Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB150298 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 17.12.2015 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Fahrlässige Tötung etc. |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Geschädigte; Absturz; Beschuldigten; Geschädigten; Sturzkante; Absturzkante; Schalung; Urteil; Berufung; Zonenabschrankung; Vermessung; Verhalten; Privatkläger; Verteidigung; Decke; Unfall; Schalungsdecke; Fahrlässig; Recht; Gefährdung; Staatsanwalt; Vorinstanz; Dispositiv; Staatsanwaltschaft; Bundesgerichts; Entschädigung |
Rechtsnorm: | Art. 11 StGB ; Art. 117 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 229 StGB ; Art. 399 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 115 IV 100; 135 IV 56; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB150298-O/U/jv
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. P. Marti, Präsident, lic. iur. M. Langmeier und Dr. iur. D. Schwander sowie der Gerichtsschreiber Dr. iur. F. Manfrin
Urteil vom 17. Dezember 2015
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger verteidigt durch lic. iur. X.
gegen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt Dr. iur. R. Jäger,
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 14. September 2014 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 18 ).
Urteil der Vorinstanz :
(Urk. 40 S. 36 ff.)
Der Beschuldigte ist schuldig
der fahrlässigen Tötung im Sinne von Art. 117 StGB; sowie
der fahrlässigen Gefährdung durch die Verletzung der Regeln der Baukunde im Sinne von Art. 229 Abs. 2 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu Fr. 40.- sowie mit einer Busse von Fr. 700.-.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt. Die Busse ist zu bezahlen.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger Fr. 10'000.- zuzüglich 5% Zins ab 27. Juli 2011 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger einen Schadenersatz in der Höhe von Fr. 2'418.70 zuzüglich 5% Zins seit 27. Juli 2013 zu bezahlen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Verlangt keine der Parteien eine schriftliche Begründung des Urteils, ermässigt sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung für anwaltliche Vertretung von Fr. 11'088.40 (inklusive Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
(Mitteilungen)
(Rechtsmittel)
Berufungsanträge:
Der Verteidigung der Beschuldigten: (Urk. 42 S. 2; Prot. II S. 4; Urk. 68 S. 2)
Es seien die Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 des Urteils des Bezirksgerichtes Bülach vom 30.04.2015 aufzuheben und es sei die beschuldigte Person vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge für beide Instanzen zu Lasten des Staates.
(keine Beweisanträge)
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 48 S. 1)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (keine Beweisanträge)
Erwägungen:
Verfahrensgang
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom 30. April 2015 (Urk. 37 = Urk. 40) wurde der Beschuldigte der fahrlässigen Tötung im Sinne von Art. 117 StGB sowie der fahrlässigen Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde im Sinne von Art. 229 Abs. 2 StGB schuldig gesprochen (Dispositivziffer 1) und hierfür mit einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu Fr. 40.- sowie mit einer Busse von Fr. 700.- bestraft (Dispositivziffer 2). Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt (Dispositivziffer 3). Für die zu bezahlende Busse wurde eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen festgesetzt (Dispositivziffer 4). Weiter wurde der Beschuldigte verpflichtet, dem Privatkläger Fr. 10'000.- zuzüglich 5% Zins ab 27. Juli 2011 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wurde das Genugtuungsbegehren des Privatklägers abgewiesen (Dispositivziffer 5). Der Beschuldigte wurde überdies verpflichtet, dem Privatkläger Schadenersatz in der Höhe von Fr. 2'418.70 zuzüglich 5% Zins seit 27. Juli 2013 zu bezahlen (Dispositivziffer 6). Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens (Dispositivziffer 7) wurden dem Beschuldigten auferlegt (Dispositivziffer 8) und der Beschuldigte wurde verpflichtet, dem Privatkläger für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung für anwaltliche Vertretung von Fr. 11'088.40 (inklusive Mehrwertsteuer) zu bezahlen (Dispositivziffer 9).
Gegen dieses Urteil, das dem Beschuldigten am 4. Mai 2015 mündlich im Dispositiv (Urk. 32) eröffnet wurde (Prot. I S. 44-46; der Staatsanwaltschaft ebenfalls am 4. Mai 2015 schriftlich per Fax [Urk. 33]), liess der Beschuldigte mit Eingabe vom 8. Mai 2015 fristgerecht Berufung anmelden (Art. 399 Abs. 1 StPO;
Urk. 34; Urk. 35; Prot. I S. 48). Am 23. Juni 2015 wurde dem Beschuldigten das
begründete Urteil (Urk. 37 = Urk. 40) zugestellt (Urk. 39). Die Berufungserklärung
des Beschuldigten erfolgte mit Eingabe vom 13. Juli 2015 (Urk. 42) und damit innert der zwanzigtägigen Frist von Art. 399 Abs. 3 StPO.
Mit Präsidialverfügung vom 23. Juli 2015 wurde die Berufungserklärung des Beschuldigten dem Privatkläger sowie der Staatsanwaltschaft zugestellt und Frist angesetzt, um zu erklären, ob Anschlussberufung - in Beachtung von Art. 399 Abs. 3 und 4 StPO - erhoben wird, oder um begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 46). Mit Eingabe vom 28. Juli 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils, verzichtete darauf, Beweisanträge zu stellen und ersuchte um Mitteilung des Termins der Berufungsverhandlung (Urk. 48). Der Privatkläger liess sich innert Frist nicht vernehmen. Mit Eingabe vom 6. August 2015 (Urk. 50) reichte der Beschuldigte das Datenerfassungsblatt ins Recht (Urk. 52). Mit Eingabe vom 4. September 2015 kündigte die Rechtsvertretung der Privatklägerschaft ihre Teilnahme an der Berufungsverhandlung (und diejenige des Privatklägers persönlich) an (Urk. 54).
Am 15. Oktober 2015 wurden die Parteien auf den 17. Dezember 2015 zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 60).
Umfang der Berufung
Die Berufung wurde vom Beschuldigten nicht beschränkt (Urk. 42). Das erstinstanzliche Urteil ist deshalb in keinem Punkt in Rechtskraft erwachsen und bildet gesamthaft Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Anklagevorwurf und Standpunkt des Beschuldigten
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten zusammengefasst und
vereinfachend umschrieben vor, der Sturz des Geschädigten B.
(nachfolgend Geschädigter) über eine ungesicherte Schalungskante auf einen rund 5.6 Meter darunter liegenden Betonboden, nach der Vornahme von Vermessungsarbeiten auf dem Baufeld einer Grossbaustelle, habe sich ereignet, weil
die Absturzkante zufolge einer pflichtwidrigen Unvorsichtigkeit des Beschuldigten
- als Chefpolier auf der Baustelle und damit Verantwortlicher für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften - vorschriftswidrig nicht gesichert gewesen sei (weder eine Zonenabschrankung noch sonstige Sicherung). Er sei für die Erstellung der Zonenabschrankung zum Schutz Dritter, d.h. nicht an den Schalungsarbeiten beteiligter Personen, verantwortlich gewesen. Ihm sei aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung bekannt gewesen, dass eine Zonenabschrankung aus Sicherheitsgründen grundsätzlich hätte errichtet werden müssen. Anlässlich eines Rundgangs mit der SUVA rund drei Monate vor dem Unfall, an dem der Beschuldigte teilgenommen habe, sei die Notwendigkeit dieser Zonenabschrankung thematisiert worden. Dass die fehlende Zonenabschrankung eine Gefährdung für den Geschädigten und seinen Gehilfen darstelle, sei für den Beschuldigten klar und vorhersehbar gewesen, zumal er den Geschädigten zu den Vermessungsarbeiten auf dem Schalungsboden aufgeboten habe. Auch sei für den Beschuldigten klar und vorhersehbar gewesen, dass sich jemand im Falle eines Sturzes über die nicht gesicherte Kante auf den 5.6 Meter tiefer liegenden Betonboden schwerste, wenn nicht gar tödliche Verletzungen zuzuziehen könnte. Die Verwirklichung der Gefahr - Verursachung des Todes des Geschädigten und Gefährdung des Gehilfen - wäre durch die Errichtung der notwendigen Zonenabschrankung vermeidbar gewesen. Selbst wenn der Geschädigte hinter der erforderlichen Zonenabschrankung gleichermassen das Gleichgewicht verloren hätte resp. ausgerutscht wäre, wäre er nicht über die Absturzkante in die Tiefe gestürzt (Urk. 18 S. 3 f.).
Der in der Anklageschrift umschriebene (Urk. 18 S. 2 f.) äussere Sachverhalt resp. der Hergang des fraglichen Unfalls vom 26. Juli 2011 stützt sich wesentlich auf die Aussagen des Zeugen C. (vgl. dazu Urk. 6/1-3), welcher als Gehilfe des Geschädigten als Einziger beim Unfall anwesend war und auf den Spurenbericht sowie die fotografische Tatbestandsaufnahme des forensischen Instituts (Urk. 8/1 und Urk. 8/3). Der Unfallhergang wird vom Beschuldigten nicht bestritten (vgl. insb. Urk. 31 S. 7; Urk. 5/6 S. 15; Prot. II S. 6; Urk. 68 S. 3 f.). Angesichts dieser Beweislage und der Eingeständnisse des Beschuldigten ist der äussere Sachverhalt - der Unfallhergang - erstellt. Die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz erweisen sich als zutreffend, weshalb darauf verwiesen werden kann (Urk. 40 S. 4 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO; vgl. zur Zulässigkeit der Verweisung auf die Vorinstanz Urteil des Bundesgerichts 6B_1224/2014 vom 9. April 2015 E. 1.2.2. und 1.2.3. [zur Publikation vorgesehen]).
Der Beschuldigte war gemäss seinen eigenen Zugaben für die Sicherheit auf der Bauund Unfallstelle verantwortlich (Urk. 5/2 S. 2; Urk. 5/3 S. 4; Urk. 5/6
S. 3 f.; Prot. I S. 8 f.; Urk. 31 S. 7; Urk. 67 S. 5 ff.; Urk. 68 S. 6 und Prot. II S. 7).
Er bestreitet indes zusammengefasst, dass zum Zeitpunkt des Unfalles eine Zonenabschrankung hätte angebracht werden müssen, weil die Etappe noch nicht fertiggestellt und weil die gesamte Decke durch ein Fassadengerüst gesichert gewesen sei. Und weiter stellt sich der Beschuldigte auf den Standpunkt, der Unfall sei auf das von niemandem zu erwartende Fehlverhalten des Geschädigten zurückzuführen (Urk. 5/6 S. 15; Urk. 31 S. 7 f.; Prot. I S. 36-38; Urk. 67 S. 7 ff.
und S. 12; Prot. II S. 6 ff.; Urk. 68 S. 4 ff.).
Da bei Fahrlässigkeitsdelikten - wie sie hier zur Diskussion stehen - Tatund Rechtsfragen sehr eng miteinander verbunden sind und der äussere Ablauf des Unfallhergangs an sich unbestritten und somit erstellt ist, sind die weiteren Vorbringen der Parteien, auch soweit sie den Sachverhalt betreffen, nachfolgend im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu prüfen.
Fahrlässige Tötung durch Unterlassen (Art. 117 i.V.m. Art. 11 StGB)
Die Staatsanwaltschaft wie auch die Vorinstanz würdigen das Verhalten des Beschuldigten als fahrlässige Tötung nach Art. 117 StGB.
Nach Art. 117 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Gemäss Art. 12 Abs. 3 StGB handelt fahrlässig, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt (Satz 1). Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Satz 2).
Die Vorinstanz hat sich eingehend und zutreffend zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung nach Art. 117 StGB durch Unterlassen (Art. 11 StGB) auseinandergesetzt (Urk. 40 S. 7 ff.). Die rechtliche Würdigung durch die Vorinstanz erweist sich bis auf einen Aspekt als korrekt und ist folglich nicht zu beanstanden. Auf diese zutreffenden Ausführungen kann verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Einzig in Bezug auf das Tatbestandselement der sogenannten Vorhersehbarkeit/Adäquanz drängt sich eine abweichende rechtliche Würdigung auf, worauf sogleich einzugehen sein wird.
In Ergänzung zu den korrekten Ausführungen der Vorinstanz zur eigentlichen Sorgfaltspflichtverletzung (in der Gestalt des Nichtanbringens der erforderlichen Zonenabschrankung an der Absturzkante), ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, er habe die Absturzkante nicht wie gesetzlich von der BauAV und präzisierend von der SUVA vorgeschrieben mit einer maximal zwei Meter vor dieser Kante angebrachten Zonenabschrankung gesichert und auch für keinerlei andere Sicherungen im Bereiche der Absturzkante gesorgt (Urk. 18 S. 3 f.; Urk. 28 S. 2 f.).
Die Verteidigung verweist auf das Factsheet Nr. 33033 der SUVA Deckenschalungen bei grossen Raumhöhen (Urk. 9/5). Darin sei festgehalten, dass bei einer Absturzhöhe von 3.00 m und mehr die Schalung von unten zu erfolgen habe. Auch diese SUVA-Vorschrift sei auf der Baustelle eingehalten worden. Am Unfalltage sei es ja gerade so gewesen, dass die fragliche Decke von unten geschalt worden sei. Im Factsheet sei hierzu festgehalten: Ab einer Absturzhöhe von 2.00 m ist ein Seitenschutz zu erstellen oder eine gleichwertige Schutzmassnahme zu treffen. Dabei werde im SUVA Factsheet explizit das oder gleichwertige Schutzmassnahme fett gedruckt. Somit genüge ein Seitenschutz (Urk. 31
S. 8). Aus der Abbildung 5 sei ersichtlich, dass die Absturzkante frei bleiben dürfe,
wenn sie dreiteilig durch einen umfassenden Seitenschutz geschützt sei (Prot. I
S. 37). Dies mache Sinn. Wenn um eine Schalungsebene rundherum ein - wie hier - umfassender Seitenschutz bestehe, dann sei der Schutz gewährleistet. Man könne dann nicht an die Absturzkante gelangen. Dann brauche es keine Zonenabschrankung. Nur wenn der Seitenschutz fehle, sei eine Zonenabschrankung
erforderlich, weil man dann an die Absturzkante gelangen könne (Prot. I S. 36 f.; ähnlich auch anlässlich der Berufungsverhandlung Urk. 68 S. 6 ff.).
Die im Schreiben der SUVA vom 10. Mai 2011 sowie die in der Massnahmen- übersicht erwähnte Sofortmassnahme Zonenabschrankungen (Urk. 9/3) betreffe einen anderen Fall. Bei dieser Forderung nach Zonenabschrankungen sei es um eine Deckenabschrankung gegangen, die (im Gegensatz zur Unfallbaustelle) keinen umfassenden dreiteiligen Seitenschutz gehabt habe, sondern eine offene Deckenschalung, auf die man habe gelangen können. Dort sei eine Zonenabschrankung anzubringen (Prot. I S. 36; Urk. 68 S. 8).
Auch spezifisch für die Arbeiten des Geometers, für die Vermessungen, habe keine Zonenabschrankung erstellt werden müssen, da die Deckenschalung zu diesem Zeitpunkt nicht generell, sondern nur für die Vermessungsarbeiten freigegeben gewesen sei (Prot. I S. 37; so auch Urk. 68 S. 5-8). Der Geometer habe für diese Arbeiten nur etwa die Hälfte der Fläche der Deckenschalung benötigt (Urk. 68 S. 5), weshalb der Beschuldigte nicht damit habe rechnen müssen, dass sich der Geschädigte und sein Mitarbeiter bis zur Absturzkante begeben und dort auch noch durch die Absperrung klettern würden, um auf die Treppe zu gelangen (Urk. 31 S. 10).
Die Vorinstanz setzt sich zutreffend mit dem Einwand der Verteidigung auseinander, wonach durch das Fassadengerüst vorliegend eine ausreichende Absicherung an drei Seiten geboten hätte und eine Zonenabschrankung gar nicht erforderlich gewesen wäre (Urk. 40 S. 12 f.). Zurecht weist die Vorinstanz darauf hin, dass das vorliegende Fassadengerüst, welches die Schalungsebene zu drei Seiten hin - aber nicht zur Absturzkante selber - schützt, nicht dem im Factsheet (Urk. 9/5, S. 4 des Factsheets) angesprochenen umlaufenden dreiteiligen Seitenschutz entspricht. Dreiteilig ist ein Seitenschutz insofern, als er aus drei Elementen besteht, die in Art. 16 Abs. 1 BauAV genannt sind (Geländerholm, Zwischenholm, Bordbrett). Mit umlaufend kann nur gemeint sein, dass sämtliche frei zugängliche Absturzkanten gesichert werden.
Klar ist auch, dass die hier zur Diskussion stehende Kante an der Schalungsdecke frei zugänglich war. Es ist unbestritten und ergibt sich aus der Fotodokumentation (Urk. 8/5), dass man über einen Treppenaufgang im Gerüst auf die Schalungsdecke gelangen konnte. So ist denn offenbar auch der Geschädigte auf die Schalungsdecke gelangt (vgl. die Aussage des Vermessungsgehilfen C. , Urk. 6/3 S. 8). Einmal auf der Decke angekommen, konnte man ohne weitere Hindernisse resp. Abschrankungen an die Absturzkante gelangen. Der Geschädigte und sein Vermessungsgehilfe C. befanden sich befugt auf der Schalungsdecke, wurden sie doch vom Beschuldigten für Achsenvermessungen aufgeboten (vgl. nur Prot. I S. 9; Urk. 68 S. 3). Für direkt an der Schalungskante arbeitende Personen kann eine Zonenabschrankung keinen Absturzschutz bieten. Die Pflicht zur Errichtung einer derartigen Absperrung besteht somit zum Schutz aller weiteren Personen, welche sich zu anderen Zwecken (als für Schalungsarbeiten) befugt auf der Decke aufhalten. Deshalb kann der Beschuldigte auch daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten, es habe keine Zonenabschrankung gebraucht, weil die Deckenschalung zu diesem Zeitpunkt nicht generell, sondern nur für die Vermessungsarbeiten freigegeben gewesen sei (Prot. I S. 37; so auch Urk. 68 S. 5-8). Die Decke war nicht generell freigegeben, weil sie sich im Bau befand und das befugte Betreten bspw. durch einen Geometer deshalb Gefahren in sich barg. Genau aus diesem Grund hätte es - entgegen der Verteidigung - eine Zonenabschrankung gebraucht. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschuldigte selbst einen Arbeiter - den Geometer - auf eine mit Gefahren behaftete Schalungsdecke bestellt.
Eine Sorgfaltspflichtverletzung ist nur anzunehmen, wenn der Täter eine Gefährdung oder - wie vorliegend - Verletzung der Rechtsgüter von Dritten hätte voraussehen können und müssen. Die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe müssen für den konkreten Täter mindestens in ihren wesentlichen Zügen voraussehbar sein. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz. Danach muss das Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Die Vorhersehbarkeit der zu beurteilenden Ursache für den Erfolg ist nur zu verneinen, wenn ganz ausser-
gewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder Materialoder Konstruktionsfehler, als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren in den Hintergrund drängen (BGE 135 IV 56 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 1B_221/2011 vom 19. August 2011 E. 3.2; zum Ganzen auch Urteil des Bundesgerichts 6B_342/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.4; vgl. jüngst auch Urteile des Bundesgerichts 6B_360/2015 vom 23. Dezember 2015 E. 2.3.2 sowie 6B_435/2015 16. Dezember 2015 E. 3.1).
Der Beschuldigte macht geltend, der Unfall sei auf das von niemandem zu erwartende Fehlverhalten des Geschädigten zurückzuführen (Urk. 5/6 S. 15; Urk. 31 S. 7 f.; Prot. I S. 36-38; Urk. 68 S. 8 ff.). Der Geometer habe für diese Arbeiten nur etwa die Hälfte der Fläche der Deckenschalung benötigt, weshalb der Beschuldigte nicht damit habe rechnen müssen, dass sich der Geschädigte und sein Mitarbeiter bis zur Absturzkante begeben würden und dort auch noch durch die Absperrung klettern würden, um auf die Treppe zu gelangen (Urk. 31 S. 10; Urk. 68 S. 9 f.). Der Geschädigte habe zum Verlassen der Baustelle den absolut gefährlichsten Punkt gewählt (Urk. 5/2 S. 3). Die Verteidigung beruft sich damit auf ein die Adäquanz ausschliessendes Verhalten des Geschädigten.
Die Vorinstanz hat erwogen, dem Beschuldigten seien die Gefahren von ungesicherten Absturzkanten insbesondere auch aufgrund von Interventionen der SUVA (Baustellenkontrollen, Rügen; vgl. Urk. 9/3) und einer an ihn vor dem Unfall ausgesprochenen Verwarnung seines Arbeitgebers vom 9. Juni 2011 (Urk. 5/6 Anhang), worin fehlende Absturzsicherungsmassnahmen kritisiert wurden und auf die damit verbundenen Gefahren aufmerksam gemacht wurde, deutlich vor Augen geführt worden. Auch sei dem Beschuldigten bewusst gewesen, dass sich der Geschädigte und sein Gehilfe im Rahmen der Vermessungsarbeiten nahe an der ungesicherten Absturzkante bewegen würden. Der Umstand, dass der Geschä- digte genau neben der Absturzkante die Schalungsdecke verlassen habe, sei zwar als ungewöhnlich zu bezeichnen, falle jedoch nicht derart aus dem Rahmen des Möglichen, dass damit schlechthin nicht zu rechnen gewesen sei (Urk. 40
S. 14 ff.). Der Umstand, dass sich der Geschädigte mit der Wahl des Abgangsorts von der Schalungsdecke unsorgfältig verhalten habe, schliesse die Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts nicht aus, zumal sich der Beschuldigte selbst eine Sorgfaltswidrigkeit anzulasten habe. Das Verhalten des Geschädigten selbst mö- ge zwar unvorsichtig gewesen sein, sei jedoch nicht als derart aussergewöhnlich zu werten, dass es das Verhalten beziehungsweise die Unterlassung des Beschuldigten in den Hintergrund zu drängen vermöchte. Insgesamt hätte der Beschuldigte durchaus damit rechnen müssen, dass sich aufgrund der fehlenden Abschrankung Personen nahe an die Absturzkante begeben würden und dort aufgrund eines unvorsichtigen Verhaltens, beispielsweise durch Überklettern des Gerüstes, in die Tiefe stürzen könnten, indem sie hängen bleiben oder ausrutschen würden. Damit sei die Voraussehbarkeit zu bejahen.
Diesem Schluss kann nicht gefolgt werden, und zwar aus folgenden Grün- den:
Zwar weist die Vorinstanz mit Recht darauf hin, dass der Beschuldigten einzig mit dem Hinweis auf die unsorgfältige Verhaltensweise des Geschädigten allein nichts zu seinen Gunsten ableiten kann, zumal sich der Beschuldigte selbst sorgfaltswidrig verhalten hat, in dem er die Absturzkante nicht gesichert hatte. Denn auf den damit angesprochenen Vertrauensgrundsatz kann sich nicht berufen, wer sich selbst unsorgfältig verhält (S TRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl., Bern 2011, § 16 Rz 42). Damit alleine kann die Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts indes noch nicht begründet werden. Andernfalls würde bereits die Sorgfaltswidrigkeit die Vorhersehbarkeit indizieren. Letztere ist indes als neben der Sorgfaltspflichtverletzung bestehende, weitere strafbarkeitslimitierende Voraussetzung zu begreifen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Sturz nicht im Zuge der eigentlichen Vermessungsarbeiten erfolgt ist, sondern als der Geschädigte und dessen Gehilfe die Plattform direkt an der Absturzkante über das Gerüst an einem nicht zum Ausresp. Abstieg vorgesehenen Ort verlassen wollten. Deshalb ist es von untergeordneter Bedeutung, ob der Beschuldigte überhaupt damit rechnen musste, dass sich der Geschädigte für die eigentliche Vermessung nahe an die Ab-
sturzkante begeben musste (was freilich strittig ist). Fraglich ist vielmehr, ob für den Beschuldigten dieser konkret zum Absturz und folglich zum Tod führende Geschehensablauf - das Unterklettern der Abschrankung direkt an der Absturzkante - in seinen wesentlichen Zügen voraussehbar war.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vermag das Verhalten des Geschädigten im Normalfall den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen tatbestandsmässigem Erfolg und Verhalten des Schädigers nicht zu beseitigen, selbst wenn das Verschulden des Geschädigten dasjenige des Schädigers übersteigt. Die Adäquanz ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie beispielsweise das Mitverschulden des Opfers, als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten der beschuldigten Person - in den Hintergrund drängen (BGE 135 IV 56 E. 2.1; jüngst auch Urteil des Bundesgerichts 6B_360/2015 vom 23. Dezember 2015 E. 2.3.2). Auch wenn neben die erste Ursache andere treten und die Erstursache in den Hintergrund drängen, bleibt sie adäquat kausal, solange sie im Rahmen des Geschehens noch als erheblich zu betrachten ist, solange nicht eine Zusatzursache derart ausserhalb des normalen Geschehens liegt, derart unsinnig ist, dass damit nicht zu rechnen war. Entscheidend ist die Intensität der beiden Kausalzusammenhänge. Erscheint der eine bei wertender Betrachtung als derart intensiv, dass er den andern gleichsam verdrängt und als unbedeutend erscheinen lässt, wird eine sogenannte Unterbrechung des andern angenommen (jüngst Urteil des Bundesgerichts 6B_360/2015 vom 23. Dezember 2015 E. 2.3.2 m.H.; Urteil des Bundesgerichts 6B_601/2009 vom 24. November 2009 E. 1.5.2 m.H.; hierzu auch Urteil des Bundesgerichts 1B_221/2011 vom 19. August 2011 E. 3.2
m.H.a. BGE 115 IV 100 [völlig aussergewöhnliches, unsinniges und daher schlechthin nicht voraussehbares Verhalten]).
Der Geschädigte hat die Schalungsdecke nicht einfach nur durch blosses Unterklettern der Fassadengerüstabschrankung verlassen wollen. Vielmehr hat er die Decke unmittelbar an der Absturzkante verlassen, obwohl es - selbst
nebst dem regulären Ausstiegspunkt - meterweise absturzsichere Positionen gegeben hätte. Das Motiv hierfür bleibt nicht restlos geklärt. Der Vermessungsgehilfen des Geschädigten gab an, man habe jeweils einfach den kürzesten Weg von der Schalungsdecke nach unten gewählt (Urk. 6/3 S. 5 und S. 8). Der Vater des Geschädigten gab anlässlich der Berufungsverhandlung gar an, sein Sohn sei ein Draufgänger gewesen (Prot. II S. 9). Jedenfalls erscheint die Verhaltensweise des Geschädigten umso unverständlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass ihm die Absturzgefahren an der Kante durchaus bewusst waren. Einerseits sind Absturzgefahren generell Vermessungsarbeiten auf noch nicht fertig gestellten Schalungsdecken immanent. Andererseits war dem Geschädigten die konkret auf der fraglichen Schalungsdecke aufgrund der ungesicherten Absturzkante vorhandenen Gefahren bewusst, hat er doch seinen Gehilfen zur Vorsicht ermahnt (Urk. 6/3 S. 7). Nebst der Wahl des Abgangsorts für sein - sorgfaltswidriges - Unterklettern des Gerüsts am absolut gefährlichsten Punkt, sind weitere Verhaltensweisen des Geschädigten bemerkenswert und schlicht nicht nachvollziehbar. So hat er das für die Vermessungen benötigte Messstativ beim Unterklettern der Abschrankung mit einem Riemen über der Schulter getragen und blieb mit dem oberen Teil des Dreibeinstativs am Handlauf des Gerüsts hängen, als er sich unter dem Handlauf hindurch bücken wollte. Doch auch diesen ersten gescheiterten Versuch des Unterkletterns hielt den Geschädigten nicht davon, einen zweiten Anlauf zu nehmen und erneut zu versuchen, sich unter dem Handlauf hindurchzuzwängen, wobei das Stativ wiederum hängen blieb und der Geschädigte dadurch schliesslich das Gleichgewicht verlor und zu Tode stürzte. Dass der Geschädigte bei alledem offenbar beide Hände voll hatte - die eine am Stativ, in der anderen Hand Pläne oder einen Ordner -, macht dieses Unterkletter-Manöver noch viel weniger nachvollziehbar (vgl. zum Ganzen den Spurenbericht des Forensischen Instituts Zürich; Urk. 8/1 S. 2 f. und Tatortfotos Urk. 8/3 Foto-Nr. 5-9 sowie die Aussagen des Vermessungsgehilfen C. ; Urk. 6/1 S. 2; Urk. 6/3
S. 4 ff., insb. S. 9 und 11).
2.5.4. Das Verhalten des Geschädigten erscheint unter all den genannten Umständen als widersinnig, unvernünftig und schlicht nicht nachvollziehbar. Dieses Selbstverschulden erweist sich als derart gravierend, dass die Sorgfaltspflicht-
verletzung des Beschuldigten dadurch in den Hintergrund gedrängt wird und als nicht unfallkausal zu qualifizieren ist. Der tödliche Absturz, wie er sich vorliegend aufgrund der Verkettung all dieser, vom Geschädigten selbst gesetzten Umstände ereignet hat, ist für den Beschuldigten schlicht nicht vorhersehbar gewesen. Es fehlt mithin an einem rechtserheblichen Zusammenhang zwischen der sorgfaltswidrigen Unterlassung des Beschuldigten und dem Tod des Geschädigten.
2.6. Die Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Beschuldigte ist von diesem Vorwurf freizusprechen.
Fahrlässige Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde (Art. 229 StGB)
Gemäss Art. 229 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer vorsätzlich bei der Leitung oder Ausführung eines Bauwerkes oder eines Abbruches die anerkannten Regeln der Baukunde ausser Acht lässt und dadurch wissentlich Leib und Leben von Mitmenschen gefährdet. Nach Abs. 2 wird der Täter bestraft, wenn er die anerkannten Regeln der Baukunde fahrlässig ausser Acht lässt. Die Tathandlung gemäss Art. 229 StGB besteht in der Nichtbeachtung von anerkannten Regeln der Baukunde bei der Leitung oder Ausführung eines Bauwerkes. Der Tatbestand kann sowohl durch aktives unsachgemässes Handeln als auch durch Unterlassen gebotener Schutzmassnahmen erfüllt werden. Art. 229 StGB ist als Erfolgsdelikt konzipiert. Vorausgesetzt ist damit insbesondere, dass durch das Nichteinhalten der Regeln der Baukunde Dritte einer konkreten Gemeingefahr ausgesetzt werden (BGE 109 IV 125 E. 2; vgl. auch BSK StGB I-R OELLI/FLEISCHHANDERL,
Art. 229 N 41). Auch für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nach Art. 229 StGB ist erforderlich, dass der Gefährdungserfolg für den Beschuldigten voraussehbar war, was sich wiederum nach den obgenannten Grundsätzen bestimmt.
In Bezug auf den Geschädigten selbst kann auf das zuvor Ausgeführte verwiesen werden. Zwar hat der Beschuldigte durch die vorgeschriebenen, aber unterlassenen Absturzsicherungsmassnahmen allenfalls eine abstrakte Gefahr geschaffen. Die konkrete Absturzgefahr und damit der Gefährdungserfolg nach
Art. 229 StGB manifestierte sich indes wiederum erst durch das gravierende, krass sorgfaltswidrige und unvorhersehbare Verhalten des Geschädigten unmittelbar an der Absturzkante selbst. Der beim Geschädigten eingetretene Gefährdungserfolg (der hernach in die Tötung umgeschlagen ist), war für den Beschuldigten wiederum nicht vorhersehbar.
In Bezug auf den Vermessungsgehilfen ist zunächst fraglich, ob sich überhaupt eine konkrete Gefahr realisiert hat, zumal der Vermessungsgehilfe die Schalungsdecke nicht derart nahe an der Absturzkante verlassen hat. Selbst wenn man den Eintritt des Gefährdungserfolgs noch bejahen wollte, wäre dieser für den Beschuldigten ebenso wenig vorhersehbar. Hier ist insbesondere zu bedenken, dass der Vermessungsgehilfen die Schalungsdecke nur deshalb auf diese Weise verlassen hat, weil er einfach neben [seinem Vorgesetzten, dem Geschädigten] hergelaufen ist (Urk. 6/3 S. 8). Wiederum erscheint auch hier die vom Geschädigten gesetzte Ursache (Wahl bzw. Bestimmung des Abstiegsorts) als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des - allfällig eingetretenen - Gefährdungserfolgs beim Vermessungsgehilfen, mit dem der Beschuldigte schlechthin nicht rechnen musste und namentlich seine Sorgfaltswidrigkeit in den Hintergrund drängt.
Demgemäss ist der Beschuldigte auch vom Vorwurf der Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde freizusprechen.
Die Schadenersatzund Genugtuungsbegehren des Privatklägers D. sind ausgangsgemäss auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen.
Kostenfolgen
Ausgangsgemäss - der Beschuldigte wird freigesprochen und obsiegt im Berufungsverfahren - sind die Kosten der Untersuchung und beider gerichtlichen Ver-
fahren auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 426 Abs. 1 und 2 StPO; Art. 428 Abs. 1 StPO).
Entschä digung
Wird die beschuldigte Person freigesprochen, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte, vorab für eine Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen, die aus ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind und Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug (Art. 429 Abs. 1 lit. a-c StPO). Zu den Entschädigungen für Aufwendungen zur Wahrung der Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO) gehören primär die Kosten der frei gewählten Verteidigung, wenn die Verbeiständung angesichts der tatsächlichen oder rechtlichen Komplexität des Falls geboten war (SCHMID, Handbuch StPO, 2. Aufl. 2013, N 1810).
Vorliegend war der Beizug einer anwaltlichen Verteidigung gerechtfertigt. Der Verteidiger reichte zur Bezifferung des Entschädigungsanspruchs zwei Honorarnoten ein, eine über Fr. 11'220.65 (Urk. 65) sowie eine weitere über Fr. 7'315.05 (Urk. 66).
Die Höhe der Entschädigung für die anwaltliche Verteidigung richtet sich nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (Anwaltsgebührenverordnung, LS 215.3, nachstehend: AnwGebV). Diese setzt sich aus einer Gebühr sowie den notwendigen Auslagen zusammen (§ 1 Abs. 2 AnwGebV).
Die Gebühr für die Führung eines Strafprozesses (einschliesslich Vorbereitung des Parteivortrages und Teilnahme an der Hauptverhandlung) beträgt im Bereich der Zuständigkeit des Einzelgerichts - auch im Berufungsverfahren - in der Regel Fr. 600.- bis Fr. 8'000.-, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob das vorinstanzliche Urteil ganz oder nur teilweise angefochten wurde (§ 18 Abs. 1 i.V.m.
§ 17 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Innerhalb dieses Rahmens wird die Grundgebühr
nach den besonderen Umständen, namentlich nach Art und Umfang der Bemühungen und Schwierigkeiten des Falles, bemessen (vgl. § 2 AnwGebV). Im Vorverfahren bemisst sich die Gebühr nach dem notwendigen Zeitaufwand (§ 16 Abs. 1 AnwGebV). Notwendige Auslagen sind namentlich bezahlte Gerichtskosten, Reisespesen, Porti, Kosten für Telekommunikation und Fotokopien (§ 22 Abs. 1 AnwGebV).
Im Vorverfahren hat die Verteidigung an Einvernahmen von einer Gesamtdauer von ca. 10 Stunden teilgenommen Für getätigte Korrespondenzen/ Eingaben ist eine weitere Stunde zu veranschlagen. Der von der Verteidigung geltend gemachte Stundenansatz von Fr. 300.- ist angemessen und bewegt sich im Rahmen von § 3 AnwGebV. Daraus resultiert ein Entschädigungsanspruch für das Vorverfahren von Fr. 3'300.-. Für das Hauptund das Berufungsverfahren erweist sich eine pauschale Entschädigung von je Fr. 5'000.- unter Berücksichtigung der konkreten Bedeutung und Schwierigkeit des Falles als angemessen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 lit. a und § 1 Abs. 2 AnwGebV). Entsprechend ist dem Beschuldigten für das gesamte Verfahren, unter Einbezug der Hauptund Berufungsverhandlungen, eine Entschädigung für anwaltliche Verteidigung von insgesamt Fr. 14'500.- (einschliesslich MwSt.) aus der Gerichtskasse zuzusprechen.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
wird vollumfänglich freigesprochen.
Das Schadenersatzund Genugtuungsbegehren des Privatklägers D. wird auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Disp.-Ziff. 7) wird bestätigt.
Die Kosten der Untersuchung sowie beider Gerichtsverfahren werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten wird für das ganze Verfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 14'500.- für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
den Privatkläger (übergeben)
Rechtsanwältin lic. iur. Y.
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
Rechtsanwältin lic. iur. Y. Privatklägers
im Doppel für sich und zuhanden des
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA mittels Kopie von Urk. 45
die Kantonspolizei Zürich, KIA-ZA, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)
Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 17. Dezember 2015
Der Präsident:
lic. iur. P. Marti
Der Gerichtsschreiber:
Dr. iur. F. Manfrin
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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