Zusammenfassung des Urteils SB160264: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 11. November 2016 in einem Fall von fahrlässiger Körperverletzung entschieden. Der Beschuldigte wurde freigesprochen, da die Kollision nicht auf mangelnde Aufmerksamkeit oder zu hohe Geschwindigkeit zurückzuführen war, sondern auf die unklare Ausgestaltung der Verkehrssituation. Die Vorinstanz hatte bereits festgestellt, dass keine vorwerfbare Verletzung einer Sorgfaltspflicht vorlag. Die Entscheidung des Obergerichts bestätigte den Freispruch und regelte die Kosten- und Entschädigungsfolgen gemäss den vorherigen Urteilen. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen. Der Beschuldigte erhält eine Prozessentschädigung von Fr. 1'800.-.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB160264 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 11.11.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Fahrlässige Körperverletzung |
Schlagwörter : | Strasse; Trottoir; Beschuldigte; -Strasse; Privatkläger; Recht; Beschuldigten; Berufung; Licht; Fahrzeug; Verkehr; Rechtsvortritt; Vorinstanz; Unfall; Strassen; Trottoirüberfahrt; Verkehrs; Staatsanwalt; Geschwindigkeit; Vortritt; Privatklägers; Urteil; Staatsanwaltschaft; Kollision; übersichtlich |
Rechtsnorm: | Art. 12 StGB ;Art. 125 SVG ;Art. 125 StGB ;Art. 15 VRV ;Art. 26 SVG ;Art. 31 SVG ;Art. 32 SVG ;Art. 399 StPO ;Art. 4 VRV ;Art. 428 StPO ;Art. 4a VRV ;Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 116 IV 306; 123 IV 218; 134 IV 204; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB160264-O/U/hb-cs
Mitwirkend: der Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, die Ersatzoberrichterin
lic. iur Haus Stebler und der Ersatzoberrichter lic. iur. Wenker sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur Schwarzenbach-Oswald
Urteil vom 11. November 2016
in Sachen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. Kehrli,
Anklägerin und Berufungsklägerin
sowie
,
Privatkläger und Berufungskläger
gegen
,
Beschuldigter und Berufungsbeklagter
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
betreffend fahrlässige Körperverletzung
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 1. Dezember 2015 (Urk. 19) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz :
Der Beschuldigte B. ist der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB nicht schuldig und wird freigesprochen.
Die Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz, die weiteren Auslagen betragen:
Die Kosten und Auslagen des Vorverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten wird eine Prozessentschädigung von Fr. 6'205.70 (8% MwSt darin enthalten) für seine anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Prot. I S. 14, sinngemäss)
In Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils sei der Beschuldigte freizusprechen, unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse für beide Instanzen.
Der Staatsanwaltschaft See/Oberland: (Urk. 65)
Der Beschuldigte sei schuldig zu sprechen der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte sei zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 280.sowie mit einer Busse von CHF 1'700.-.
Gewährung des bedingten Vollzugs der Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse.
Kostenauflage.
Des Privatklägers: (Urk. 56, schriftlich)
keine Anträge
Erwägungen:
1. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Meilen, Einzelgericht in Strafsachen, vom
April 2016 wurde der Beschuldigte vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB frei gesprochen. Eine Entscheidgebühr wurde nicht festgesetzt. Die übrigen Kosten wurden auf die Gerichtskasse genommen und dem Beschuldigten eine Prozessentschädigung von Fr. 6'205.70 (8% MwSt darin enthalten) für seine anwaltliche Vertretung aus der Gerichtskasse zugesprochen (Urk. 54).
Gegen dieses am 11. April 2016 im Dispositiv versandte Urteil (Urk. 45) meldeten der Privatkläger mit Schreiben vom 20. April 2016 einerseits (Urk. 50) und die Staatsanwaltschaft See/Oberland (fortan Staatsanwaltschaft) mit Eingabe vom 21. April 2016 andererseits (Urk. 49) innert Frist die Berufung an. Das begründete Urteil wurde den Parteien am 17. Juni 2016 zugestellt (Urk. 53/1-3). Der Privatkläger gelangte mit Schreiben vom 28. Juni 2016 an die Vorinstanz und brachte seine Überraschung über den Freispruch zum Ausdruck. Er zog die Berufung sinngemäss zurück, machte aber eine ihm wichtig erscheinende Ergänzung zum Polizeirapport, den er in der Zwischenzeit habe lesen können. Er gab den hinter ihm fahrenden Lenker für allfällige Rückfragen zur Situation (Geschwindigkeit des Privatklägers, Fahrverhalten und Licht) als Zeugen namentlich an und nannte dessen Telefonnummer. Weiter legte er seine Rechtsauffassung dar
(Urk. 56). Die Staatsanwaltschaft legte die Berufungserklärung im Sinne von
Art. 399 Abs. 3 StPO fristgerecht ein. Beweisanträge wurden keine gestellt
(Urk. 58). Mit Präsidialverfügung vom 14. Juli 2016 wurde dem Beschuldigten sowie dem Privatkläger Frist zur Erhebung einer Anschlussberufung angesetzt
(Urk. 59). Der Beschuldigte verzichtete auf dieses Recht, reichte aber mit Eingabe vom 22. August 2016 aufforderungsgemäss Unterlagen zu seinen finanziellen Verhältnissen ein (Urk. 61 und 62/1-5). Der Privatkläger liess sich nicht mehr vernehmen.
Im Rahmen der Berufungserklärung wurde das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich angefochten und die Berufung seitens der Staatsanwaltschaft nicht beschränkt. Demnach liegt keine Teilrechtskraft vor. Vom Rückzug der Berufung durch den Privatkläger ist Vormerk zu nehmen.
Da es sich beim Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung um ein Antragsdelikt handelt, ist das Vorliegen eines gültigen Strafantrags Prozessvoraussetzung. Der Privatkläger hat innert Frist den erforderlichen Strafantrag gestellt (Urk. 2). Zudem hat sich der Geschädigte wie die Vorinstanz zutreffend festhielt
mit dem Formular „Geltendmachung von Rechten als Privatklägerschaft“ ausdrücklich als Privatkläger konstituiert, jedoch keine Zivilforderungen geltend gemacht (Urk. 12/5).
Anklagevorwurf und anerkannter Sachverhalt
Zunächst kann auf die Anklageschrift (Urk. 19) und die zutreffende Zusammenfassung des Anklagevorwurfs durch die Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 54 S. 4f., Art. 82 Abs. 4 StPO).
Der Beschuldigte anerkennt, wie auch schon von der Vorinstanz dargestellt, dass er am 13. März 2015, um ca. 18.20 Uhr, in C. sein Auto von der
D. -Strasse kommend durch die E. -Strasse mit einer geschätzten Geschwindigkeit von ca. 20 bis 25 km/h bergwärts lenkte, das parallel zur F. - Strasse verlaufende Trottoir überfuhr und es dabei auf der F. -Strasse zur Kollision mit dem Fahrzeug des Privatklägers kam (Urk. 34 S. 1f. sowie Prot. II
S. 8). Die Vorinstanz hat den in der Anklageschrift enthaltenen Sachverhalt richtigerweise dahingehend präzisiert, dass der Beschuldigte die F. -Strasse überqueren und nicht etwa in diese (rechts) abbiegen wollte (Urk. 54 S. 8).
Die aufgrund der Kollision erlittenen Verletzungen des Privatklägers werden seitens des Beschuldigten nicht bestritten (Prot. I S. 10). Hingegen stellt der Beschuldigte in Abrede, unaufmerksam gewesen zu sein und dass seine Geschwindigkeit nicht angemessen gewesen sein soll, insbesondere wenn man von ca. 20km/h ausgehe. Er macht geltend, das Trottoir als solches sei insbesondere bei Dunkelheit - durch nichts erkennbar; es habe weder bauliche, taktile noch optische Massnahmen, welche auf ein solches Trottoir hinwiesen und eine Beschilderung fehle, so dass er die Trottoirüberfahrt nicht habe wahrnehmen können. Die Strasse führe von unten absatzlos und ohne wahrnehmbare Kennzeichnung über dieses Trottoir. Somit sei in der konkreten Situation von unten aus der steilen
E. -Strasse herkommend für ihn nicht erkennbar gewesen, dass er keinen
Rechtsvortritt habe. Ausserdem weist der Beschuldigte darauf hin, dass er den
Privatkläger eventuell aus dem Grund nicht wahrgenommen habe, weil dieser möglicherweise ohne Licht gefahren sei (Urk. 34 S. 3ff. und Prot. II S. 9ff.).
Umstrittener Sachverhalt
Die Vorinstanz hat die Grundsätze der Beweiswürdigung, insbesondere zur Aussagenwürdigung richtig dargestellt (Urk. 54 S. 6ff.). Sie hat auch zutreffende Ausführungen zur Frage der Glaubwürdigkeit der Beteiligten und dazu, dass der Glaubhaftigkeit der konkreten Aussagen primäre Bedeutung zukommt, gemacht. Darauf kann verwiesen werden (Urk. 54 S. 8ff., Art. 82 Abs. 4 StPO).
Licht am Fahrzeug des Privatklägers
Der Beschuldigte gab während des ganzen Verfahrens konstant an, er habe den Privatkläger erst unmittelbar vor der Kollision wahrgenommen. Auf dem unmittelbar nach der Kollision vom Beschuldigten aufgenommenen Bild der Unfallsituation ist ersichtlich, dass beim Auto des Privatklägers im Gegensatz zu demjenigen des Beschuldigten kein Licht brennt (Urk. 10/7). Der Privatkläger hatte in der Untersuchung - noch bevor der Beschuldigte die Vermutung aufstellte, ersterer sei möglicherweise ohne Licht gefahren - nur die allgemeine Aussage deponiert, er fahre immer mit Licht. Da die Aufnahme kurz nach der Kollision die Version des Beschuldigen stütze und es doch ab und zu vorkomme, dass Fahrzeuge ohne Licht unterwegs seien, kam die Vorderrichterin in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo zum Schluss, zugunsten des Beschuldigten sei davon auszugehen, dass die Lichter am Fahrzeug des Privatklägers nicht eingeschaltet gewesen seien, bevor es zur Kollision kam (Urk. 54 S. 9ff. mit Verweisen auf die einschlägigen Aktenstellen).
In seiner Eingabe vom 28. Juni 2016 wies der Privatkläger darauf hin, dass er das Licht standardmässig immer und auch am fraglichen Abend eingeschaltet gehabt habe. Diese Standardeinstellung habe er beim Subaru Forester (Unfallfahrzeug) und auch bei seinem neuen Volvo. Beim Aussteigen aus dem Auto ziehe er jeweils den Schlüssel heraus. Die Lichter würden beim Ausschalten des Motors und Herausziehen des Schlüssels automatisch abstellen, was das abgeschaltete Licht nach dem Unfall erkläre. Dies könnten Bekannte und Familienangehörige bestätigen, die teilweise auch sein Auto lenkten. Weiter nannte der Privatkläger als möglichen Zeugen den am Unfallabend hinter ihm fahrenden Fahrzeuglenker (Urk. 56 S. 4). Auch anlässlich der Berufungsverhandlung führte der Privatkläger aus, dass er das Licht eingeschaltet gehabt habe (Prot. II S. 13). Die Berufungsklägerin wies anlässlich der Berufungsverhandlung ebenfalls darauf hin, dass es nachvollziehbar sei, dass das Licht am Fahrzeug des Privatklägers automatisch erloschen sei, nachdem dieser nach der Kollision den Motor abgestellt und vor dem Aussteigen den Schlüssel gezogen habe. Zudem habe der Privatkläger klar und einleuchtend ausgeführt, er fahre immer mit Licht (Urk. 65 S. 2). Nachdem die Vorschrift gilt, dass Fahrzeuge stets, mithin auch tagsüber, mit eingeschalteten Lichtern zu fahren haben, erscheint die Angabe des Privatklägers, er fahre immer mit der Standardeinstellung (gemeint mit Licht), glaubhaft. Es ist allgemein bekannt, dass bei Einstellen der Automatikfunktion die Lichter am Auto beim Starten des Motors automatisch eingeschaltet und beim Abstellen und Verlassen des Fahrzeugs nach dem Abziehen des Schlüssels wieder automatisch abgestellt werden. Folglich dürften keine erheblichen Zweifel an der Aussage des Privatklägers, wonach er immer mit Licht fahre, was bedeutet, dass er auch am Unfallabend mit Licht fuhr, angebracht sein. Vielmehr ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Privatkläger am betreffenden Abend mit Licht fuhr. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben, wie noch zu zeigen sein wird.
Örtliche Verhältnisse und Trottoirüberfahrt
Die Vorderrichterin hat sich einlässlich mit der Frage der Erkennbarkeit des Trottoirs und, ob im konkreten Fall eine nicht vortrittsberechtigte Trottoirüberfahrt vorliegt, befasst. Sie gelangte zum Schluss, das Trottoir sei nicht genügend als solches zu erkennen gewesen (Urk. 54 S. 17). Daran hielt auch die Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung fest (Prot. II S. 16f.). Die Berufungsklägerin hält dem entgegen, das Trottoir sei gut sichtbar mit Verbundsteinen gegenüber der Strasse abgegrenzt, was auch bei Dunkelheit erkennbar sei. Schon auf den Fotos der Polizei und denjenigen, welche der Beschuldigte eingereicht habe, sei
die Abgrenzung des Trottoirs zur E. -Strasse und zur F. -Strasse gut erkennbar. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse müsse diese Einmündung von der steil ansteigenden E. -Strasse herkommend über ein Trottoir und alsdann in die F. -Strasse sehr vorsichtig befahren werden, dann könne auch ein auf der F. -Strasse daherkommender Verkehrsteilnehmer problemlos rechtzeitig wahrgenommen und diesem der Vortritt gewährt werden. Sie qualifiziert das ihrer Ansicht nach zügige Überqueren des Trottoirs und der F. -Strasse als fahrlässig (Urk. 58, Urk. 65 S. 3f.).
Die Vorderrichterin verwies zunächst auf die Aussagen des Beschuldigten und hielt zutreffend fest, dieser habe von Anfang an und gleichbleibend angegeben, er habe das Trottoir nicht erkennen können und sei deshalb der Ansicht gewesen, auf der Kreuzung, wo sich der Unfall ereignete, gelte Rechtsvortritt
(Urk. 54 S. 11 mit Verweisen auf den Rapport Urk. 1 S. 3 sowie die Einvernahmen in der Untersuchung Urk. 4 und 6 sowie vor Vorinstanz Prot. I S. 8ff.). Diese Aussagen sind näher zu beleuchten.
Schon auf der Unfallstelle hatte der Beschuldigte angegeben, er sehe nicht ein, dass es sich hier bei der Überfahrt um ein Trottoir handeln solle; er sei der Meinung, dass dort Rechtsvortritt gelte. Er sei deshalb auch vortrittsberechtigt und habe wohl auch gedacht, dass an diesem Ort Rechtsvortritt gelte. Wenn dem nicht so sei, dann müsse man bei der Gemeinde diesbezüglich vorstellig werden (Urk. 1 S. 3).
In der Einvernahme vom 18. Juni 2015 führte der Beschuldigte aus, er sei wegen Stau auf der D. -Strasse - diese E. -Strasse, welche er zuvor nicht gekannt habe, hoch gefahren. Das nächste woran er sich erinnere, sei, dass es geknallt habe. Als er gesehen habe, dass dort eine Strassenquerung sei, sei er davon ausgegangen, dass er Vortritt habe. Die Strasse sei extrem steil, er schätze, er sei mit ca. 20 25 km/h gefahren und praktisch ungebremst in die Strassenkreuzung gefahren. Wenn man dort hochfahre, erkenne man die
F. -Strasse nicht. Das Trottoir sei vollkommen unsichtbar. Auf der rechten Seite gebe es dort noch eine Mauer, welche die Sicht behindere. Deshalb habe er seine Aufmerksamkeit nach rechts gerichtet. Auf die Frage, wann er bemerkt habe, dass eine Strasse von links seine Fahrbahn kreuze, erklärte der Beschuldige, es werde einem erst wirklich klar, wenn man beim Trottoir stehe. Man habe an jener Stelle den Eindruck, die Strasse verlaufe gerade nach oben. Um die Kuppe zu bemerken, müsse man ganz oben sein, damals sei auch Abend und stockdunkel gewesen (Urk. 4 S. 2f.). Der verfahrensleitende Staatsanwalt hielt dem Beschuldigten vor, es sei eine nicht besonders übersichtliche Stelle dort, aber man müsse seine Geschwindigkeit an unübersichtlichen Stellen den Verhältnissen anpassen, worauf dieser entgegnete, es sei gar keine unübersichtliche Stelle. Man habe den Eindruck, man sei auf einer vortrittsberechtigten Strasse. Wenn man von unten komme, erkenne man irgendwann auf der ansteigenden Strasse die Leitlinie und dass an jener Stelle Rechtsvortritt gelte. Der Beschuldigte reichte Bilder, welche er von der E. -Strasse her aus seinem Fahrzeug, das er auch am Unfallabend gefahren hatte, heraus aufgenommen hatte, zu den Akten (Urk. 4 S. 4 und Urk. 5). Er wies nochmals darauf hin, dass man von unten kommend bis wenige Meter vor der Kreuzung nicht erkenne, dass eine Trottoirüberführung folge; man sehe auch nicht, dass es sich dort um ein Trottoir handle, es gebe keine Erhebung. Die Bordsteine seien in die Strasse eingelassen. Wenn man von unten hoch fahre, habe man keine Ahnung, was dort sei bzw. dass dort ein Trottoir sei. Man sehe dann einen Abbiegeradius auf der rechten Seite. Beim Hochfahren gebe es auf der rechten Seite (gemeint von der E. -Strasse) auch kein Trottoir, was ebenfalls dazu beitrage, dass man bei der querenden Strasse nicht mit einem Trottoir rechne. In den zwei drei Sekunden, in denen man sich diesem Bereich nähere, denke man nicht an so etwas, man rechne eher mit einer verkehrsberuhigenden Rampe. Auf den Vorhalt des Staatsanwaltes, er gebe ja an, dass es sich um eine unklare Strassensituation handle und die Frage, ob dies nicht dazu auffordere, besonders vorsichtig in diese hineinzufahren, erklärte der Beschuldigte, wenn dies für ihn als heikle Stelle erkennbar gewesen wäre, wäre er dort langsamer durch gefahren: Unten bei der D. -Strasse sei die Abzweigung in die E. -Strasse relativ breit, man habe nicht das Gefühl, in eine schmale Quartierstrasse hineinzufahren. Auch nach oben sei die Strasse relativ breit, sie sei auch viel breiter als die F. -Strasse, es habe dort keine Erhebung, die Strasse führe in einem Zug nach oben, es gebe keine Rampe, die Strasse flache dort
ab, wo die (F. -)Strasse quere und führe wieder gleich steil nach oben. Es handle sich um eine 30iger-Zone. Er sei einfach erschrocken, als plötzlich das Auto da gewesen sei, mit dem er nicht gerechnet habe. Der Beschuldigte erklärte sodann, es tue ihm natürlich leid, wenn sich der Privatkläger verletzt habe. Schliesslich äusserte der Beschuldigte nochmals, seiner Meinung nach gebe es dort kein Trottoir beziehungsweise sei dieses von unten kommend als solches nicht erkennbar, man habe den Eindruck, auf einer vortrittsberechtigten Strasse zu sein. Er sei einfach der Meinung, dass man diese Stelle viel besser kennzeichnen müsste, so dass ersichtlich sei, dass es sich um eine Trottoirüberfahrt handle (Urk. 4 S. 4f. und S. 7f.).
Anlässlich der Einvernahme vom 7. Oktober 2015 erklärte der Beschuldigte erneut, für ihn sei es so, dass die dortige Trottoirüberfahrt nicht richtig markiert sei, es handle sich nicht um eine Trottoirüberfahrt, diese sei baulich unzureichend erkenntlich gemacht. Es sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, dass es sich um ein Trottoir und eine Trottoirüberfahrt handle. Er sei von einem Rechtsvortritt ausgegangen, die Situation sei für ihn daher auch nicht unübersichtlich gewesen, sondern einfach so, als gelte der normale Rechtsvortritt (Urk. 6 S. 2 und 4).
Vor Vorinstanz gab der Beschuldigte wiederum an, es habe Stau gehabt auf der D. -Strasse, er habe sich gedacht, er biege in eine breite Strasse ein, dann komme er irgendwann auf die G. -Strasse. Man komme dann in eine 30erZone und er habe angenommen, dort sei Rechtsvortritt. Er sei die steile Strasse nach oben gefahren, es sei sehr dunkel gewesen und man sehe die Kreuzung recht spät. Er sei davon ausgegangen, dass Rechtsvortritt gelte, man sehe nichts von einer Trottoirüberfahrt. Es habe keine Grundmarkierung, keine Anrampung, keine erkennbare Abgrenzung zwischen Trottoir und Strasse, man erkenne wirklich nichts. Es sei im Januar und deshalb sehr dunkel gewesen. Er habe überhaupt nicht wahrgenommen, dass er ein Trottoir überfahren habe, um in die F. -Strasse zu gelangen. Die weissen Linien sehe man von unten gar nicht beziehungsweise erst, wenn man ganz oben ankomme. Man fahre die Strasse hoch und die Linien (vgl. Foto Urk. 5 auf der ersten Seite) seien dann ja in der Versenkung, es sei vollkommen unmöglich, diese zu sehen. Das einzige, was
man sehe, wenn man von unten komme, sei die Linienführung auf der oberen Strasse und dort sei Rechtsvortritt. Wenn man hoch schaue, habe man also ganz klar den Eindruck, es gelte Rechtsvortritt (Prot. I S. 8ff.).
Auch anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung hielt er an dieser Darstellung fest und führte aus, er habe schon eine Kreuzung und auch das Band gesehen. Wenn man knapp davor stehe, sehe man das eingelassene Band. Aber das Ende des Trottoirs sehe man nicht. Man gehe davon aus, dass dies eine verkehrsberuhigende Massnahme sei, wie das bei 30-Zonen mit Rechtsvortritt üblich sei. Er habe das in keinster Weise als Trottoir erkennen können. Von Rechtsvortritt ausgehend, habe er zuerst geschaut, ob links etwas sei. Er habe nichts gesehen und habe dann nach rechts geschaut (Prot. II S. 9). Weiter führte er aus, er habe schon mehrmals gesagt, es sei dort eigentlich vollkommen übersichtlich. Wenn man hoch fahre, habe man das Gefühl, es gehe einfach nach oben und dass klar Rechtsvortritt herrsche. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass es eine unübersichtliche Situation sei. Man könne unübersichtlich nicht mit fehlenden Markierungen vergleichen. Es fehle einfach eine Ausweisung, dass ein Trottoir komme. Man könne das nicht erkennen. Beim Augenschein sei allen klar gewesen, dass das ungenügend ausgewiesen sei (Prot. II S. 11).
Die Vorderrichterin hat die sich aus den vorhandenen Fotos ergebenden Erkenntnisse zutreffend beschrieben, so dass vorab darauf verwiesen werden kann (Urk. 54 S. 11f., Art. 82 Abs. 4 StPO). Festzuhalten ist demnach, dass auf den Aufnahmen der polizeilichen Fotodokumentation, welche auf der E. -Strasse in Fahrtrichtung F. -Strasse (entsprechend der Sichtweise des Beschuldigten am Unfallabend) aufgenommen wurde, das Trottoir nicht aus Entfernung, sondern erst in der aus geringerer, aber ungemessener Distanz erstellten Detailaufnahme erkennbar ist. Ergänzend ist zu erwähnen, dass auf der aus weiterer Entfernung erstellten - Übersichtsaufnahme am rechten Strassenrand eine Mauer zu sehen ist und eine Querstrasse nicht erkennbar ist. Die weissen Linien sind ebenfalls erst auf der Detailaufnahme und nur teilweise (auf der F. - Strasse) zu sehen (act. 8 S 2). Aus einigen der vom Beschuldigten bei Tageslicht erstellten und eingereichten Fotos ergibt sich, dass das Trottoir zur E. Strasse hin mit zwei Reihen von rechteckigen Steinen abgegrenzt ist und kein Niveaununterschied vorhanden ist (Urk. 5 S. 5-7 und Urk. 10/9). Zur F. - Strasse hin besteht eine Abgrenzung in Form einer Reihe von rechteckigen Steinen und einem breiteren Randstein (Urk. 5 S. 8). Zusätzlich lässt sich erkennen, dass die das Trottoir abgrenzenden Steine und der Fahrbahnbelag einen ähnlichen Farbton aufweisen, der sich insbesondere bei Dunkelheit nicht stark unterscheidet (Urk. 8 S. 2 Detailaufnahme und S. 4 Übersichtsaufnahme).
Anlässlich des von der Vorderrichterin durchgeführten Augenscheins wurde festgestellt, dass die vom Beschuldigten eingereichten Fotos tatsächlich am Unfallort erstellt wurden. Aus dem Augenscheinsprotokoll ergibt sich ebenfalls, dass das Trottoir gegenüber der E. -Strasse durch zwei nebeneinander verlaufende Reihen aus rechteckigen Steinen abgegrenzt ist, sich jedoch in vertikaler Hinsicht nicht von den beiden Strassen abhebt. Weiter wurde festgehalten, dass die Linie, welche das Trottoir von der E. -Strasse abtrennt, aus der Perspektive eines Autofahrers frühestens ca. acht Meter im Voraus erkennbar ist und die Linie, welche das Trottoir zur F. -Strasse abgrenzt, sogar erst deutlich später. Unmittelbar bei der Kreuzung befinden sich offenbar keine Strassenlampen (Prot. I S. 13f.).
2.4. Die Fotos und die Augenscheinsfeststellungen stützen die konstanten Angaben des Beschuldigten, der in den verschiedenen Einvernahmen detailliert und gleichlautend aussagte. Die Aussagen des Beschuldigten, es werde einem erst wirklich klar, dass von links eine Strasse komme, wenn man beim Trottoir stehe und man habe an jener Stelle den Eindruck, die Strasse verlaufe gerade nach oben sowie um die Kuppe zu bemerken, müsse man ganz oben sein, sind nachvollziehbar und überzeugend. Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschuldigte von unten die steile E. -Strasse hinauffahrend während der Fahrt den Eindruck hatte, es handle sich um eine durchgehende Strasse und dass er die Kreuzung erst sehr spät sah. Es ist deshalb auch glaubhaft, dass der Beschuldigte beim Hinauffahren die Situation nicht als unübersichtlich empfand und von der üblichen Verkehrsführung mit Rechtsvortritt ausging. Schliesslich erscheint gestützt auf die objektiven Beweismittel des Augenscheins und der Fotos
die Angabe des Beschuldigten, er habe das Trottoir respektive die Trottoirüberfahrt als solche nicht erkannt, glaubhaft (vgl. dazu noch ausführlicher unter der rechtlichen Würdigung, Ziff. 3 nachfolgend).
Rechtliche Würdigung / Fahrlässigkeit
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten eine fahrlässige Körperverletzung im Sinne von Art. 125 StGB vor.
Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, dass die vom Privatkläger beklagten Beschwerden, die auf das vorliegend zu beurteilende Unfallereignis zurückzuführen sind, in objektiver Hinsicht eine Schädigung am Körper der Gesundheit darstellen und somit ohne weiteres den Tatbestand der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 bzw. 125 StGB erfüllen (Urk. 54 S. 14).
Fährlässigkeit
Die Anklagebehörde wirft dem Beschuldigten bekanntlich in subjektiver Hinsicht vor, er habe beim Befahren des Kreuzungsbereichs nicht die im Strassenverkehr gebotene Aufmerksamkeit walten lassen. Hätte er dies getan, seine Geschwindigkeit auf weniger als 20 bis 25 km/h verlangsamt und seine Aufmerksamkeit genügend auf die vor ihm liegende Strassenkreuzung gerichtet, so hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor Befahren des parallel zur F. -Strasse verlaufenden Trottoirs ebendieses erkannt und somit auch erkennen können, dass er sein Fahrzeug über ein Trottoir auf die F. -Strasse lenke und der von links nahende Verkehr ihm gegenüber vortrittsberechtigt sei. So hätte er auch den sich mit seinem Fahrzeug von links nahenden Geschädigten genügend früh erkennen und diesem den Vortritt gewähren können, ohne dass es zu einer Kollision mit Verletzungsfolgen gekommen wäre. Es sei voraussehbar gewesen, dass ungenügende Aufmerksamkeit wenn auch eine kurzzeitige -, das Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die örtlichen Verhältnisse und das Nichtgewähren des Vortritts beim Befahren der F. -Strasse zu einer Kollision mit einem nahenden Fahrzeug führen könne und dadurch bei dessen Lenker eine Verletzung der Art der eingetretenen hervorgerufen werden könne (Urk. 19 S. 2f.).
Auch anlässlich der Berufungsverhandlung führte die Berufungsklägerin aus, es wäre die Pflicht des Beschuldigten gewesen, anzuhalten stark abzubremsen, weil die Einmündung unübersichtlich gewesen sei (Prot. II S. 13). Befahre man die Einmündung vorsichtig, könne auch die Trottoirabschrankung problemlos erkannt und ein auf der F. -Strasse daherkommender Verkehrsteilnehmer rechtzeitig wahrgenommen und diesem der Vortritt gewährt werden. Wer vortrittsbelastet dermassen zügig über ein Trottoir in eine vortrittsberechtigte Strasse einfahre, müsse damit rechnen und somit voraussehen können, dass er einen Unfall mit allenfalls Verletzungsfolgen nicht vermeiden könne, falls auf dem Trottoir auf der Strasse ein anderes Fahrzeug komme. Mit einer den Strassenverhältnissen aber angepassten Geschwindigkeit und der erforderlichen Aufmerksamkeit liesse sich eine solche Kollision problemlos vermeiden (Urk. 65 S. 4f.).
Die Vorinstanz hat die Grundsätze und die Rechtsprechung zur Fahrlässigkeit und wann eine Verletzung einer Sorgfaltspflicht insbesondere im Strassenverkehr vorliegt, korrekt aufgeführt (Urk. 54 S. 14f.). Fahrlässig handelt gemäss Art. 12 Abs. 3 StGB, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. Die Vorsicht, welche der Täter zu beachten hat, besteht darin, entweder ein Risiko für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter überhaupt nicht einzugehen aber das höchstzulässige Risiko nicht zu überschreiten (BGE 134 IV 204). Im Strassenverkehr richtet sich der Umfang der zu beachtenden Sorgfalt nach dem Strassenverkehrsgesetz und den dazu gehörenden Verordnungen. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt die Übertretung einer solchen Vorschrift bei Eintritt eines entsprechenden tatbestandsmässigen Erfolgs regelmässig auch eine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB dar (BGE 116 IV 306 E. 1a). Als Grundregel gilt, dass sich jede Person im Verkehr so verhalten muss, dass sie andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet (Art. 26 Abs. 1 SVG).
Vorliegend sind wie die Vorinstanz richtig ausführte - die folgenden gesetzlichen Bestimmungen für die Bemessung des Sorgfaltsinhalts und des höchstzulässigen Risikos relevant:
Art. 31 Abs. 1 SVG schreibt für den Strassenverkehr vor, dass ein Fahrzeugführer sein Fahrzeug ständig so beherrschen muss, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Dies verlangt, dass Fahrzeugführer jederzeit die volle Kontrolle über ihr Fahrzeug ausüben und die Verkehrsregeln z.B. Bremsen auf Sicht, Gewährung des Vortritts beachten können. Entsprechend muss der Führer jederzeit in der Lage sein, auf selbst überraschende Verkehrsverhältnisse mit einer durchschnittlichen Reaktionszeit angemessen zu reagieren. Das Mass der Aufmerksamkeit, das vom Fahrzeugführer verlangt wird, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen. Wenn der Verkehrsteilnehmer sein Augenmerk im Wesentlichen auf bestimmte Stellen zu richten hat, kann ihm für andere Stellen eine geringere Aufmerksamkeit zugebilligt werden. Zum Rechtsvortritt hielt das Bundesgericht fest, dass der gegenüber von links kommenden Fahrzeugen Vortrittsberechtigte, der sich einer Kreuzung nähert, seinerseits gehalten ist, einem gleichzeitig von rechts kommenden Fahrzeug den Vortritt zu lassen. Damit er dieser Pflicht nachkommen kann, hat er seine Aufmerksamkeit ausser seiner Fahrbahn vor allem dem für ihn von rechts kommenden Verkehr zuzuwenden und namentlich die Geschwindigkeit den diesbezüglichen Sichtverhältnissen anzupassen. Dieser erhöhten Sorgfaltspflicht nach rechts entspricht eine erheblich geringere nach links. Letzterer genügt der Vortrittsberechtigte im Allgemeinen, wenn er sich durch einen raschen Blick nach links vergewissert, ob er nicht durch besondere Verkehrsverhältnisse an der Aus- übung des Vortrittes gehindert werde (Weissenberger Philippe, Kommentar SVG und OBG, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, Art. 26 SVG N 10 und 29 sowie Art. 31 SVG N. 1 mit Verweisen auf die Rechtsprechung).
Des Weiteren schreibt Art. 32 SVG vor, dass die Geschwindigkeit stets den Umständen anzupassen ist, so insbesondere den Verkehrsund Sichtverhältnissen. Die zulässigen allgemeinen bzw. signalisierten Höchstgeschwindigkeiten
(Art. 4a VRV) dürfen nur unter günstigen Umständen, insbesondere günstigen Strassen-, Verkehrsund Sichtverhältnissen gefahren werden. Daraus leitet sich ab, dass nur so schnell gefahren werden darf, dass innerhalb der überblickbaren Strecke angehalten werden kann. Dies wird ausdrücklich in Art. 4 Abs. 1 VRV festgehalten. Frei überblickbar ist im täglichen Spachgebrauch die Strecke grundsätzlich soweit das Auge reicht. Strassenverkehrstechnisch gilt das nur soweit, als sie hindernisfrei ist und mit dem Auftauchen von Hindernissen nicht gerechnet werden muss. Der Fahrzeugführer muss vor erkennbaren Hindernissen anhalten können. Er muss ferner auf Situationen achten, in denen erfahrungsgemäss Hindernisse plötzlich auftauchen können. Insbesondere hat er die Geschwindigkeit vor Verzweigungen, unübersichtlichen Kurven und Kuppen zu mässigen. Frei überblickbar ist die Strecke also nur bis zum nächsten erkennbaren Hindernis respektive bis zur nächsten erkennbaren Gefahrenquelle. Nachts ist die Geschwindigkeit nur dann den Verhältnissen angepasst, wenn der Führer in der Lage ist, innerhalb der kürzesten beleuchteten Strecke anzuhalten. Die Sicht definierst sich vorerst nach der Reichweite des Lichtkegels. Abblendlichter beleuchten kaum wesentlich weiter als 50-75 m (Weissenberger, a.a.O., N 9f., N. 14 sowie BSK SVG-Roth, Basel 2014, Art. 32 N 4 und 8).
Schliesslich hat der Führer eines Fahrzeuges, der über ein Trottoir auf eine Hauptoder Nebenstrasse fährt, den Benützern dieser Strasse den Vortritt zu gewähren (Art. 15 Abs. 3 VRV).
Beurteilung im konkreten Fall
Aufgrund der Feststellungen beim Sachverhalt ist davon auszugehen, dass
bei Dunkelheit für einen ortsunkundigen Autolenker, der das erste Mal die E. -Strasse nach oben fährt, erst ganz kurz vor der F. -Strasse, wenn er sich fast schon auf dem abgeflachten Stück der Strasse und damit auf dem Trottoir befindet, sichtbar wird, dass eine Querstrasse kommt. Somit besteht bei Dunkelheit für die von unten herauffahrenden Automobilisten tatsächlich der Anschein, es handle sich um eine durchgehende Strasse. Bei Dunkelheit könnte ein mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertrauter Lenker ebenfalls erst auf Höhe des Trottoirs aufgrund der weissen Strassenmarkierung schliessen, der in Quartierstrassen üblicherweise geltende Rechtsvortritt bestehe für die E. - Strasse nicht. Es leuchtet deshalb auch ein, dass der Beschuldigte die Verkehrssituation bei seiner Fahrt die E. -Strasse hangaufwärts nicht als unübersichtlich einstufte, was ihn - nach eigener Aussage veranlasst hätte, seine Geschwindigkeit zu verlangsamen. Unter diesen Umständen kann die vom Beschuldigten angegebene tiefere Geschwindigkeit von 20 km/h, von welcher zu seinen Gunsten auszugehen ist, nicht als unangemessen qualifiziert werden. So wäre er
entgegen den Ausführungen des Privatklägers in Urk. 56 S. 2 bei einer geschätzten Reaktionszeit von einer Sekunde und einem Verzögerungswert von 6,5m/s2 auf der bergwärts führenden Strasse in der Lage gewesen, innerhalb von knapp acht Metern und somit innerhalb der überblickbaren Strecke anzuhalten (Anhalteweg = Reaktionsweg plus Bremsweg, vgl. Formel sowie die Verzögerungswerte bei BSK SVG-Roth a.a.O. Art. 32 N 52 sowie N 54-56 und die Tabelle bei Giger zum Bremsweg in OFK-SVG, 8. Aufl. 2014, Art. 32 N 10 mit dem Hinweis, dass sich der Bremsweg aufwärts verringert).
Auch die talwärts befindliche Abgrenzung des Trottoirs wird mit zwei Reihen von rechteckigen Steinen gegen die E. -Strasse aufgrund der nachts aus Distanz nicht als solche erkennbaren Kuppe erst aus einer Entfernung von acht Metern sichtbar. Dannzumal kann die hangseitige Abgrenzung jedoch noch nicht wahrgenommen werden, so dass noch nicht klar ist, dass es sich um ein Trottoir handelt. Die Abgrenzung des Trottoirs gegenüber der F. -Strasse wird nämlich erst erkennbar, wenn die Kuppe praktisch erreicht ist. Aufgrund des ähnlichen Farbtons der das Trottoir abgrenzenden Steine und des Fahrbahnbelags sowie mangels weiterer baulicher Massnahmen wie Niveauerhöhung, Anrampung durchgezogene taktil -visuelle Markierung etc. ist festzuhalten, dass insbesondere bei Dunkelheit an der vorliegend zu beurteilenden Unfallstelle das Trottoir für einen ortsunkundigen Lenker falls überhaupt erst sehr spät, erkennbar ist, wenn ein rechtzeitiges Anhalten nicht mehr möglich ist. Im Gegensatz
dazu ist beispielsweise auf dem Foto der vom Bundesgericht beurteilten Ausgestaltung der Trottoirüberfahrten im Rahmen der Neugestaltung Seefeldstrasse in Zürich die Trottoirüberfahrt auf Anhieb erkennbar (vgl. Urk. 64/1 unter https://www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/taz/fachunterlagen/
hindernisfreies_bauen/hindernisfreies_bauen_teilprojekte.html). Somit kann dem Beschuldigten nicht widerlegt und auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er unter den konkreten Umständen das von ihm überfahrene Trottoir nicht als solches erkannte. Der Beschuldigte durfte mithin in guten Treuen von der üblichen Rechtsvortrittsregel ausgehen. Folglich kann auch nicht als mangelnde Aufmerksamkeit gewertet werden, wenn er sich nach einem kurzen Blick nach links auf mögliche Verkehrsteilnehmer von rechts konzentrierte und in der Folge den Privatkläger mit seinem Wagen nicht herannahen sah, selbst wenn dieser damals mit Licht gefahren ist.
Es kann deshalb offenbleiben, ob die am Unfallort gegebene Situation überhaupt als Trottoirüberfahrt im Sinne von Art. 15 Abs. 3 VRV (mit entsprechenden Folgen für das Vortrittsrecht) qualifiziert werden kann, was von der Vorinstanz verneint (Urk. 54 S. 16f.) und tatsächlich bezweifelt werden kann.
Jedenfalls verlangt insbesondere das Bundesgericht, dass die Trottoireigenschaft einer Fläche vom äusseren Eindruck her den Verkehrsteilnehmern unmittelbar (optisch) erkennbar sein muss (Urk. 54 S. 17 mit Verweis auf BGE 123 IV 218
E. 3b und 3c). Ebenso wird vom Amt für Verkehr des Kantons Zürich für Trottoir- überfahrten entlang von Staatstrassen gefordert, dass deren Ausgestaltung so zu erfolgen hat, dass der Trottoirbereich auch bei schlechter Witterung gut sichtbar ist (vgl. Merkblatt für Gemeinden und kantonale Stellen (Version 1.0/Januar 2011 unter www.afv.zh.ch, genauer link zitiert in Urk. 54 S. 16, sowie Ausdruck davon Urk. 64/2).
Auch die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) betont in ihren Empfehlungen zu verkehrstechnischen Massnahmen bei Trottoirüberfahrten, dass die bauliche Ausgestaltung sehr wichtig sei und nennt als eines der wichtigsten baulichen Merkmale folgendes (vgl. Urk. 64/3 ausgedruckt unter http://www.bfu.ch/de/Documents/03_Fuer_Fachpersonen/05_Verkehrstechni k/ Empfehlungen/Beratungsbeispiele/06_Trottoir%C3%BCberfahrten.pdf): Ein klar erkennund ertastbarer baulicher Abschluss beendet markant den Fahrbahnbereich der einmün- denden Strasse gegenüber dem Trottoir. In der Regel sollte dies ein schräg gestellter Randstein eine Anrampung sein.
Im Bundesgerichtsentscheid 1C_280/2009 wurde sodann festgelegt, dass Trottoirüberfahrten mit einem ertastbaren Absatz von der Fahrbahn getrennt und ihre Flächen taktil erfassbar gestaltet sein müssen.
All diese Merkmale zur klaren Erkennbarkeit der Trottoirüberfahrt fehlen im konkret zu beurteilenden Fall. Somit ist mindestens fraglich, ob der Beschuldigte tatsächlich vortrittsbelastet war und nicht sowieso der übliche Rechtsvortritt galt, so dass ohnehin kein Verstoss gegen die Verkehrsregeln gegeben wäre. Festzuhalten ist allerdings, dass den Privatkläger keine Schuld am Unfall trifft. Er durfte in dieser Situation davon ausgehen, dass er vortrittsberechtigt ist.
Fazit
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass vorliegend die Kollision nicht auf mangelnde Aufmerksamkeit des Beschuldigten respektive auf zu hohe Geschwindigkeit zurückzuführen ist, sondern auf die konkrete Ausgestaltung der Verkehrssituation. Insbesondere nachts ist aufgrund der topografischen Verhältnisse, namentlich der Kuppe, die selber erst kurz vor deren Erreichen wahrgenommen wird, die querende F. -Strasse sehr spät erkennbar. Bei Dunkelheit ist auch das Trottoir respektive, dass es sich um eine Trottoirüberfahrt handeln könnte überhaupt erst wahrnehmbar, wenn man diese/s praktisch schon überfahren hat. Bei Tageslicht mag die Situation anders zu beurteilen sein. Zur Klärung des Vortrittsrechts bei der Unfallstelle, wo E. - und F. -Strasse sich kreuzen, wären bauliche Massnahmen Markierungen mindestens eine Warntafel im Sinne von Art. 15 SSV, Anhang 2 Signal 1.30, dringend zu empfehlen.
Abschliessend ergibt sich, dass der Vorinstanz darin beizupflichten ist, dass keine vorwerfbare Verletzung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Beschuldigte sich der fahrlässigen Körperverletzung i.S.v. Art. 125 Abs. 1 SVG nicht schuldig gemacht hat. In Abweisung der Berufung ist der Freispruch der Vorinstanz zu bestätigen.
Ausgangsgemäss ist die Regelung der Kostenund Entschädigungsfolgen durch die Vorinstanz gemäss deren Urteils-Ziffern 2. bis 4. zu bestätigen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Unterliegt die Staatsanwaltschaft, trägt der verfahrensführende Kanton die Kosten. Es ist festzuhalten, dass die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr ausser Ansatz fällt und die Kosten des Berufungsverfahrens auf die Gerichtskasse zu nehmen sind.
Wird die beschuldigte Person freigesprochen, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Darunter fallen primär die Kosten der erbetenen Verteidigung. Der vom Verteidiger des Beschuldigten für das Berufungsverfahren geltend gemachte Aufwand von drei Stunden für die Vorbereitung der Berufungsverhandlung
(Prot. II S. 18) erscheint angemessen, weshalb dem Beschuldigten unter Berücksichtigung des zusätzlich anfallenden Aufwandes für die Berufungsverhandlung und den Weg eine Prozessentschädigung von Fr. 1'800.- (inklusive 8 % Mehrwertsteuer, Betrag gerundet) zuzusprechen ist (vgl. § 18 Abs. 1 AnwGebV i.V.m.
§ 17 Abs. 1 lit. a AnwGebV).
Es wird beschlossen:
Es wird davon Vormerk genommen, dass der Privatkläger seine Berufung zurückgezogen hat.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung
des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte B. ist der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB nicht schuldig und wird freigesprochen.
Das erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsdispositiv (Dispositivziffern 2 bis 4) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.
Dem Beschuldigten wird für das Berufungsverfahren eine Prozessentschä- digung von Fr. 1'800.aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft See/Oberland (übergeben)
den Privatkläger (übergeben) sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft See/Oberland
den Privatkläger
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Migrationsamt des Kantons Zürich
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen (PIN-Nr. )
die Kantonspolizei Zürich, KIA-ZA, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)
die Koordinationsstelle VOSTRA mittels Kopie von Urk. 13/1 zur Löschung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d der Verordnung über das Strafregister.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Zürich, 11. November 2016
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Spiess
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. Schwarzenbach-Oswald
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