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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB170190
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB170190 vom 05.12.2017 (ZH)
Datum:05.12.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Falsche Anschuldigung
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Privatkläger; Beschuldigten; Antwort; Sexuell; Privatklägers; Wochenende; Sexuellen; Aussage; Staatsanwalt; Berufung; Aussagen; Staatsanwaltschaft; Vorinstanz; Recht; Handlungen; Antworten; Falsch; Urteil; Anschuldigung; Verteidigung; Amtlich; Geschildert; Verfahren; Anklage; Schilderte; Zeuge
Rechtsnorm: Art. 177 StPO ; Art. 303 StGB ; Art. 402 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:131 I 471;
Kommentar zugewiesen:
SCHMID, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich, 2013
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB170190-O/U/cs

Mitwirkend: der Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, die Oberrichterin

lic. iur. Schärer und der Ersatzoberrichter lic. iur. Kessler sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. Schwarzenbach-Oswald

Urteil vom 5. Dezember 2017

in Sachen

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,

vertreten durch Stv. Leitenden Staatsanwalt lic. iur. Regenass,

Anklägerin und Berufungsklägerin

sowie

  1. ,

    Privatkläger und Berufungskläger

    unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

    gegen

  2. ,

Beschuldigte und Berufungsbeklagte

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y._

betreffend falsche Anschuldigung

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 3. März 2017 (GG160282)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 22. Dezember 2016 (Urk. 15) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz :

  1. Die Beschuldigte B. ist nicht schuldig und wird vom Vorwurf der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 StGB freigesprochen.

  2. Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz; die übrigen Kosten inkl. derjenigen der amtlichen Verteidigung sowie der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft werden auf die Gerichtskasse genommen.

  3. Die Genugtuungsforderung der Privatklägerschaft wird abgewiesen.

  4. Der Beschuldigten werden Fr. 2'200.- als Genugtuung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  5. Rechtsanwalt Dr. iur. Y. wird für seine Aufwendungen als amtlicher Verteidiger der Beschuldigten mit Fr. 10'758.96 entschädigt.

  6. Rechtsanwalt lic. iur. X. wird für seine Aufwendungen als unentgeltlicher Rechtsbeistand mit Fr. 7'960.25 entschädigt.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung der Beschuldigten: (Prot. II S. 14)

    1. Die Beschuldigte sei vom Vorwurf der falschen Anschuldigung nach Art. 303 StGB freizusprechen.

    2. Die Kosten des Verfahrens und der amtlichen Verteidigung seien auf die Staatskasse zu nehmen.

    3. Es sei der Beschuldigten eine Entschädigung von Fr. 2'200.- zuzusprechen.

  2. Der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat: (Urk. 52)

    1. Die Beschuldigte sei im Sinne der Anklage vom 22. Dezember 2016 der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 StGB schuldig zu sprechen.

    2. Die Beschuldigte sei mit einer bedingten Geldstrafe (Probezeit: 2 Jahre) von 300 Tagessätzen à CHF 30.- zu bestrafen, wobei die ausgestandene Haft im Umfang von 11 Tagessätzen anzurechnen sei.

    3. Der Beschuldigten seien die Kosten - mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung - aufzuerlegen.

      Erwägungen:

      1. Prozessgeschichte und Prozessuales
        1. Aufgrund einer von der Mutter von B. am 23. September 2014 erstatteten Anzeige wegen Vergewaltigung führte die Staatsanwalt Zürich-Sihl eine Strafuntersuchung gegen A. . Nach mehreren Einvernahmen u.a. von

          B.

          und weiteren Beweiserhebungen wurde die Untersuchung nach einer

          Desinteresserklärung von B.

          (als damalige Privatklägerin) am 19. März

          2015 eingestellt (Urk. 2/3). In der Folge leitete die Staatsanwaltschaft ZürichLimmat ein Verfahren gegen B. ein und erhob am 22. Dezember 2016 Anklage wegen falscher Anschuldigung (Urk. 15).

        2. Die Vorinstanz sprach die Beschuldigte mit Urteil vom 3. März 2017 von diesem Vorwurf frei und wies die Genugtuungsforderung des Privatklägers ab. Für die erlittene Haft wurde der Beschuldigten eine Genugtuung von Fr. 2'200.- zugesprochen (Urk. 31). Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Privatkläger

        A.

        meldeten fristgerecht Berufung an (Urk. 26 und 27). Mit Eingabe vom

        24. Mai 2017 zog der Privatkläger seine Berufung zurück (Urk. 33), wovon Vormerk zu nehmen ist. Die Staatsanwaltschaft reichte am 11. Mai 2017 rechtzeitig die Berufungserklärung ein (Urk. 32). Diese wurde der Beschuldigten sowie dem Privatkläger unter Fristansetzung zur Anschlussberufung bzw. zu einem Antrag auf Nichteintreten zugestellt (Urk. 39 f.). Die Beschuldigte reichte mit Eingabe vom 3. Juli 2017 das Datenerfassungsblatt ein und mit Schreiben vom 11. Juli 2017 weitere Unterlagen zu ihren finanziellen Verhältnissen (Urk. 41-42). Der Privatkläger liess sich nicht vernehmen.

        1. Die Berufung hat im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung (Art. 402 StPO). E contrario erwachsen die nicht von der Berufung erfassten Punkte in Rechtskraft (SCHMID, StPO-Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, N 1 zu Art. 402). Das Berufungsgericht überprüft somit das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO).

          Die Staatsanwaltschaft stellt mit der Berufung den Antrag, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Beschuldigte sei gemäss Anklageschrift schuldig zu sprechen und zu bestrafen (Urk. 32). Somit ist das vorinstanzliche Urteil in diesen Punkten sowie den Kostenund Entschädigungsfolgen zu überprüfen. Nachdem der Privatkläger die Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil zurückgezogen hat und auf eine Anschlussberufung verzichtete, bleibt es bei der Abweisung seiner Genugtuungsforderung und ist das Urteil in diesem Punkt (Dispositivziffer 3) rechtskräftig.

        2. Es trifft zu, dass in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt wird, dass

          A.

          unschuldig und die Anzeige objektiv falsch gewesen sei bzw. sich die

          Anschuldigung gegen einen Nichtschuldigen gerichtet habe. Mit den Erwägungen der Vorinstanz, auf welche zu verweisen ist (Urk. 31 S. 4 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO), ist indessen davon auszugehen, dass dem Anklageprinzip genüge getan wurde.

          Aus der Umschreibung des subjektiven Sachverhalts, wonach die Beschuldigte gewusst habe, dass die Vorwürfe falsch seien, geht genügend klar hervor, dass die Anklage von einer Nichtschuld des Privatklägers ausgeht. Darin ist der Staatsanwaltschaft zuzustimmen (vgl. Urk. 52 S. 2). Eine Verletzung des Anklageprinzips liegt nicht vor. Was der Beschuldigten vorgeworfen wird, ergibt sich klar aus der Anklageschrift.

        3. Die Vorinstanz hat weiter zutreffend erwogen, dass die polizeiliche Befragung der Auskunftsperson C. im Strafverfahren gegen den Privatkläger (Urk. 5/1) vorliegend nicht zu Lasten der Beschuldigten verwertbar ist. Diese Befragung fand ohne Vorankündigung an die Beschuldigte und ohne ihre Anwesenheit statt und ist daher nicht zu Lasten der Beschuldigten verwertbar (Urk. 31 S. 8; Art. 82 Abs. 4 StPO). Die Staatsanwaltschaft stützte die Anklage aber ohnehin nicht auf deren Aussagen (vgl. Urk. 52 S. 3 f.).

        4. Umstritten ist, ob die vom Privatkläger A. im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens erfolgten Einvernahmen als Beschuldigter im vorliegenden Verfahren gegen die (nunmehr) Beschuldigte B. verwertbar sind. Die Einzelrichterin des Bezirksgerichtes Zürich erwog, dass die beiden Einvernahmen des Privatklägers vom 27. Oktober 2014 und 27. November 2014 (im damaligen Verfahren als Beschuldigter befragt) in Abwesenheit der Beschuldigten und ihrer Verteidigung durchgeführt worden seien. Die Verteidigungsrechte der Beschuldigten seien daher nicht gewahrt worden, weshalb die Aussagen des Privatklägers vorliegend nur zu Lasten der Beschuldigten verwertet werden können, sofern dieser sie im vorliegenden Strafverfahren an der Zeugeneinvernahme vom 13. Juni 2016 (Urk. 4/3) wiederholt habe (Urk. 31 S. 8). Die Staatsanwaltschaft stellt sich hingegen unter Hinweis auf BGE 131 I 471 [recte wohl: 481] Ziff. 2.2 auf den Standpunkt, dass diese Ansicht völlig falsch sei, es seien sämtliche Aussagen von A. voll verwertbar. Da seine Befragung am 13. Juni 2016 in Anwesenheit der Geschädigten (recte: Beschuldigten) und deren Verteidiger stattgefunden habe, würden alle früheren Befragungen - welche der Beschuldigten und deren Verteidiger vor der Befragung vom 13. Juni 2016 zur Kenntnis gebracht wurden - verwertbar (Urk. 32 S. 2, Urk. 52 S. 3). Die Frage, ob dem Konfrontationsrecht der

        Beschuldigten genügend nachgelebt worden ist, braucht vorliegend indessen nicht näher geprüft zu werden. Das Strafverfahren gegen A. wurde aufgrund einer Desinteresseerklärung der Privatklägerin eingestellt und die Staatsanwaltschaft hat ergänzend erwogen, dass das Aussageverhalten und die Whatsapp-Nachrichten Zweifel an der Sachverhaltsdarstellung der Privatklägerin aufkommen lassen würden und sich die Aussagen des Beschuldigten nicht widerlegen liessen. Sie stellte das Verfahren ein, da dem Beschuldigten unter den gegebenen Umständen nicht anklagegenügend nachgewiesen werden könne, die Privatklägerin mehrfach sexuell genötigt und vergewaltigt zu haben (Beizugsakten: Urk. 18 S. 3-4). Soweit die Aussagen des Beschuldigten vorliegend quasi vorfrageweise zur Frage herangezogen werden sollen, ob sich die Anschuldigungen von B. gegen einen Nichtschuldigen gerichtet haben bzw. was an dem fraglichen Wochenende tatsächlich passiert ist, so wäre er diesbezüglich im vorliegenden Strafverfahren jedenfalls nicht als (neutraler) Zeuge zu befragen gewesen, sondern richtigerweise als Auskunftsperson im Sinne von Art. 178 ff. StPO. A. wurde im vorliegenden Strafverfahren indessen als Zeuge gemäss

        Art. 177 StPO befragt (Urk. 4/3). Der Entscheid, eine Person zu Unrecht als Zeugen anstatt als Auskunftsperson zu befragen, ist ungültig. Die gestützt darauf erlangten Aussagen sind nicht verwertbar (vgl. Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), DONATSCH/HANSJAKOB/LIEBER, Zürich 2010, Art. 178 N 6). Die Aussagen von A. sind somit zum Thema des tatsächlichen Geschehens am fraglichen Wochenende nicht zu Lasten der Beschuldigten verwertbar.

      2. Sachverhalt
        1. Kurz zusammengefasst wird der Beschuldigten vorgeworfen, bei der polizeilichen Einvernahme vom 23. September 2014 wider besseren Wissens ausgesagt zu haben, dass die während dem Wochenende vom 19. bis 21. September 2014

          stattgefundenen sexuellen Handlungen mit A.

          gegen ihren Willen erfolgt

          seien. Sie habe gewusst, dass sie freiwillig Sex mit ihm gehabt habe (Urk. 15). Die Beschuldigte hat stets bestritten, in der Einvernahme bei der Polizei wissentlich die Unwahrheit gesagt zu haben und blieb dabei, dass der Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen stattgefunden habe. Weiter sagte sie aus, nicht gewusst zu haben, welche Konsequenzen ihre Aussagen bei der Polizei haben würden (Urk. 3/7 S. 2 und S. 4 f., Urk. 11/7, Prot. I S. 8 f.). Dabei blieb sie auch anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung (Prot. II S. 9 und S. 11 f.).

        2. Die Vorinstanz hat sich zunächst mit den Grundlagen der Sachverhaltserstellung bzw. mit den vorliegend anwendbaren Beweisgrundsätzen auseinandergesetzt. Dem ist nichts hinzuzufügen, weshalb vorab auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden kann (Urk. 31 S. 6-8; Art. 82 Abs. 4 StPO).

        3. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass aufgrund der Einstellungsverfügung vom 19. März 2015 nicht zweifelsfrei bewiesen sei, dass es sich beim Privatkläger um einen Nichtschuldigen handle (Urk. 31 S. 8-10). Ergänzend würdigte sie eingehend und sorgfältig die Aussagen der Beschuldigten bzw. damaligen Privatklä- gerin anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 23. September 2014 und erachtete diese als zumindest nicht unglaubhaft (Urk. 31 S. 10-12). Sodann würdigte die Einzelrichterin die Aussagen des Privatklägers und kam zum Schluss, dass sich aus seinen (nur zu Gunsten der Beschuldigten verwertbaren) Aussagen keine Hinweise auf eine Anschuldigung wider besseren Wissens durch die Beschuldigte ergeben (Urk. 31 S. 12/13). Weiter führte die Vorinstanz diverse Ausführungen der in diesem Verfahren befragten weiteren - glaubwürdigen und glaubhaften

          - Zeugen an, welche die Version der Beschuldigten stützen (Urk. 31 S. 13-15).

          Auch wies die Vorinstanz daraufhin, dass die Vorgeschichte der Anzeige, wonach die Beschuldigte das Vorgefallene zunächst ihrem Freund erzählte und sich mit ihrer Mutter sowie deren Psychiater besprach, in keiner Weise für eine absichtliche Falschbezichtigung sprechen würde. Schliesslich ging die Vorinstanz auf den WhatsApp-Verlauf der Beschuldigten und des Privatklägers ein und kam zum nachvollziehbaren Schluss, darin würden sich die ambivalenten Gefühle, welche sich ebenfalls in ihren Aussagen bei der Polizei finden liessen, widerspiegeln (Urk. 31 S. 15 f.). Auf diese sorgfältigen, einlässlichen und überzeugenden Erwä- gungen der Vorinstanz kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen

          werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Die nachfolgenden Erwägungen verstehen sich insofern als deren Zusammenfassung und Ergänzung.

        4. Wie bereits ausgeführt und von der Vorinstanz ausführlich zusammengefasst hat die Staatsanwaltschaft aufgrund der Desinteresserklärung von B. in Anwendung des Opportunitätsprinzips das Strafverfahren gegen A. eingestellt und festgehalten, dass das Verfahren auch deshalb einzustellen sei, weil Zweifel an der Sachverhaltsdarstellung der Geschädigten bestehen würden und sich die Aussagen des Beschuldigten nicht widerlegen lassen würden (Beizugsakten: Urk. 18 S. 3-4). Diese Einstellung erging nach einer sorgfältigen Würdigung der Beweismittel und ist nicht zu beanstanden. Es lässt sich insbesondere festhalten, dass nicht erwogen wurde, dass die Darstellung der damaligen Privatklägerin offensichtlich falsch bzw. erlogen sei. Vielmehr wurden die genauen Umstände der sexuellen Kontakte an diesem Wochenende letztlich als unklar bzw. nicht beweisbar erachtet. Zu betonen ist, dass die Staatsanwaltschaft dieses Fazit unter Einbezug und entsprechender Würdigung der WhatsApp-Nachrichten zwischen der Beschuldigten mit dem Privatkläger getroffen hat. Weitere zu Lasten der Beschuldigten verwertbaren Beweismittel zu dieser Frage liegen nicht vor. Vor diesem Hintergrund kann es entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht als erwiesen erachtet werden, dass sich die Anzeige der Beschuldigten gegen einen Nichtschuldigen richtete. Da die Einstellungsverfügung in erster Linie aus Opportunitätsgründen erfolgte, steht die Nichtschuld des Geschädigten für das vorliegende Verfahren nicht verbindlich fest (TRECHSEL/AFFOLTER-EIJSTEN, in Trechsel/Pieth [Hrsg.], StGB PK, 2. Aufl., Art. 303 N 2).

          1. Im Weiteren ist ergänzend hervorzuheben, dass sich die Darstellungen der Beschuldigten und des Privatklägers hinsichtlich des äusseren (langen) Ablaufs des fraglichen Wochenendes von Freitagabend bis Sonntagabend und insbesondere auch der mehreren, diversen sexuellen Kontakte zu grossen Teilen decken. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Beschuldigte sich während der sexuellen Kontakte wie total aus ihrem Körper draussen gewesen (wie in einem Traumzustand) gefühlt habe und sie das alles nicht gewollt habe, während der Privatkläger diese Kontakte als normalen Sex mit Umarmungen schilderte und

            angab, die Beschuldigte habe ihn auch geküsst, es sei auch nicht schnell gegangen und es sei wirklich romantisch gewesen.

          2. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass die Darstellung der Beschuldigten zumindest nicht unglaubhaft erscheint (Urk. 31 S. 10-12). Die Beschuldigte hat den Privatkläger von Anfang an nicht schlecht gemacht und ihre Aussagen hinterlassen keineswegs den Eindruck, dass sie ihn unbedingt in ein schlechtes Licht rücken will. Er sei ein Lustiger, mache einem gerne Komplimente und unterhalte einen auch gerne (Urk. 3/1 Antworten 22 und 30). Eigentliche Gewalthandlungen hat die Privatklägerin nicht geschildert bzw. nur sehr diskret und zurückhaltend. Sie sagte aus, dass er sie nicht festgehalten, sie nie irgendwie erpresst oder körperlich geschlagen oder an ihr gezerrt habe. Der Privatkläger habe sie an ihren Handgelenken gehalten und runtergedrückt. Ihr Problem sei gewesen, dass er es eher härzig oder fast schon toll gefunden habe, wenn sie sich gewehrt habe. Beim Geschlechtsverkehr habe er ihr die Hände umarmend auf den Rücken getan. Auch das Geschehen nach dem Geschlechtsverkehr schilderte sie so, als ob eigentlich nichts Negatives passiert sei. Der Privatkläger habe sie am Ende des Wochenendes zum Bahnhof begleitet und sie zum Abschied umarmt. Sie habe ihm immer gesagt, sie wolle ihn nur als Kollegen (Urk. 3/1 Antworten 11, 70, 103, 116; Urk. 3/3 S. 5, S. 8 oben, Urk. 3/4 S. 9). Ihre gesamte Darstellung wirkt nicht übertrieben, sondern eher zurückhaltend. Lügensignale sind bei den Aussagen der Beschuldigten keine erkennbar. Die Beschuldigte sagte sodann von Anfang an aus, dass dem Privatkläger vermutlich gar nicht bewusst gewesen sei, was er gemacht habe. Er habe vermutlich gedacht, es sei ganz normal, was er mache (Urk. 3/1 Antwort 40). Sie habe schon versucht, sich zu wehren, aber vielleicht sei das bei ihm nicht angekommen (Prot. II S. 13). Sie sagte weiter konstant aus, dass sie ihm jeweils - schon am Freitagabend (Reiben Penis an Po über der Bekleidung) und Samstagmorgen (Reiben Penis in Missionarsstellung über der Bekleidung) - gesagt habe, er solle aufhören (A. , hör uf!), sie wolle das nicht und schilderte dann von sich aus ihr ambivalentes Verhalten, dass sie in der Folge bei ihm geblieben sei, wobei sie selber nicht wisse weshalb. Sie sei wie bedusselt, ohne Anteilnahme gewesen (Urk. 3/1 S. 9 ff.). Sie verstehe selber nicht, warum sie das gemacht habe am Wochenende. Auch wegen ihrem Freund,

            diesen habe sie nicht verletzen wollen. Sie habe nicht vor gehabt, mit A. etwas anzufangen. Sie gab von sich aus an, sie hätte sich doch viel besser wehren sollen. Sie könne sich das Ganze nicht erklären. Sie habe das alles nicht gewollt (Urk. 3/1 Antworten 85, 91). Sie sei nicht sie selber gewesen (Prot. II

            S. 10). Als er auf ihr masturbiert habe, habe sie ihm gesagt, er solle aufhören, dass sie das nicht gerne habe. Er habe das ignoriert. Zum Geschlechtsverkehr gab die Beschuldigte an, dass sie nicht mehr wisse, wie sie versucht habe, sich zu wehren und er habe ja gewusst, dass sie einen Freund habe. A. habe ihr gesagt, sie solle es geniessen, man lebe ja nur einmal. Ihrer Erinnerung nach hät- ten sie sich nicht geküsst (Urk. 3/1 Antworten 110 ff., 116-118, Urk. 3/4 S. 13). Diese durchaus zurückhaltenden, sachlichen Ausführungen, in welchen die Beschuldigte auch ihre (Schuld-)Gefühle schildert, erscheinen nicht unglaubhaft. Anzufügen ist, dass die Beschuldigte auch die sexuellen Handlungen - entgegen der Würdigung der Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung - teilweise recht detailliert schilderte. So führte sie aus, sie habe versucht wegzurutschen, als der Privatkläger auf ihr masturbiert habe und sie habe den Kopf von seinem Penis weggedreht. Sie gab an, wo es überall Sperma gehabt habe, dass auch ihr Gesicht und die Wand bespritzt worden seien (Urk. 3/12 Antworten 104 ff., Urk. 3/3

            S. 7). Die Beschuldigte hat sodann auch ihren inneren Zustand während den sexuellen Handlungen konstant und widerspruchsfrei beschrieben. In der staatsanwaltlichen Einvernahme vom 27. November 2014 führte sie dazu mehrfach aus, dem Privatkläger wiederholt gesagt zu haben, dass sie das nicht wolle, er es aber ignoriert habe. Sie persönlich sei dann wie aus dem Körper weggetreten und irgendwie nicht mehr da gewesen. Sie sei wie vor Schreck erstarrt gewesen. Sie könne es selber einfach nicht verstehen, da sie so viele Möglichkeiten gehabt habe, um nach Hause zu gehen und es nicht getan habe. Sie könne es nur so erklä- ren, dass sie wie psychisch gefangen gewesen sei (Urk. 3/3). Die Beschuldigte gab auch von sich aus an, dass sie an diesem Abend (Sonntag) ein ziemliches Gefühlschaos gehabt habe und das ganze Wochenende nicht in ihrem Körper gewesen sei. Sie habe später ihrem Freund telefoniert und erst am nächsten Morgen sei sie dann wie aus allen Wolken gefallen. Es sei ihr ziemlich schlecht gegangen. Sie haben den ganzen Tag geweint und innerlich gezittert. So etwas

            Schrecklichen sei ihr noch nie passiert und sie fühle sich körperlich einfach total schwach (Urk. 3/1 Antworten 84, 122, Urk. 3/3 S. 8).

            Die Beschuldigte hat zusammenfassend somit sehr zurückhaltend Anschuldigungen zu Protokoll gegeben. Sie hat keine körperlichen Abwehrhandlungen gegen die sexuellen Kontakte geschildert, meinte gar, der Privatkläger sei sich wohl keiner Schuld bewusst gewesen und stellt sich selber in ein schlechtes Licht, indem sie ausführte, sie hätte sich viel besser wehren sollen und es sei nicht erklärbar, dass sie nicht einfach nach Hause gegangen sei, nachdem sie dazu so viele Möglichkeiten gehabt habe. Dabei ist hervorzuheben, dass sie gemäss ihrer eigenen Darstellung zwischenzeitlich am Samstagmorgen tatsächlich bei ihrer Mutter zu Hause gewesen war, dort schnell geduscht hatte und wieder zum Privatkläger zurückkehrte (Urk. 3/1 Antwort 80). Des Weiteren nahm sie den Privatkläger sogar in Schutz und führte an, er habe sich entschuldigt und eben sein Ritalin (ADHS) nicht genommen (Urk. 3/1 Antwort 12). Auch die Beschreibung ihres Zustandes, dass sie wie in einem Traumzustand, wie aus dem Körper getreten gewesen sei, ist doch ein spezieller Umstand und es muss ihr klar gewesen sein, dass dies im Rahmen eines geschilderten Übergriffs nicht besonders überzeugend wirkt. Hätte die Beschuldigte den Privatkläger zu Unrecht anzeigen wollen, so wäre es viel einfacher gewesen, ein realistischeres Geschehen eines Übergriffs (Gewalt, Drohungen, Abwehrverhalten, Schreien etc.) zu präsentieren. Insgesamt erscheinen ihre konstanten, widerspruchsfreien, zurückhaltenden und detaillierten Aussagen jedenfalls nicht unglaubhaft.

            Es kann zusammenfassend demnach nicht genügend ausgeschlossen werden, dass die Beschuldigte tatsächlich so Erlebtes bzw. Empfundenes zur Frage wiedergibt, ob die sexuellen Handlungen gegen ihren (inneren) Willen stattfanden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die damals noch sehr junge 20-Jährige Beschuldigte offenbar eine Vorgeschichte hat, wonach sie früher vom damaligen Freund ihrer Mutter mehrmals sexuell belästigt worden sei (Urk. 3/4 Antwort 86). Des Weiteren hat die Beschuldigte eine erste Lehre wegen psychischen Problemen abgebrochen, bezieht nun IV-Taggelder und macht eine (geschützte) Lehre bei der Einrichtung ... (Urk. 3/1 Antwort 7, Urk. 3/7 S. 6 f., Prot. II S. 6 f.).

          3. Die Vorinstanz hat sodann zutreffend ausgeführt, dass die befragten Zeugen die Version der Beschuldigten insoweit stützen, als ihr nicht zugetraut wird, eine falsche Anschuldigung zu erheben, sie als schlechte Lügnerin bezeichnet wird und bestätigt wird, dass die Beschuldigte sich an jenem Wochenende beschwert habe, sie möge es nicht, wenn der Privatkläger sie küsse. Die Mutter der Beschuldigten und deren Psychiater bestätigten sodann die Vorgeschichte der Anzeige und den Zustand der Beschuldigten nach dem Wochenende. Es kann hierzu wie auch zur Glaubwürdigkeit der Zeugen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sorgfältigen Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 31

            S. 13-15, Art. 82 Abs. 4 StPO). Ergänzend ist auszuführen, dass der Freund der Beschuldigten - der in Folge Schluss mit ihr machte - in Übereinstimmung mit dieser ausführte, dass sie ihm verwirrt erschien und ihn am Montag über das Geschehen am Wochenende aufgeklärt habe (Urk. 5/4 S.- 4 ff.). Anzufügen ist, dass dies ein Hinweis darauf ist, dass die Beschuldigte offenbar tatsächlich schlecht lügen kann und es ihr nicht möglich war, ihrem Freund etwas zu verheimlichen, was wiederum wohl eher ausschliessen lässt, dass sie in einem Strafverfahren wieder besseren Wissens falsche Ausführungen tätigt. Schliesslich ist noch hervorzuheben, dass der befragte Psychiater, Dr. med. D. , als Zeuge bestätigte, dass es vorkomme, dass man so erstarre (wie die Beschuldigte es schilderte) und er ihr eine Anzeige empfohlen habe (Urk. 5/6 S. 4 f.). Insgesamt stützen diese Angaben der Zeugen die Version der Beschuldigten und lassen sie jedenfalls nicht als unglaubhaft erscheinen.

          4. Des Weiteren ist noch in aller Kürze auf die Depositionen des Privatklägers einzugehen, welche wie oben erwogen, zur Frage des tatsächlichen Geschehens an diesem Wochenende ohnehin nur zu Gunsten der Beklagten herbeigezogen werden können. Auch der Privatkläger bestätigte immerhin die Version der Beschuldigten, wonach sie ihm im Laufe des Wochenendes einige Male gesagt habe, er solle aufhören, sie habe einen Freund, sie wolle das nicht. So führte er aus, dass die Beschuldigte auf seine Frage hin erklärt habe, sie wolle nicht mit ihm schlafen, sie sei in einer Beziehung. Als er die Beschuldigte am Hintern angefasst habe, habe sie ihm gesagt, er solle das sein lassen, sie haben einen Freund. Er habe dann sofort von ihr abgelassen (Urk. 4/1 Antworten 61, 63). Auch habe sie

            ihm gesagt, sie wolle nicht, dass er mit der Hand zwischen ihre Beine greife. Er habe dann sogleich aufgehört (Urk. 4/1 Antworten 103, 130, 136, 175, 178). Auch hinsichtlich späterer Vorfälle, habe sie ihm mehrfach gesagt, er solle aufhören, allerdings teilweise mit der Begründung, er solle aufhören, sie scharf zu machen bzw. sie möchte das wegen ihrem Freund nicht. Er habe jeweils sofort aufgehört. Sie habe ihm gesagt, sie habe einen Freund und das würde nicht gut rauskommen (Urk. 4/1 Antworten 76, 84, 102, 145). Als er mit seiner Hand ihre Vagina gerieben habe, habe sie gesagt, hör auf, sie habe einen Freund und habe mit ihrer Hand seine Hand ergriffen und er habe auch sofort aufgehört (vgl. Urk. 4/2 S. 5 Antwort 18 und 20). Sodann bestätigte der Privatkläger, es könne sein, dass er die Beschuldigte aus Spass an den Handgelenken gehalten habe (aber ohne Schmerz) und auch, dass er als Witz gesagt habe, er fände es toll, wenn sie sich wehre, so wie bei den Mangas (Urk. 4/1 Antwort 148, 151, Urk. 4/3 S. 7). Weiter hat der Privatkläger zu Protokoll gegeben, dass er mit der Beschuldigten geflirtet habe, sie es aber anfangs nicht so ernst genommen habe, später nur so halb mitgemacht habe und dass er sich so gut mit ihr habe unterhalten können (Urk. 4/3 S. 5 f.).

            Es lässt sich somit festhalten, dass die Beschuldigte auch nach Darstellung des Privatklägers zum Ausdruck gebracht hat, dass sie dies (sexuelle Handlungen) nicht wolle und er damit aufhören solle. Auch ist ersichtlich, dass sie selbst nach Ansicht des Privatklägers nur so halb mitgemacht habe beim Flirten. Weiter ist aufgrund des unbestrittenen Geschehens sodann davon auszugehen, dass der Beschuldigte an diesem Wochenende jedenfalls sexuell aufgeheizt (scharf, spitz) war, wie dies die Beschuldigte ebenfalls schilderte und trotz der Abweisungen und dem von der Beschuldigten geäusserten Unwillen offensichtlich nicht mit Drängen und Flirten aufgehört hat. Es wirkt denn auch wenig überzeugend, dass der Privatkläger nicht stringent darlegte, wieso die Beschuldigte, nachdem sie schon nur bezüglich Berührungen ihrer Geschlechtsteile über den Kleidern ablehnend reagiert habe und er sofort aufgehört habe, dann doch (gar ungeschützten) Geschlechtsverkehr mit ihm habe haben wollen. Es ist ferner auch bezeichnend, dass er den Hinweis der Beschuldigten, sie wolle das nicht, sie habe einen Freund, als Ausrede umschrieb (Urk. 4/1 Antwort 178). Ausserdem fällt auf, dass

            er in diesem Verfahren im Widerspruch zu seinen früheren Aussagen nichts mehr davon wissen wollte, der Beschuldigten gesagt zu haben, er fände es toll wenn sie sich wehre (Stichwort Mangas vgl. Urk. 4/1 Antwort 151, Urk. 4/3 S. 7). Ebenso fällt auf, dass er die konkreten sexuellen Handlungen erst auf Nachfragen hin schilderte und dass es schliesslich entgegen seinem Vorbringen nicht gerade sehr romantisch klingt, wenn sie ihm - so die Darstellung des Privatklägers (Urk. 4/1 Antwort 95) - gesagt haben soll, mach was wotsch - chasch es eh nöd sie lah. Es lässt sich jedenfalls festhalten, dass der Privatkläger wesentliche Umstände geschildert hat, die zur Version der Beschuldigten passen.

          5. Die Vorinstanz hat sodann zutreffend herausgeschält, dass die Schilderungen der Beschuldigten eher den Eindruck hinterlassen, dass sie dem Privatkläger zum Vorwurf macht, dass er sie zum Geschlechtsverkehr bzw. zu den sexuellen Handlungen überrumpelt habe. Dies, nachdem sie ihn doch mehrfach darauf hingewiesen habe, dass sie einen Freund habe und das nicht wolle, was er einfach ignoriert bzw. nicht ernst genommen habe. Es ist nochmals zu betonen, das die Beschuldigte keine eigentliche Gewalt geschildert (Arme umarmend auf den Rü- cken getan beim Geschlechtsverkehr) hat, kein Sich-Wehren, keine Auseinandersetzung während oder nach den sexuellen Handlungen, sondern gegenteils ein freundschaftliches, kollegiales Verhalten nach den Vorkommnissen. Sie beschrieb ihre Rolle bei diesen Handlungen als so wie willenlos, gelähmt (Urk. 3/1 z.B. Antworten 11, 97). Überdies hat sie wie schon mehrfach erwähnt von sich aus ausgeführt, dem Privatkläger sei vermutlich gar nicht bewusst gewesen, was er gemacht habe und vermutlich habe er gedacht, das sei normal. Damit bringt die Beschuldigte letztlich zum Ausdruck, dass der Privatkläger nicht realisierte, dass sie den Sex tatsächlich nicht wollte. An anderer Stelle führte sie dazu an, er hätte merken können, dass sie das (Brust entblössen, an Brustwarze saugen) nicht gewollt habe, das habe er ja schon früher gewusst (Urk. 3/1 Antworten 40, 96). Der von ihr geschilderte äussere Ablauf der sexuellen Handlungen wie auch das von ihr detailliert erzählt äussere Geschehen des gesamten Wochenendes - in welchem sie mehrfach nach sexuellen Vorgängen, nach Zwischenstopps zuhause und an anderen Orten wieder völlig freiwillig mit dem Privatkläger zusammen zum Übernachten ins Gästezimmer bzw. in dessen Wohnung ging - sowie ihre Aussage, der Privatkläger sei sich ihres Unwillens wohl nicht bewusst gewesen, sprechen nicht ernsthaft für eine Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung im strafrechtlichen Sinne. Dies notabene aufgrund ihrer von Anfang an konstant wiedergegebenen Aussagen. Die Beschuldigte hat denn auch während der ausführlichen polizeilichen Einvernahme vom 23. September 2014 (Urk. 3/1 S. 1-18, Antworten 1-132) nie von einer Vergewaltigung gesprochen, sondern immer wieder betont, dass sie das alles (innerlich) nicht gewollt habe.

            Etwas überspitzt zusammengefasst hat die Beschuldigte im Wesentlichen deponiert, sie habe dem Privatkläger mehrmals gesagt, sie wolle das nicht, er habe dies aber ignoriert und nicht ernst genommen und sie habe die sexuellen Handlungen wie erstarrt über sich ergehen lassen, wobei der Privatkläger wohl gedacht habe, es sei alles normal. Es ging letztlich darum, dass die Beschuldigte das Ganze - vermutlich wegen ihrer inneren Widerstände (Fremdgehen) und allenfalls weiterer Umstände (innerlich) nicht wirklich wollte und es - aufgrund des Drängens und Flirtens des (lustigen, Komplimente machenden und unterhaltsamen) Privatklägers und des an sich schönen Wochenendes willenlos und wie innerlich erstarrt und gelähmt geschehen liess, was sie sich selber nicht erklären konnte. Dies hat sie im Kern in der fraglichen polizeilichen Befragung geschildert. Hinweise, dass ein solches Erstarren möglich ist, gibt wie erwähnt die Zeugenbe-

            fragung des Psychiaters Dr. med. D.

            (Urk. 5/6 Antwort 19). Dass die Beschuldigte dies innerlich so erlebt hat, lässt sich jedenfalls nicht widerlegen. Zieht man dabei, wie schon oben erwogen, in Betracht, dass die Beschuldigte damals erst 20-jährig war, ihre erste Lehre wegen psychischen Problemen abgebrochen hatte, IV-Taggelder bezog, eine KV-Lehre beim ... (im geschützten Rahmen für Menschen, die nach einer psychischen Erkrankung Unterstützung bei der Arbeit benötigen) besuchte, überdies eine Vorgeschichte wegen sexueller Belästigung durch einen Ex-Freund der Mutter aufweist und ihre Mutter sowie deren Psychiater ihr empfahlen, eine Anzeige bei der Polizei zu machen, wenn die sexuellen Handlungen gegen ihren Willen erfolgt seien, erscheinen ihre Angaben jedenfalls nachvollziehbar und nicht unglaubhaft. Anzufügen ist, dass auch der Privatkläger die Beschuldigte (zumindest im Nachhinein) als eine Person sieht, die ein psychisches Problem habe (Urk. 4/3 S. 7).

            Es ist in diesem Sinne bezeichnend, dass die Beschuldigte im vorliegenden Verfahren zum Geschehen wiederholte, sie sei nach wie vor überzeugt, dass es gegen ihren Willen passiert sei (vgl. auch Prot. II S. 9) und anfügt, sie sei mit der ganzen Situation überfordert gewesen. Das habe schon angefangen, als der Privatkläger ihr am Freitagabend näher gekommen sei. Es sei an diesem Wochenende so viel passiert, sie sei total überfordert und nicht sie selber gewesen (Urk. 3/7 Antworten 3, 11-16, vgl. auch Urk. 3/1 Antwort 14, Prot. II S. 10). Vor diesem Hintergrund erscheint es glaubhaft, wenn die Beschuldigte ausführt, sie habe zu jenem Zeitpunkt nicht gewusst, ob es eine Vergewaltigung sei oder nicht. Ihre Mutter und deren Psychiater hätten sie dazu gedrängt, zur Polizei zu gehen, nachdem sie ihnen erzählt habe, es sei gegen ihren Willen geschehen. Die Beschuldigte räumte zudem ein, sie würde heute nicht nochmals so handeln, sondern zuerst zu einer Fachperson gehen und darüber sprechen, ob es wirklich eine Vergewaltigung gewesen sei oder nicht. Sie habe dem Privatkläger nicht schaden wollen (Urk. 3/7 S. 4 f.). Sie hat zudem bereits in der ersten polizeilichen Befragung ausdrücklich erklärt, Ziel ihrer Aussage sei einfach damit es mal aufge-

            schrieben ist, damit er vermerkt ist, falls mit A.

            wieder mal etwas ist.

            (Urk. 3/1 Antwort 38). In der heutigen Berufungsverhandlung wiederholte sie, sie habe einfach erzählen wollen, was passiert sei und sei sich der Folgen nicht bewusst gewesen (Prot. II S. 11 f.). Auch diese Depositionen erscheinen vor dem geschilderten Hintergrund zumindest nicht unglaubhaft. Klarzustellen ist damit auch, dass das Vorgehen der Beschuldigten mit der Einreichung einer Anzeige - selbst wenn man vollständig von ihrer Darstellung ausgeht - naiv und nicht korrekt war. Dies darf aber nicht mit einer bewussten Falschanzeige verwechselt werden.

          6. Dem WhatsApp-Chat zwischen der Beschuldigten und dem Privatkläger lässt sich im Wesentlichen Folgendes entnehmen: Die Beschuldigte bedankte sich beim Privatkläger, dass er sie zum Bahnhof gebracht habe. Sie teilte ihm mit, dass sie ein schönes Wochenende gehabt hätten. Ihre Gefühle würden noch Achterbahn fahren. Sie könne ihrem Freund nicht einfach die Wahrheit sagen, das habe er nicht verdient (Urk. 3/5 Nr. 1, 6 und 7). Weiter äusserte die Beschuldigte, dass sie schon länger nicht mehr mit Kollegen unterwegs und so wäg gewesen

        sei wie dieses Wochenende und er ihr richtig ans Herz gewachsen sei (Urk. 3/5 Nr. 12-15). Die Beschuldigte gab dem Privatkläger die Äusserungen ihres Freundes weiter, dieser wolle wissen, ob sie ihn betrogen habe etc. und teilte mit, dass dieser es nun wisse (Urk. 3/5 Nr. 18-31). Der Privatkläger schrieb, er sei ja nur ein Kollege (Urk. 3/5 Nr. 36). Dann erfährt man, dass die Beschuldigte in Zukunft in Ruhe gelassen werden wolle und der Privatkläger sie mehrmals ersuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen (Urk. 3/5 Nr. 50 ff.).

        Die ersten Chats (schönes Wochenende, ans Herz gewachsen, Gefühle fahren Achterbahn, vermissen), welche von der Staatsanwalt als zentrales Beweismittel bezeichnet werden (Urk. 52 S. 4. f.), sprechen in der Tat auf den ersten Blick klar dafür, dass sich keinerlei sexuellen Handlungen gegen den Willen der Beschuldigten abgespielt haben. Die Beschuldigte konnte diese von ihr verschickten Nachrichten denn auch nicht erklären und führte aus, sie sei total geschockt, wenn sie das sehe (Urk. 3/5 S. 15). Bei näherer Betrachtung lässt sich indessen im Kontext der oben gemachten Erwägungen daraus nicht mit genügender Sicherheit ableiten, dass sie die sexuellen Kontakte nicht wie von ihr beschrieben empfunden hat. Letztlich gibt der Chat-Verkehr lediglich schwarz auf weiss das von der Beschuldigten bei der Polizei selber bereits geschilderte ambivalente Verhalten von ihr wieder. Die Beschuldigte hat von Anfang an ausgeführt, dass sie eigentlich ein schönes Wochenende gehabt hätten, man habe sich - wie bereits erwähnt - gut verstanden, es lustig und unterhaltsam gehabt. Schon darin spiegelt sich angesichts der gemäss ihrer Darstellung gegen ihren Willen erfolgten sexuellen Handlungen seit Freitagabend ein ambivalentes Verhalten. Dies zeigt sich auch darin, dass sie nach sexuellen Kontakten mehrmals völlig freiwillig wieder mit dem Privatkläger ins Gästezimmer zum Übernachten und zu ihm nach Hause ging, was sie genauso wenig wie die WhatsApp-Mitteilungen erklären konnte. Sie hat im Übrigen ihr Gefühlschaos bereits vor der Eröffnung des Chatverlaufs geschildert und auch dass der Privatkläger sie danach zum Bahnhof gebracht und umarmt habe. Sie ist offensichtlich hin und her gerissen zwischen Gefühlen für den Privatkläger (as härz gwachse) und ihrem Freund (dies könne sie ihm nicht antun, sie könne ihn nicht belügen) und von der Situation überfordert, was ihre Umschreibung im Chat Nr. 6, ihre Gefühle würden gerade Achterbahn

        fahren, treffend widerspiegelt. Die zitierten Mitteilungen im Chat ändern jedenfalls insgesamt nichts an den obigen Erwägungen, dass es nicht unglaubhaft erscheint, dass die Beschuldigte die eigentlichen sexuellen Kontakte aus den obgenannten Gründen wie innerlich erstarrt und gelähmt aufgrund ihrer zwiespältigen Gefühle und des Drängen des Privatklägers an diesem an sich schönen Wochenende geschehen liess. Diese wie erwogen zumindest nicht unglaubhafte Darstellung kann ihr aufgrund der Chatnachrichten nicht widerlegt werden. Im Üb- rigen hat die Beschuldigte bereits zu Beginn der Untersuchung erwähnt, dass sie und der Privatkläger sich geschrieben hätten und sie nicht wissen konnte, ob der Privatkläger diese WhatsApp-Nachrichten gelöscht habe oder nicht (vgl. Urk. 3/1 etwa Antworten 12, 40).

        6. Insgesamt ist somit nicht bewiesen, dass die Beschuldigte - wie ihr sinngemäss vorgeworfen wird - in der fraglichen polizeilichen Einvernahme einen Nichtschuldigen einer Straftat bezichtigt. Des Weiteren lässt sich nicht erstellen, dass die Beschuldigte fälschlicherweise bzw. wider besseren Wissens ausgesagt hatte, dass sie die sexuellen Kontakte nicht gewollt habe. Damit ist nicht nachgewiesen, dass die Beschuldigte ihre Vorwürfe wider besseren Wissens erhob, um eine Strafverfolgung gegen den Privatkläger herbeizuführen. Zudem hat die Beschuldigte im Kern kein strafrechtlich relevantes Verhalten des Privatklägers geschildert. Der Sachverhalt ist demnach nicht erstellt und die Beschuldigte vom Vorwurf der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 StGB freizusprechen.

      3. Kostenund Entschädigungsfolgen
        1. Bei diesem Ergebnis - Bestätigung des vorinstanzlichen Freispruchs - ist das vorinstanzliche Kostendispositiv zu bestätigen (Dispositivziffern 2, 5 und 6).

        2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft unterliegt mit ihren Anträgen. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung und des unentgeltlichen Rechtsbeistands des Privatklägers, sind demnach auf die Gerichtskasse zu nehmen. Der

        amtliche Verteidiger ist mit Fr. 3'500.- (Urk. 51) und der unentgeltliche Rechtsbeistand des Privatklägers mit Fr. 677.80 (Urk. 50) zu entschädigen.

      4. Genugtuung

Die Beschuldigte ist für die ungerechtfertigte Haft von 11 Tagen mit Fr. 2'200.- zu entschädigen. Die Vorinstanz hat dies zutreffend begründet und es kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden (Urk. 31 S. 17).

Es wird beschlossen:

  1. Vom Rückzug der Berufung des Privatklägers wird Vormerk genommen.

  2. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 3. März 2017 bezüglich der Dispositivziffer 3 (Abweisung der Genugtuungsforderung des Privatklägers) in Rechtskraft erwachsen ist.

  3. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

  4. Rechtsmittel:

Gegen Ziffer 1 dieses Entscheids kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte B. ist der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 StGB nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 2, 5 und 6) wird bestätigt.

  3. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 3'500.- amtliche Verteidigung

    Fr. 677.80 unentgeltliche Verbeiständung des Privatklägers

  4. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Verbeiständung der Privatklägerschaft, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  5. Der Beschuldigten werden Fr. 2'200.- als Genugtuung für die erstandene Haft aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  6. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (übergeben)

    • den unentgeltlichen Vertreter des Privatklägers im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat

    • den unentgeltlichen Vertreter des Privatklägers im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • sowie an die Koordinationsstelle VOSTRA mittels Kopie von Urk. 34 zur Löschung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d der Verordnung über das Strafregister

    • die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG).

  7. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 5. Dezember 2017

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. Schwarzenbach-Oswald

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