E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB170090: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, hat am 28. August 2017 in einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland gegen die Beschuldigte A. entschieden. Die Beschuldigte wurde freigesprochen von der groben Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1 SVG. Sie wurde jedoch schuldig gesprochen von einer anderen groben Verkehrsregelverletzung und zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 90.- sowie einer Busse von Fr. 500.- verurteilt. Die Gerichtskosten wurden der Beschuldigten zur Hälfte auferlegt. Die Beschuldigte wurde eine Prozessentschädigung von Fr. 500.- zugesprochen. Der Richter war männlich. Die Gerichtskosten betrugen CHF 3'000.-. Die unterlegene Partei war die Beschuldigte.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB170090

Kanton:ZH
Fallnummer:SB170090
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB170090 vom 28.08.2017 (ZH)
Datum:28.08.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Grobe Verletzung der Verkehrsregeln
Schlagwörter : Beschuldigte; Fahrzeug; Beschuldigten; Verkehr; Recht; Fahrzeuge; Beruf; Geschwindigkeit; Berufung; Überholspur; Vorinstanz; Sinne; Fahrspur; Video; Verbindung; Urteil; Geldstrafe; Verfahren; Anklage; Tagessätze; Verfahrens; Verhalten; Kolonne; Verkehrsregelverletzung; Tagessätzen; Busse
Rechtsnorm:Art. 12 VRV ;Art. 34 SVG ;Art. 34 StGB ;Art. 35 SVG ;Art. 404 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 45 StGB ;Art. 80 SVG ;Art. 82 StPO ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:104 IV 196; 115 IV 244; 134 IV 1; 134 IV 60; 134 IV 82; 136 IV 55; 142 IV 93; 95 IV 84;
Kommentar:
Schmid, Schweizer, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxis, Zürich, St. Gallen , Art. 215 StPO, 2009

Entscheid des Kantongerichts SB170090

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB170090-O/U/jv

Mitwirkend: Die Oberrichter Dr. iur. F. Bollinger, Präsident, lic. iur. S. Volken und lic. iur. Ch. Prinz sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur.

S. Leuthold-Bärtsch

Urteil vom 28. August 2017

in Sachen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt Dr. iur. R. Jäger,

Anklägerin und Berufungsklägerin

gegen

A. ,

Beschuldigte und Berufungsbeklagte

erbeten verteidigt durch Rechtsanwältin MLaw X.

betreffend

grobe Verletzung der Verkehrsregeln
Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom 29. November 2016 (GG160078)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom

22. September 2016 (Urk. 13) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz

(Urk. 30 S. 19 f.)

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte ist der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung Art. 35 Abs. 1 SVG nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Die Beschuldigte ist schuldig der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV.

  3. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 90.- (entsprechend Fr. 2'700.-) sowie mit einer Busse von Fr. 500.-.

  4. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt. Die Busse ist zu bezahlen.

  5. Bezahlt die Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen.

  6. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

  7. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden der Beschuldigten zur Hälfte auferlegt. Im Mehrbetrag werden diese auf die Gerichtskasse genommen.

  8. Der Beschuldigten wird eine Prozessentschädigung von Fr. 500.für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  9. (Mitteilungen)

10. (Rechtmittel)

Berufungsanträge:

  1. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 47 S. 1 f.)

    1. Die Beschuldigte A.

      sei vollumfänglich schuldig zu sprechen im Sinne

      der Anklageschrift vom 22. September 2016 der mehrfachen vorsätzlichen Verletzung der Verkehrsregeln, d.h. zusätzlich

      • der groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1 SVG (Dispo Ziff. 1).

    2. Die Beschuldigte sei zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 90.00 (entsprechend CHF 5'400.00) sowie einer Busse von CHF 1'000.- (Dispo Ziff. 3).

    3. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben und die Probezeit auf

      zwei Jahre festzusetzen (Dispo Ziff. 4).
    4. Es sei eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Tagen bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse festzusetzen (Dispo Ziff. 5).

    5. Die Verfahrenskosten des Vor-, Haupt- und Berufungsverfahrens seien

    vollumfänglich der Beschuldigten aufzuerlegen (Dispo Ziff. 7 und 8).
  2. Der Verteidigung der Beschuldigten: (Port. S. 7 f.)

    • Die Berufung sei abzuweisen.

    • Die Beschuldigte sei in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Bülach vom 29. November 2016 von der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 80 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 SVG betreffend den Sachverhalt des Rechtsüberholens freizusprechen.

    • Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens seien in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils der Beschuldigten zur Hälfte aufzuerlegen und im Mehrbetrag auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    • Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens seien ausgangsgemäss aufzuerlegen.

    • Der Beschuldigten sei für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 500.zuzusprechen.

    • Der Beschuldigten sei im vorliegenden Verfahren eine Prozessentschädigung in der Höhe der Kostennote der Wahlverteidigung zuzusprechen.

    • Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge.

Erwägungen:

I. Prozessuales
  1. Verfahrensgang

    1. Zum Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil kann zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 30 S. 3; Art. 82 Abs. 4 StPO).

    2. Mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 29. November 2016 wurde die Beschuldigte A. im Sinne des eingangs wiedergegebenen Urteilsdispositivs teilweise schuldig gesprochen und bestraft. Gegen dieses Urteil meldete die Anklagebehörde innert Frist mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 Berufung an (Urk. 24). Das begründete Urteil wurde der Anklagebehörde in der Folge am 15. Februar 2017 zugestellt (Urk. 29), woraufhin diese mit Eingabe vom 6. März 2017 fristgerecht die Berufungserklärung beim hiesigen Gericht einreichte (Urk. 33).

    3. Mit Präsidialverfügung vom 8. März 2017 wurde der Beschuldigten Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erheben begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 35). Daraufhin liess die Beschuldigte mit Eingabe vom 4. April 2017 mitteilen, sie verzichte auf die Erhebung einer Anschlussberufung (Urk. 37).

    4. Am 28. August 2017 fand die Berufungsverhandlung statt, zu welcher der Leitende Staatsanwalt Dr. iur. R. Jäger sowie die Beschuldigte in Begleitung ihrer Verteidigerin, Rechtsanwältin MLaw X. , erschienen sind (Prot. II S. 4).

  2. Umfang der Berufung

    1. In ihrer Berufungserklärung vom 6. März 2017 beschränkte die Anklagebehörde ihre Berufung auf den vorinstanzlichen Freispruch vom Vorwurf der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1 SVG sowie auf die Strafzumessung und die Kostenund Entschädigungsfolgen (Urk. 33 S. 2 ff.).

    2. Dementsprechend ist das vorinstanzliche Urteil in den Dispositiv Ziffern 2 (Schuldspruch wegen grober Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 4 SVG und art. 12 Abs. 1 VRV) und 6 (Kostenfestsetzung) nicht angefochten und damit in Rechtskraft erwachsen, was vorab mittels Beschluss festzustellen ist (Art. 404 Abs. 1 StPO).

    3. Im übrigen Umfang steht das vorinstanzliche Urteil zwecks Überprüfung zur Disposition.

II. Sachverhalt und Rechtliche Würdigung
  1. Sachverhalt

    1. Der Anklagesachverhalt wurde durch die Beschuldigte nicht in Abrede gestellt. Die Vorinstanz erwog hierzu korrekterweise, dass sich das Geständnis der Beschuldigten mit den durch die Polizei aufgenommenen und in den Akten liegenden Videoaufzeichnungen decke, weshalb für die rechtliche Würdigung vom eingeklagten Sachverhalt auszugehen sei (Urk. 30 S. 4).

    2. Die betreffenden Erwägungen der Vorinstanz sind vollständig und zutreffend. Sie können ohne Weiteres übernommen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Damit ist der eingeklagte Sachverhalt als erstellt zu betrachten, weshalb im Rahmen der nachfolgenden rechtlichen Würdigung darauf abzustellen ist.

  2. Grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG i.V.m Art. 35 Abs. 1 SVG

    1. Die Vorinstanz kam im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung zusammengefasst zum Schluss, zunächst sei festzuhalten, dass sich die Verkehrssituation, wie sie sich vorliegend präsentiert habe, gerade noch als paralleler Kolonnenverkehr im Sinne von Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV zu werten sei. Weiter sei aufgrund der Videoaufzeichnung ersichtlich, dass die Beschuldigte ihr Fahrzeug aufgrund der langsamer fahrenden Gruppe von Fahrzeugen verlangsamt habe. In der Folge habe sie (regelkonform) von der Überholspur auf den Mittelstreifen gewechselt und sei von dort (regelkonform) weiter auf die Normalspur gefahren. Auf der Normalspur sei sie in der Folge an zwei auf dem Mittelstreifen fahrenden Fahrzeugen rechts vorbei gefahren. Soweit es auf der Videoaufzeichnung ersichtlich sei, habe die Beschuldigte ihr Fahrzeug auf der Normalspur nicht wieder beschleunigt, sondern sei mit annährend gleichbleibender Geschwindigkeit weitergefahren. Eine Beschleunigung ihres Fahrzeugs werde der Beschuldigten auch nicht vorgeworfen. Der Vorwurf erschöpfe sich einzig darin, dass sie ihre Geschwindigkeit nicht weiter reduziert und den beiden auf der Mittelspur fahrenden Fahrzeugen angepasst habe. Ein derartiges passives Überholen ohne zu beschleunigen respektive unter Beibehaltung der gefahrenen Geschwindigkeit stelle kein Überholen im Sinne des Gesetzes dar. Zudem sei entgegen der Anklage nicht ersichtlich, dass die Beschuldigte durch ihr Verhalten eine abstrakt gesteigerte Gefahrensituation geschaffen habe. Dass die Beschuldigte ihre Fahrt ohne weiter abzubremsen bei freier Fahrt auf der Normalspur fortgesetzt habe, erweise sich in Bezug auf des Rechtsüberholverbot als regelkonform. Die Beschuldigte sei daher vom Vorwurf der vorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1 SVG freizusprechen (Urk. 30 S. 5 ff.).

    2. Die Anklagebehörde beanstandete die vorinstanzlichen Erwägungen im Rahmen ihrer Berufungserklärung vom 6. März 2017 (Urk. 33) sowie anlässlich der Berufungsverhandlung vom 28. August 2017 (Urk. 47 S. 2-5) zusammengefasst wie folgt: Zunächst sei festzuhalten, dass im Tatzeitpunkt kein Kolonnenverkehr geherrscht habe. Die Beschuldigte sei auf der vorerst freien Überholspur mit einer überhöhten Geschwindigkeit von rund 140 km/h auf eine Gruppe von mehreren langsamer fahrenden Fahrzeugen aufgeschlossen, welche sowohl die

      2. als auch die 1. Überholspur besetzt hätten. Die Videoaufnahme zeige, dass die Fahrzeuge auf dem 2. Überholstreifen aktiv am Überholen gewesen seien. Die Beschuldigte habe die Möglichkeit gehabt, die Fahrzeuge auf dem mittleren Fahrstreifen links zu überholen, allerdings hätte sie hierzu die von ihr gefahrene, überhöhte Geschwindigkeit von rund 140 km/h reduzieren müssen. Aufgrund des gesamten Fahrverhaltens der Beschuldigten zeige sich, dass es sich vorliegend keinesfalls um ein passives Überholmanöver gehandelt habe. Die Beschuldigte habe ein klares Ziel gehabt, nämlich schneller als die übrigen Verkehrsteilnehmer vorwärts zu kommen. Ihr Verhalten nach dem Rechtsüberholen durch Vorbeifahren, nämlich das direkt Aufschliessen auf dem Normalstreifen auf den nächsten PW und das anschliessende bedrängende Hinterherfahren mit krass ungenügendem Abstand, bestätige die Absicht der Beschuldigten, schneller als die übrigen Automobilisten voranzukommen. Die Vorinstanz habe dazu in der Begründung zur Gefährdung betreffend den ungenügenden Abstand zu Recht ausgeführt, dass die Beschuldigte zu dem vor ihr fahrenden Fahrzeug bis auf ca. 6 Meter aufgeschlossen sei und gedrängelt habe. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz liege auch klar eine Gefährdung vor. Der durch die Beschuldigte vorgenommene Spurwechsel über zwei Fahrstreifen und das Vorbeifahren rechts unmittelbar nach diesem

      Spurwechsel hätten dazu geführt, dass für das auf der mittlernen Fahrspur fahrende Fahrzeug das Fahrzeug der Beschuldigten eben plötzlich und unvermittelt mit massgeblich höherer Geschwindigkeit rechts aufgetaucht sei. Die gegenteilige Begründung der Vorinstanz lasse sich angesichts der Videoaufzeichnungen nicht nachvollziehen, denn das Video zeige klar ein anderes Bild. Von einem regelkonformen Verhalten könne jedenfalls keine Rede sein. Die vorinstanzlichen Erwägungen seien sodann auch in sich widersprüchlich. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf des ungenügenden Abstandes habe die Vorinstanz zur Begründung ausgeführt, es komme erschwerend hinzu, dass gemäss den Videoaufzeichnungen reger Verkehr geherrscht habe und die vor der Beschuldigten fahrenden Fahrzeuge selbst nach ihrer eigenen Darstellung ausländische Kontrollschilder gehabt hätten. Die Wahrscheinlichkeit abrupter Bremsmanöver Fahrbahnwechsel durch andere, mutmasslich ortsunkundige Fahrzeuglenker sei namentlich auch wegen der unmittelbar bevorstehenden Autobahnverzweigung als erhöht zu bezeichnen. Dass diese, durch die Vorinstanz erkannte, Gefährdung der Beschuldigten bewusst sein musste und sie sie durch ihre Fahrweise in Kauf genommen habe, treffe nicht nur beim gefährlichen Hintereinanderherfahren, sondern auch beim Rechtsüberholen zu. Die Beschuldigte habe sich beim Rechts- überholen überhaupt nicht regelkonform verhalten, weshalb der vorinstanzliche Freispruch zu Unrecht erfolgt sei.

    3. Die Verteidigung der Beschuldigten stellte sich im Berufungsverfahren hingegen auf den Standpunkt, es liege ein Fall der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Bezug auf das Rechtsüberholen vor, wie dies die Vorinstanz zutreffend festgehalten habe. Selbst wenn auf dem Video kein üblicher Handorgeleffekt erkennbar sei, sei ersichtlich, dass sich die Fahrzeuge auf den zwei Überholspuren aufstauen würden, je näher man an die Verzweigung komme. Die Beschuldigte erwähne diesbezüglich einen Balken. Auf dem Normalstreifen sei weniger Verkehr vorhanden gewesen, weshalb dort ein schnelleres Vorankommen möglich gewesen sei. Somit sei bewiesen, dass auf der Überholspur mehr Verkehr geherrscht habe als auf der Normalspur. Die Beschuldigte habe nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts mit gleich bleibender Geschwindigkeit an den anderen Fahrzeugen vorbeifahren dürfen, nachdem der Spurwechsel

      korrekt stattgefunden habe. Es handle sich um ein passives Überholen, weil sie die Geschwindigkeit nicht erhöht habe, selbst wenn sie mit übersetzter Geschwindigkeit gefahren sei. Es sei nicht Sinn und Zweck des Rechtsfahrgebotes, dass sie hätte abbremsen müssen, bis sämtliche Fahrzeuge auf der Überholspur die Verzweigung passiert hätten. Schliesslich bringt die Verteidigung vor, es wäre gefährlicher gewesen, wenn die Beschuldigte auf der Überholspur die Fahrzeuge überholt und dann innert 1'500 Meter auf die Normalspur hätte wechseln müssen, um die Ausfahrt zu nehmen. Ein solcher Spurwechsel hätte andere Fahrzeuge verunsichert. Die Beschuldigte habe passiv überholt, ohne die Geschwindigkeit zu erhöhen, weshalb nicht von einem Rechtsüberholen gesprochen werden könne. Auch habe zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer stattgefunden (Prot. II S. 8 ff.).

    4. Um der vorliegenden Sachlage insgesamt gerecht zu werden, drängt sich zunächst eine eingehende Auseinandersetzung mit der von der Kantonspolizei Zürich am 25. April 2016 aufgenommen Videoaufzeichnung (Urk. 5) auf:

      Die Aufnahme startet um ca. 19.04.00 Uhr. Zu dieser Zeit fährt die Beschuldigte auf der linken der drei Fahrspuren (nachfolgend Überholspur genannt) mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Bis ca. 19.04.42 Uhr sind vor ihr auf der Überholspur keine Fahrzeuge erkennbar. Auf der mittleren Fahrspur sind diverse Fahrzeuge erkennbar, welche unbehindert, in etwa mit der erlaubten Geschwindigkeit fahren. Auf der rechten Spur sind nur einzelne Fahrzeuge erkennbar. Um

      19.04.45 schliesst die Beschuldigte mit immer noch offenkundig übersetzter Geschwindigkeit auf das sich vor ihr auf der Überholspur befindliche Auto auf, als um 19.04.47 Uhr ein helles Auto von der mittleren Fahrspur unmittelbar vor der Beschuldigten auf die Überholspur wechselt. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich ein einzelnes Fahrzeug auf der rechten Spur. Auf der mittleren Spur sind, ebenso wie auf der Überholspur, drei Fahrzeuge erkennbar. Im gleichen Moment, in dem das helle Fahrzeug von der mittleren Fahrspur auf die Überholspur wechselt, wechselt die Beschuldigte von der Überholspur auf die mittlere Fahrspur, wo sie rund eine Sekunde verbleibt, bevor sie erneut den rechten Blinker setzt und auf die rechte Spur fährt. Der Spurwechsel von der Überholspur über die Mittelspur auf die rechte Fahrspur dauert insgesamt rund 6 Sekunden (nämlich von

      19.04.48 bis 19.04.54). Auf der rechten Fahrspur angelangt fährt die Beschuldigte mit gleichbleibender und im Vergleich zu den auf der Mittelspur fahrenden Fahrzeugen - deutlich höherer Geschwindigkeit rechts an den drei, sich dort befindlichen Fahrzeugen vorbei. Um 19.05.17 Uhr setzt sodann das hinterste der drei unmittelbar hintereinander herfahrenden Fahrzeuge auf der Mittelspur zu einem Überholmanöver an und fährt nach korrektem Spurwechsel nach links ordnungsgemäss auf der Überholspur an dem vor ihm auf der Mittelspur fahrenden, weissen Fahrzeug vorbei. Gleichzeitig fährt die Beschuldigte mit übersetzter Geschwindigkeit auf das vor ihr auf der rechten Fahrspur fahrende, rötliche Fahrzeug auf und bremst stark ab (19.05.19 Uhr). Dann folgt die Beschuldigte diesem Fahrzeug während rund 20 Sekunden mit minimalem Abstand, bis das rote Fahrzeug um 19.05.41 Uhr (sichtlich nervös) auf die mittlere Fahrspur wechselt und die Beschuldigte noch während dieses Spurwechsels deutlich beschleunigt und teilweise via Pannenstreifen und mit augenscheinlich höherer Geschwindigkeit als alle anderen sich im Bild befindlichen Verkehrsteilnehmer rechts an vier Fahrzeugen vorbei zieht.

    5. Zusammengefasst zeigt sich aufgrund der Videoaufnahmen zweifelsfrei, dass die Beschuldigte zum Tatzeitpunkt ein aggressives Fahrverhalten an den Tag gelegt hat. Selbst die Beschuldigte gesteht auf Vorhalt der Videoaufnahme und entsprechende Fragen ein, dass es tendenziell schon so aussehe, als sei sie aggressiv gefahren (Urk. 46 S. 9), und dass sie die Schnellste gewesen sei (Urk. 46 S. 11). Wenn die Anklagebehörde im Rahmen ihrer Berufungserklärung ausführt, das gesamte Verhalten der Beschuldigten zeige, dass sie ein klares Ziel gehabt habe, nämlich schneller als die übrigen Verkehrsteilnehmer vorwärts zu kommen (Urk. 33 S. 3 und Urk. 47 S. 3), so ist ihr darin vollumfänglich zuzustimmen. Sodann ist die neue Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht bereits anwendbar, wenn auf der Überholspur mehr Verkehr herrscht als auf der Normalspur, sondern es ist erlaubt, bei parallelem Kolonnenverkehr rechts an anderen Fahrzeugen vorbeizufahren (BGE 142 IV 93, Regeste). Aufgrund der Videoaufzeichnungen zeigt sich, dass von einem Kolonnenverkehr im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung keine Rede sein kann. Wie das Bundesgericht in

      seinem Leitentscheid BGE 142 IV 93 zum Begriff des Kolonnenverkehrs erwog, ist die Frage, ob ein solcher vorliegt nicht, stets anhand der konkreten Verkehrssituation zu beurteilen. Die Frage ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann zu bejahen, wenn es auf der linken (und mittleren) Überholspur zu einer derartigen Verkehrsverdichtung kommt, dass Fahrzeuge auf der Überholspur faktisch nicht mehr schneller vorankommen als diejenigen auf der Normalspur, mithin die gefahrenen Geschwindigkeiten annähernd gleich sind (BGE 142 IV 93 E. 4.2.1). Gerade diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Wie sich den Videoaufzeichnungen unschwer entnehmen lässt, war es jederzeit möglich, die Fahrzeuge auf der mittleren Fahrspur links zu überholen, allerdings natürlich nicht mit der von der Beschuldigten an den Tag gelegten, überhöhten Geschwindigkeit von rund 140 km/h. So ist ersichtlich, wie der helle Personenwagen von der mittleren Spur auf die Überholspur wechselte und vor der Beschuldigten einspurt, bevor diese auf die mittlere Spur wechselt. Dieser überholt in der Folge auf der linken Fahrspur die Fahrzeuge auf der mittleren Spur, wenn auch nicht mit der gleich hohen Geschwindigkeit, wie die Beschuldigte diese Fahrzeuge gleichzeitig auf der rechten Spur überholt (Urk. 5). Allein schon aufgrund dieses Umstanden kann nicht auf parallelen Kolonnenverkehr im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geschlossen werden. Hinzu kommt, dass bei objektiver Betrachtung der Verkehrslage keinesfalls von einer eigentlichen Verkehrsverdichtung gesprochen werden kann. Selbst die Verteidigung spricht bloss von einem erhöhten Verkehrsaufkommen und führt aus, es sei auf dem Video kein üblicher Handorgeleffekt ersichtlich (Prot. II S. 9). Auch die Beschuldigte spricht von einem Balken, weil die Fahrzeuge auf der Spur links von ihr zu viert fünft mit etwa gleicher Geschwindigkeit gefahren seien, nicht aber von einer Kolonne (Urk. 46 S. 12). Zum Tatzeitpunkt herrschte zwar ein reges Verkehrsaufkommen, von einem eigentlich dichten Verkehrsaufkommen kann indes noch keine Rede sein. Entsprechend klafften zwischen den einzelnen Fahrzeuggruppen denn auch sehr grosse Lücken, was bei der Konsultation der Videoaufnehmen augenscheinlich wird. Von eigentlichen Fahrzeugreihen kann denn auch nicht einmal im Ansatz gesprochen werden. Dass es namentlich bei Überholmanövern auf der Autobahn, bei welchen im Bereich der signalisierten Höchstgeschwindigkeit oftmals mit relative geringen Geschwindigkeitsdifferenzen überholt wird, kurzzeitig dazu kommen kann, dass die Überholspur besetzt und damit ein uneingeschränktes und zügiges Überholen der nachfolgenden Fahrzeuge nicht möglich ist, liegt in der Natur der Sache. Gleiches gilt für Autobahnverzweigungen, wo aufgrund vermehrter Spurwechsel kurzzeitig ein langsameres Fortkommen auf sämtlichen Spuren möglich ist. In solchen Situationen jedoch von einem parallelen Kolonnenverkehr auszugehen, wäre vollends verfehlt.

    6. Nachdem vorliegend, entgegen der Auffassung des vorinstanzlichen Richters, nicht vom Fahren in parallelem Kolonnenverkehr im Sinne von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 VRV ausgegangen werden kann, kommt diese Ausnahmebestimmung selbstredend auch nicht zur Anwendung.

    7. Gemäss Art. 35 Abs. 1 SVG ist rechts zu kreuzen und links zu überholen. Gestützt auf die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung wird derjenige Verkehrsvorgang als Überholen bezeichnet, bei welchem ein Fahrzeug an einem sich langsamer in gleicher Richtung bewegenden anderen Verkehrsteilnehmer vorbeifährt und vor diesem die Fahrt fortsetzt (BGE 95 IV 84 Erw. 1.; 101 IV 72

      Erw. 1.a); BGE 104 IV 196 Erw. 2.; BGE 115 IV 244 Erw. 2.). Muss vorgängig ausgeschwenkt werden, so beginnt das unter Art. 35 Abs. 1 SVG fallende Manöver, wenn der Überholende seine ursprüngliche Spur zum Zweck des Vorfahrens verlässt. Ein Ausschwenken vor dem Vorbeifahren ein anschliessendes Wiedereinbiegen auf die Spur des Überholten bilden somit keine notwendige Voraussetzung des Überholens im Sinne des Gesetzes (vgl. BGE 95 IV 84 Erw. 1.; 104 IV 196 Erw. 2.; 115 IV 244 Erw. 2. sowie BGer 6S.71/2005 vom 3. Juni 2005,

      Erw. 2.). Wie sich den Videoaufnahmen entnehmen lässt, hat sich die Beschuldigte auf der Überholspur mit überhöhter Geschwindigkeit einem Fahrzeug, welches sich inmitten eines korrekten Überholmanövers befand, genähert. Als zwischen diesem Fahrzeug und dem Fahrzeug der Beschuldigten noch ein weiteres Fahrzeug korrekt von der Mittelspur auf die Überholspur wechselte, beschloss die Beschuldigte, auf die Mittelspur und von dort auf die rechten Fahrspur zu wechseln, um auf diese Weise rascher an dem sich kurzzeitig auf den anderen beiden Spuren gebildeten Fahrzeugkonglomerat vorbei zu gelangen. Damit machte die Beschuldigte nichts anderes, als dass sie im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung langsamere, in gleicher Richtung vorausfahrende Fahrzeuge einholte, an diesen rechts vorbei fuhr und vor ihnen die Fahrt fortsetzte. Mit anderen Worten: die Beschuldigte überholte die anderen Verkehrsteilnehmer wissenund willentlich rechts, was in Anwendung von Art. 35 Abs. 1 SVG ein tatbestandsmässiges Verhalten darstellt. Das von der Beschuldigten an den Tag gelegte Fahrverhalten kann denn auch mitnichten als passives Rechtsvorbeifahren betrachtet werden. Denn im Gegensatz zu jenem Automobilisten, der erlaubterweise im parallelen Kolonnenverkehr mit konstanter Geschwindigkeit (mithin also passiv) rechts vorbei fährt, taucht die Beschuldigte plötzlich und vollkommen unvermittelt mit höherer Geschwindigkeit auf der rechten Fahrspur auf. Sie bewegt sich dort denn auch mit nach wie vor überhöhter Geschwindigkeit, was summa summarum eben zu einer abstrakt erhöhten Gefahrensituation führt und daher tatbestandsmässig ist (vgl. hierzu BGE 142 IV 93 E. 4.2.2.).

    8. Schliesslich kann die Beschuldigte auch nichts zu ihren Gunsten ableiten, wenn sie vorbringt, dass sie auf der rechten Spur das kleinere Verkehrshindernis gewesen sei, als wenn sie auf der linken Spur nach vorne gefahren wäre und erst kurz vor der Ausfahrt auf die rechte Spur gewechselt hätte (Urk. 46 S. 6 und 9). Ihr wird nicht der Wechsel auf die rechte Spur vorgeworfen, sondern dass sie dort mit überhöhter Geschwindigkeit die Fahrzeuge auf der mittleren Fahrspur rechts überholte. Ein solches Rechtsüberholen ist zweifelsohne gefährlich, zumal die Fahrzeuge auf der mittleren Spur nicht damit rechnen mussten und sämtliche anderen auf der Videoaufnahme ersichtlichen Fahrzeuge in einem langsameren Tempo als die Beschuldigte unterwegs waren. Die Beschuldigte hätte stattdessen ohne Weiteres auf die rechte Spur wechseln und ihr überhöhtes Tempo reduzieren können.

    9. In Gutheissung der Berufung der Anklagebehörde und in Abänderung von Dispositiv Ziffer 1 des angefochtenen Entscheides ist die Beschuldigte nach dem Gesagten der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 35 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90 Abs. 2 SVG schuldig zu sprechen. Schuldausschlussund/oder Rechtfertigungsgründe liegen keine vor.

III. Sanktion
  1. Strafzumessung

    1. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung gemäss Art. 47 ff. StGB wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4. ff; 135 IV 130

      E. 5.3.1.; 132 IV 102 E. 8.1.; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden.

      Da vorliegend die Anklagebehörde Berufung erhoben hat, ist das Verschlechterungsverbot unbeachtlich (Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO).

    2. Die Anklagebehörde kritisiert das Strafmass der Vorinstanz. Dieses sei klar zu tief, was auf den zu Unrecht erfolgten Teilfreispruch vom zweiten Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrsregeln zurückzuführen sei. Die Deliktsmehrheit sei innerhalb des ordentlichen Strafrahmens erheblich straferhöhend zu berücksichtigen. Die Beschuldigte habe durch ihr Verhalten im Strassenverkehr mehrfach eine erhebliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer herbeigeführt. Beide Taten würden objektiv nicht mehr leicht wiegen, weil es in beiden Fällen bei einer Verwirklichung der hohen Unfallgefahr auf der Autobahn zu erheblichen Verletzungen gar Toten hätte kommen können. Die Beschuldigte habe offensichtlich einfach schneller vorankommen wollen, als der regelkonforme Verkehr vor und neben ihr, was die Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer nicht zu rechtfertigen und das Verschulden nicht zu relativieren vermöge, insbesondere da es für die Beschuldigte ein Leichtes gewesen wäre, den Mindestabstand einzuhalten und auch das Rechtsüberholen nicht nachvollziehbar sei, zumal sie selber ausgesagt habe, sie habe es nicht eilig gehabt. Die Beschuldigte sei nicht vorbestraft, was der Normalfall sei. Ein wirkliches Geständnis liege nicht vor, auch habe sie weder Einsicht noch Reue gezeigt. Insgesamt erscheine eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen angemessen, wobei der von der Vorinstanz festgesetzte Tagessatz nicht zu beanstanden sei. Schliesslich sei eine Verdoppelung der Verbindungsbusse auf Fr. 1'000.angezeigt. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben und die Probezeit auf zwei Jahre festzusetzen (Urk. 47 S. 6-9).

    3. Die Verteidigerin der Beschuldigten führte anlässlich der Berufungsverhandlung in Bezug auf die Strafzumessung aus, es sei den Ausführungen der

      Vorinstanz zu folgen. Das Überholen bzw. das Vorbeifahren sein nicht in einer aggressiven Art erfolgt, sondern jede Handlung sei korrekt und regelkonform gewesen. Die Beschuldigte habe einen einwandfreien Leumund. Die Strafe von 30 Tagessätzen für das ungenügende Abstandhalten scheine angemessen und aufgrund des beantragten Freispruches würden sich weitere Ausführungen zur Strafzumessung erübrigen (Prot. II S. 12).

  2. Strafrahmen

    1. Die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass Widerhandlungen gegen Art. 90 Abs. 2 SVG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe sanktioniert werden. Innerhalb dieses Strafrahmens ist die nachfolgend auszufällende Sanktion festzulegen.

    2. Von den beiden, von der Beschuldigten zu verantwortenden Delikten, wiegt im konkreten Fall das Hintereinanderfahren ohne ausreichenden Abstand (Widerhandlung gegen Art. 34 Abs. 4 SVG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 VRV) mit Blick auf das Verschulden leicht schwerer. Dementsprechend ist die Einsatzstrafe ausgehend von diesem Delikt zu bestimmen.

  3. Tatkomponente

    1. Einsatzstrafe für das Hintereinanderfahren ohne ausreichenden Abstand

      1. Gestützt auf den erstellten Sachverhalt schloss die Beschuldigte bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h mit einem absolut ungenügenden Abstand von maximal lediglich 6 Metern über eine Distanz von 400 Metern auf das vor ihr fahrende Fahrzeug auf. Das von der Beschuldigten an den Tag gelegte Verhalten war nicht nur in hohem Masse gefährlich, sondern beinhaltet durch das aggressive, geradezu dränglerische Verhalten auch eine bedenkliche, nötigende Komponente. Dass sich der unmittelbar vor der Beschuldigten fahrende Automobilist dadurch unter Druck gesetzt fühlte und sichtlich bemüht war, die rechte Fahrspur so rasch wie möglich für die Beschuldigte frei zu machen, lässt sich aufgrund der Videoaufnahmen unschwer erkennen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beschuldigte mit ihrem Fahrverhalten nicht nur sich selbst, sondern auch die vor ihr

        und die nachfolgenden Automobilisten erheblich gefährdete. Die objektive Tatschwere ist, gemessen an allen unter diesen Tatbestand fallenden und denkbaren Delikten, noch als leicht zu bezeichnen.

      2. In subjektiver Hinsicht ist zu konstatieren, dass die Beschuldigte direkt vorsätzlich handelte. Vor Vorinstanz führte die Beschuldigte auf Befragen hin aus, sie könne ihre Beweggründe nicht mehr nennen. Wahrscheinlich habe sie sich wieder über die notorischen Linksfahrer genervt und sich deshalb gedacht ich lasse es gut sein und fahre nach rechts. Es sei ihr nicht darum gegangen schnell vorwärts zu kommen. Sie sei schliesslich nicht im Stress gewesen (Prot. I. S. 6). Die Beschuldigte legte damit ohne Not ein aggressives und unbeherrschtes Fahrverhalten an den Tag, welches als verwerflich zu qualifizieren ist. Das subjektive vermag unter diesen Umständen das objektive Tatverschulden in keiner Art und Weise zu mindern.

      3. Insgesamt ist von einem gerade noch leichten Tatverschulden auszugehen. In Anbetracht des Umstandes, dass im Bereich der Massendelinquenz im Strassenverkehr notorischerweise in aller Regel Einsatzstrafen im untersten Strafdrittel festgesetzt werden, rechtfertigt es sich, eine Einsatzstrafe von 30 Tagessätzen zu veranschlagen.

    2. Strafe für das verbotene Rechtsüberholen

      1. Die Beschuldigte ist gestützt auf den erstellten Sachverhalt von der Überholspur auf die mittlere Fahrspur und von dort auf den Normalstreifen gewechselt, um dort an zwei auf der mittleren Fahrspur fahrenden Personenwagen vorbei zu fahren. Angesichts des konkreten Verkehrsaufkommens durften sich dabei die beiden überholten Automobilisten darauf verlassen, dass sie auf der rechten Seite nicht überholt würden. Dessen ungeachtet überholte die Beschuldigte rechts und zwar just im unmittelbaren Bereich einer Rastplatzausfahrt. Dieses Fahrverhalten kann bei objektiver Betrachtung nicht anders als gefährlich und rücksichtslos bezeichnet werden. Auch in Bezug auf dieses deliktische Verhalten der Beschuldigten ist - unter Verweis auf das zuvor unter Ziffer III.3.3.1 Ausgeführte - das objektive Tatverschulden noch als leicht zu bezeichnen.

      2. In subjektiver Hinsicht kann vollumfänglich auf das unter Ziffer 6.3.2 vorstehend Erwogene verwiesen werden.

      3. Insgesamt erweist sich das Tatverschulden betreffend das verbotene Rechtsüberholen noch als leicht, was für sich alleine betrachtet eine Einsatzstrafe von 30 Tagessätzen rechtfertigen würde. Unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips erweist sich eine Erhöhung um 20 Tagessätze auf total 50 Tagessätze für das Tatverschulden der beiden Delikte als angemessen.

  4. Täterkomponente

    1. Die Vorinstanz hat die persönlichen und finanziellen Verhältnissen der Beschuldigten korrekt zusammengefasst. Auf die betreffenden Erwägungen kann vorab verwiesen werden (Urk. 38 S. 16; Art. 82 Abs. 4 StPO). Anlässlich der Berufungsverhandlung ergänzte die Beschuldigte zudem, sie habe ein Auto verkauft und die Nummer des anderen Autos abgegeben, um die Kosten zu senken, weil sie nicht wisse, was auf sie zukomme. Sie habe ihren Arbeitgeber über das Verfahren sowie über den drohenden Ausweisentzug informiert und sie würden für die Zeit des Ausweisentzuges gemeinsam eine Lösung suchen, sobald feststehe, wie lange dieser andaure (Urk. 46 S. 2 ff.).

    2. Insgesamt lassen sich den persönlichen und finanziellen Verhältnissen der Beschuldigten keinerlei strafzumessungsrelevante Faktoren entnehmen. Sie wirken sich mithin strafzumessungsneutral aus.

    3. Die Beschuldigte ist im Strafregister nicht verzeichnet (Urk. 32). Hingegen besteht eine ADMAS Eintragung. Demnach ihr wegen einer Geschwindigkeits- überschreitung der Führerausweis für einen Monat entzogen (Urk. 7/5, Prot. I.

      S. 2; Urk. 46 S. 4 f.). Der geringfügig getrübte automobilistische Leumund der Beschuldigten ist leicht straferhöhend zu berücksichtigen.

    4. Unter dem Titel Nachtatverhalten kann die Beschuldigte nichts zu ihren Gunsten ableiten. Das Gegenteil ist der Fall. Vor Vorinstanz zeigte sich die Beschuldigte uneinsichtig und schob die Verantwortung für ihr Fehlverhalten soweit sie ein solches überhaupt eingestand auf die übrigen Verkehrsteilnehmer.

      Ihr unkritisches und uneinsichtige Verhalten ist insbesondere deshalb bedenklich, weil die Beschuldigte von Beruf Lastwagenchauffeuse ist. Auch anlässlich der Berufungsverhandlung war die Beschuldigte nicht im eigentlichen Sinne geständig, so dass entsprechend auch keine Reue, Einsicht ein anderes die Strafe reduzierendes Nachtatverhalten ersichtlich ist.

  5. Zwische nfazit

    Ausgehend von einer Einsatzstrafe von 50 Tagessätzen und unter Berücksichtigung der Täterkomponente und des Nachtatverhaltens ist eine Erhöhung um 5 Tagessätze auf insgesamt 55 Tagessätze angezeigt.

  6. Tagessatzhöhe

    1. Ein Tagessatz beträgt höchstens Fr. 3'000.-. Das Gericht bestimmt dessen Höhe nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familienund Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB). Ausgangspunkt bildet das Einkommen, das dem Täter durchschnittlich an einem Tag zufliesst, wobei die Quelle der Einkünfte nicht relevant ist. Massgebend ist die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Zum Einkommen zählen Einkünfte aus selbständiger und unselbständiger Arbeit, Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb, aus der Landund Forstwirtschaft und aus dem Vermögen (Mietund Pachtzinsen, Kapitalzinsen, Dividenden usw.), ferner privatund öffentlichrechtliche Unterhaltsund Unterstützungsbeiträge, Renten, Sozialversicherungsund Sozialhilfeleistungen sowie Naturaleinkünfte. Was gesetzlich geschuldet ist dem Täter wirtschaftlich nicht zufliesst, ist abzuziehen, so die laufenden Steuern, die Beiträge an die obligatorische Krankenund Unfallversicherung, sowie die notwendigen Berufsauslagen bzw. bei Selbständigerwerbenden die branchenüblichen Geschäftsunkosten (BGE 134 IV 60

      E. 6.1 mit weiteren Hinweisen).

    2. Das Nettoeinkommen der Beschuldigten beläuft sich auf Fr. 5'373.--. Davon ist die Krankenkassenprämie von rund CHF 285.- und die mutmassliche

      Steuerbelastung von rund CHF 500.abzuziehen (Urk. 42/1-4). Unterstützungspflichten hat die Beschuldigte keine. Berufsauslagen macht sie sodann nicht geltend. Angesichts dieser finanziellen Verhältnisse erscheint die von Vorinstanz ermittelte Tagessatzhöhe von Fr. 90.als deutlich zu milde. Angemessen erscheint vielmehr eine Tagessatzhöhe von Fr. 130.-.

  7. Fazit

    Die Beschuldigte ist meiner Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu Fr. 130.zu bestrafen.

  8. Vollzug

    1. Mit der Vorinstanz ist der Beschuldigten der bedingte Vollzug der Geldstrafe zu gewähren (Urk. 30 S. 17; Art. 82 Abs. 4 StPO).

    2. Die Probezeit ist ebenfalls in Bestätigung der vorinstanzlichen Regelung (Urk. 30 S. 18; Art. 82 Abs. 4 StPO) auf das gesetzliche Minimum von zwei Jahren festzulegen.

  9. Verbindungsbusse

    1. Um der Beschuldigten vor Augen zu führen, was bei Nichtbewährung drohe, erachtete es die Vorinstanz als angebracht, eine Verbindungsbusse im Sinne von Art. 42 Abs. 4 StGB auszusprechen (Urk. 30 S. 16). Auch die Anklagebehör- de beantragt eine Verbindungsbusse (Urk. 47 S. 1).

    2. Art. 42 Abs. 4 StGB dient in erster Linie dazu, die Schnittstellenproblematik zwischen der Busse (für Übertretungen) und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen) zu entschärfen (Botschaft 2005, S. 4695, 4699 ff. und 4705 ff.). Auf Massendelikte, die im untersten Bereich bloss mit Bussen geahndet werden, soll

      auch mit einer unbedingten Sanktion reagiert werden können, wenn sie die

      Schwelle zum Vergehen überschreiten. Art. 42 Abs. 4 StGB verhilft somit im Bereich der leichteren Kriminalität zu einer rechtsgleichen Sanktionierung (BGE 134 IV 82, Erw. 8) und übernimmt auch Aufgaben der Generalprävention (BGE 134 IV 1, Erw. 4.5.1). Die unbedingte Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse

      trägt ferner dazu bei, das unter spezialund generalpräventiven Gesichtspunkten eher geringe Drohpotential der bedingten Geldstrafe zu erhöhen. Sie kommt in Betracht, wenn man dem Täter den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe gewähren möchte, ihm aber dennoch in gewissen Fällen mit der Auferlegung einer zu bezahlenden Geldstrafe Busse einen spürbaren Denkzettel verabreichen möchte, um ihm (und soweit nötig allen anderen) den Ernst der Lage vor Augen zu führen und zugleich zu demonstrieren, was bei Nichtbewährung droht. Die Strafenkombination, wie sie Art. 42 Abs. 4 StGB vorsieht, ist im Verlaufe der Revision als sursis qualitativement partiel bezeichnet worden (BGE 134 IV 1, E. 4.5.; BGE 134 IV 60, E. 7.3.1 und 7.3.2).

    3. Angesichts der erheblichen finanziellen Konsequenzen der durch die Beschuldigte zu verantwortenden Delinquenz sie hat, wie nachfolgend darzulegen ist, sämtliche Verfahrenskosten zu tragen - und des zudem zu erwartenden, neuerlichen Fahrerausweisentzuges, erscheint vorliegend die zusätzliche Ausfällung einer Verbindungsbusse für die nicht vorbestrafte Beschuldigte nicht angezeigt. Es darf angenommen werden, dass der Beschuldigten die Folgen ihres Verhaltens auch ohne eine solche Verbindungsbusse deutlich genug vor Augen geführt wurden.

IV. Kostenund Entschädigung
  1. Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens

    Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens sind ausgangsgemäss vollumfänglich der Beschuldigten aufzuerlegen (Art. 426 Abs. 1 StPO).

  2. Kosten des Berufungsverfahre ns

    1. Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 3'000.festzusetzen.

    2. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Beschuldigte unterliegt mit Ausnahme der nebensächlichen Verbindungsbusse vollumfänglichen, weshalb ihr ausgangsgemäss die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen sind.

  3. Entschä digung

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist der Beschuldigten weder für das erstinstanzliche Verfahren noch für das Berufungsverfahren eine Entschädigung für anwaltliche Verteidigung zuzusprechen (Art. 429 ff. StPO).

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Bülach, Einzelgericht, vom 29. November 2016 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1. ( )

    2. Die Beschuldigte ist schuldig der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV.

    3. - 5.( )

    6. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    7.-8. ( )

    1. (Mitteilungen)

    2. (Rechtmittel)

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte A.

    ist zudem schuldig der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung Art. 35 Abs. 1 SVG.

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu Fr. 130.-.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.-.

  5. Die Kosten der Untersuchung, des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens werden der Beschuldigten auferlegt.

  6. Der Beschuldigten wird keine Entschädigung für anwaltliche Verteidigung zugesprochen.

  7. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (übergeben) sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich

      (PIN-Nr. )

    • die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Rekursabteilung, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich (PIN-Nr. )

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A.

  8. Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Zürich, 28. August 2017

Der Präsident:

Dr. iur. F. Bollinger

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Leuthold-Bärtsch

Zur Beac htung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.