Zusammenfassung des Urteils SB170305: Obergericht des Kantons Zürich
Das Urteil des Bezirksgerichtes Horgen vom 3. April 2017 wurde bestätigt. Der Beschuldigte wurde der versuchten vorsätzlichen Tötung und Gewalt gegen Behörden und Beamte schuldig befunden, jedoch aufgrund seiner nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit von einer Strafe abgesehen. Stattdessen wurde eine stationäre Massnahme angeordnet. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen, da der Beschuldigte schuldunfähig ist. Der Beschuldigte wird für die versuchte vorsätzliche Tötung verantwortlich gemacht, da er im Tatzeitpunkt die Gefährlichkeit seines Handelns erkannte und den Todeseintritt in Kauf nahm. Die Verteidigung des Beschuldigten argumentierte, dass er aufgrund seiner psychischen Störung nicht in der Lage war, die Realität zu erfassen, was jedoch durch Zeugenaussagen widerlegt wurde. Letztendlich wurde festgestellt, dass der Beschuldigte vorsätzlich handelte und die Kosten des Verfahrens auf die Gerichtskasse genommen werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB170305 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 13.04.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchte vorsätzliche Tötung etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Privatkläger; Beschuldigten; Schere; Berufung; Recht; Schuld; Urteil; Privatklägers; Verteidigung; Tatbestand; Vorsatz; Faust; Staat; Tötung; Staatsanwaltschaft; Sinne; Tatzeit; Gericht; Bundesgericht; Tatzeitpunkt; Umstände; Schuldunfähigkeit; Kantons |
Rechtsnorm: | Art. 111 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 122 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 34 ATSG ;Art. 375 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 419 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 59 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ;Art. 90 StPO ; |
Referenz BGE: | 115 IV 223; 133 IV 1; 133 IV 9; 135 IV 12; 137 IV 1; 138 IV 81; 139 IV 179; |
Kommentar: | -, Praxis, 3. Aufl., Art. 375 StPO, 2017 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB170305-O/U/cwo
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. M. Langmeier und lic. iur. B. Gut sowie der Gerichtsschreiber Dr. iur. F. Manfrin
Urteil vom 13. April 2018
in Sachen
Anklägerin und I. Berufungsklägerin
gegen
Beschuldigter und II. Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
betreffend
Bericht und Antrag / Anklage:
Der Bericht und Antrag / die Anklage der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 10. Oktober 2016 (Urk. 22) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 72 S. 26 ff.)
Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte die folgenden Tatbestände erfüllt hat:
versuchte vorsätzliche Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB
Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziffer 1 StGB.
Aufgrund der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit wird von einer Strafe abgesehen.
Es wird eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB angeordnet. Es wird vorgemerkt, dass sich der Beschuldigte seit dem 6. Februar 2017 im vorzeitigen Massnahmenvollzug befindet.
Die folgenden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft IV vom 27. September 2016 beschlagnahmten Gegenstände werden eingezogen und der Lagerbehörde zur Vernichtung überlassen.
Schere IKEA (Asservaten-Nr. A008'376'907, beim Forensischen Institut lagernd, FOR-ZH)
Schere AGNETA (Asservaten-Nr. A008'376'894 beim Forensischen Institut lagernd, FOR-ZH)
1 Becher (Asservaten-Nr. A008'385'124, bei der Kantonspolizei Zürich lagernd, TEUAssTri)
1 Zahnbürste (Asservaten-Nr. A008'385'146, bei der Kantonspolizei Zürich lagernd, TEU-AssTri).
Die folgenden beim FOR sichergestellten Gegenstände werden dem Beschuldigten auf erstes Verlangen hin herausgegeben:
- die Kleider (A008'383'231, A008'383'242, A008'383'264, A008'383'275, A008'383'297)
das Mobiltelefon der Marke Sony, Modell XPERIA (A008'377'159)
der Computer der Marke HP, Seriennummer (FOR_Lager/Lager Lochergut, GESTELL ...FACH .)
- die Klappmesser (A008'377'148 und A008'364'423).
Die beim FOR unter der Nr. A008'376'338 sichergestellte Armbanduhr der Marke Casio wird dem Privatkläger 1 auf erstes Verlangen hin herausgegeben.
Die Zivilforderungen des Privatklägers 1 werden abgewiesen.
Die Zivilforderung des Privatklägers 2 wird abgewiesen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 3'000.00; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'000.00 Gebühr für das Vorverfahren
Fr. 25'064.90 Kosten Gutachten
Fr. 533.90 Auslagen
Fr. 5'582.10 Kosten Gutachten
Fr. 1'473.00 Auslagen Polizei
Fr. 27'347.30 amtliche Verteidigung
Fr. 8'812.20 unentgeltliche Vertretung Privatkläger 1
Die Kosten der Untersuchung, des gerichtlichen Verfahrens, der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers 1 werden auf die Gerichtskasse genommen.
Rechtsanwalt Dr. iur. X. wird für seine Bemühungen und Barauslagen als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten aus der Gerichtskasse mit Fr. 27'347.30 (inklusive 8 % Mehrwertsteuer) entschädigt.
Der unentgeltliche Rechtsbeistand des Privatklägers 1, Rechtsanwalt Dr. iur. Y. , wird aus der Gerichtskasse mit Fr. 8'812.20 (inkl. 8 % Mehrwertsteuer und Spesen) entschädigt.
(Mitteilungen.)
(Rechtsmittel.)
Berufungsanträge:
Der amtlichen Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 77 S. 2 f.; Urk. 89 S. 2)
Es sei in Abänderung von Ziffer 1 des Dispositivs des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Beschuldigte/Berufungskläger die folgenden Tatbestände erfüllt hat:
Schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB
Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziffer 1 StGB.
Die Kosten des Berufungsverfahrens inklusive Kosten der amtlichen Verteidigung seien auf die Staatskasse zu nehmen.
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 75; Urk. 81 S. 1)
Rückzug der Berufung.
Verzicht auf Anschlussberufung und Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Der unentgeltlichen Rechtsvertretung des Privatklägers 1: (Urk. 100 S. 1)
Die Berufung sei unter Kostenund Entschädigungsfolgen des Berufungsklägers vollumfänglich abzuweisen.
Erwägungen:
Gegenstand des Verfahrens
Der unter psychischen Störungen leidende Beschuldigte hat am 16. Juli 2015 im Zustand der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit insgesamt 24 Male mit einer Schere auf seinen Mitbewohner, den Privatkläger 1 B. , eingestochen. Dabei hat dieser diverse, darunter auch massive Verletzungen an Kopf, Hals, Brust etc. davongetragen, was zu einer erheblich erhöhten Lebensgefahr des Verblutens geführt hat. Der psychiatrische Gutachter diagnostizierte beim Beschuldigten insbesondere eine paranoide Schizophrenie sowie Cannabisabhängigkeit.
Nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Vorinstanz hat der Beschuldigte dadurch den Tatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung erfüllt. Der Beschuldigte zeigt sich weitestgehend geständig, bestreitet allerdings, mit Tötungsvorsatz gehandelt zu haben. Sein Verhalten sei stattdessen als tatbestandsmässige schwere Körperverletzung zu würdigen.
Nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der tätliche Übergriff des Beschuldigten auf einen Sicherheitsassistenten, den Privatkläger 2 C. , einige Tage nach dem obgenannten Vorfall im Polizeigefängnis. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Beschuldigte dadurch den Tatbestand der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziffer 1 StGB erfüllt hat, und zwar ebenfalls im Zustand der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit. Das vorinstanzliche Urteil blieb diesbezüglich unangefochten.
Verfahrensgang
In Bezug auf den Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 72 S. 5 f.).
Mit dem eingangs im Dispositiv wiedergegebenen Urteil der Vorinstanz vom 3. April 2017 wurde festgestellt, dass der Beschuldigte den Tatbestand der
versuchten vorsätzlichen Tötung sowie der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Zustand nicht selbst verschuldeter Schuldunfähigkeit erfüllt hat. Von einer Strafe wurde abgesehen, aber eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB angeordnet (Urk. 72 S. 26 ff.).
Gegen dieses gleichentags mündlich im Dispositiv eröffnete Urteil (Prot. I
S. 20 f.) meldeten sowohl die Staatsanwaltschaft (Urk. 67) als auch der Beschuldigte (Urk. 68) fristgerecht Berufung an (Art. 399 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 90 Abs. 2 StPO). Das begründete Urteil (Urk. 70 = Urk. 72) wurde der Staatsanwaltschaft am 28. Juli 2017 (Urk. 71/1) und dem Beschuldigten am 2. August 2017 (Urk. 71/2) zugestellt.
Mit Eingabe vom 15. August 2017 erklärte die Staatsanwaltschaft den Rückzug ihrer Berufung (Urk. 75).
Die Berufungserklärung des Beschuldigten erfolgte am 21. August 2017 (Datum Poststempel) und damit innert der zwanzigtägigen Frist von Art. 399 Abs. 3 StPO (Urk. 77). Mit nämlicher Eingabe beantragte die amtliche Verteidigung die Durchführung des schriftlichen Berufungsverfahrens (Urk. 77 S. 3).
Mit Präsidialverfügung vom 24. August 2017 wurde die Berufungserklärung des Beschuldigten den Privatklägern und der Staatsanwaltschaft zugestellt und Frist angesetzt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen sowie zum Antrag auf Durchführung des schriftlichen Verfahrens Stellung zu nehmen (Urk. 79). Mit Eingabe vom 28. August 2017 verzichtete die Staatsanwaltschaft auf Anschlussberufung, beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und erhob keine Einwendungen gegen die Durchführung des schriftlichen Verfahrens (Urk. 81). Die Privatklägerschaft liess sich nicht vernehmen.
Mit Beschluss vom 19. September 2017 wurde in Anwendung von Art. 406 Abs. 1 lit. a StPO das schriftliche Verfahren angeordnet und dem Beschuldigten Frist zur Einreichung der schriftlichen Berufungsbegründung und zum Stellen allfälliger Beweisanträge angesetzt (Urk. 83).
Unter dem 20. November 2017 liess der Beschuldigte die schriftliche Berufungsbegründung einreichen (Urk. 89). Hierauf beantragte die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 29. November 2017 die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und verwies zur Begründung auf ihre Ausführungen vor Vorinstanz sowie auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (Urk. 93). Die Berufungsantwort des Privatklägers 1 ging am 4. Januar 2018 hierorts ein, womit die vollumfängliche Abweisung der Berufung beantragt wurde (Urk. 100).
Nachdem keine Beweisanträge gestellt wurden (vgl. Urk. 89), wurde mit Präsidialverfügung vom 5. Januar 2018 das Beweisverfahren für geschlossen erklärt und den Parteien Frist angesetzt, um zu den eingereichten Berufungsantworten Stellung zu nehmen und die Honorarnoten der Parteivertreter einzureichen (Urk. 102).
Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Stellungnahme (Urk. 104). Am
31. Januar 2018 ging die Stellungnahme der amtlichen Verteidigung ein (Urk. 108). Die Honorarnoten der Parteivertreter wurden ins Recht gelegt (unentgeltliche Rechtsvertretung Privatkläger 1: Urk. 107; amtliche Verteidigung: Urk. 110).
Umfang der Berufung
Die Berufung des Beschuldigten (vgl. Urk. 89 S. 2) richtet sich einzig gegen die vorinstanzliche Feststellung, dass der Beschuldigte (auch) den Tatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB erfüllt hat (Disp.-Ziff. 1 Spiegelstrich 1). Im Übrigen blieb das vorinstanzliche Urteil unangefochten und ist folglich in Rechtskraft erwachsen, was vorab mittels Beschluss festzustellen ist (Art. 404 Abs. 1 StPO).
Wie vorstehend erwähnt, erklärte die Staatsanwaltschaft innert der Frist für die Einreichung der Berufungserklärung (Art. 399 Abs. 3 StPO) den Rückzug ihrer Berufung (Urk. 75). Davon ist Vormerk zu nehmen.
Ausgangslage / Standpunkt des Beschuldigten
Der Beschuldigte machte in den ersten beiden staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen im Rahmen des Untersuchungsverfahrens keine Aussagen zum Tatvorwurf (vgl. D1 Urk. 2/1 und Urk. 2/2). Am 19. November 2015 reichte die amtliche Verteidigung eine handschriftliche Erklärung des Beschuldigten ins Recht, in welcher sich der Beschuldigte nur sehr knapp zum Tatgeschehen äusserte (D1 Urk. 2/3 und 2/4). Auch in den weiteren Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft und vor Vorinstanz verweigerte der Beschuldigte weitestgehend die Aussage (vgl. D1 Urk. 2/5 und 2/6; Prot. I S. 14 f.). Er ist allerdings insoweit geständig, dass er den Privatkläger 1, so wie in der Anklageschrift umschrieben, am frühen Morgen des 16. Juli 2015 mit einer Schere angegriffen, 24 Male auf ihn eingestochen und ihn dabei erheblich verletzt hatte, sodass für den Privatkläger 1 erhöhte Lebensgefahr bestanden hatte (vgl. seine handschriftliche Erklärung, D1 Urk. 2/3; D1 Urk. 2/5 S. 2; D1 Urk. 2/6 S. 6; Urk. 59; Prot. I
S. 14 f.; zuletzt auch Urk. 89 S. 3).
Die amtliche Verteidigung macht zusammengefasst geltend, dass der Beschuldigte zwar den Tatbestand der schweren Körperverletzung, nicht aber jenen der versuchten vorsätzlichen Tötung erfüllt habe (Urk. 89 S. 3). Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass weder im Vorverfahren noch vor Vorinstanz ermittelt, belegt bewiesen worden sei, was der Beschuldigte im Tatzeitpunkt gewusst und gewollt habe. Es fehle an der für den Vorsatz erforderlichen Wissenswie auch an der Willenskomponente. Der subjektive Tatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung sei folglich nicht erfüllt (Urk. 89 S. 4 ff.). Auch der Beschuldigte selber führte in seiner handschriftlichen Erklärung vom
17. November 2015 an, er habe den Privatkläger 1 niemals schwer verletzen gar töten wollen (D1 Urk. 2/3).
Im Folgenden ist deshalb zu prüfen, ob der Beschuldigte in subjektiver Hinsicht tatbestandsmässig im Sinne von Art. 111 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 2 StGB handelte. Die Berufungsinstanz muss sich dabei nicht mit jedem ein-
zelnen Vorbringen des Beschuldigten resp. der Verteidigung auseinandersetzen. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Es müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt (BGE 139 IV 179 E. 2.2; BGE 138 IV 81 E. 2.2; je mit Hinweisen).
Subjektiver Tatbestand: Versuchte vorsätzliche Tötung nach Art. 111 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 2 StGB
Grundsätze; Abgrenzung Tat-/Rechtsfrage
Den Tatbestand von Art. 111 StGB erfüllt in subjektiver Hinsicht, wer mit Vorsatz einen Menschen tötet. Vorsätzlich begeht ein Verbrechen Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 StGB). Eventualvorsatz, welcher zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes von Art. 111 StGB genügt (anstelle vieler: BSK StGB II-S CHWARZENEGGER, 3. Aufl., Art. 111 N 7; Urteil des Bundesgerichts 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017 E. 1.3), ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; jüngst auch Urteil des Bundesgerichts 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017 E. 1.3).
Die innere Einstellung des Täters zur Tat - das Wissen, Wollen In Kauf-Nehmen beschlägt den inneren Sachverhalt, ist mithin Tatfrage (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3). Als innerer Vorgang lässt sich der subjektive Tatbestand häufig und speziell in Konstellationen wie der vorliegenden (Aussageverweigerung des Beschuldigten) nur anhand einer eingehenden Würdigung des äusseren Verhaltens sowie allenfalls weiterer Umstände erschliessen. Ob bei einem bestimmten Sachverhalt auf den Willen geschlossen werden darf, ist dagegen Rechtsfrage (vgl. BGE 137 IV 1 E. 4.2.3). Grundsätzlich kann bei fehlendem Geständnis in Fällen, in welchen die objektiven Umstände angesichts der allgemeinen Lebenserfahrung das Vorliegen eines Vorsatzes nahelegen, auch eine indirekte Beweisführung für eine Verurteilung genügen (Urteile des Bundesgerichts
6B_186/2010 vom 23. April 2010 E. 3.4; 6S.127/2007 vom 6. Juli 2007 E. 2.6 m.w.H.).
Da sich Tatund Rechtsfragen insoweit teilweise überschneiden, hat das Sachgericht die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen möglichst erschöpfend darzustellen, damit erkennbar wird, aus welchen Umständen es auf Eventualvorsatz geschlossen hat. Für den Nachweis des Vorsatzes darf das Gericht vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich diesem die Verwirklichung der Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 m.H.). Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Rechtsgutverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 135 IV 12 E. 2.3.2 f.; Urteil des Bundesgerichts 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017 E. 1.3 m.w.H.).
Das Bundesgericht betont allerdings auch, dass nicht unbesehen aus dem Wissen des Täters um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden kann. Sicheres Wissen um die unmittelbare Lebensgefahr, also um die Möglichkeit des Todes, ist nicht identisch mit sicherem Wissen um den Erfolgseintritt (vgl. BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17). Andernfalls würde ein auf unmittelbare Lebensgefahr gerichteter (Gefährdungs-)Vorsatz immer auch den Eventualvorsatz auf dessen Tötung in sich schliessen, sofern der Täter nicht annimmt, der drohende Erfolg könne durch sein eigenes Vorgehen das Verhalten eines anderen abgewendet werden, mit der Folge, dass sämtliche Straftatbestände, die tatbestandlich die vorsätzliche Herbeiführung einer (unmittelbaren) Lebensgefahr voraussetzen (vgl. Art. 122 Abs. 1, Art. 129 und 140 Ziff. 4 StGB), überflüssig würden (Urteil des Bundesgerichts 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017 E. 1.3 m.w.H.).
Ein Tötungsvorsatz ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu verneinen, wenn der Täter trotz der erkannten möglichen Lebensgefahr handelt, aber darauf vertraut, die Todesgefahr werde sich nicht realisieren. Das Bundesgericht verlangt, dass angesichts der hohen Mindeststrafe bei Straftaten gegen das
Leben und des gravierenden Schuldvorwurfs bei Kapitaldelikten ein Tötungsvorsatz nur angenommen werden darf, wenn zum Wissenselement weitere Umstän- de hinzukommen (Urteil des Bundesgerichts 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017
E. 1.3 m.H.a. BGE 133 IV 9 E. 4.1 m.H.). Solche Umstände liegen namentlich vor, wenn der Täter das ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren und dosieren kann und der Geschädigte keinerlei Abwehrchancen hat (Urteil des Bundesgerichts 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017 E. 1.3 m.H.a. BGE 133 IV 1 E. 4.5; 131
IV 1 E. 2.2).
Abgrenzung Schuldfähigkeit/Vorsatz
Das vorstehend zum Vorsatz Ausgeführte, konkret die Frage, ob der Beschuldigte mit Wissen und Willen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB gehandelt hat, ist von der Frage der Schuldfähigkeit zu unterscheiden. Schuldunfähigkeit bedeutet nicht, dass der Beschuldigte keinen tatbestandsmässigen Vorsatz bilden könnte; vielmehr kann auch der völlig Schuldunfähige vorsätzlich handeln (BGE 115 IV 223).
Einsicht in das Unrecht einer Tat setzt einen Akt normativer Wertung voraus, der Bestand und Geltung der Norm erfasst und dessen Vornahme aufgrund einer psychischen Störung ausgeschlossen sein kann. Beim Vorsatz hingegen geht es um die Umsetzung eines Handlungsentschlusses in die Wirklichkeit auf der Grundlage von wahrgenommenen vorgestellten Tatumständen, was auch ohne Einsicht in das Unrecht möglich ist, weil es keines Wertungsaktes bedarf (vgl. BSK StGB I-B OMMER/DITTMANN, 3. Aufl., Art. 19 N 19).
Wissen und Wollen des Beschuldigten im Tatzeitpunkt
Die Verteidigung verkennt nicht, dass die Frage der Schuld(un)fähigkeit von der Frage, was der Beschuldigte im Tatzeitpunkt gewusst und gewollt hat, abzugrenzen ist (Urk. 89 S. 5). Es sei allerdings nicht erwiesen, ob das Risiko der Tatbestandverwirklichung, also des Todeseintritts, dem Beschuldigten zur Tatzeit bekannt gewesen sei, und insbesondere ob dem Beschuldigten dieses Risiko aufgrund seines psychischen Zustands überhaupt bekannt sein konnte (Urk. 89
S. 4). Aufgrund der gutachterlich festgestellten Schizophrenie und der daraus resultierenden fehlenden Einsichtsfähigkeit sei es dem Beschuldigten nicht möglich gewesen, sich der Tatumstände resp. des Risikos der Tatbestandsverwirklichung bewusst zu sein. Insofern seien im vorliegenden Fall die Frage nach dem subjektiven Tatbestand und die Frage der Schuld ineinander verwoben. Es sei dem Beschuldigten aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht bewusst gewesen, dass seine Handlungen einen Kausalverlauf auslösen könnten, der mindestens möglicherweise zum Tod des Privatklägers hätte führen können. Es fehle mit anderen Worten an der für den Vorsatz erforderlichen Wissenskomponente. Deshalb könne beim Beschuldigten nicht im Sinne der vorstehend dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung vom tatzeitaktuellen Wissen auf Eventualvorsatz, also auf eine Inkaufnahme des Erfolgs geschlossen werden (Urk. 89 S. 6 f.). Das Gericht dürfe sich gerade nicht auf äusserlich feststellbare Indizien und Erfahrungsregeln stützen, um Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters zu ziehen. Denn das Abstützen auf äussere Umstände möge zwar Rückschlüsse auf die innere Einstellung eines Durchschnittsbürgers erlauben, nicht aber auf die innere Einstellung eines zum Tatzeitpunkt an paranoider Schizophrenie leidenden Menschen, wie der Beschuldigte (Urk. 89
S. 7). Selbst wenn man von einem entsprechenden Wissen des Beschuldigten ausgehen würde, würden die übrigen äusseren Umstände gegen einen entsprechenden Tötungswillen sprechen. Der Privatkläger sei dem Beschuldigten kräftemässig klar überlegen. Der Beschuldigte habe sich einer Bastelschere bedient, bei der nicht ohne weiteres auf die Inkaufnahme einer tödlichen Verletzung geschlossen werden könne. Und schliesslich sei darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte plötzlich vom Privatkläger abgelassen und mit dem Einstechen aufgehört habe (Urk. 89 S. 8 f.).
Wie vorstehend ausgeführt, ist Schuldunfähigkeit nicht mit Vorsatzlosigkeit gleichzusetzen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob dem Beschuldigten nachgewiesen werden kann, dass er trotz seines psychischen Defektzustands im Tatzeitpunkt in der Lage war, die Gefährlichkeit seines Tuns, mithin die Möglichkeit des Todeseintritts, zu erkennen, und ob sein Handeln auf der Basis dieser allfälligen Erkenntnis als Inkaufnahme des Tötungserfolgs taxiert werden kann und
muss. Zu untersuchen ist folglich, ob Umstände im vorliegenden Fall ausgemacht werden können, die darauf schliessen lassen, dass der Beschuldigte die tatsächlichen Gegebenheiten zum Tatzeitpunkt zu erfassen vermochte.
Im Recht liegt ein forensisches Gutachten vom 15. Juli 2016 von Prof. Dr. med. D. (D1 Urk. 10/8). Das Gutachten hatte sich zur Frage nach einer psychischen Störung, zur Frage der Schuldfähigkeit, der Rückfallgefahr und zur Notwendigkeit einer Massnahme zu äussern (D1 Urk. 10/8 S. 1). Nicht (direkt) zu beantworten hatte der Gutachter die hier entscheidende Frage, ob der Beschuldigte kognitiv in der Lage war, die tatzeitaktuelle Umstände zu erfassen, d.h. ob der Beschuldigte im Tatzeitpunkt über das für den Vorsatz erforderliche Wissen verfügte.
Gegenüber dem Gutachter machte der Beschuldigte keine über seine schriftliche Erklärung hinausgehende Angaben zu seiner inneren Einstellung zur Tat (vgl. D1 Urk. 10/8 S. 42 ff.). Der Gutachter gelangte zum Schluss, dass der psychopathologische Befund deutliche Hinweise auf das Bestehen einer schwerwiegenden psychischen Störung gebracht habe. Insbesondere hinsichtlich dem Privatkläger 1 sei eine wahnhafte Verarbeitung offensichtlich geworden (D1 Urk. 10/8 S. 55 f. und 66). So habe der Beschuldigte geäussert, der Privatkläger 1 habe ihm regelmässig Cannabis gestohlen und wiederholt Alkohol ins Essen resp. in Getränke untergemischt, um ihn zittern zu lassen (D1 Urk. 10/8
S. 44 f., 51 und 52 f.). Der Beschuldigte sei weiter der Ansicht, den Privatkläger 1 bereits im Alter von 5 Jahren kennengelernt zu haben und dieser sei gemein gewesen (D1 Urk. 10/8 S. 45). Auch habe der Beschuldigte berichtet, dass er vom Privatkläger 1 während der gemeinsamen WG-Zeit geschlagen worden sei (vgl. bspw. D1 Urk. 10/8 S. 42 und 45). Der Beschuldigte gab an, tief verwurzelte Angst vor dem Privatkläger 1 gehabt zu haben, verprügelt zu werden, Verletzungen zu erleiden (D1 Urk. 10/8 S. 46). Der Gutachter gelangte zu folgender Diagnose (D1 Urk. 10/8 S. 62): Paranoide Schizophrenie (ICD-10: F20.0), Zustand nach Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10.2), Cannabisabhängigkeit (ICD-10: F12.2), Vorgeschichte mit polytoxikomanem Substanzgebrauch.
Die testpsychologischen Befunde (D1 Urk. 10/8 S. 58) würden auf ein Intelligenzniveau mit durchschnittlichen nonverbalen Abstraktionsleistungen und einer geringen Verbalbefähigung hinweisen. Bei der Verarbeitung komplexer Informationsmengen und bei zeitlimitierten Anforderungen seien Leistungsdefizite deutlich. Nach Ansicht des Gutachters sei die festgestellte kognitive Erschwernis nicht als eigenständige kognitive Störung anzusehen, sondern im Zusammenhang mit den diagnostizierten psychischen Auffälligkeiten einzuordnen.
Die von den ärztlichen Kollegen in Bern gestellte Diagnose einer akuten polymorphen Psychose bezeichnete der Gutachter als nachvollziehbar. Es bestehe kein Zweifel daran, dass diese Symptomatik auch im Deliktzeitraum zwischen dem 15. und 20. Juli 2015 vorhanden gewesen sei und massiven Einfluss auf die Handlungsmotive und das Steuerungsvermögen des Beschuldigten gehabt habe (D1 Urk. 10/8 S. 67). Hinsichtlich der Schuldfähigkeit habe diese Erkrankung bzw. die tatzeitaktuelle psychotische Verfassung unmittelbare Bedeutung: Wenn man davon ausgehe, dass der Privatkläger 1 vom Beschuldigten nicht nur als unangenehmer Mitbewohner eingeschätzt, sondern letztlich wahnhaft verarbeitet worden sei, wofür die Angaben betreffs Versetzung von Nahrungsmitteln mit Alkohol bzw. das frühere Zusammentreffen mit dem Privatkläger im Garten des Grossvaters sprechen würden, könne aus psychiatrischer Sicht letztlich von einer aufgehobenen Einsichtsfähigkeit bezüglich der Attacke auf [den Privatkläger 1] ausgegangen werden. Dies hätte Schuldunfähigkeit zur Folge (D1 Urk. 10/8 S. 69).
Abschliessend konstatierte der Gutachter, dass der Beschuldigte im Tatzeitraum zwischen dem 15. und 20. Juli 2015 eine psychotische Symptomatik aufgewiesen habe. Seine Realitätswahrnehmung und -kontrolle sei krankheitsbedingt massiv gestört bzw. aufgehoben gewesen, die psychosoziale Leistungsfähigkeit deutlich reduziert. Die psychotische Symptomatik im Deliktzeitraum sei Ausdruck einer schizophrenen Erkrankung, die die psychosoziale Leistungsfähigkeit des Beschuldigten sowohl im Vorfeld des Delikts als auch danach in erheblichem Ausmass eingeschränkt habe und weiterhin einschränke. Zusätzlich habe tatzeitnah eine Cannabisabhängigkeit bestanden, die sich ebenfalls nachteilig auf die Leistungsfähigkeit des Beschuldigten ausgewirkt habe. Wenn man, was aus
psychiatrischer Sicht naheliegend sei, von einer wahnhaften Verarbeitung des Privatklägers 1 ausgehe und davon, dass der Beschuldigte den Angriff auf diesen durchgeführt habe, da er sich vom Privatkläger bedroht gesehen habe, sei von einer aufgehobenen Einsichtsfähigkeit auszugehen (D1 Urk. 10/8 S. 73 f.).
Der Gutachter attestiert dem Beschuldigten nach dem Gesagten fehlende Einsichtsfähigkeit. Dabei handelt es sich um einen juristischen Terminus im Zusammenhang mit der Schuld(un)fähigkeit. Angesprochen ist damit die Unfähigkeit, die Unrechtmässigkeit der Tat zu erkennen (vgl. BSK StGB I- B OMMER/DITTMANN, 3. Aufl., Art. 19 N 19). Diese Fähigkeit setzt wie vorstehend erwähnt einen Akt normativer Wertung voraus. Das Gutachten spricht dem Beschuldigten (nur) diese Fähigkeit für den Tatzeitpunkt ab. Zu unterscheiden ist dies davon, ob der Beschuldigte kognitiv-intellektuell in der Lage war, zu verstehen, dass sein Handeln gefährlich ist und den Tod des Privatklägers herbeiführen kann. Dazu schweigt sich das Gutachten aus, bildete diese Frage doch auch nicht Bestandteil des Gutachtensauftrags. Beim Vorsatz geht es indes um die Umsetzung eines Handlungsentschlusses in die Wirklichkeit auf der Grundlage von sinnlich wahrgenommenen Tatumständen, was auch bei fehlender Einsicht in das Unrecht möglich ist, zumal es hierfür keines entsprechenden Wertungsaktes bedarf (vgl. BSK StGB I-BOMMER/DITTMANN, 3. Aufl., Art. 19 N 19).
Kurz: Das Gutachten schliesst nicht aus, dass der Beschuldigte kognitiv in der Lage war, die tatzeitaktuellen Umstände zu erfassen und darauf basierend einen Vorsatz zu bilden.
Wie die Verteidigung zutreffend bemerkt, liegen praktisch keine Aussagen des Beschuldigten zu seiner inneren Einstellung zur Tat vor.
Es liegt einzig eine handschriftlichen Erklärung des Beschuldigten vom
17. November 2015 im Recht, die folgenden Wortlaut hat (D1 Urk. 2/3):
Ich, A. , gebe folgende Erklärung zum Vorfall am 16.07.2015 ab:
Zwischen meinem Mitbewohner, B. , und mir bestand leider schon seit längerem ein sehr gespanntes Verhältnis. Es ist zwischen uns immer wieder zu (auch heftigen) Streitereien und sogar Prügeleien gekommen. Vor allem, weil B. mir immer wieder Sachen gestohlen hat, etwa Marihuana. Dies machte mich immer sehr wütend.
Auch in dieser Nacht vom 15.07. auf den 16.07.2015 musste ich feststellen, dass mir B. wiederum Marihuana gestohlen hatte. Ich war gerade dabei, mir einen Joint zu drehen, als ich feststellte, dass erneut Marihuana-Blüten in meinem Säckchen fehlten. Da es mir in dieser Nacht sowieso extrem schlecht ging (ich hatte im damaligen Moment seit ca. 30 Stunden nicht geschlafen), geriet ich in eine enorme Wut und wollte B. zu verstehen geben, dass ich seine Diebstähle nicht mehr toleriere. Ich war voll bekifft und machte dies auf eine Art und Weise, welche wie ich heute weiss und einsehe - nicht akzeptabel ist.
In meiner Wut und Müdigkeit verprügelte ich am frühen Morgen des 16.07.2015 leider B. . Ich wollte einfach, dass er mir künftig kein Marihuana und auch keine anderen Gegenstände mehr stiehlt.
Ich wollte B. niemals schwer verletzen gar töten. Als ich das Zimmer von B. betrat, um ihn zu verprügeln, war ich mir nicht bewusst, dass ich die stumpfe Bastelschere (welche ich ja sonst nur für das Bauen der Joints brauchte) noch in meiner Hand hielt.
Als ich merkte, dass ich die Schere in der Hand hielt, hörte ich sofort auf und ging wieder zurück in mein Zimmer. Ich merkte im dunklen Zimmer gar nicht, wie
schwer B.
verletzt war. Dies erfuhr ich erst von der Staatsanwältin am
13.10.2015. Ich war geschockt, wie schwer ich ihn verletzt hatte. Es tut mir sehr leid. Ich möchte mich bei B. entschuldigen. [zum Vorfall im Gefängnis]
Diese Erklärung gebe ich auf Rat meines Anwalts ab. Sie stammt aber von mir. Mein Anwalt hat sie aber vorab gegengelesen. Bitte seien Sie mir nicht böse, dass ich im Moment sonst keine Aussagen machen möchte.
Abgesehen von dieser schriftlichen Beteuerung des Beschuldigten, wonach er den Privatkläger nicht habe töten wollen, finden sich keine Aussagen des Beschuldigten zu seiner subjektiv-inneren Einstellung zur Tat. Eine eigentliche Glaubhaftigkeitsbeurteilung der Aussagen des Beschuldigten ist angesichts seiner weitgehenden Aussageverweigerung und lediglich der schriftlichen durch seinen Verteidiger abgesegneten Stellungnahme nicht möglich.
Immerhin machte der Beschuldigte in dieser knappen schriftlichen Ausführung geltend, er habe den Privatkläger 1 lediglich verprügeln wollen und habe gar nicht realisiert, dass er dabei eine Schere in der Hand gehalten habe. Wie zu zeigen sein wird, liegen verlässliche Indizien vor, die entgegen den Beteuerungen des Beschuldigten - den Schluss aufdrängen, dass der schizophrene Beschuldigte die Umstände im Tatzeitpunkt erfassen konnte, mithin über das für den Vorsatz erforderliche Wissen um die Gefährlichkeit seines Tuns und die Möglichkeit des Todeseintritts verfügte.
Erhellend sind in diesem Zusammenhang zunächst die Aussagen des Pri- vatklägers 1:
Er gab im Rahmen der polizeilichen Einvernahme an, dass er im Halbschlaf gewesen sei, als der Beschuldigte sein Zimmer betreten habe. Der Beschuldigte hackte mit seiner Faust auf meine Brust. Er habe die Spitze einer Schere aus seiner Faust ragen sehen (D1 Urk. 3/1 S. 2). Er sei bei der Attacke auf dem Rücken gelegen (D1 Urk. 3/1 S. 4). Und weiter: Ich glaube, er wollte sicher mir etwas antun. Als er jedoch checkte (begriff) dass es mich butzen (ich sterben) könnte, hat er vermutlich Schiss bekommen (D1 Urk. 3/1 S. 10). Ich bin jedoch sicher, dass A. sich zuvor überlegt hatte, was er macht. Das war keine Affekthandlung. Ich vermute, dass er dies geplant hatte. [ ] Als er zu mir ins Zimmer kam, wusste er, dass er auf mich einzuhacken beginnt. Er hat nicht zuerst studiert wollte mit mir zuerst sprechen. Er kam auf mich zu und begann sofort auf mich einzustechen. Daraus schliesse ich, dass er sich dies überlegt hatte (D1 Urk. 3/1 S. 10).
Bei der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme schilderte er den Übergriff folgendermassen: A. , damit meine ich A. , kam in mein Zimmer und schrie: Du verdammte huere Sauhund! Dies weiss ich noch genau. Dann begann er gerade auf mich einzufausten. Eine Faust ist normalerweise horizontal nach vorne gerichtet. Er aber machte mit der Faust eine vertikale Bewegung von oben nach unten. Er machte diese Bewegung gegen meine Brust-, Halsund Kopfgegend. Ich stellte dann fest, dass ich blutete und merkte, dass er eine Schere in der Faust hielt. Es war eine stumpfe Schere. Nur einige Zentimeter der Schere ragten aus der Faust heraus (D1 Urk. 3/2 S. 7). Ich lag im Bett und war noch nicht richtig wach. Ich lag auf dem Rücken. (D1 Urk. 3/2 S. 7) Er hielt sie [die Schere] in der Faust. Die Spitze schaute ein paar Zentimeter aus der Faust heraus (D1 Urk. 3/2 S. 9).
Selbstverständlich sind die Aussagen des Privatklägers 1 zum Innenleben des Beschuldigten im Tatzeitpunkt lediglich als Mutmassungen zu qualifizieren. Die Beschreibung des äusseren Ablaufs der Attacke indes divergiert doch in einem entscheidenden Punkt von den Depositionen des Beschuldigten: Der Privatkläger spricht nicht von einem Übergriff, der wie es der Beschuldigte tut als Verprügeln mit Fäusten erscheint, bei dem der Angreifer quasi zufälligerweise eine Schere in der Hand hält. Vielmehr beschreibt er die tätliche Attacke des Beschuldigten als Hacken mit den Fäusten und eben nicht als Schlagen. Handresp. Armbewegungen, wie sie der Privatkläger beschreibt eben Hackbewegungen -, führt nur aus, wer sich im Klaren darum ist, einen spitzigen Gegenstand in der Faust zu halten und der eben gezielt mit dieser Spitze auf das Opfer einwirken will. Normale Faustschläge, wie sie der Beschuldigte gemacht haben will, werden ganz anders ausgeführt.
Diese Beschreibung des Privatklägers wird durch das medizinische Gutach- ten zu den Verletzungen (D1 Urk. 6/7) sowie die Fotodokumentation (D1 Urk. 1/6 sowie D1 Urk. 6/8) untermauert: Auch darin werden klarerweise Stichverletzungen dokumentiert, die aus Stichund Hackbewegungen resultieren. Normale BoxHiebe mit einer Schere in der zur Faust geballten Hand würden nicht zu derartigen Verletzungen führen, sondern ein deutlich anders Verletzungsbild ergeben.
Es ist notorisch, dass Box-Hiebe in anderer Richtung - nämlich mit der Fingeraussenseite vorangehend ausgeführt werden als Stichbewegungen mit einer Schere in der Faust. Solche resultieren, wie vom Privatkläger beschrieben, nämlich durch Hackbewegungen in vertikaler Richtung von oben nach unten mit der Handkante, wo die Schere herausragt, vorangehend.
Die Aussagen des Privatklägers zur Tatausführung sowie die den Aussagen entsprechenden medizinischen Unterlagen lassen keinen anderen vernünftigen Schluss zu, als dass sich der Beschuldigte im Tatzeitpunkt sehr wohl im Klaren darüber war, dass er eine Schere in der Hand hielt und die aus der Faust hinausragende Scherenspitze gezielt gegen den Privatkläger einsetzte, sodass eben solche Verletzungen, wie die vorliegenden, daraus resultieren.
Im Übrigen macht der Beschuldigte selbst in seiner schriftlichen Erklärung im Gegensatz zur Verteidigung gar nicht geltend, er habe das Todesrisiko falsch eingeschätzt. Vielmehr behauptet er sinngemäss einen Sachverhaltsirrtum, indem er nicht bemerkt haben will, eine Schere in der Faust zu halten. Dass ein solcher Irrtum ausgeschlossen ist, belegen bereits die vorstehenden Ausführungen zur Tatausführung, insbesondere zu den Hackbewegungen mit seiner Faust, welche nur von jemandem ausgeführt werden, der darum weiss, eine Schere derart in der Hand zu halten, wie es der Beschuldigte tat. Nicht überzeugend ist auch der Standpunkt des Beschuldigten, wonach er die Schere für das Vorbereiten seines Joints benutzt habe und sich dann immer noch, aber unbewusst mit der Schere in der Hand ins Zimmer des Privatklägers begeben habe, um diesen zu verprügeln. Der Beschuldigte unterschlägt dabei, dass er die Schere zwischenzeitlich bewusst anders in die Hand genommen haben muss. Für das Zurechtschneidens des Joints resp. dessen Bestandteile musste der Beschuldigte die Schere noch so in der Hand halten, wie eine Schere gewöhnlich gehalten wird, nämlich mit den Fingern durch die beiden kreisrunden Öffnungen. Hernach, als er den Privatkläger attackierte, hielt er die Schere wie beschrieben in seiner Faust so könnte man die Schere nicht bestimmungsgemäss gebrauchen. Dass er also nicht um die in seiner Faust gehaltenen Schere gewusst haben will, erscheint auch aufgrund dieses Wechsels der Handhabung ausgeschlossen. Selbst wenn der Beschuldigte an-
fänglich einem Irrtum unterlegen wäre, was wie gezeigt von Beginn weg ausgeschlossen ist, hätte er spätestens nach wenigen Schlägen bzw. Hackbewegungen auf das Opfer bemerkt, dass er nicht nur wie angeblich beabsichtigt - Faustschläge austeilte, sondern massive Stichverletzungen aufgrund einer Schere in der Hand verursachte. Auch aus dem Umstand, dass er das Opfer mit insgesamt 24 Stichen traktierte, erhellt, dass er um die Schere in seiner Faust wusste.
Entgegen der Verteidigung verfügte der Beschuldigte im Tatzeitpunkt damit sehr wohl über das für den Vorsatz in Bezug auf die Tötung erforderliche Wissen. Das medizinische Gutachten samt Verletzungsfotos sowie die Tatortfotos (D1 Urk. 1/6 S. 13 ff.) belegen eindrücklich, dass der Beschuldigte die insgesamt mindestens 24 Stiche mit grosser Krafteinwirkung in Kenntnis dieser Umstände ausführte. Wer sich, wie der Beschuldigte, bewusst ist, mit grosser Kraft mit einer Scherenspitze auf ein auf dem Rücken liegendes Opfer einzuhacken und 24 Male derart und heftig gegen vulnerable Körperregionen wie namentlich Kopf und Oberkörper sticht, weiss um die Möglichkeit des Todeseintritts. Über ein derartiges Wissen verfügt jeder physiologisch gesunde Mensch, sofern er nicht bspw. eine massive Hirnschädigung aufweist. Im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (dazu vorstehend) ist auch die Willenskomponente klarerweise erfüllt: Das dem Beschuldigten bekannte Risiko des Todeseintritts konnte er bei diesem äusserst unkontrolliert-gewalttätigen Tatvorgehen in keiner Weise kalkulieren dosieren. Darüber hinaus hatte der im Bett liegende Privatkläger keinerlei Abwehrchancen jedenfalls in Bezug auf die ersten Stiche. Indem der Beschuldigte dennoch handelte, nahm er die Todesfolge zumindest in Kauf. Die vorinstanzlichen Erwägungen zum Eventualvorsatz des Beschuldigten (Urk. 72
S. 8 ff.) sind folglich nicht zu beanstanden, worauf ergänzt durch die vorstehenden Erwägungen verwiesen werden kann (Art. 82 Abs. 4 StPO). Dass der Beschuldigte dies in einem Zustand psychischer Störung und einer daraus resultierenden fehlenden Einsicht in das von ihm verwirklichte Unrecht beging, ist keine Frage des Vorsatzes, sondern beschlägt die Frage Schuldfähigkeit.
Nicht anders entschied das Bundesgericht im Fall eines an chronischer Schizophrenie leidenden Täters, der im Zustand der Schuldunfähigkeit dem 87 Jahre al-
ten Opfer mehrere Faustschläge gegen den Kopf, namentlich den Gesichtsbereich, versetzte. Das Bundesgericht erwog zur Frage des Vorsatzes der schweren Körperverletzung: Dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt eine gutachterlich attestierte florid-wahnhafte Psychose auf der Basis einer chronischen Schizophrenie aufwies, die seine Schuldunfähigkeit zur Folge hatte, führt zu keinem andern Ergebnis. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er aus diesem Grund nicht in der Lage war, die objektive Gefährlichkeit seines Tuns zu erkennen. Im Gegenteil sprechen sein Tatvorgehen, insbesondere das bewusste Suchen der Kopfpartie als Ziel der Schläge, dafür, dass er trotz florid-wahnhafter Psychose nicht an der Erkenntnis gehindert war, die allfällig verheerenden Folgen seiner Gewalthandlungen zu erfassen und einen entsprechenden Vorsatz zu bilden. Im Übrigen ist die Frage, ob der Beschwerdeführer mit Wissen und Willen handelte, von der Frage der Schuldfähigkeit zu trennen. Diese bezieht sich nicht auf die Tatbestandsmässigkeit des Verhaltens, sondern auf dessen Vorwerfbarkeit und ist bei der Beurteilung des Verschuldens zu prüfen. (Urteil des Bundesgerichts 6B_366/2014 vom 23. April 2015 E. 1.3.2).
Am dem Beschuldigten bekannten Risiko des Todeseintritts aufgrund des Übergriffs ändert auch das von der Verteidigung ins Feld geführte angebliche Kräfteungleichgewicht zwischen dem Beschuldigten und dem Privatkläger nichts (Urk. 89 S. 8). Der Privatkläger befand sich im Halbschlaf und lag auf seinem Bett im Zeitpunkt der Attacke. Selbst wenn ein solches Kräfteungleichgewicht bestanden haben sollte, zeigt das Resultat - die massiven Verletzungen eindrücklich, dass ein allfälliges Kräfteverhältnis aufgrund der Unvermitteltheit und Heftigkeit der Attacke sowie des Einsatzes einer Schere nicht von Belang war. Auch der Umstand, dass es sich so die Verteidigung sinngemäss (Urk. 89 S. 8 f.) lediglich um eine IKEA-Bastelschere handelte, vermag am Gesagten nichts zu ändern. Zum einen will der Beschuldigte gar nicht bemerkt haben, dass er überhaupt irgendeine Schere in der Hand gehalten hat. Folglich wäre es widersprüchlich aus der Beschaffenheit der Schere etwas zu seinen Gunsten abzuleiten. Und schliesslich ist nicht einzusehen, inwiefern eine IKEA-Bastelschere nicht geeignet sein soll, einem Opfer massive Stichverletzungen zuzufügen. Die schweren Verletzungen des Privatklägers dokumentieren offensichtlich das Gegenteil, insbe-
sondere die bis zu 5 cm tiefe Stichverletzung im Halsbereich (vgl. exemplarisch Verletzung Nr. 11, D1 Urk. 6/7 S. 4) sowie die Durchstichverletzung des Brustbeins/Sternums (D1 Urk. 6/8, Bildmappe CT). Wie heftig die Attacke mit dieser Schere ausgeführt werden konnte, zeigen die Tatortfotos eindrücklich: Die Blutspritzer reichen bis hoch an die Wände (D1 Urk. 1/6 S. 21-25). Und schliesslich relativiert auch der Umstand, dass der Beschuldigte vom Privatkläger plötzlich abgelassen haben soll (Urk. 89 S. 9 f.), nicht den Vorsatz des Beschuldigten im Zeitpunkt der Tatausführung. Der Beschuldigte rückte nicht umgehend von seinem Tatvorhaben ab, sondern erst, nachdem er 24 Male auf den Privatkläger eingestochen hatte und diesen hernach im Zustand schwerster Verletzungen in seiner misslichen Lage zurückliess.
Nur am Rande sei erwähnt, dass der Standpunkt der Verteidigung, wonach der Beschuldigte hinsichtlich der Tötung aufgrund seines psychischen Defektzustands vorsatzlos gehandelt, allerdings den Tatbestand der vollendeten schweren Körperverletzung erfüllt habe, widersprüchlich anmutet. Wenn der Beschuldigte aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Verfassung gewesen sein soll, die tatsächlichen Umstände und die Todesgefahr im Tatzeitpunkt zu erfassen, dann müsste das auch in Bezug auf den Tatbestand der Körperverletzung gelten und er wäre generell mangels Fähigkeit, die Realität wahrzunehmen - nicht in der Lage, irgendeinen Vorsatz zu bilden.
3. Fazit
Es bleibt bei der zutreffenden vorinstanzlichen rechtlichen Würdigung. Der Beschuldigte hat den Tatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB im Zustand der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit erfüllt.
Kostenund Entschädigungsfolgen im vorinstanzlichen Verfahren
Die vorinstanzliche Kosten- und Entschädigungsregelung blieb unangefochten und ist folglich in Rechtskraft erwachsen.
Kostenund Entschädigungsfolgen im Berufungsverfahren
Im Berufungsverfahren werden die Kosten nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Der Beschuldigte unterliegt mit seiner Berufung vollumfänglich, womit er deshalb im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich kostenpflichtig wird (Art. 428 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 419 StPO können jedoch Schuldunfähigen nur Kosten auferlegt werden, wenn dies nach den gesamten Umständen billig erscheint. Über den zu engen Wortlaut von Art. 419 StPO hinaus gilt diese Bestimmung nicht nur, wenn das Verfahren wegen Schuldunfähigkeit eingestellt die beschuldigte Person aus diesem Grund freigesprochen wird, sondern auch dann, wenn wie vorliegend gegen einen Schuldunfähigen im Sinne von Art. 375 Abs. 1 StPO Massnahmen angeordnet werden (BSK StPO-B OMMER, Art. 375 N 22 ff.; SCHMID/JOSITSCH, StPO Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2017, Art. 375 N 6 und Art. 426 N 13). Aus Billigkeitsgründen ist eine Kostenauflage gerechtfertigt, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der beschuldigten schuldunfähigen Person so gut sind, dass eine Kostenübernahme durch den Staat als stossend erschiene (BSK StPO-DOMEISEN, Art. 419 N 7 m.Hw.; ZR 89 Nr. 128).
Dies ist vorliegend offensichtlich nicht der Fall. Deshalb fällt die Gerichtsgebühr ausser Ansatz und sind die Kosten des Berufungsverfahrens, inklusive derjenigen der amtlichen Verteidigung (Urk. 110) und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft (Urk. 107), auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Es wird beschlossen:
Vom Rückzug der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Vormerk genommen.
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Horgen,
III. Abteilung, vom 3. April 2017 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte die folgenden Tatbestände erfüllt hat:
- [ ]
Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziffer 1 StGB.
Aufgrund der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit wird von einer Strafe abgesehen.
Es wird eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB angeordnet. Es wird vorgemerkt, dass sich der Beschuldigte seit dem 6. Februar 2017 im vorzeitigen Massnahmenvollzug befindet.
Die folgenden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft IV vom 27. September 2016 beschlagnahmten Gegenstände werden eingezogen und der Lagerbehörde zur Vernichtung überlassen.
Schere IKEA (Asservaten-Nr. A008'376'907, beim Forensischen Institut lagernd, FOR-ZH)
Schere AGNETA (Asservaten-Nr. A008'376'894 beim Forensischen Institut lagernd, FOR-ZH)
1 Becher (Asservaten-Nr. A008'385'124, bei der Kantonspolizei Zürich lagernd, TEU-AssTri)
1 Zahnbürste (Asservaten-Nr. A008'385'146, bei der Kantonspolizei Zürich lagernd, TEU-AssTri).
Die folgenden beim FOR sichergestellten Gegenstände werden dem Beschuldigten auf erstes Verlangen hin herausgegeben:
- die Kleider (A008'383'231, A008'383'242, A008'383'264, A008'383'275, A008'383'297)
das Mobiltelefon der Marke Sony, Modell XPERIA (A008'377'159)
der Computer der Marke HP, Seriennummer (FOR_Lager/Lager Lochergut, GESTELL ..FACH .)
- die Klappmesser (A008'377'148 und A008'364'423).
Die beim FOR unter der Nr. A008'376'338 sichergestellte Armbanduhr der Marke Casio wird dem Privatkläger 1 auf erstes Verlangen hin herausgegeben.
Die Zivilforderungen des Privatklägers 1 werden abgewiesen.
Die Zivilforderung des Privatklägers 2 wird abgewiesen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 3'000.00; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'000.00 Gebühr für das Vorverfahren
Fr. 25'064.90 Kosten Gutachten
Fr. 533.90 Auslagen
Fr. 5'582.10 Kosten Gutachten
Fr. 1'473.00 Auslagen Polizei
Fr. 27'347.30 amtliche Verteidigung
Fr. 8'812.20 unentgeltliche Vertretung Privatkläger 1
Die Kosten der Untersuchung, des gerichtlichen Verfahrens, der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers 1 werden auf die Gerichtskasse genommen.
Rechtsanwalt Dr. iur. X. wird für seine Bemühungen und Barauslagen als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten aus der Gerichtskasse mit Fr. 27'347.30 (inklusive 8 % Mehrwertsteuer) entschädigt.
Der unentgeltliche Rechtsbeistand des Privatklägers 1, Rechtsanwalt Dr. iur. Y. , wird aus der Gerichtskasse mit Fr. 8'812.20 (inkl. 8 % Mehrwertsteuer und Spesen) entschädigt.
(Mitteilungen.)
(Rechtsmittel.)
3. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte A.
zudem den Tatbestand
der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB im Zustand der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit erfüllt hat.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen:
Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft, werden definitiv auf die Gerichtskasse genommen.
Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich
den unentgeltlichen Rechtsvertreter des Privatklägers 1, Dr. iur.
Y. , im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers 1
den Privatkläger 2, C. , c/o Kantonspolizei Zürich, Kasernenstr. 29, 8004 Zürich (auszugsweise im Dispositiv)
(Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz (mit dem Ersuchen um Vornahme der übrigen erforderlichen Mitteilungen)
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungsund Löschungsdaten
E. AG gem. Art. 34 ATSG betr. Vers.-Nr. (unter Beilage einer Kopie von Urk. 33/1).
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 13. April 2018
Der Präsident:
lic. iur. R. Naef
Der Gerichtsschreiber:
Dr. iur. F. Manfrin
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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