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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB180165
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB180165 vom 05.10.2018 (ZH)
Datum:05.10.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Lande; Recht; Landes; Schweiz; Landesverweisung; Beschuldigten; Urteil; Gericht; Sicherheit; Berufung; Ausländer; Freiheitsstrafe; Rechtliche; Verteidigung; Kokain; Gesetzbuch; Bestimmungen; Rechtsprechung; Härtefall; Amtlich; Verbindung; Bundesgericht; Praxis; Droge
Rechtsnorm: Art. 121a BV ; Art. 135 StPO ; Art. 189 BV ; Art. 190 BV ; Art. 391 StPO ; Art. 392 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 44 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 5 BV ; Art. 51 StGB ; Art. 66a StGB ;
Referenz BGE:109 IV 145; 136 II 5; 139 II 393; 142 II 35; 142 II 38; 99 Ib 39;
Kommentar zugewiesen:
Fingerhuth, Schlegel, Jucker, Kommentar, 3.A., Zürich, 2016
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB180165-O/U/ad

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. Bertschi, Präsidentin, Oberrichter lic. iur. Spiess und Ersatzoberrichter lic. iur. Gmünder sowie Gerichtsschreiberin

lic. iur. Leuthard

Urteil vom 5. Oktober 2018

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Fürsprecher X.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abteilung, vom 30. Januar 2018 (DG170228)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 31. August 2017 (Urk. 16) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d und g BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 21 Monaten Freiheitsstrafe, wovon bis und mit heute 52 Tage durch Haft erstanden sind.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.

  5. Es wird davon Vormerk genommen, dass das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 31. August 2017 beschlagnahmte Mobiltelefon (Asservat-Nr. A010'437'157) gemäss Dispositiv-Ziff. 14 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 11. Oktober 2017 (DG170209) dem Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft des besagten Urteils auf erstes Verlangen herauszugeben ist.

  6. Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 31. August 2017 beschlagnahmte Barschaft von Fr. 2'100.- wird eingezogen und zur teilweisen Deckung der Verfahrenskosten verwendet.

  7. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 3'000.-; die weiteren Kosten betragen: Fr. 3'000.- Gebühr Anklagebehörde

    Fr. 6'090.55 amtliche Verteidigung

    abzüglich die gemäss Ziff. 6 eingezogene Barschaft. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  8. Fürsprecher X. wird für seine Aufwendungen als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten mit Fr. 6'090.55 (inkl. Barauslagen und 8% bzw. 7.7% MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt.

  9. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt.

  10. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.

    Berufungsanträge:

    1. Der Verteidigung des Beschuldigten A. : (Urk. 43 S. 1)

      1. In Abänderung von Ziff. 2 des Dispositivs des angefochtenen Urteils sei der Berufungskläger A. zu 14 Monaten Freiheitsstrafe zu verurteilen, wovon bis und mit heute 52 Tage durch Haft erstanden sind.

      2. In Abänderung von Ziff. 4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils sei von einer Landesverweisung gemäss Art. 66a StGB abzusehen.

      3. Unter Kostenund Entschädigungsfolge.

    2. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 38, schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

    Erwägungen:

    I.

    1. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, ca. am 28. Mai 2017 zusammen mit B. und C. an der strasse in Zürich- von einem Drogenkurier aus Holland rund 600 Gramm Kokaingemisch (Reinheitsgehalt 75%) übernommen zu haben. In der Folge hätten die drei Empfänger das Kokain zu gleichen Teilen unter sich aufgeteilt. Der Beschuldigte habe seinen Anteil von ca. 200 Gramm (enthaltend ca. 150 Gramm reines Kokainhydrochlorid) verkaufen wollen, wozu es aber wegen seiner am 31. Mai 2017 erfolgten Verhaftung nicht mehr gekommen sei.

    2. Das Bezirksgericht Zürich, 1. Abteilung, sprach den vollumfänglich geständigen (Prot. I S. 8) Beschuldigten am 30. Januar 2018 der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d und g in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG schuldig. Es verurteilte ihn zu 21 Monaten Freiheitsstrafe, bedingt vollziehbar mit zwei Jahren Probezeit. Der Beschuldigte wurde zudem für fünf Jahre des Landes verwiesen. Im Übrigen ordnete das Gericht die Herausgabe eines beschlagnahmten Mobiltelefons an den Beschuldigten und die Verwendung beschlagnahmten Bargeldes zur Kostendeckung an. Die Verfahrenskosten wurden dem Beschuldigten auferlegt.

    3. Gegen dieses Urteil liess der Beschuldigte rechtzeitig die Berufung anmelden (Urk. 28; Art. 399 Abs. 1 StPO) und sodann auch fristgerecht die Berufungserklärung einreichen (Urk. 35; Art. 399 Abs. 3 StPO, vgl. Urk. 31/2). Er strebt

      eine Reduktion der Freiheitsstrafe auf 14 Monate an und beantragt ausserdem, dass von einer Landesverweisung abzusehen sei (Urk. 35 S. 2). Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl teilte dem Gericht am 11. Mai 2018 mit, dass sie auf eine Anschlussberufung verzichte und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantrage (Urk. 38).

    4. Das anlässlich der Berufungsverhandlung von der Verteidigung gestellte Gesuch, der Beschuldigte sei von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung zu dispensieren, wurde durch die Präsidentin bewilligt (Prot. II S. 4 f.). Beweisanträ- ge wurden keine gestellt. Nach der heutigen Berufungsverhandlung erweist sich der Prozess als spruchreif.

    II.

    Das bezirksgerichtliche Urteil blieb hinsichtlich des Schuldspruchs (Ziff. 1), der Entscheidungen über beschlagnahmte Sachen (Ziff. 5 und 6) sowie des Kostendispositivs (Ziff. 7-10) unangefochten. Aufgrund dessen, dass dem Beschuldigten in der Anklage derselbe Vorwurf gemacht wird, wie seinem Mittäter B. , welcher in dem von ihm geführten Berufungsverfahren (Geschäfts-Nr. SB180164) einen Freispruch vom Vorwurf des Anstaltentreffens zur qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG erzielte, kann der Schuldpunkt nicht insgesamt für rechtskräftig erklärt werden. Vielmehr haben sich die Erwägungen des Obergerichts im Fall B. , welche nachfolgend (Erw. III.) der Vollständigkeit halber auch im vorliegenden Fall wiedergegeben werden, auch zugunsten des Beschuldigten auszuwirken und ist das vorinstanzliche Urteil diesbezüglich abzu- ändern (Art. 392 StPO). Dass gegen die Mittäter separate Anklagen erhoben und die Gerichtsverfahren nicht vereinigt wurden, lag im Ermessen der Behörden bzw. Gerichte und darf unter diesen Umständen nicht zum Nachteil des Beschuldigten gereichen. Somit ist vorab in einem Beschluss festzustellen, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abteilung, vom 30. Januar 2018 bezüglich der Dispositivziffern 1 teilweise (Schuldspruch betreffend qualifizierte Widerhandlung gegen

    das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG), 5 (Herausgabe eines Mobiltelefons), 6 (Einziehung von Bargeld) sowie 7-10 (Kostendispositiv) in Rechtskraft erwachsen ist. Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs mit zwei Jahren Probezeit (Ziff. 3) ist nicht Gegenstand der Berufung, muss aber als Teil des (im Übrigen angefochtenen) Strafpunkts in die zweitinstanzliche Überprüfung des Urteils einbezogen werden.

    III.

    Wie unter Erw. I bereits zusammengefasst angeführt, wird dem Beschuldigten lediglich vorgeworfen, er habe seinen Drogenanteil verkaufen wollen, wozu es aber aufgrund seiner Verhaftung nicht mehr gekommen sei. Die Entschlussfassung und Absicht zum Verkauf bzw. der Umstand, dass die Drogen ausschliesslich zum Zweck des Verkaufs erworben wurden, bedeutet aber noch kein Anstaltentreffen zum Verkauf. Ein solches ist erst gegeben, wenn der Täter Handlungen ausführt, welche der Vorbereitung einer weiteren Widerhandlung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a-f BetmG dienen (Fingerhuth/Schlegel/Jucker, BetmGKommentar, 3.A., Zürich 2016, N 100 zu Art. 19). Eine solche Tathandlung ist der Anklage vorliegend nicht zu entnehmen. Damit ist der Beschuldigte des Anstaltentreffens zur qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG freizusprechen.

    IV.

    1. a) Der Strafrahmen für schwere Fälle von Drogenhandel im Sinne von Art. 19 Abs. 2 BetmG reicht von einem bis zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe. Damit kann eine Geldstrafe verbunden werden.

      b) Die Strafe ist nach dem Verschulden des Täters zu bemessen, wobei dessen Vorleben und persönliche Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf

      sein Leben zu berücksichtigen sind (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden bemisst sich nach der Schwere der Rechtsgutverletzung, der Verwerflichkeit der Tathandlungen, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, inwieweit er nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB).

    2. Der Beschuldigte beteiligte sich an der gemeinschaftlichen Einfuhr von insgesamt ca. 600 Gramm Kokain von sehr guter Qualität aus Holland und übernahm einen Drittel davon zum Zwecke des Verkaufs. Kokain ist eine gefährliche Droge mit hohem Suchtpotenzial. Die Verfehlungen des Beschuldigten bezogen sich auf ein Vielfaches der Menge von 18 Gramm reinem Kokain, ab welcher nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein schwerer Fall im Sinne von Art. 19 Abs. 2 BetmG vorliegt (BGE 109 IV 145). Er stand zwar am Ende der Verkaufskette, verfügte aber zusammen mit seinen Komplizen immerhin über internationale Kontakte zur Beschaffung von Drogen. Damit befand sich der Beschuldigte im Gefüge des Kokainhandels zwar noch auf einer unteren Stufe, war aber doch mehr als nur ein mit Kleinstmengen handelnder Gassendealer. Zu seinen Gunsten kann berücksichtigt werden, dass er sich nur einmal für kurze Zeit im Drogenhandel betätigte. Keine Verschuldensmilderung ergibt sich hingegen aus dem Umstand, dass das Kokain letztlich nicht zu den Konsumenten gelangte, denn dies war nur dem raschen Eingreifen der Polizei zu verdanken. Der Beschuldigte konsumiert selber keine illegalen Drogen (Urk. 5 S. 5, Prot. I S. 9). Er war auch nicht in einer finanziellen Notlage, sondern verfügte über mehrere tausend Franken, die er zu einem sehr günstigen Einkaufspreis in Kokain investierte (Urk. 5 S. 3-5), um hernach einen entsprechend hohen Gewinn erzielen zu können. Seine Tat wiegt allerdings im Rahmen des qualifizierten Tatbestandes von Art. 19 Abs. 2 BetmG in objektiver und subjektiver Hinsicht noch leicht. Die von der Vorinstanz festgesetzte Einsatzstrafe von 26 Monaten erscheint als angemessen.

    3. a) A. wurde 1985 in (Dominikanische Republik) geboren. Er wuchs zusammen mit zwei Brüdern und einer Schwester bei seinen Eltern in D. [Stadt in der Dominikanischen Republik] auf und besuchte dort die

      Grundschule und das Gymnasium. Seit 2003 lebt er allerdings in Spanien - aktuell in Madrid - und ist mittlerweile auch Bürger dieses Landes geworden. Er ging ursprünglich dorthin, um Malerei zu studieren, bildete sich dann aber im Informatikbereich weiter und betätigte sich ausserdem als Elektriker, Maler und Küchenhilfe. Zuletzt arbeitete er bis August 2016 auf einer Baustelle. Danach war er stellenlos. Aktuell soll er ein ernsthaftes Stellenangebot als Elektriker erhalten haben, wo er am Anfang Euro 1'200.- verdienen soll. Der Beschuldigte lebt mit seiner Freundin zusammen, die als Kosmetikerin arbeitet, und hat mit dieser eine fünfjährige Tochter. Er gibt an, weder Vermögen noch Schulden zu haben. Sein Vater lebt noch in D. , die Mutter und die Geschwister in Spanien (Urk. 2/3 S. 4/5, Urk. 14, Prot. I S. 6/7, Urk. 43 S. 2 in Verbindung mit Prot. II S. 5 f.).

      1. Der Beschuldigte ist in der Schweiz nicht vorbestraft (Urk. 14, Urk. 34) und war nach eigenen Angaben auch im Ausland noch nie in ein Strafverfahren involviert (Prot. I S. 7).

      2. Aus den dargelegten persönlichen Verhältnissen ergeben sich keine straferhöhend oder strafmindernd zu berücksichtigenden Faktoren.

    4. a) Es bestehen keine Straferhöhungsgründe.

    1. Deutlich strafmindernd kann das vollumfängliche Geständnis des Beschuldigten berücksichtigt werden, auch wenn er dieses erst nach einigen Wochen Untersuchungshaft und angesichts einer Beweislage ablegte, welche ihm wenig Raum für ein erfolgversprechendes Bestreiten der Tat liess. Die vom Bezirksgericht unter diesem Titel gewährte Strafreduktion um fünf Monate und die demzufolge resultierenden 21 Monate Freiheitsstrafe erscheint angemessen.

    2. Wie von der Verteidigung vorgebracht, ist bei Mittätern ein Strafmassvergleich vorzunehmen (vgl. Urk. 43 S. 2 in Verbindung mit Prot. II S. 5). Der Mittäter C. wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 2. Abteilung, vom

  11. ktober 2017 rechtskräftig zu 19 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt (SB180164: Urk. 46/1 S. 26). Nach Würdigung der Tatkomponenten erachtete das Bezirksgericht Zürich eine Einsatzstrafe von 24 Monaten als angemessen

(a.a.O. S. 12). Hinsichtlich der Tatkomponenten sind die Fälle der beiden Mittäter fast gleich gelagert, mit dem Unterschied, dass C. eine Menge von

8 Gramm Kokaingemisch an eine nicht weiter bekannte Drogenabnehmerin verkauft hat (a.a.O. S. 10). Dies fällt bei der Strafzumessung aber kaum ins Gewicht, hatte doch auch der Beschuldigte vor, das Kokain zu verkaufen und wurde er lediglich aufgrund seiner Verhaftung davon abgehalten. Selbst wenn die Tatkomponenten damit praktisch identisch sind und beim Vergleich der Täterkomponenten zu berücksichtigen ist, dass C. im Gegensatz zum Beschuldigten während laufender Strafuntersuchung delinquiert hat, ist eine Abweichung der schlussendlich ausgefällten Strafen von gerade einmal 2 Monaten hinzunehmen. Der Grundsatz der Individualisierung und der dem Sachrichter vom Gesetz bei der Strafzumessung eingeräumte weite Ermessensspielraum führen nach der Rechtsprechung notwendigerweise zu einer gewissen, vom Gesetzgeber in Kauf genommenen Ungleichheit. Dies gilt umso mehr, als C. von einer anderen Instanz verurteilt wurde und es mit der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar wäre, müsste sich das Obergericht des Kantons Zürich gegen seine Überzeugung einem anderen Urteil anpassen (BGE135 IV 191 E. 3.1 ff.).

  1. Die Vorinstanz hat dem Beschuldigten neben der Polizeiund Untersuchungshaft (Urk. 13/1-10) einen weiteren Tag auf die Strafe angerechnet, den er nach der Haftentlassung im Gewahrsam des Migrationsamtes verbringen musste (Urk. 13/10, Urk. 26 S. 3). Die Anrechnung (Art. 51 StGB) von insgesamt 52 Tagen Haft ist schon aus prozessualen Gründen (Art. 391 Abs. 2 StPO) ohne Weiteres zu bestätigen.

5. Da der Beschuldigte Ersttäter ist, hat ihm die Vorinstanz richtigerweise den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe gewährt (Art. 42 Abs. 1 StGB) und die Probezeit auf das gesetzliche Minimum von zwei Jahren festgesetzt (Art. 44 Abs. 1 StGB).

V.

  1. a) Wird ein Ausländer der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäu- bungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 2 BetmG) schuldig gesprochen, so verweist ihn das urteilende Gericht unabhängig von der Höhe der Strafe für fünf bis 15 Jahre aus der Schweiz (Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB). Es kann ausnahmsweise von der Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Auslän- dern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB). Im Bereich der obligatorischen Landesverweisung

    (Art. 66a StGB) steht dem Richter somit nur ein sehr beschränkter Ermessensspielraum offen. Die Anwendung der Härtefallklausel soll nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, in denen die Landesverweisung in krasser Weise unverhältnismässig wäre. Zu denken ist etwa an Ausländer, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind oder sich seit Jahrzehnten im Lande aufhalten, kaum noch Beziehungen zu ihrer Heimat haben und sich dort nicht mehr zurechtfinden würden.

    b) Der Beschuldigte hielt sich, als er das heute zu ahndende Delikt beging, erst seit kurzer Zeit als Tourist in der Schweiz auf (Urk. 1 S. 2) und ist im Übrigen zusammen mit seiner Partnerin und dem gemeinsamen Kind in Spanien wohnhaft. In der Schweiz hatte er weder einen geregelten Wohnsitz noch eine Aufenthaltsbewilligung. Alle Angehörigen des Beschuldigten leben entweder in Spanien oder in der Dominikanischen Republik (Urk. 2/3 S. 5). Von einem Härtefall, in dem von der Landesverweisung abgesehen werden könnte, kann somit nicht im Geringsten die Rede sein.

  2. a) Der Beschuldigte lässt indessen vorbringen, dass er aufgrund des zwischen der Schweiz und der Europäischen Union bestehenden Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) nicht des Landes verwiesen werden dürfe. Gemäss Art. 5 Abs. 1 des Anhangs I zum FZA sei eine solche Massnahme nur zulässig, wenn vom betroffenen Ausländer eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehe. Dies sei beim Beschuldigten, der erstmals eine

    Straftat verübt habe und in Spanien in geordneten Verhältnissen lebe und arbeite, nicht der Fall.

    1. Der Beschuldigte ist Bürger von Spanien und kann sich, weil Spanien ein Mitgliedstaat der EU ist, auf das FZA (SR 0.142.112.681) berufen. Dieses berechtigt ihn grundsätzlich, sich zum Zwecke einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufzuhalten (Art. 4 FZA). Ausserdem gibt das FZA den Bürgern der beteiligten Staaten das Recht, sich zur Stellensuche für höchstens sechs Monate in die Schweiz zu begeben (Art. 2 Abs. 1 des Anhangs I zum FZA). Mit der Anordnung einer strafrechtlichen Landesverweisung werden dem Beschuldigten die genannten Aufenthaltsrechte für die Dauer dieser Massnahme entzogen. Gemäss Art. 5

      Abs. 1 des Anhangs I zum FZA ist dies nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulässig. Soweit für die Anwendung des FZA Begriffe des EU-Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, bestimmt Art. 16 Abs. 2 FZA weiter, dass dafür die einschlägige Rechtsprechung des Europäi- schen Gerichtshofs (EuGH) aus der Zeit vor der Ratifizierung des FZA berücksichtigt wird. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I zum FZA nennt schliesslich verschiedene EU-Richtlinien als solche, auf die im Sinne von Art. 16 FZA Bezug genommen werde. Mit Blick auf die strafrechtliche Landesverweisung ist dabei die Richtlinie 64/221/EWG von Bedeutung. Diese statuiert in Art. 3 Abs. 1 und 2, dass bei Massnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschliesslich das persönliche Verhalten der betreffenden Einzelpersonen ausschlaggebend sei. Strafrechtliche Verurteilungen allein könnten solche Massnahmen nicht ohne Weiteres begründen. Was dies genau bedeuten soll, ist indessen schwer zu ergründen, sind doch gerade Verhaltensweisen, die zu strafrechtlichen Sanktionen führen, in optima forma ein Teil des persönlichen Verhaltens, der die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden kann. Gemeint ist wohl, dass Straftaten von einer gewissen Schwere und/oder Häufigkeit sein müssen, um die Annahme einer Gefährdung von Sicherheit und Ordnung zu begründen, und dass zudem andere Umstände, die für einen Verbleib des Ausländers im Lande sprechen, nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Gefordert wird damit eine Prüfung der gesamten Umstände jedes Einzelfalls. Massgeblich für die Beurteilung, ob eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegt, ist naturgemäss zunächst die Art

      und Schwere der in Frage stehenden Delikte und sodann in erster Linie das Ausmass der beim Täter diesbezüglich bestehenden Rückfallgefahr (BGE 136 II 5

      E. 4.2 mit Hinweisen).

    2. Ein Konflikt zwischen dem Staatsvertragsrecht und dem Landesrecht kann sich dabei ergeben, wenn und soweit ersteres den Begriff der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung enger fasst als das Strafgesetzbuch. Das FZA ist als völkerrechtlicher Vertrag nicht nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts, sondern aus sich heraus nach Treu und Glauben und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen. Dies kann allerdings nicht bedeuten, dass der Vertrag ohne Weiteres gleich auszulegen ist, wie dies der EuGH als Organ der EU tut, ansonsten das offensichtlich absurde Ergebnis resultierte, dass eine Vertragspartei einseitig festlegen kann, wie ein zweiseitiger Vertrag zwischen gleichberechtigten Parteien auszulegen ist. Richtigerweise kann und muss jede Vertragspartei das Abkommen nach Treu und Glauben, aber im Übrigen eigenständig anwenden. Von der Auslegung im FZA enthaltener, aus dem EU-Recht übernommener Bestimmungen seitens des EuGH ist immerhin nur aus triftigen Grün- den abzuweichen (Urteil des Bundesgerichts 2C_301/2016 vom 19. Juli 2017,

      E. 2.2 mit Hinweis auf BGE 139 II 393). Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Fernhaltemassnahmen gegenüber Bürgern von EU-Mitgliedsstaaten nur zulässig, wenn ihre weitere Anwesenheit im Lande die öffentliche Ordnung im konkreten Einzelfall nicht nur stört, sondern tatsächlich und in einem so erheblichen Ausmasse gefährdet, dass grundlegende Interessen der Gesellschaft betroffen sind (une menace réelle et d'une certaine gravité affectant un intérêt fondamental de la société, Urteil des Bundesgerichts 2C_238/2012 vom 30. Juli 2012, E. 2.3).

    3. Das Schweizerische Strafgesetzbuch statuiert demgegenüber, dass die Begehung einer der in Art. 66a Abs. 1 aufgelisteten Straftaten in aller Regel zur Landesverweisung führt. Eine Einzelfallprüfung, wie sie insbesondere auch Art. 3 der gemäss FZA zu beachtenden Richtlinie 64/221/EWG verlangt, ist bei solchen Delikten nur im Rahmen der sog. Härtefallklausel möglich. Diese lässt indessen ein Absehen von der Landesverweisung nur ausnahmsweise zu, wenn sie für den betroffenen Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und

    die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 StGB). Ausser Zweifel steht zwar, dass die Landesverweisung der Wahrung der öffentlichen Sicherheit dient. Der Katalog der zur obligatorischen Landesverweisung führenden Delikte umfasst indessen neben sehr schweren auch Straftaten wie etwa den sog. Einschleichdiebstahl (Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB), bei denen nach dem Massstab der EuGH-Rechtsprechung die Voraussetzungen für eine Wegweisung häufig nicht erfüllt sein dürften. Ein grundsätzlicher und un- überbrückbarer Normkonflikt zwischen Landesund Völkerrecht besteht damit zwar nicht ohne Weiteres, weil in solchen Fällen bei der Anwendung der Härtefallklausel gesagt werden könnte, das Interesse der Schweiz an der Fernhaltung des Täters sei vergleichsweise gering. Nicht zu übersehen ist aber, dass gleichzeitig auch das Interesse des Ausländers am Verbleib in der Schweiz schwach ausgeprägt sein kann, weil er sich beispielsweise erst seit kurzem im Lande befindet und auch sonst keine engen Verbindungen zur Schweiz hat. Zumindest in solchen Konstellationen ist eine Landesverweisung gemäss FZA unzulässig, kann aber zugleich nach Landesrecht kaum davon Umgang genommen werden. Es ist deshalb zu klären, ob im Falle eines solchen Konflikts zwischen FZA und Landesrecht dem Staatsvertrag oder den zwischenzeitlich erlassenen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über die Landesverweisung der Vorrang zukommt.

  3. a) Die Bundesverfassung schreibt vor, dass Bund und Kantone das Völ- kerrecht beachten (Art. 5 Abs. 4 BV). Sie bestimmt ferner, dass Bundesgesetze und Völkerrecht für die rechtsanwendenden Behörden massgebend sind (Art. 190 BV), ohne sich aber darüber zu äussern, welche Rechtsquelle vorrangig ist, wenn sich ein Bundesgesetz und ein vom Bund abgeschlossener Staatsvertrag widersprechen. Bundesgesetze können indessen beim Bundesgericht nicht angefochten werden (Art. 189 Abs. 4 BV). Dies ist Ausfluss des grundlegenden Verfassungsprinzips der Gewaltenteilung. Auf diesem Prinzip beruht letztlich auch die 1973 begründete sog. Schubert-Praxis (BGE 99 Ib 39): Staatsverträge sind zwar einzuhalten und gehen deshalb grundsätzlich dem Landesrecht vor. Der Bundesgesetzgeber hat aber die Möglichkeit, bewusst gegen staatsvertragliche Verpflichtungen zu verstossen und die möglichen zwischenstaatlichen Folgen dieses Verhaltens wie z.B. die Kündigung des Vertrages oder Retorsionsmassnahmen seitens der anderen Vertragspartei in Kauf zu nehmen. Vorliegend wies der Bundesrat schon in seiner Botschaft zur Volksinitiative für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative) vom 24. Juni 2009 darauf hin, dass das Volksbegehren - welches allerdings noch keine Härtefallklausel enthielt - mit dem FZA nicht vereinbar sei (BBl 2009 5112). Nachdem Volk und Stände die Initiative angenommen hatten, monierte dies der Bundesrat in der Botschaft zur Umsetzung der Initiative erneut (BBl 2013 6059). In der Folge nahm der Nationalrat in der Sitzung vom 20. März 2014 zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative einen Gesetzesentwurf an, der keine Härtefallklausel enthielt (Amtl. Bull. 2014 N 523). Der Ständerat beschloss indessen in der Sitzung vom 10. Dezember 2014 eine Härtefallklausel einzufügen (Amtl. Bull. 2014 S 1247), welche nach einem Differenzbereinigungsverfahren schliesslich am 20. März 2015 von beiden Kammern angenommen wurde (Amtl. Bull. 2015 N 598; vgl. zum ganzen auch die Zusammenfassung des parlamentarischen Verfahrens auf www.parlament.ch

    Curia VistaSucheGeschäftsnummer: 13.056usammenfassung Botschaft/BerichtVerhandlungen). Das Parlament kannte somit die völkerrechtliche Problematik, als es die nun geltenden Bestimmungen über die Landesverweisung erliess. Dies zeigt sich umso mehr, als es den Konflikt durch die Einfügung der Härtefallklausel abschwächte. Damit ist aber davon auszugehen, dass das Parlament zumindest in den Fällen, in welchen kein Härtefall vorliegt, einen allfällig resultierenden Konflikt mit dem FZA bewusst in Kauf nahm.

    1. Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts befasste sich in BGE 142 II 35 mit dem Verhältnis zwischen dem FZA und dem in der eidgenössischen Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 gutgeheissenen Art. 121a BV. Sie erwog dazu vorab, dass das Ziel des FZA darin bestehe, die Freizügigkeit auf der Grundlage der in der EU geltenden Bestimmungen zu verwirklichen. Die Vertragsstaaten seien übereingekommen, alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit diesbezüglich eine möglichst parallele Rechtslage bestehe. Das Bundesgericht weiche deshalb in mittlerweile ständiger Rechtsprechung von der Auslegung abkommensrelevanter unionsrechtlicher Bestimmungen nur bei Vorliegen triftiger Gründe von der Praxis des EuGH ab. Erwägen liesse sich allenfalls, im Lichte der

      neuen Verfassungsbestimmung das FZA restriktiv auszulegen oder triftige Grün- de zum Abweichen von der Rechtsprechung des EuGH anzunehmen

      (BGE 142 II 38). Diese Möglichkeit wurde aber vom Bundesgericht verworfen, weil sich die Schweiz gestützt auf das FZA und weitere Abkommen sektoriell am EU-Binnenmarkt beteilige, was nur möglich sei, wenn die einschlägigen Normen des FZA in der EU einerseits und in der Schweiz anderseits gleich verstanden würden. Völkerrechtliche Normen gingen widersprechendem Landesrecht vor. Dieser Grundsatz habe lediglich insofern eine Ausnahme erfahren, als im Rahmen der sog. Schubert-Praxis der Gesetzgeber bewusst eine völkerrechtliche Verpflichtung missachten könne. Diese Ausnahme gelte aber im Falle des FZA nicht, weil dieses durch die Annahme in einer Volksabstimmung demokratisch legitimiert sei, weil den unter das Abkommen fallenden Personen ansonsten der gerichtliche Rechtsschutz entzogen werde, und weil schliesslich auch die EUMitgliedstaaten verpflichtet seien, dem FZA den Vorrang gegenüber ihrem Landesrecht zu geben (a.a.O., S. 39 f.).

    2. aa) Der vorstehend zitierte Bundesgerichtsentscheid bezieht sich auf

    Art. 121a BV, wo in Abs. 1 statuiert wird, dass die Schweiz die Zuwanderung von Ausländern eigenständig regelt. Zwischen dieser am 9. Februar 2014 in die Bundesverfassung eingefügten Bestimmung und dem Grundgedanken des FZA besteht ein unauflöslicher Widerspruch. Ein solch offensichtlicher Normkonflikt lässt sich im Verhältnis zwischen den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über die Landesverweisung einerseits und dem FZA anderseits nach dem vorstehend Gesagten (Erw. IV/2d) nicht ausmachen. Das FZA lässt Einschränkungen der Personenfreizügigkeit, mit denen einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begegnet werden soll, ausdrücklich zu, und das materielle Strafrecht dient insbesondere bei Straftaten von einer gewissen Schwere nicht zuletzt genau diesem Zweck.

    bb) Bei der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der Konkretisierung und Auslegung bedarf. Weder das Landesrecht noch das gemäss Art. 5 Abs. 4 BV zu beachtende Staatsvertragsrecht definieren eine klare Grenzlinie, ab welcher eine Gefährdung

    von Sicherheit und Ordnung zu bejahen ist. Wie vorstehend erörtert wurde, tendiert allerdings der EuGH zu einer engen Auslegung (Erw. IV/2c), was insbesondere im Bereich der obligatorischen Landesverweisung zu einem Konflikt zwischen FZA und Strafgesetzbuch führen kann (Erw. IV/2d). Die Schweiz muss bei der Auslegung, was unter einer Gefährdung von Sicherheit und Ordnung zu verstehen ist, die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen, zumindest diejenige aus der Zeit vor dem Abschluss des FZA (Art. 16 Abs. 2 FZA). Letzteres bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass sie diese Rechtsprechung als gewichtiges Auslegungselement mit in Betracht zieht und davon nicht ohne triftige Gründe abweicht. Eine Pflicht zur strikten Befolgung der EuGH-Praxis ergibt sich aus dem FZA nicht. Der schweizerische Gesetzgeber hat mit dem Erlass der Bestimmungen über die Landesverweisung zum Ausdruck gebracht, dass er bei Delikten gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB in aller Regel von einer Gefährdung der öf- fentlichen Sicherheit ausgeht, der mit der Wegweisung des Täters aus der Schweiz zu begegnen ist. Damit liegt ein triftiger Grund vor, in solchen Fällen von einer allfälligen anderen Praxis des EuGH abzuweichen und das FZA landesrechtskonform anzuwenden.

    cc) Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass sich aus dem FZA die Verpflichtung ergebe, dieses Abkommen durchwegs gemäss der Rechtsprechung des EuGH auszulegen, stellte sich noch immer die Frage, ob nicht im Falle eines Konflikts zwischen FZA und Strafgesetzbuch aufgrund der Schubert-Praxis gleichwohl letzteres den Vorrang habe. Die Schweiz hat unzählige Staatsverträge abgeschlossen, darunter auch zahlreiche Abkommen mit der EU. Weshalb von all diesen Verträgen gerade dem FZA eine mit den Abkommen über Menschenrechte vergleichbare erhöhte Bedeutung zukommen soll, welche sowohl eine eigenständige Auslegung des FZA als auch die Anwendung der Schubert-Praxis ausschliesst, ist nicht ersichtlich. Die diesbezügliche Argumentation in BGE 142 II 35 vermag nicht zu überzeugen. Die sektorielle Beteiligung der Schweiz am EUBinnenmarkt, die dabei an erster Stelle genannt wurde, mag handelspolitisch von Bedeutung sein, ist aber im Gegensatz zur Garantie der Menschenrechte kein tragender Pfeiler von Demokratie und Rechtsstaat. Bekannt ist, dass die EU ihrerseits dieser Freizügigkeit eine besondere Bedeutung zumisst und deshalb darauf drängt, dass Staaten, die Zugang zu ihrem Binnenmarkt wollen, auch dieses Prinzip anerkennen. Die Schweiz hat sich im Rahmen der Bilateralen Verträge I dazu verpflichtet. Die Wegweisung straffällig gewordener Ausländer aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung tangiert indessen den Kerngehalt der Freizügigkeit in keiner Weise und wird vom FZA sogar ausdrücklich zugelassen (Art. 5 Anhang I FZA). Sie betrifft zudem nur einen ganz geringen Teil der aus EU-Staaten zugewanderten Personen und hat mit dem Handel zwischen den FZA-Vertragsstaaten sachlich nichts zu tun. Das Funktionieren des Binnenmarkts hängt offensichtlich nicht davon ab, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der EU und in der Schweiz genau gleich verstanden und die Wegweisung ausländischer Straftäter exakt übereinstimmend gehandhabt wird. Die sektorielle Beteiligung der Schweiz am EU-Binnenmarkt spricht deshalb nicht dagegen, im Falle eines Konflikts zwischen FZA und Strafgesetzbuch entsprechend der Schubert-Praxis letzteres anzuwenden.

    dd) Zutreffend ist, dass die Personenfreizügigkeit am 21. Mai 2000 in einer eidgenössischen Volksabstimmung von Volk und Ständen gutgeheissen wurde und insofern in einem besonderen Masse demokratisch legitimiert ist. Dies gilt aber auch für die zwischenzeitlich erlassenen Bestimmungen über die Landesverweisung straffällig gewordener Ausländer. Volk und Stände ergänzten in der Volksabstimmung vom 28. November 2010 die Bundesverfassung dahingehend, dass Ausländer, welche gewisse Delikte begehen, jegliches Aufenthaltsrecht in der Schweiz verlieren. Das Parlament beschloss in der Folge eine entsprechende Ergänzung des Strafgesetzbuchs, wobei einerseits der Katalog der Straftaten, die zur Landesverweisung führen, ergänzt und präzisiert, anderseits aber auch - entgegen dem erwähnten Volksentscheid - eine Ausnahmeklausel für Härtefälle eingefügt wurde. Letztere wurde vom Verfassungsgeber nachträglich sanktioniert, indem Volk und Stände am 28. Februar 2016 eine dagegen gerichtete Volksinitiative ablehnten. Volk und Parlament haben damit im Bereich der Landesverweisung ausländischer Straftäter einen klaren Entscheid gefällt, dem im Falle eines Konflikts mit älterem Staatsvertragsrecht im Sinne der Schubert-Praxis Nachachtung zu verschaffen ist.

    ee) Fehl geht sodann die Argumentation, dass damit den in der Schweiz lebenden Bürgern von EU-Mitgliedsstaaten der vom FZA garantierte gerichtliche Rechtsschutz entzogen werde. Wenn die schweizerische Gerichtspraxis bei der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf die entsprechenden Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuchs abstellt, schmä- lert dies die Möglichkeiten der betroffenen Straftäter, sich vor Gericht gegen die Anordnung einer Landesverweisung zu wehren, in keiner Weise. Es stehen dazu weiterhin zwei kantonale Gerichtsinstanzen mit voller Kognition, die bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen und schliesslich auch noch die Überprüfung der letztinstanzlichen Entscheide auf EMRK-Konformität vor dem MenschenrechtsGerichtshof in Strassburg zur Verfügung. Einen weitergehenden Rechtsschutz - etwa in Form einer Weiterzugsmöglichkeit an den EuGH - gewährt auch das FZA nicht. Ebenso wenig bildet das Argument, dass die EU-Mitgliedstaaten ihrerseits bei der Auslegung des FZA der Rechtsprechung des EuGH unterworfen seien, einen Grund, dieser gegenüber den Bestimmungen der Bundesverfassung und des Strafgesetzbuchs über die Landesverweisung den Vorrang zu geben. Die Verpflichtung der EU-Staaten, EU-Vorschriften zu befolgen und den EuGH als Oberinstanz anzuerkennen, ergibt sich aus ihrer Mitgliedschaft bei der EU. Die Schweiz hingegen ist nicht Mitglied der EU und hat im Bereich der Personenfreizügigkeit gegenüber den EU-Staaten und deren Bürgern keine weitergehenden Pflichten als diejenigen, die sich aus dem FZA ergeben. Dieses schreibt aber, wie bereits dargelegt wurde, nur die Berücksichtigung, nicht aber die strikte Befolgung der EuGH-Gerichtspraxis vor, und darf im Übrigen aufgrund der Schubert-Praxis nicht entgegen den Bestimmungen des Strafgesetzbuches über die Landesverweisung angewendet werden.

  4. Selbst wenn man aber - der Argumentation in BGE 142 II 35 folgend - das FZA gegenüber dem Schweizerischen Strafgesetzbuch als vorrangig betrachten wollte, führte dies im vorliegenden Fall zu keinem anderen Resultat. Der Handel mit einer grösseren, die Schwelle zum schweren Fall im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG deutlich überschreitenden Menge von Kokain ist eine schwerwiegende, mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu sanktionierende Straftat. Vorliegend wird der Beschuldigte zu 21 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Bei

    Personen, die ein solches Delikt begangen haben, bedarf es wegen dessen Schwere zur Begründung einer Fernhaltemassnahme keiner hohen Rückfallwahrscheinlichkeit. Vielmehr drängt sich eine Landesverweisung unter solchen Umständen unabhängig davon auf, dass dem Beschuldigten noch der bedingte Strafvollzug gewährt werden konnte. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte seinen Einstieg in den Drogenhandel lapidar damit erklärte, dass er und die beiden Mitbeschuldigten eben ein entsprechendes Angebot erhalten hätten, auf das sie von heute auf morgen eingegangen seien (Urk. 2/3 S. 5). Bei dieser Sachlage liegt die Befürchtung nahe, dass der Beschuldigte bei einem erneuten Aufenthalt in der Schweiz wiederum in eine solche Situation geraten und der Versuchung des schnell, aber eben auf deliktische Weise zu erlangenden Geldes erliegen würde. Dieser Gefahr kann nur mit der Fernhaltung des Beschuldigten vom schweizerischen Staatsgebiet wirksam begegnet werden. Die Nachteile, welche daraus für den Beschuldigten resultieren, sind demgegenüber nicht einschneidend, hat er doch keinerlei verwandtschaftliche, berufliche oder sonstige Beziehung zur Schweiz und steht ihm als Bürger eines EU-Staates weiterhin die Mög- lichkeit offen, in jedes andere europäische Land auszureisen.

  5. Die Vorinstanz hat die Dauer der Landesverweisung auf das gesetzliche Minimum von fünf Jahren (Art. 66a Abs. 1 Ingress) beschränkt. Dabei muss es sein Bewenden haben, nachdem die Staatsanwaltschaft diesen Entscheid akzeptiert hat (Art. 391 Abs. 2 StPO).

VI.

Ausgangsgemäss sind die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung im Betrag von pauschal Fr. 3'000.- inklusive Mehrwertsteuer (vgl. Urk. 42), die einstweilen von der Gerichtskasse zu tragen sind (Art. 135 Abs. 1 und 4 StPO), dem Beschuldigten aufzuerlegen (Art. 428

Abs. 1 StPO).

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 1. Abteilung, vom 30. Januar 2018 bezüglich der Dispositivziffern 1 teilweise (Schuldspruch betreffend qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG), 5 (Herausgabe eines Mobiltelefons), 6 (Einziehung von Bargeld) sowie 7-10 (Kostendispositiv) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Des Anstaltentreffens zur qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäu- bungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG ist der Beschuldigte nicht schuldig. Er wird diesbezüglich freigesprochen.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 21 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 52 Tage durch Haft erstanden sind.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für fünf Jahre des Landes verwiesen.

  5. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 2'400.- ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 3'000.- amtliche Verteidigung

  6. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt vorbehalten.

  7. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz [mit dem Ersuchen um Vornahme der notwendigen Mitteilungen an die Lagerbehörde gemäss Dispositivziffer 1 des Beschlusses]

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A.

  8. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 5. Oktober 2018

Die Präsidentin:

Oberrichterin lic. iur. Bertschi

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. Leuthard

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