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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB170361
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB170361 vom 16.01.2018 (ZH)
Datum:16.01.2018
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_549/2018
Leitsatz/Stichwort:Nötigung
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; Verteidigung; Privatkläger; Amtlich; Aussage; Amtliche; Gutachten; Urteil; Vorinstanz; Berufung; Schal; Aussagen; Bringe; Erklärte; Geldstrafe; Einvernahme; Recht; Privatklägers; Treffe; Probezeit; Untersuchung; Gutachter; Gericht; Wohnung; Weisung; Alkohol
Rechtsnorm: Art. 12 StGB ; Art. 131 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 181 StGB ; Art. 188 StPO ; Art. 331 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 437 StPO ; Art. 45 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:134 IV 26;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB170361-O/U/cw

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterinnen lic. iur. Wasser-Keller und lic. iur. Bertschi sowie Gerichtsschreiberin MLaw Guennéguès

Urteil vom 16. Januar 2018

in Sachen

A. ,

Beschuldigte und Berufungsklägerin

amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin X.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur.

D. Kloiber

Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend Nötigung

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abteilung - Einzelgericht, vom 30. Mai 2017 (GB150050)

Strafbefehl:

Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 4. Februar 2015 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 13).

Urteil der Vorinstanz:

  1. Die Beschuldigte ist schuldig der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB.

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 30.-, wovon bis und mit heute 29 Tagessätze als durch Haft geleistet gelten.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.

  4. Es wird eine Bewährungshilfe angeordnet.

  5. Der Beschuldigten wird die Weisung erteilt, die bei B. begonnene Behandlung fortzusetzen, solange der behandelnde Arzt dies für notwendig hält, längstens aber für die Dauer der Probezeit.

  6. Der Beschuldigten wird die Weisung erteilt, von Alkohol abstinent zu bleiben und sich entsprechenden Kontrollen zu unterziehen.

  7. Das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Bewährungsund Vollzugsdienste, 8090 Zürich, wird mit der Überwachung dieser Weisungen und dem Vollzug der Bewährungshilfe beauftragt.

  8. Der am 27. Dezember 2014 sichergestellte, bei der Stadtpolizei Zürich lagernde Schal des Privatklägers (Asservat-Nr. A007'794'072) wird diesem nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils herausgegeben. Wird der Schal nicht innert drei Monaten seit Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils vom Privatkläger herausverlangt, so wird er der Stadtpolizei Zürich zur gutscheinenden Verwendung überlassen.

  9. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 1'500.-; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'700.- Gebühr Anklagebehörde

    Fr. 28'736.60 Gutachten

    Fr. 2'667.70 amtliche Verteidigung Untersuchung Fr. 12'000.- amtliche Verteidigung

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  10. Rechtsanwältin X. wird für ihre Aufwendungen als amtliche Verteidigerin der Beschuldigten mit Fr. 12'000.- (inkl. Barauslagen und 8 % MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt.

  11. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung und des Gutachtens, werden der Beschuldigten auferlegt, jedoch erlassen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und des Gutachtens werden unter Vorbehalt einer Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO auf die Gerichtskasse genommen.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung der Beschuldigten: (Urk. 160 S. 1)

    1. Dispositivziffer 1 des angefochtenen Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 30. Mail 2017 sei aufzuheben und die Beschuldigte sei vom Vorwurf der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB freizusprechen.

    2. Dispositivziffer 2 bis 7 des angefochtenen Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 30. Mail 2017 seien aufzuheben.

    3. Dispositivziffer 11 des angefochtenen Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 30. Mail 2017 sei insofern abzuändern, als die gesamten Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, inklusive der Kosten der amtlichen Verteidigung vollumfänglich auf die Gerichtskasse zu nehmen seien. Eine Kostennachforderung im Sinne von Art. 135 StPO sei ersatzlos zu streichen.

    4. Der Beschuldigten sei für die erlittene Haft vom 7. Januar bis

      1. Februar 2015 (29 Tage) eine angemessene Genugtuung in der Höhe von mind. Fr. 5'800.- auszurichten.

      2. Die Kosten des vorliegenden Berufungsverfahrens, inkl. Kosten der amtlichen Verteidigung seien vollumfänglich auf die Gerichtskasse zu nehmen.

  2. Der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (schriftlich, Urk. 100)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

Erwägungen:

I. Prozessuales
  1. Gegenstand des Berufungsverfahrens

    1. Urteil der Vorinstanz

      Mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abteilung - Einzelgericht, vom 30. Mai 2017 wurde die Beschuldigte der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je Fr. 30.- bestraft, wovon 29 Tagessätze als durch Haft geleistet galten. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf drei Jahre festgesetzt. Zudem wurde eine Bewährungshilfe angeordnet. Der Beschuldigten wurde sodann die Weisung erteilt, die bei B. begonnene Behandlung fortzusetzen, solange der behandelnde Arzt dies für notwendig hält, längstens aber für die Dauer der Probezeit. Weiter wurde die Beschuldigte angewiesen, von Alkohol abstinent zu bleiben und sich entsprechenden Kontrollen zu unterziehen. Mit der Überwachung der Weisungen und dem Vollzug der Bewährungshilfe wurde das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich beauftragt. Zudem wurde über die Herausgabe des sichergestellten Schals des Privatklägers an diesen entschieden (Urk. 96 S. 21 f.).

    2. Berufungsanmeldung

      Das erstinstanzliche Urteil vom 30. Mai 2017 wurde der Beschuldigten an der Hauptverhandlung vom gleichen Tag mündlich eröffnet und im Dispositiv übergeben (Urk. 82, Prot. I S. 41). Gegen den Entscheid liess die Beschuldigte rechtzeitig Berufung anmelden (Urk. 85; Art. 399 Abs. 1 StPO).

    3. Berufungserklärung

      Das begründete Urteil wurde der Beschuldigten am 8. September 2017 zugestellt (Urk. 96 bzw. Urk. 94/2). Am 19. September 2017, und damit fristgerecht, liess die

      Beschuldigte die Berufungserklärung postalisch aufgeben (Urk. 97). Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) verzichtete auf Anschlussberufung und beantragt die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 100). Der Privatkläger erhob weder selbständig Berufung noch liess er sich innert Frist zur Erhebung einer Anschlussberufung vernehmen (Urk. 98,

      Urk. 99/2).

      Die Beschuldigte verlangt einen vollumfänglichen Freispruch unter entsprechender Kostenund Entschädigungsfolge. Für die erlittene Haft sei der Beschuldigten eine angemessene Genugtuung auszurichten (Urk. 97 S. 2, Urk. 106 S. 1).

      Die Berufung hat im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung (Art. 402 StPO). Die nicht von der Berufung erfassten Punkte erwachsen in Rechtskraft (Schmid, StPO Praxiskommentar, Art. 402 N 1; Art. 437 StPO). Nicht angefochten wurde das vorinstanzliche Urteil mit Bezug auf die Herausgabe des sichergestellten Schals des Privatklägers, die Festsetzung der Entscheidgebühr sowie der Entschädigung der amtlichen Verteidigung. Folglich sind die Dispositivziffern 8 (Herausgabe Schal), 9 (Kostenfestsetzung) und 10 (Entschädigung amtliche Verteidigung) in Rechtskraft erwachsen, was mittels Beschluss festzustellen ist.

  2. Verwertbarkeit von Beweismitteln

    1. Einvernahmen ohne Verteidigung

      Die amtliche Verteidigung der Beschuldigten rügte vor Vorinstanz und im Berufungsverfahren, das Recht auf wirksame Verteidigung sei verletzt worden. Die Verteidigerin sei erst am 20. Tag des Freiheitsentzugs als amtliche Verteidigerin der Beschuldigten bestellt worden. Weil die Beschuldigte weder in der polizeilichen Einvernahme vom 8. Januar 2015 noch in der Hafteinvernahme vom 9. Januar 2015 gehörig verteidigt gewesen sei, seien diese Einvernahmen nicht zulasten der Beschuldigten verwertbar (Urk. 80 S. 2, Urk. 106 S. 2 f.).

      Wie die Verteidigung zutreffend vorbrachte, liegt ein Fall notwendiger Verteidigung unter anderem vor, wenn die Untersuchungshaft mehr als 10 Tage gedauert hat (Art. 130 lit. a StPO). Wurden in Fällen, in denen die Verteidigung erkennbar

      notwendig gewesen wäre, Beweise erhoben, bevor eine Verteidigerin oder ein Verteidiger bestellt worden ist, so ist die Beweiserhebung nur gültig, wenn die beschuldigte Person auf ihre Wiederholung verzichtet (Art. 131 Abs. 3 StPO). Die Beschuldigte wurde am 27. Dezember 2014 von der aufgebotenen SOS-Ärztin

      C. im Rahmen einer Fürsorgerischen Unterbringung in die PUK eingewiesen. Die Fürsorgerische Unterbringung dient dem Zweck einer bestehenden Selbstoder Fremdgefährdung zu begegnen und insbesondere der Behandlung einer Sucht oder Krankheit. Für die Anordnung der Untersuchungshaft muss ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund gegeben sein. Diese Instrumente sind daher nicht vergleichbar. Die Beschuldigte wurde erst am 7. Januar 2015 in Untersuchungshaft versetzt. In diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob diese Untersuchungshaft länger als 10 Tage dauern werde, weshalb noch keine amtliche Verteidigung anzuordnen war. Am 15. Januar 2015 - und somit bevor die Untersuchungshaft länger als 10 Tage dauerte - wurde die amtliche Verteidigerin der Beschuldigten bestellt. Es lag demnach im Zeitpunkt der beiden Einvernahmen kein Fall notwendiger Verteidigung vor.

      Deshalb bestehen keine Gründe, welche gegen die Verwertbarkeit der Einvernahmen der Beschuldigten sprechen würden. Die Einvernahmen sind für die Sachverhaltserstellung heranzuziehen.

    2. Verwertbarkeit des Gutachtens

In Bezug auf das forensisch-psychiatrische Gutachten vom 9. November 2016 liess die Beschuldigte vor Vorinstanz rügen, es sei ihr keine Frist gemäss Art. 188 StPO angesetzt worden, um zum Gutachten Stellung nehmen zu können. Damit sei das rechtliche Gehör verletzt worden; dieser formelle Mangel ziehe die Unverwertbarkeit des Gutachtens per se nach sich (Urk. 80 S. 4 f.). Dass keine formelle Fristansetzung erfolgte, widerspricht der Bestimmung von Art. 188 StPO. Es ist daher zu prüfen, ob dieser Verfahrensmangel geheilt werden konnte. Der zwingende Charakter von Art. 188 StPO erfasst die Unterbreitung des Gutachtens durch das Gericht; ob die Parteien hierzu Stellung nehmen wollen, steht in ihrem Belieben. Um von dieser Möglichkeit Gebrauch machen zu können, ist erforderlich, dass sie genügend Zeit zum Studium des Gutachtens erhalten. Dabei hat

das Beschleunigungsgebot in den Hintergrund zu treten. Ergänzungsfragen an den Gutachter können im gerichtlichen Verfahren als Beweisantrag gemäss Art. 331 Abs. 2 StPO gestellt werden (HEER, in : BSK StPO I, Art. 188 N 3). Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, hatte die Verteidigung bereits gut fünf Monate

vor der Hauptverhandlung Kenntnis vom Gutachten und die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen, allfällige Beweisanträge zu stellen und anlässlich der Hauptverhandlung dazu Stellung zu nehmen (Urk. 96 S. 6 f.), was sie auch tat (Urk. 80 S. 4 ff.). Um dem Gutachter persönlich Ergänzungsfragen stellen zu kön- nen oder eine Verbesserung oder Ergänzung des Gutachtens zu beantragen, bot das Gericht zudem die Vertagung der Hauptverhandlung an. Die Verteidigung verzichtete darauf (Prot. I S. 38 f.). Der Mangel fehlendender vorgängiger Fristansetzung ist damit geheilt; das rechtliche Gehör der Beschuldigten wurde vollumfänglich gewahrt.

II. Sachverhalt
  1. Anklagevorwurf

    Der Beschuldigten wird vorgeworfen, am 27. Dezember 2014 nach einem verbalen Streit mit ihrem Ehemann D. diesen daran gehindert zu haben, die Wohnung zu verlassen, indem sie ihn am Schal gepackt, in die Wohnung zurückgezogen und den Schal einmal um den Hals gewickelt habe. Sie habe den Schal zugezogen, ihm angedroht, ihn umzubringen, wenn er die Wohnung verlassen würde und ihn zudem mit der Hand am Hals gewürgt, so dass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Wohnung zu verlassen.

  2. Standpunkt der Beschuldigten

    Die Beschuldigte bestreitet den Sachverhalt. Sie macht geltend, sie habe ihre Zustimmung zum Strafbefehl in der Einvernahme vom 2. Februar 2015 nur abgegeben, da sie möglichst schnell aus der Untersuchungshaft habe herauskommen wollen (Urk. 44 S. 2 f., Urk. 106 S. 4). Die Belastungen des Privatklägers würden nicht der Wahrheit entsprechen. Das Motiv für seine Falschbelastung liege darin begründet, dass er ihrer überdrüssig sei und sie schnellstmöglich loswerden wol-

    le. Er habe sie denn auch schon länger mit der Scheidung bedrängt (Urk. 44 S. 4, Urk. 106 S. 6 f.).

  3. Beweiswürdigung

    1. Allgemeine Grundsätze

      Die Vorinstanz hat zu den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung das Nötige ausgeführt. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann darauf verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO; Urk. 96 S. 11 f.).

    2. Glaubwürdigkeit der Beteiligten

      Entgegen dem Vorbringen der Beschuldigten (Urk. 44 S. 5 f.) ergeben sich keine Hinweise für eine eingeschränkte Glaubwürdigkeit des Privatklägers. Der Umstand, dass er in der polizeilichen Einvernahme auf die Frage nach seiner Beziehung zur Beschuldigten aussagte, er wolle sich von der Beschuldigten scheiden lassen (Urk. 4/1 S. 2), beschlägt seine Glaubwürdigkeit in keiner Weise, vielmehr wird diese durch die offene Darlegung seines Scheidungswunsches gestützt. Dass der Privatkläger nicht vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte mit der Bemerkung, er werde Aussagen machen, ansonsten es ja nichts bringe (Urk. 4/1 S. 2), stellt entgegen der Auffassung der Verteidigung kein Indiz für eine falsche Anschuldigung dar (Urk. 44 S. 4). Die Bemerkung des Privatklägers ist schlicht eine zutreffende Feststellung. Vorliegend handelt es sich um ein Vieraugendelikt und neben den Aussagen der beiden Beteiligten liegen keine weiteren Beweismittel vor, weshalb eine Aussageverweigerung des Beschuldigten dazu führen würde, dass kein belastendes Beweismittel vorhanden wäre.

    3. Würdigung der Aussagen der Beteiligten

      1. Aussagen der Beschuldigten

        1. Zusammenfassung

          Die Beschuldigte führte in ihrer polizeilichen Befragung vom 8. Januar 2015 aus, dass ihr Ehemann am 27. Dezember 2014, als er um ca. 17.30 Uhr nach Hause

          gekommen sei, die Polizei gerufen habe, nachdem er gesehen habe, dass sie Alkohol getrunken habe. Als er das Telefon in die Hand genommen habe, habe sie versucht, ihm dies aus der Hand zu reissen. Mit dem Vorwurf konfrontiert, ihren Ehemann daran gehindert zu haben, die Wohnung zu verlassen, ihn weiter gewürgt und ihm mit dem Tod gedroht zu haben, erklärte sie, dass dies alles Lügen seien. Es treffe zu, dass sie ca. einen Liter Weisswein getrunken habe und dass er sie weinend angetroffen habe (Urk. 4/2 S. 2 ff.). In der staatsanwaltschaftlichen Hafteinvernahme vom 9. Januar 2015 ergänzte die Beschuldigte, dass sie ihrem Mann vielleicht im Affekt gesagt habe, dass sie ihn umbringen würde, wenn er die Wohnung verlasse (Urk. 4/3 S. 3). Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 2. Februar 2015 hielt die Beschuldigte zwar an ihrer Darstellung fest, wonach die Aussagen ihres Mannes Lügen seien; sie anerkannte jedoch auch die Vorwürfe und erklärte sich mit einem Strafbefehl wegen Nötigung einverstanden (Urk. 4/4 S. 2 und 3). In der Befragung anlässlich der Hauptverhandlung vor erster Instanz war die Beschuldigte nicht in der Lage, den Hergang des Geschehens zu beschreiben. Sie führte aber einlässlich aus, dass ihr Mann sie unter Druck gesetzt habe, damit sie in die Scheidung einwillige und dass er einen Skandal veranstaltet habe. Er habe gesehen, dass sie nicht nüchtern gewesen sei und habe die Polizei gerufen. Er habe einen Grund gesucht, um sie rauszuschmeissen (Urk. 41 S. 3 f.). Diese Ausführungen wiederholte sie vor Obergericht (Prot. II S. 15 ff.). Ergänzend erklärte sie, dass ihr Ehemann nach draussen gegangen sei und die Polizei von der Strasse aus angerufen habe. Neu erklärte sie, dass sie sich schlafen gelegt habe, nachdem er die Wohnung verlassen hatte (Prot. II S. 17). Sie räumte ein, dass sie nicht gewollt habe, dass ihr Mann die Wohnung verlasse, da sie mit ihm über die Situation habe sprechen wollen. Eine Auseinandersetzung habe es aber nicht gegeben (Prot. II S. 16 f.).

        2. Würdigung

        Die Aussagen der Beschuldigten wurden im Laufe der Zeit ausschweifender und teilweise detaillierter. Dies widerspricht dem Umstand, dass Erinnerungen mit dem Lauf der Zeit üblicherweise eher verblassen. So erklärte sie erstmals in der Hauptverhandlung vom 9. Februar 2016, dass ihr Mann versucht habe, sie zu

        schlagen (Urk. 41 S. 5). Dass sie mehr als ein Jahr wartete, um diese wichtige Information mitzuteilen, deutet darauf hin, dass es sich dabei nicht um die Wahrheit handelt. Auch wurden ihre Aussagen zum Grund, warum sie weinte, als ihr Mann nach Hause kam, mit der Zeit dramatischer. Anfänglich erwähnte sie von sich aus gar nicht, dass sie weinte. In der Hafteinvernahme erklärte sie dann, dass sie Nachrichten gelesen und geweint habe, als ihr Ehemann nach Hause gekommen sei (Urk. 4/3 S. 2). An der Hauptverhandlung führte sie sodann aus, dass sie mit Freundinnen aus der Ukraine gesprochen habe und diese ihr vom Tod von Verwandten der Beschuldigten berichtet hätten. Deshalb habe sie geweint. Vor Bezirksgericht gab sie auf die Frage des Richters, von wessen Tod sie erfahren habe, zunächst keine Antwort und erklärte dann auf erneutes Nachfragen, der Bruder und die Schwester ihres Onkels seien erschossen worden. Vor Obergericht erklärte die Beschuldigte zu diesem Thema auf entsprechende Frage hingegen, dass sie vom Tod eines Kollegen erfahren habe; dieser sei an einer Krankheit gestorben (Prot. II S. 19). Von wessen Tod die Beschuldigte erfahren hatte und unter welchen Umständen es dazu gekommen sein soll, konnte nicht restlos geklärt werden. Es gilt festzuhalten, dass, auch wenn sich diese Ereignisse tatsächlich so abgespielt hätten, doch merkwürdig ist, dass die Beschuldigte bruchstückhaft immer mehr Details zum Grund ihrer Gemütsregung angab und nicht bereits von Beginn weg darauf hinwies, zumal der Tod - und insbesondere das Umkommen im Krieg - von näheren Verwandten ein einschneidendes Erlebnis darstellt und eine emotionale Reaktion nachvollziehbar ist.

        Die Beschuldigte hatte zudem, wie sie selber angab, ungefähr einen Liter Weisswein konsumiert und wies gemäss Atemlufttest einen Alkoholpegel von beinahe 2 Promille auf. Wie ausgeführt, war sie emotional erregt und weinte als ihr Mann nach Hause kam. Die Aussage, wonach sie ihren Mann nicht auf das Sofa gedrückt hätte, weil sich dort ihr Laptop befunden habe, mit welchem man sehr vorsichtig umgehen müsse, lässt sich schlecht mit einer Handlung im Affekt vereinbaren. Ihre Aussage, dass ihr Ehemann den Schal sowieso nie auf diese Art trage, dass man ihn erwürgen könne, mutet sodann lebensfremd an und ist als Schutzbehauptung zu werten.

        Bereits die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen (Urk. 96 S. 13), dass die Ausführungen der Beschuldigten, wonach der Privatkläger bloss aufgrund des Umstandes, dass er sie betrunken angetroffen hatte - ohne irgendeine Eskalation des Paarkonfliktes - den Entschluss gefasst haben soll, die Polizei zu rufen, nicht einleuchten.

        Die Angaben der Beschuldigten zum gesamten Geschehen weisen Widersprüche auf. Insgesamt sind ihre Aussagen ausschweifend, teilweise konfus und in einer Gesamtbetrachtung in Bezug auf das Kerngeschehen nicht glaubhaft. Es ist daher nur beschränkt auf ihre Aussagen abzustellen.

      2. Aussagen des Privatklägers

  1. Zusammenfassung

    Der Privatkläger erklärte in seiner Befragung vom 27. Dezember 2017 zusammengefasst, dass er nach 17.00 Uhr zu Hause angekommen sei, wo er seine Ehefrau stark weinend angetroffen habe. Auf seine Frage hin, weshalb sie weine, habe sie ihm vorgeworfen, dass er sich nie für sie interessiere. Er habe auch sofort gemerkt, dass sie alkoholisiert gewesen sei. Er habe deshalb gesagt, dass er die Wohnung wieder verlassen werde und seinen Schal um den Hals gelegt. Daraufhin sei seine Ehefrau ihm gefolgt, habe sich zwischen ihn und die Türe gestellt, die beiden Enden des Schals gepackt und ihn in die Wohnung zurückgezogen. Sie habe ihm dann sinngemäss gesagt, dass sie ihn umbringen werde. Daraufhin habe sie das eine Schalende genommen, es erneut um seinen Hals geschleift und ihn gegen den Diwan gedrückt. Als er sich daraufhin zu wehren begonnen und sich der Schal etwas gelöst habe, sei die Beschuldigte mit ihrer Hand an seinen Hals gegangen und habe zugedrückt, damit es ihm weh tue. Im Handgemenge sei es ihm gelungen, das Festnetztelefon zu greifen und den Polizeinotruf zu wählen. Die Beschuldigte habe versucht, ihm das Telefon aus der Hand zu reissen. Da die Beschuldigte schockiert gewesen sei - weil sie nicht ernsthaft damit gerechnet habe, dass er die Polizei wirklich rufen würde - habe sie von ihm abgelassen. Gemeinsam hätten sie dann auf das Eintreffen der Polizeibeamten gewartet (Urk. 4/1 S. 2 f.). Seine Aussagen wiederholte er in der staatsanwalt-

    schaftlichen Einvernahme vom 2. Februar 2015 und vor Vorinstanz (Urk. 4/5, Urk. 42).

  2. Würdigung

Die Aussagen des Privatklägers sind konstant, lebensnah und detailliert. Er belastet die Beschuldigte nicht übermässig, indem er von sich aus angab, dass sie nur ein bisschen zugedrückt habe und er auch nicht bewusstlos geworden sei. Wie sogleich darauf einzugehen sein wird, relativierte er auch die Todesdrohung, wonach diese im Russischen des Öfteren verwendet werde und er solche Drohungen seiner Frau bis zum eingeklagten Vorfall nicht ernst genommen habe.

Die Beschuldigte liess ausführen, es sei ein Lügensignal darin zu sehen, dass der Privatkläger in der ersten polizeilichen Einvernahme nicht erwähnte, dass die Beschuldigte ihm gedroht habe, ihn umzubringen (Urk. 44 S. 6 f). Seine Aussage lautete: An die Worte, wo sie da gesagt hat, kann ich mich aber nicht mehr genau erinnern. Ich erwiderte ihr jedenfalls, dass sie mich nun endlich umbringen solle. Auf entsprechendes Nachhaken erklärte er erneut, dass er sich nicht an die genauen Worte erinnere, sie aber gesagt habe, dass sie ihn umbringen werde. Er relativierte diese Aussage, indem er sogleich anfügte, dass die Russen dies des Öfteren sagen würden (Urk. 4/1 S. 3). Dass er ihr geantwortet habe, sie solle ihn nun endlich umbringen, macht keinen Sinn, wenn sie ihm nicht zuvor gedroht hatte, ihn umzubringen und wirkt überdies spontan und nicht erfunden. Aus seinen Aussagen geht demnach - entgegen der Ansicht der Beschuldigten (Urk. 106 S. 6) - klar verständlich hervor, dass sie ihm sagte, dass sie ihn umbringen werde. An den genauen Wortlaut erinnerte er sich nicht und er erklärte auch (zugunsten der Beschuldigten), dass diese Worte von Russen häufig gebraucht werden, was darauf hindeutet, dass es sich nicht immer - vermutlich auch zwischen der Beschuldigten und dem Privatkläger - um eine Drohung, sondern wohl zum grossen Teil um daher gesagte Worthülsen handelt. Der Privatkläger erklärte nachvollziehbar, dass vergleichbare Vorfälle bereits vorgekommen seien, er aber zum ersten Mal wirklich Angst vor der Beschuldigten bekommen habe.

Die Beschuldigte liess sodann vorbringen, dass der Privatkläger ihr, als sie in der Psychiatrischen Universitätsklinik war, eine SMS schrieb, wonach es gut komme, wenn sie sich scheiden lassen würde (Urk. 44 S. 8). Darin sei sein Motiv zu sehen, die Beschuldigte falsch beschuldigen zu wollen, um eine Scheidung durchzusetzen. Zur Motivlage des Privatklägers kann vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, wonach seine Aussagen nicht aufgrund seiner Motive von vornherein unglaubhaft sind (Urk. 96 S. 10).

Die Verteidigung macht weiter geltend, der Privatkläger habe sich bei seiner Einvernahme im Gewaltschutzverfahren bestürzt gezeigt, als er erfahren habe, dass die Beschuldigte in Untersuchungshaft versetzt worden sei. Dieses Verhalten zeige, dass der Privatkläger nie daran gedacht habe, dass die Beschuldigte ins Gefängnis komme, weil es eben keinen Grund dafür gebe. Die Bestürzung des Privatklägers zeige, dass die von ihm vorgebrachten Belastungen nicht der Wahrheit entsprechen (Urk. 4 S. 5 f.). Dieser Argumentation der Verteidigung kann nicht gefolgt werden, vielmehr ist den Äusserungen des Privatklägers zu entnehmen, dass er der Auffassung war, dass die Beschuldigte in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen sei, nicht ins Gefängnis gehöre. Die Beschuldigte war nach dem Vorfall auch in die Psychiatrische Universitätsklinik eingewiesen worden und hat sich vom 27. September 2017 bis 22. Dezember 2017 freiwillig im Psychiatriestützpunkt des Bezirksspitals Affoltern behandeln lassen (Urk. 101/1, Urk. 104

S. 2). Der Privatkläger war sich demnach bewusst, dass die Beschuldigte psychiatrische Betreuung benötigt und seine Bestürzung ist im Gegenteil so zu werten, dass er sich Sorgen um die Beschuldigte und ihre Gesundheit machte. Dass er sich trotz der gewollten Scheidung um sie sorgte, ist nicht abwegig, sondern nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund ist eine falsche Anschuldigung umso weniger anzunehmen.

Insgesamt sind die Aussagen des Privatklägers glaubhaft. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Falschbelastung der Beschuldigten. Der Sachverhalt hat sich demnach gemäss seinen Schilderungen abgespielt und es ist für die rechtliche Würdigung auf den Anklagesachverhalt abzustellen.

  1. Rechtliche Würdigung
    1. Rechtliches

      Vorab kann auf die zutreffende rechtliche Würdigung der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO, Urk. 92 S. 16). Ergänzend ist Folgendes festzuhalten:

      Schuldunfähigkeit als Merkmal ausgeschlossener Schuld setzt eine tatbestandsmässige und rechtswidrige - und damit regelmässig eine vorsätzliche - Handlung voraus. Die Frage, ob der Täter vorsätzlich, d.h. mit Wissen und Willen i.S.v.

      Art. 12 Abs. 2 StGB gehandelt hat, ist von der Frage der Schuldfähigkeit zu unterscheiden. Schuldunfähigkeit bedeutet nicht, dass der Täter keinen tatbestandsmässigen Vorsatz bilden könnte; vielmehr kann grundsätzlich auch der völlig Schuldunfähige vorsätzlich handeln. Im Zustand ausgeschlossener Schuldfähigkeit können (zweckrationale) Handlungen gerade deshalb ausgeführt werden, weil die normalerweise bestehenden Hemmungen infolge Alkoholoder Medikamentenkonsums oder einer bestehenden oder im Tatzeitpunkt einwirkenden Krankheit bzw. psychischen Störung lahm gelegt sind. Die Einsicht in das Tatunrecht bedingt einen normativen Wertungsakt, der Bestand und Geltung der Norm erfasst und dessen Vornahme aufgrund einer psychischen Störung eingeschränkt sein kann. Beim Vorsatz dagegen geht es um die Umsetzung eines Handlungsentschlusses auf der Grundlage von sinnlich wahrgenommenen oder vorgestellten Tatumständen, was auch bei fehlender Einsicht in das Unrecht möglich ist, weil es dazu des entsprechenden Wertungsaktes nicht bedarf (BOMMER/DITTMANN, in: BSK StGB I, Art. 19 N 18 f., Entscheid des Obergerichts SB140138 vom 9. Juli 2014, Erw. III.A.3).

    2. Subjektiver Tatbestand

      Wenn die Verteidigung geltend macht, dass der Beschuldigten das Bewusstsein gefehlt habe, eine Nötigungshandlung zu begehen (Urk. 80 S. 3), ist ihr entgegenzuhalten, dass für die vorsätzliche Tatbegehung ein Handeln mit Wissen und Willen erforderlich ist. Nicht erforderlich ist dagegen ein Bewusstsein bezüglich

      der Tatbestandsmässigkeit des Handelns. Für den Nachweis des Vorsatzes kann sich das Gericht - soweit der Täter nicht geständig ist - regelmässig nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters erlauben (BGE 134 IV 26, Erw. 3.2.2). Vorliegend hat die Beschuldigte den Privatkläger am Schal gepackt, von der Türe zurückgezogen und den Schal zugezogen und ihn mit einer Hand am Hals gewürgt. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Beschuldigte im Affekt gehandelt hat, jedoch führt dies entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht dazu, dass Fahrlässigkeit vorliegt. Pflichtwidrige Unvorsichtigkeit im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB ist nicht zu erkennen, vielmehr wollte die Beschuldigte die Handlungen vornehmen in der Absicht, den Privatkläger am Verlassen der Wohnung zu hindern, was ihr auch gelungen ist.

    3. Fazit

    Zusammenfassend hat die Beschuldigte mit Wissen und Willen gehandelt und mit ihrem Verhalten den objektiven und subjektiven Tatbestand von Art. 181 StGB erfüllt.

  2. Schuldfähigkeit
    1. Gutachten

      Der Gutachter E. erstattete am 9. November 2016 ein forensischpsychiatrisches Gutachten über die Beschuldigte (Urk. 67) unter Einbezug des neuropsychologischen Gutachtens F. vom 24. Oktober 2016 (Urk. 64). Beide Gutachter stellen die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit und eines dysexekutiven Syndroms mit Auswirkungen auf die Verhaltensund Emotionskontrolle

      (ICD-10 F07.8). Als Ursachen kämen eine gemäss der Beschuldigten 2004 von ihr erlittenen Gehirnentzündung, eine beginnende Demenz sowie der missbräuchliche Alkoholkonsum in Frage (Urk. 64 S. 9 f.). Weiter wird im psychiatrischen Gutachten festgehalten, rein deskriptiv liege eine Persönlichkeitsakzentuierung aus dem B-Cluster vor (ICD-10 Z73.1); das Vorliegen einer eigenständigen Persönlichkeitsstörung lasse sich aber nicht nachweisen (Urk. 67 S. 49 f.). Der Gutachter kommt zum Ergebnis, dass bei der Beschuldigten im Tatzeitpunkt eine mittelgradig ausgeprägte Verminderung sowohl der Einsichtsals auch der Steuerungsfähigkeit vorlag. Diese Beeinträchtigung sei bedingt durch die hirnorganische Störung, welche bereits vor dem Tatzeitpunkt bestand. Die Auswirkungen dieser Störung auf ihr Verhalten sei durch den Alkoholkonsum im Vorfeld der Tatsituation und der emotionellen Anspannung in der Tatsituation zusätzlich verstärkt worden (Urk. 67 S. 54).

    2. Stellungnahme der Beschuldigten

      Die Verteidigung bemängelt, dass der Gutachter eine Persönlichkeitsakzentuierung annimmt, aber in der Conclusio das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung verneint (Urk. 80 S. 6). Dazu ist festzuhalten, dass eine Persönlichkeitsakzentuierung nicht dasselbe ist wie eine Persönlichkeitsstörung. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung gehen weiter. Insbesondere ist gemäss Gutachten für die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung das Bestehen einer Pathologie seit später Kindheit oder früher Adoleszenz vorausgesetzt, was sich bei der Beschuldigten nicht nachweisen lasse (Urk. 67 S. 50).

      Aus den Darlegungen der Verteidigung erhellt nicht, was aus dem geltend gemachten nicht mehr nur fachtechnischen Interesse des Gutachters an der Person der Beschuldigten (Urk. 80 S. 6) hinsichtlich der Qualität des Gutachtens abzuleiten wäre. Insgesamt nimmt die Verteidigung keine fundierten Bemängelungen am Gutachten vor. Es wird nur pauschal geltend gemacht, der Gutachter habe viele Punkte, die die Beschuldigte ihm anlässlich der Exploration erzählt habe, nicht richtig verstehen und korrekt einordnen können, z.B. bezüglich ihres Abschlusses und ihrer militärischen Karriere (Urk. 80 S. 7).

    3. Fazit

    Das Gutachten erweist sich als nachvollziehbar und schlüssig. Namentlich ist die gutachterliche Schlussfolgerung, wonach die hirnorganische Störung den geistigen Zustand der Beschuldigten durch Ausfälle in der Verhaltensund Emotionskontrolle beeinträchtigt, mit dem Tatgeschehen vereinbar, welches sich vor dem

    Hintergrund einer hochemotionalen Situation des Auseinanderbrechens einer langjährigen Paarbeziehung ereignete.

    Den schlüssigen Ausführungen des Gutachters sowie den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz hierzu ist vollumfänglich zuzustimmen (Urk. 96 S. 15). Es ist von einer mittelgradigen Verminderung der Schuldfähigkeit der Beschuldigten auszugehen.

  3. Sanktion
  1. Strafzumessung

    1. Allgemeines

      Die Vorinstanz hat die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung zutreffend dargelegt und den Strafrahmen korrekt abgesteckt (Urk. 96 S. 16). Das Gesetz sieht für diese Tat als Sanktion eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor (Art. 181 StGB).

      Vorweg ist zudem festzuhalten, dass das am 1. Januar 2018 in Kraft getretene neue Sanktionenrecht keine Auswirkungen auf den vorliegenden Fall hat, zumal die Vorinstanz eine Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 30.- ausgefällt hat und eine Änderung der Sanktion zum Nachteil der Beschuldigten oder eine Erhöhung der Tagessatzhöhe infolge des Verschlechterungsverbotes nicht in Betracht kommt.

    2. Tatkomponenten

      1. Objektive Tatschwere

        Die physisch ausgeübte Gewalt des Schal-Zuziehens und des Würgens war zwar nicht sehr intensiv und dauerte auch nur kurze Zeit, jedoch sind Einwirkungen auf den Hals einer Person gefährlich und können zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Vorliegend resultierte keine körperliche Verletzung aus der Gewaltanwendung. Der Privatkläger war nur kurze Zeit in seiner freien

        Willensbetätigung eingeschränkt. Die Tat war nicht geplant, vielmehr handelte die Beschuldigte im Affekt. Die objektive Tatschwere ist insgesamt mit der Vorinstanz als noch leicht zu beurteilen. Die Einsatzstrafe ist im Bereich von 90 Tagen anzusetzen.

      2. Subjektive Tatschwere

      Die Beschuldigte handelte vorsätzlich. Ausgelöst wurde ihr Verhalten im Rahmen einer auseinanderbrechenden langjährigen Beziehung einerseits von der Angst, verlassen zu werden. Sie handelte auch aus einer Wut heraus, weil ihr Ehepartner kein Interesse an ihren Problemen zeigte bzw. ihr Vorwürfe wegen des Alkoholkonsums machte. Die subjektive Tatschwere wird durch die mittelgradige Verminderung der Schuldfähigkeit infolge ihrer hirnorganischen Störung und ihrer Alkoholisierung erheblich relativiert. Das Verschulden wiegt in subjektiver Hinsicht leicht.

      Eine Einsatzstrafe von 45 Tagen erscheint der Tatschwere insgesamt als angemessen.

    3. Täterkomponenten

Die Beschuldigte ist in [Ort], in der Ukraine, auf die Welt gekommen und bei ihren Eltern mit einem jüngeren Bruder aufgewachsen. Mit 17 Jahren, nach vorzeitigem Schulabschluss sei sie auf eigenen Wunsch der sowjetischen Armee beigetreten. Gleichzeitig habe sie das Hochschulstudium als Ingenieur für Maschinen und Apparate von chemischen Betrieben im Alter von 23 Jahren abgeschlossen. Aus ihrer ersten Ehe hat sie einen Sohn. In der Armee sei sie bei der Chemieabwehr gewesen und habe bis 2015 gedient. Es sei eine glückliche Zeit gewesen. 1988 sei sie nach Afghanistan abkommandiert worden und sei dort in die Gefangenschaft von Mujahedin geraten. Ihr Sohn sei von ihrer Mutter aufgezogen worden, die Ehe habe fünf Jahre gedauert. Sie wisse nicht mehr weshalb die Ehe geschieden wurde. 2004 habe sie einen Nervenzusammenbruch erlitten und nach diversen Experimenten und Erprobungen von neuen Medikamenten sei man zum Schluss gekommen, dass sie eine infektiöse Gehirnentzündung erlitten habe,

welche mit einer Gedächtnislücke einher gegangen sei. In Ägypten habe sie 2005 ihren künftigen Ehemann, den Privatkläger, kennengelernt. Sie habe mit ihm in Sardinien und Zürich gelebt. In Sardinien sei sie im Bereich Alternative Energien tätig gewesen; seit 2012 hätten sie in der Schweiz gelebt. In dieser Zeit sei sie Hausfrau gewesen (Urk. 67 S. 41 ff.). Nun bezieht die Beschuldigte Sozialhilfe und die Anmeldung bei der IV sei pendent (Prot. II S. 9).

Die Beschuldigte ist weder geständig noch reuig. Sie verfügt über keine Vorstrafen (Urk. 78).

Insgesamt ergeben sich aus den Täterkomponenten weder straferhöhende noch strafmindernde Faktoren, weshalb es bei der Einsatzstrafe von 45 Tagessätzen Geldstrafe bleibt.

Die Beschuldigte lebt von Sozialhilfe und verfügt damit nur über ein sehr bescheidenes Einkommen. Den bescheidenen finanziellen Verhältnissen der Beschuldigten scheint ein Tagessatz von Fr. 20.- angemessen.

Die Beschuldigte hat 29 Tage Haft erstanden (Urk. 11/3 bzw. Urk. 11/38), die ihr auf die Geldstrafe anzurechnen sind (Art. 51 StGB). Damit entfällt ein Anspruch der Beschuldigten auf Entschädigung und/oder Genugtuung für die erlittene Haft.

  1. Vollzug der Strafe

    Der Gutachter kam u.a. in Anwendung des Risiko-Assessments VRAG zum Schluss, dass bei der Beschuldigten ein geringes kriminelles Rückfallrisiko bestehe (Urk. 67 S. 48). Die Wahrscheinlichkeit, dass die Beschuldigte ähnliche Straftaten begeht, wird als gering eingeschätzt (Urk. 67 S. 61). Diese Einschätzung ist nachvollziehbar; die nicht vorbestrafte Beschuldigte hat sich seit der Tat vor gut drei Jahren denn auch nichts mehr zuschulden kommen lassen.

    Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte, welche die Vermutung einer günstigen Prognose umzustossen vermögen. Die Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges gemäss Art. 42 StGB sind somit erfüllt.

    Mit der Vorinstanz erscheint eine Probezeit von 3 Jahren als angemessen.

  2. Weisung

Gemäss Gutachten wird es mit einer Progredienz der hirnorganischen Störung in der Zukunft überwiegend wahrscheinlich zu einer ungünstigen Veränderung der momentan aufgestellten kriminellen Prognose kommen und kann die hirnorganische Störung keiner kausalen Behandlung zugeführt werden. Jedoch ist eine therapeutische Behandlung indiziert zum besseren Umgang mit den Folgen der Stö- rung und zur Aktivierung von allenfalls noch vorhandenen psychischen Ressourcen. Ferner sollte auch die Abhängigkeitsproblematik gezielt angegangen werden (Urk. 67 S. 61 f.). Mit anderen Worten befürwortet der Gutachter eine ambulante therapeutische Behandlung. Eine solche erscheint zweifellos geeignet, die Beschuldigte zu unterstützen. Jedoch erscheint fraglich, ob die Voraussetzungen zur Anordnung einer ambulanten Massnahme gegeben sind. Es kann hierzu auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 96 S. 19 f.). Für die Erteilung einer Weisung zur ärztlichen und psychologischen Betreuung ist nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen von Art. 63 StGB erfüllt sind (Trechsel/Aebersold, in: Trechsel/Pieth, Praxiskommentar StGB, 3. Aufl. 2018, Art. 94

N 6). Die Fortsetzung der psychologischen Betreuung stellt eine wichtige Unterstützung für die Beschuldigte dar und ist mit der Vorinstanz zu befürworten. Die Beschuldigte erklärte vor Obergericht, dass sie die Behandlung bei B. nicht nur weiterführen wolle, sondern auch müsse, da sie die psychologische Unterstützung brauche (Prot. II S. 15). Da die Beschuldigte offensichtlich einsieht, dass die psychologische Betreuung erforderlich ist, ist ihr die Weisung zu erteilen, die Behandlung bei B. weiterzuführen.

VI. Kostenund Entschädigungsfolgen

Ausgangsgemäss ist die vorinstanzliche Regelung der Kostenfolgen zu bestätigen. Entsprechend sind der Beschuldigten auch die Kosten des Berufungsverfahrens, ausgenommen derjenigen der amtlichen Verteidigung, aufzuerlegen, angesichts der prekären finanziellen Situation der Beschuldigten allerdings definitiv abzuschreiben. Das Honorar der amtlichen Verteidigung für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 5'100.- festzulegen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abteilung

    - Einzelgericht, vom 30. Mai 2017 bezüglich der Dispositivziffern 8 (Herausgabe), 9 (Kostenfestsetzung) und 10 (Entschädigung amtliche Verteidigung) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte ist schuldig der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB.

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 20.-, wovon 29 Tagessätze als durch Untersuchungshaft geleistet gelten.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.

  4. Der Beschuldigten wird die Weisung erteilt, die bei B. begonnene Behandlung fortzusetzen, solange der behandelnde Arzt dies für notwendig hält, längstens aber für die Dauer der Probezeit.

  5. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 11) wird bestätigt.

  6. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.-- ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 5'100.-- amtliche Verteidigung

  7. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden der Beschuldigten auferlegt, aber sofort definitiv abgeschrieben. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden definitiv auf die Gerichtskasse genommen.

  8. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

    • den Privatkläger D.

      (Eine begründete Urteilsausfertigung - und nur hinsichtlich ihrer eigenen Anträge (Art. 84 Abs. 4 StPO) - wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

    • den Privatkläger (falls verlangt)

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A

  9. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 16. Januar 2018

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Guennéguès

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht oder die Weisungen missachtet.

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