dies nicht unmittelbar mit der Zufügung von (physischen) Schmerzen verbunden war. Insgesamt ist die objektive Tatschwere der Handlungen des Beschuldigten als mittelschwer zu werten.
Diese Einschätzung wird durch die subjektive Tatschwere nicht relativiert. Der Beschuldigte handelte geplant, zielgerichtet und mit direktem Vorsatz. Eine Verminderung der Schuldfähigkeit wird ihm vom Gutachter bezüglich der sexuellen Handlungen nicht attestiert (Urk. 44/16 S. 84) und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Beschuldigte kannte das genaue Alter des Opfers. Es ging ihm bei seinen Übergriffen letztlich einzig um die eigene Lustbefriedigung, was in der angewandten Weise als absolut egoistisch zu bezeichnen ist. Sein mit Bezug auf die sexuellen Handlungen bestimmender Umgang mit dem Kind ist in jedem Fall als skrupelund schamlos zu bezeichnen; das Recht des Kindes auf eine unbeschwerte und gesunde Entwicklung wurde in krasser Weise missachtet. Das Ganze erweist sich von hoher Verwerflichkeit. Das Gesamtverschulden ist aufgrund der Schwere der Taten als mittelschwer zu werten. Dafür erscheint eine Einsatzstrafe von 3 Jahren als gerechtfertigt.
Mit Bezug auf die Täterkomponente ist folgendes festzuhalten: Der Beschuldigte ist 1974 in Winterthur geboren und bei den Eltern aufgewachsen. Abgesehen von zahlreichen Umzügen der Familie während seiner Schulzeit scheint seine Kindheit und Jugendzeit unauffällig verlaufen zu sein. Nach Abschluss der Realschule fing er eine Lehre als Hochbauzeichner an, ohne sie jedoch zu beenden. Später hat er bei der Post eine Lehre abschliessen können und anschliessend mehrere Jahre dort gearbeitet. Nach einer vorübergehenden Tätigkeit im Sozialbereich verrichtete er ab ca. 2003 bei der Securitas Nachtarbeit. Nach seiner Darstellung sei bei ihm in dieser Zeit die Sucht nach dem Konsum von Internetpornografie entstanden. Davon habe er sich 2010 lösen können. Aufgrund von Informationen der Behörden aus den USA und aus Deutschland über entsprechende Internetaktivitäten des Beschuldigten wurde gegen ihn im Juni 2011 von der Staatsanwaltschaft in Zürich eine Strafuntersuchung wegen sexuellen Handlungen mit Kindern etc. eröffnet. In diesem Zusammenhang sass der Beschuldigte vom 11. Juli 2011 bis 30. Januar 2012 in Untersuchungshaft. Nach seiner Entlassung bekundete er Mühe, sich finanziell und beruflich aufzufangen. Er ist in der Folge gegen Ende des Jahres 2012 nach Deutschland zu einer Chat-Freundin übersiedelt. Am 8. Januar 2013 wurde er dort aufgrund eines internationalen Haftbefehls der russischen Behörden betreffend des Vorwurfs sexueller Handlungen mit Kindern verhaftet und in Auslieferungshaft genommen. Im Mai 2013 erfolgte die Auslieferung an Russland. Der Beschuldigte blieb in Wolgograd inhaftiert, bis am 18. Oktober 2013 das Strafurteil der russischen Justiz erging. Anschliessend sass er in verschiedenen russischen Haftanstalten und Strafkolonien ein, bis er aufgrund seines Gesuchs um Haftverbüssung im Heimatland am
16. Dezember 2016 in die Schweiz überstellt wurde. Zur Zeit sitzt er in der JVA Pöschwies den Rest der russischen Strafe ab (Urk. 86), die schweizseits auf 7 ½ Jahre Freiheitsstrafe angepasst worden war. Aus der Biografie des Beschuldigten und seinen Lebensumständen lässt sich nichts Wesentliches für die Strafzumessung ableiten.
Die Verurteilung in Russland erfolgte nach der Begehung der heute zu sanktionierenden Taten. Der Beschuldigte gilt deshalb vorliegend als nicht vorbestraft, was allerdings strafzumessungsneutral bleibt. Strafmindernd ist dem Beschuldigten das vollumfängliche Geständnis anzurechnen, was sich jedoch nur moderat im Umfang von etwa 3/4 Jahr reduzierend auf die Einsatzstrafe auswirkt, da er aufgrund des Fotound Videomaterials ohnehin bereits weitgehend überführt war.
Im Rahmen der Beurteilung der Tatschwere ist die mehrfache Tatbegehung bereits miteinbezogen worden, sodass sich dieser Umstand nicht nochmals auswirkt. Des Weiteren hat der Umstand, dass die zu sanktionierenden Taten inzwischen 10 bis 13 Jahre zurückliegen, gemäss der Spezialbestimmung für sexuelle Handlungen mit Kindern unter 12 Jahren keine Strafmilderung zur Folge, da eine solche erst nach Ablauf einer längeren Dauer vorgesehen ist (Art. 101 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 97 StGB). Allerdings kann der Zeitablauf im Rahmen der ordentlichen Strafzumessung Berücksichtigung finden. Im Ergebnis ist der Beschuldigte für die zwischen 2005 und 2008 begangenen sexuellen Handlungen zum Nachteil des Kindes B. mit 2 Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen.
Wie im Folgenden dargelegt wird, ist für den Beschuldigten zur Behandlung seiner psychischen Störungen eine stationäre Massnahme erforderlich und anzuordnen. Dies schliesst eine günstige Legalprognose und damit einen bedingten teilbedingten Vollzug der Freiheitsstrafe aus. Die Freiheitsstrafe ist deshalb unbedingt auszusprechen.
Anders als es die Vorinstanz vorsah, ist die vom Beschuldigten im Rahmen des vorliegenden Strafverfahrens in den Jahren 2011/2012 während 204 Tagen in Untersuchungshaft verbrachte Zeit an die heute ausgefällte Strafe (und nicht an die Strafe aus dem russischen Verfahren) anzurechnen.
Zu den gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf die Anordnung einer stationären Massnahme zur Behandlung von psychisch schwer gestörten abhängigen Tätern und zu den konkreten Ergebnissen der forensischpsychiatrischen Begutachtung des Beschuldigten durch den Gutachter Dr.
I.
sei einleitend auf die diesbezüglich zutreffenden Erwägungen im vo-
rinstanzlichen Urteil verwiesen (Urk. 82 S. 10 f.), die hier wiedergegeben werden:
Gemäss Art. 56 Abs. 1 StGB ist eine Massnahme anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen und ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht. Eine stationäre Massnahme ist anzuordnen, wenn der Täter psychisch schwer gestört ist, ein mit dieser Störung in Zusammenhang stehendes Verbrechen Vergehen begangen hat und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung zusammenhängender Taten begegnen (Art. 59 Abs. 1 StGB). Die Voraussetzungen für eine ambulante Behandlung sind im Gesetz ähnlich umschrieben (vgl. Art. 63 Abs. 1 StGB).
Vorliegend verlangt die Anklägerin die Anordnung einer stationären Massnahme. Der Beschuldigte hingegen hält eine ambulante Massnahme für ausreichend.
Der Gutachter kommt zu folgenden Schlüssen (act. 44/16 S. 83 ff.): Der Beschuldigte leide an einer Pädophilie nicht ausschliesslichen Typs (sexuell orientiert vor allem auf Mädchen, mit ich-dystonem Verarbeitungsmodus), an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, zwanghaften und unreifen Zügen sowie an einer Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Internetpornographie-Sucht. Es bestehe zudem der Verdacht auf eine multiple Störung der Sexualpräferenz im Rahmen der Pädophilie. In Bezug auf die dem Beschuldigten vorgeworfenen Delikte sei die Schuldfähigkeit nicht vermindert. Das Rückfallrisiko für zukünftige einschlägige Sexualdelikte sei unbehandelt als hoch einzuschätzen, dies sowohl aufgrund der psychischen Störung als auch auf-
grund der Tatund Lebensumstände des Beschuldigten. Es sei eine stationäre Therapie mit intensiver Einzelund Gruppentherapie und einer milieutherapeutischen Behandlung erforderlich. Diese lasse sich auch gegen den Willen des Beschuldigten durchführen, sofern vorher an einer intrinsischen Behandlungsmotivation und am Introspektionsvermögen des Beschuldigten gearbeitet werde. Eine ambulante Massnahme sei aufgrund der Schwere der Erkrankung, des hohen Rückfallrisikos, der mangelnden Introspektionsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft des Beschuldigten und auch der vorliegenden kombinierten Persönlichkeitsstörung nicht ausreichend.
Im Urteil der Vorinstanz folgen alsdann auf 30 Seiten (der insgesamt 40seitigen Urteilsbegründung) Erwägungen im Zusammenhang mit der Frage nach der Anordnung der Massnahme, welche vom Gutachter empfohlen wird. Die Ausführlichkeit dieser Erwägungen erklärt sich hauptsächlich mit dem Bemühen der Vorinstanz, auf die Kritik des Beschuldigten am Gutachten umfassend einzugehen.
Die Einwände des Beschuldigten betrafen vorerst unter anderem die Zeitdauer der Begutachtung, die behauptete Mitwirkung von Mitarbeitern des Experten bei der Erstellung des Gutachtens, die Einschätzung der Patenschaft des Beschuldigten bei der Hilfsorganisation D. , seinen Willen zur Weiterführung der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung und gewisse vermeintliche tatsächliche Ungenauigkeiten vor allem in der biografischen Anamnese und derjenigen zur Sexualität und den sozialen Beziehungen des Beschuldigten, was allesamt von der Vorinstanz zu Recht als nicht entscheidend taxiert wurde
(Urk. 82 S. 12-22).
Weiter ging die Vorinstanz der Vollständigkeit halber detailliert und in nachvollziehbarer Weise auf die Detailkritik des Beschuldigten an den vom Gutachter angewandten Prognoseinstrumenten und den damit erzielten Resultaten ein, obwohl sie zu Recht festhielt, dass es dem Gutachter obliege, die zusätzlich zu seiner individuellen Einschätzung im Einzelfall geeigneten Prognosemethoden zu bestimmen und es im Übrigen nicht angehen könne, dass der Beschuldigte die entsprechenden Ergebnisse nach Gutdünken neu selber interpretiere (a.a.O.
S. 22-29, S. 12). Soweit der Beschuldigte sodann einzelne Feststellungen und
Details auch in den Schlussfolgerungen des Gutachtens bemängelte, ist die Vorinstanz ebenfalls in nachvollziehbarer Weise darauf eingegangen und hat dabei keine unhaltbaren widersprüchlichen Aussagen des Gutachters festzustellen vermocht, sondern vielmehr auf die erkennbare Sorgfalt der Arbeit hingewiesen
(a.a.O. S. 29-32).
Nachdem der Beschuldigte vor Vorinstanz zusätzlich zu seiner Detailkritik am Gutachten von Dr. I. ins Feld geführt hat, dass alle anderen Beurteilungen namentlich jene des ihn behandelnden Therapeuten sowie diejenigen der Verantwortlichen der Anstalten J. und der russischen Behörden weit positiver ausgefallen seien, trat die Vorinstanz auch auf diesen Einwand ein (a.a.O.
S. 34-38) und verwies einmal bei Dr. H. unter anderem auf dessen sich aus seiner Therapeutenstellung ergebenden Befangenheit. Zum anderen hielt sie der Position der Fachpersonen der Anstalten J. entgegen, dass diese in einer nur sehr knapp gehaltenen Textpassage zum Ausdruck komme und es an einer kritischen Einordnung der mittels Prognoseinstrumenten gefundenen Ergebnisse fehle. Hinzu käme so die Vorinstanz weiter , dass die Aussagen von
Dr. I. jüngeren Datums seien. Was sodann die im Rahmen des russischen Strafverfahrens vorgenommene Beurteilung des psychischen Gesundheitszustands des Beschuldigten angehe, so liege das entsprechende Gutachten nicht vor und die zusammenfassende Nennung der Schlussfolgerungen im Wolgograder Urteil allein erlaube noch keinen sinnvollen Vergleich. Hiezu wäre zu ergänzen, dass die Feststellungen im russischen Urteil zum Gesundheitszustand des Beschuldigten sich im Wesentlichen auf die Frage nach einer allfällig verminderten Schuldfähigkeit konzentrierten und nur am Rand die Frage nach einer allenfalls erforderlichen medizinischen Zwangsmassnahme ansprach (vgl. Urk. 42/11
S. 15). Die Aussagekraft zu Letzterem erscheint schon von daher äusserst gering. Die Vorinstanz räumte im Übrigen zwar ein, dass andere Berichte und Stellungnahmen dem Beschuldigten eine bessere Prognose stellen würden, verwies allerdings darauf, dass sich das Gutachten von Dr. I. auf umfangreicheres Material stützen würde und analytisch am meisten in die Tiefe gehe. Dem ist auch aus Sicht der Berufungskammer beizupflichten.
Als ähnlich kleinlich und zum Teil frühere Einwände wiederholend erweist sich die Kritik des Beschuldigten an der ergänzenden Stellungnahme des
Dr. I. vom 20. März 2018 (Urk. 44/39). Der Gutachter nahm darin zum einen Bezug zur kriminologischen Beurteilung des Beschuldigten durch die Anstalten
J. (Urk. 44/20, deutsche Übersetzung in Urk. 44/26) und zum Zweiten zum Therapiebericht von Dr. phil. H. vom 10. Februar 2018 (Urk. 44/36). Auch zur diesbezüglichen Kritik des Beschuldigten hat sich die Vorinstanz geäussert und gefolgert, dass sie ebenfalls nichts an den soweit entscheidend klaren und überzeugenden Aussagen des Gutachters zu ändern vermöge (Urk. 82 S. 33 f.).
Dieser Auffassung ist zu folgen, wobei der zutreffenden Begründung der Vorinstanz präzisierend folgendes anzufügen ist: Dr. I. kommt in seiner Gutachtensergänzung vom 20. März 2018 vorerst zum Schluss, dass der Beurteilung des Rückfallrisikos beim Beschuldigten durch die Verantwortlichen der Anstalten von J. vom 22. Juni 2017 als aktuell moderat erscheinend (semble actuellement modéré) nicht gefolgt werden könne. Er begründet dies nachvollziehbar damit, dass der Beschuldigte anders als es in der Beurteilung durch die Anstalten J. zu Ausdruck komme sein problematisches Sexualverhalten extrem bagatellisiere und keine Einsicht in die psychische Gewalt der sexuellen Übergriffe zeige. Es liege ein Mangel an Introspektionsvermögen und zudem eine Akzeptanz seiner devianten Sexualpräferenz bei geringem Unrechtsbewusstsein vor. Auffallend sei in der deliktischen Phase auch das Ausmass und die Determiniertheit seiner Pädophilie. Im Übrigen so Dr. I. weiter sei das bei der Beurteilung durch die Anstalten von J. angewandte Prognoseinstrument HCR-20 bei Personen mit Sexualdelikten ungeeignet und führe zu einer Unterschätzung der prognostisch negativen Faktoren. Zusätzlich prognostisch ungünstig wirke sich beim Beschuldigten aus, dass bei ihm neben der Pädophilie eine Persönlichkeitsstörung bestehe.
Auch der legalprognostischen Beurteilung durch Dr. H. , welcher das Rückfallrisiko beim Beschuldigten als deutlich geringer als im Gutachten von Dr. I. einschätzt, vermag der Gutachter in seiner Stellungnahme vom
20. März 2018 nichts abzugewinnen. Vielmehr legt er überzeugend dar, dass das
Setting der Behandlung durch Dr. H. der erforderlichen Behandlung nicht gerecht werde. Indiziert sei eine hochfrequente und auch milieutherapeutische Behandlung über eine längere Zeit, als es Dr. H. vorschlage, wobei auch ein gruppentherapeutisches Setting erforderlich sei. Dies gehe nicht ohne einen stationären Behandlungsrahmen. Der Aussage von Dr. H. , wonach der Beschuldigte die Straftaten nicht beschönige, hält Dr. I. sodann in einlässlicher und überzeugender Weise seine gegenteilige Analyse entgegen. Er weist auch detailliert nach, dass der Beschuldigte von einer erarbeiteten Rückfallstrategie weit entfernt ist. Die von Dr. H. beschriebene Kooperation des Beschuldigten sei daher mit Vorsicht zu interpretieren. Sodann legt Dr. I. klar dar, inwiefern die Therapie von Dr. H. die pädophile Sexualpräferenz des Beschuldigten (und damit verbunden seine Persönlichkeitsstörung) infolge zu geringen Zeitaufwands und des Fehlens von Gruppentherapie nur in unzureichenden Masse zu bearbeiten in der Lage ist. Es fehlt gemäss Dr. I. im Rahmen der bisherigen Therapie an einer strukturierten und kriteriengeleiteten Beurteilung, die im Übrigen nicht vom verantwortlichen Einzeltherapeuten, welcher befangen sei, sondern von anderen geschulten Personen, die in den Fall Einsicht haben, erfolgen sollte. Wichtig erscheint dem Gutachter sodann der Hinweis, dass die Rückfallbasisrate für Sexualdelikte bei Pädophilen relativ hoch ist. Im Ergebnis bleibt Dr. I. bei seiner bisherigen Einschätzung gemäss seinem Gutachten vom
19. November 2017, wonach beim Beschuldigten die Rückfallquote unbehandelt hoch sei und dem nur mit einer stationären Behandlung begegnet werden könne.
In der heutigen Berufungsverhandlung erneuerte die Verteidigung die bisherige Kritik des Beschuldigten am Gutachten von Dr. I. (Urk. 100). Soweit dabei wiederum eine unerlaubte Delegation durch den Gutachter und gewisse Ungenauigkeiten im Text gerügt wurden (a.a.O. S. 5ff.), kann erneut auf die Entgegnung im vorinstanzlichen Urteil, wonach diese Punkte für die Schlussfolgerungen des Gutachters nicht als entscheidend anzusehen sind, verwiesen werden. Dafür, dass Dr. I. bei der Erstellung des Gutachtens von Anfang an von einem bestimmten Resultat ausgegangen sei, wie die Verteidigung behauptet
(a.a.O. S. 7), fehlt es an genügenden Anhaltspunkten. Dass das Gutachten zum heutigen Zeitpunkt zumindest teilweise überholt sei, da die vom Beschuldigten
zwischenzeitlich erzielten wesentlichen Therapiefortschritte keine Berücksichtigung gefunden hätten (a.a.O. S. 4), vermag ebenfalls nicht zu überzeugen, nachdem wie zu zeigen sein wird von Fortschritten von erheblicher Tragweite nicht die Rede sein kann. Ebenso wenig überzeugend ist die (dem aktuellen Bericht von Dr. H. entlehnte) Feststellung der Verteidigung, wonach der Beschuldigte vor seiner Verhaftung geraume Zeit keine neuen Delikte begangen habe, was für einen positiven prospektiven Prophylaxefaktor spreche (a.a.O.
S. 8f.) Diesbezüglich ist aber auf die Aussage des Beschuldigten vom 12. Juli 2011 zu verweisen, wonach er, als er festgestellt hatte, dass sein Kollege
K. , mit dem er über L. bzw. in direktem Kontakt intensiv kinderpornografisches Material ausgetauscht hatte, längere Zeit nicht mehr online war, mit der Möglichkeit von dessen Verhaftung (die auch stattgefunden hatte Urteilsredaktion) rechnete (vgl. Urk. 9/1 S. 5, 13, 16, 20ff.). Der Beschuldigte hatte somit schon vor der eigenen Verhaftung vom 11. Juli 2011 ein durchaus selbstschützerisches (und nicht primär ein von Reue und Einsicht in das Unrecht seiner Taten getragenes) Motiv zur Löschung des kinderpornographischen Materials auf seinen Speichern und zur Unterbrechung seiner pädophilen Aktivitäten. Die Annahme der Verteidigung, wonach der Beschuldigte bezüglich der Voraussage von Dr. I. , dass der Beschuldigte sich in Freiheit relativ schnell wieder in einer ähnlichen Lebenssituation befinden würde wie zu den Zeitpunkten der Anlasstaten, bereits das Gegenteil bewiesen habe (a.a.O. S. 15), ist somit unhaltbar.
Von der Verteidigung veranlasst hatte Dr. H. bereits am 11. Mai 2018 zur Gutachtensergänzung von Dr. I. vom 20. März 2018 schriftlich Stellung genommen (Urk. 61). Er vermochte damals der Analyse von Dr. I. jedoch nichts Entscheidendes entgegenzusetzen. Vielmehr räumte Dr. H. ein, dass es in der Natur der Sache liege, dass in der kurzen zur Verfügung stehenden Therapiezeit kaum eine diagnostisch abbildbare prognostisch positive Veränderung beim Beschuldigten habe gelingen können. Auch dürfe das kooperative Verhalten des Beschuldigten sicher nicht blauäugig alleinig als Indiz für eine dauerhafte Veränderung bzw. gar Sicherheit im künftigen Alltag gelten, aber es sei ein wichtiger Schritt hierzu. Des Weiteren stimmte Dr. H. dem Gutachter insofern
zu, dass die geforderte kriteriengeleitete Beurteilung der Legalprognose klar von einem unabhängigen Experten vorgenommen werden sollte.
Im neuen Therapieverlaufsbericht von Dr. H. vom 20. März 2019 (Urk. 98/2) annulliert dieser die vorgenannten früheren Einräumungen, indem er ihnen ohne Begründung einfach die Gültigkeit abspricht (a.a.O., S. 1, Ingress).
Dies ist nicht nachvollziehbar. Sodann ist es gemäss dem neuen Bericht beim 14täglichen Rhythmus an Einzeltherapie geblieben, auch wenn die jeweilige Dauer der Sitzungen (nach einem längeren Unterbruch von beinahe einem halben Jahr) mittlerweile auf je 2 Stunden leicht verlängert wurde (a.a.O. S. 1f.). Ein solches Setting wird der nach Auffassung des Gutachters Dr. I. erforderlichen Behandlung weiterhin nicht annähernd gerecht. Der Bericht macht überdies nicht klar, welche Fortschritte insbesondere betreffend Rückfallprophylaxe mit dieser ambulanten Therapie erreicht worden seien; es wird denn auch an einer Stelle lediglich vom (Potential des) Therapiefortschrittes gesprochen (a.a.O. S. 6). Auffällig ist im Übrigen die wiederholt unkritische Wiedergabe von Äusserungen des Beschuldigten (etwa dass er heute ausschliesslich auf erwachsene Sexualpartnerinnen ausgerichtet sei, dass er deviante Bilder (gemeint wohl kinderpornografischen Inhalts Urteilsredaktion) als abstossend empfinde, dass er sich von ausbeuterischen sexuellen Beziehungen vehement distanziert habe;
a.a.O. S. 2f.). Auch soll dem Beschuldigten gemäss Dr. H. der Ausstieg aus dem Internetmilieu bereits definitiv gelungen sein (a.a.O. S. 3). Diese Beispiele und ebenso die als sog. Arbeitsbündnis bezeichnete therapeutische Beziehungsgestaltung des Beschuldigten, die vertrauensvoll sein soll (a.a.O. S. 4), bestätigen einmal mehr die ausgesprochene Nähe des behandelnden Therapeuten zu seinem Patienten, die zwar der Therapie durchaus förderlich sein mag, aber klar die fehlende Unabhängigkeit des behandelnden Therapeuten zum Ausdruck bringt. Und so erstaunt es nicht, dass Dr. H. im Fazit für sich in Anspruch nimmt, das öffentliche Interesse beurteilen und einschätzen zu können, dass die Verhaltensstörung des Beschuldigten, so er freigelassen würde, für die Gesellschaft zumutbar sei (a.a.O. S. 6). Angesichts dieser Interessenlage vermag auch die im Bericht wieder aufgenommene, akzentuierter formulierte, inhaltlich jedoch nicht über frühere Äusserungen hinausgehende Fundamentalkritik
am Gutachten von Dr. I. (welches nunmehr als statisch, interpretativ und arbiträr bzw. als weder austariert noch sorgfältig abgefasst bezeichnet wird;
a.a.O. S. 5) nicht zu überzeugen bzw. ist mit grösster Zurückhaltung entgegenzunehmen.
Alles in allem erweist sich Dr. H. s Bericht vom 20. März 2019 wie schon seine frühere Stellungnahme vom 11. Mai 2018 nicht als geeignet, die von Dr. I. in dessen Gutachten und seiner Ergänzung gemachten Feststellungen und Schlussfolgerungen in Frage zu stellen gar zu widerlegen. Gleiches gilt für die von der Verteidigung in der Berufungsverhandlung wiederholte Kritik am Gutachten von Dr. I. , die, soweit nicht ohnehin nur auf Dr. H. abgestellt wird, nicht wesentlich über das bisher in den Prozess Eingebrachte hinausgeht.
Zusammengefasst besteht keine Veranlassung, von den Schlussfolgerungen und Empfehlungen des psychiatrischen Gutachtens von Dr. I. vom
19. November 2017, bestätigt in seiner gutachterlichen Ergänzung vom 11. Mai 2018, abzuweichen, wonach beim Beschuldigten eine schwere Persönlichkeitsstörung vorliegt, welche in engem Zusammenhang mit den Straftaten steht und ohne eine stationäre therapeutische Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Rückfällen führen wird. Auf dieser Grundlage erweist sich der mit der empfohlenen Massnahme verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten ohne weiteres als verhältnismässig (Art. 56 Abs. 2 StGB). Dass unter den gegebenen Umständen bereits die Vorinstanz eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB zur Behandlung der psychischen Störungen des Beschuldigten für erforderlich hielt und eine solche Massnahme dem Antrag der Staatsanwaltschaft und den Empfehlungen des Gutachters folgend anordnete, war folgerichtig. Auch aus heutiger Sicht drängt sich keine andere Anordnung auf.
Bei diesem Ausgang des Berufungsverfahrens wird der Beschuldigte kostenpflichtig (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Kosten seiner amtlichen Verteidigung sind jedoch auf die Gerichtskasse zu nehmen unter Vorbehalt der Rückzahlungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Das Gericht beschliesst:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Hinwil vom 21. August 2018 hinsichtlich der Dispositivziffern 1 (Schuldpunkt), 4-6 (Einziehung, Herausgabe) und 7-8 (Kostendispositiv) in Rechtskraft erwachsen ist.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
wird bestraft mit 2 Jahren Freiheitsstrafe unbedingt, wovon 204 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind.
Es wird eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB (Behandlung psychischer Störungen) angeordnet. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird zu diesem Zweck aufgeschoben.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'600.- ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 7'000.amtliche Verteidigung
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (übergeben)
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
die Privatklägerschaft
(Eine begründete Urteilsausfertigung wird der Privatklägerschaft nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangt.)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
die Privatklägerschaft, sofern verlangt
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz mit dem Ersuchen um Vornahme der notwendigen Mitteilungen
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
die KOST Zürich unter Beilage des Formulars Löschung des DNAProfils und Vernichtung des ED-Materials
die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 26. März 2019
Der Präsident:
Oberrichter Dr. Bussmann
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. Linder
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