Zusammenfassung des Urteils SB130258: Obergericht des Kantons Zürich
Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich hat am 20. Dezember 2013 ein Urteil in einem Strafverfahren gefällt, bei dem die Beschuldigten A. und B. angeklagt waren. Beschuldigter A. wurde des Angriffs schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe und einer Busse belegt, während Beschuldigter B. der einfachen Körperverletzung schuldig befunden wurde und mit einer Geldstrafe bestraft wurde. Die Geldstrafen wurden teilweise aufgeschoben, und es wurden Probezeiten festgesetzt. Der Privatkläger wurde auf den Zivilweg verwiesen. Die Gerichtskosten wurden aufgeteilt, und die amtlichen Verteidigungskosten wurden gesondert entschieden. Die Beschuldigten legten Berufung ein und wurden schliesslich freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens wurden auf die Gerichtskasse genommen, und den Beschuldigten wurden Entschädigungen zugesprochen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB130258 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 20.12.2013 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Angriff etc. und Widerruf |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Gericht; Privatkläger; Berufung; Verteidigung; Zeuge; Alibi; Zeugen; Deutschland; Kantons; Urteil; Beweis; Familie; Geldstrafe; Gerichtskasse; Untersuchung; Verfahren; Vorinstanz; Geburtstag; Verfahren; Tagessätze; Täter; Staatsanwaltschaft; Aussage; Befragung; Mutter; Angriff |
Rechtsnorm: | Art. 134 StGB ;Art. 307 StGB ;Art. 428 StPO ;Art. 84 StPO ; |
Referenz BGE: | 133 I 33; |
Kommentar: | Markus Hug, Reihe OFK - Orell Füssli Kommentar, Art. 47 StGB OR, 2013 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB130258-O/U/am/hb
Mitwirkend: die Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, und lic. iur. Ruggli, die Oberrichterin Dr. Janssen sowie die Gerichtsschreiberin MLaw Mondgenast
Urteil vom 20. Dezember 2013
in Sachen
Beschuldigte und Berufungskläger
1 amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. 2 verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
gegen
Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend Angriff etc. und Widerruf
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 3. Dezember 2012 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 16).
Urteil der Vorinstanz:
a) Der Beschuldigte A. ist schuldig des Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB.
Der Beschuldigte B. ist schuldig der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB.
a) Der Beschuldigte A. wird bestraft mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 30.- (entsprechend Fr. 2'700.-) sowie einer Busse von Fr. 500.-.
Der Beschuldigte B. wird bestraft mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 100.- (entsprechend Fr. 12'000.-) als Zusatzstrafe zu den mit Strafmandaten der Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden vom 19. Mai 2011 und 23. September 2011 ausgefällten Strafen.
a) Der Vollzug der Geldstrafe des Beschuldigten A. wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.
Der Vollzug der Geldstrafe des Beschuldigten B. wird im Umfang von 60 Tagessätzen zu je Fr. 100.aufgeschoben und die Probezeit wird auf 3 Jahre festgesetzt. Im Übrigen (60 Tagessätze zu je Fr. 100.-
) wird die Geldstrafe vollzogen.
Die dem Beschuldigten B. mit Strafmandat des Amtsstatthalteramtes C. vom 20. Mai 2010 für die bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 40.angesetzte Probezeit von 2 Jahren wird mit Wirkung ab heute um 1 Jahr verlängert.
Bezahlt der Beschuldigte A. die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen.
Der Privatkläger D. wird mit seinem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 2'500.-. Über die weiteren Kosten wird die Gerichtskasse Rechnung stellen. Über die Höhe der Kosten der amtlichen Verteidigung wird mit separater Verfügung entschieden.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden den Beschuldigten je zur Hälfte auferlegt.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten 1: (Urk. 57)
1. Der Beschuldigte 1 sei vom Vorwurf des Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB und damit vollumfänglich von Schuld und Strafe freizusprechen;
Auf allfällige Zivilforderungen sei nicht einzutreten;
Die Kosten des Untersuchungsverfahrens, der Gerichtsverfahren sowie der amtlichen Verteidigung seien ausgangsgemäss auf die Staatskasse zu nehmen und dem Beschuldigten 1 sei für die ihm durch das Strafverfahren entstandenen Kosten und Umtriebe angemessen zu entschädigen.
Der Verteidigung des Beschuldigten 2: (Urk. 59)
1. Herr B. sei unter Aufhebung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils von jeglicher Schuld und Strafe freizusprechen.
2. Auf eine Verlängerung der Probezeit für die mit Strafmandat des Amtsstatthalteramtes C. vom 20. Mai 2010 bedingt aufgeschobene Geldstrafe sei entsprechend zu verzichten.
Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt) zu Lasten der Staatskasse.
Der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Besondere Untersuchungen: (schriftlich; Urk. 46)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Das Einzelgericht am Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, sprach mit Urteil vom 25. Februar 2013 den Beschuldigten 1 des Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB und den Beschuldigten 2 der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB für schuldig. Ersteren bestrafte das Einzelgericht mit einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 30.- und einer Busse von
Fr. 500.-; Letzteren mit einer teilbedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 100.- (als Zusatzstrafe zu zwei früheren Strafmandaten), wobei die Hälfte der Tagessätze als vollziehbar erklärt wurde (Urk. 41).
Gegen dieses Urteil meldeten beide Beschuldigten Berufung an (am 5. bzw.
7. März 2013: Urk. 34 und 35). Die Berufungserklärungen folgten unterm 4. bzw.
10. Juli 2013 (Urk. 42 und 43). Demnach wird von beiden Beschuldigten ein
Freispruch verlangt (Urk. 43 S. 1 mit Verweis auf Urk. 29; Urk. 42). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf ein Rechtsmittel und beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 46).
Überblick
Gemäss Anklage sollen der Beschuldigte 1 dem Privatkläger einen Faustschlag ins Gesicht ausgeteilt und der Beschuldigte 2 demselben mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen haben. Der Privatkläger erlitt dadurch eine Rissquetschwunde am Kopf und eine Gehirnerschütterung (vgl. ärztlichen Bericht des USZ vom 2. Oktober 2010; Urk. 12/2). Der Vorfall soll sich am 1. Oktober 2010 um 22.20 Uhr auf dem Parkplatz des Zürich vis-à-vis des zugetragen haben. Der Geschädigte und Privatkläger will den Beschuldigten 1 als Täter noch vor Ort erkannt und den Beschuldigten 2 später auf einer Foto wiedererkannt haben. Der Privatkläger hat seine Belastungen gegenüber den Beschuldigten in Konfrontation mit diesen rund zwei Jahre nach der Tat bestätigt (Urk. 7/8). Seine Aussage war das primäre Fundament der vorinstanzlichen Verurteilung der Beschuldigten.
Beide Beschuldigten bestreiten den Tatvorwurf. Der Beschuldigte 1 macht nebst dem Hinweis auf widersprüchliche Aussagen des Privatklägers in erster Linie ein Alibi für den Tatzeitpunkt geltend. Der Beschuldigte 2 argumentierte mit den Unsicherheiten und Unstimmigkeiten in den Schilderungen des Privatklägers und mit dem Umstand, dass der Beschuldigte 2 erst über ein Jahr nach der Tat vom Privatkläger als zweiter Täter ins Spiel gebracht worden sei.
Die vom Privatkläger geschilderte tätliche Attacke auf ihn, begangen durch Dritte, kann aufgrund der ärztlich attestierten Kopfverletzung, die er sich nicht selber zufügen konnte, nicht strittig sein. Auch Zeit und Ort des Geschehens sind aufgrund der sofortigen Anzeige des Privatklägers bei der Polizei nicht fraglich. Hauptstreitpunkt im vorliegenden Strafprozess ist demnach, ob den Beschuldigten die Täterschaft nachgewiesen werden kann.
Vom Beschuldigten 1 geltend gemachtes Alibi
Während der Beschuldigte 2 auf Beweisergänzungen verzichtete (Urk. 42
S. 2), liess der Beschuldigte 1 die Befragung von sieben Zeugen beantragen, die sein Alibi bestätigen könnten (Urk. 43 S. 2). Drei dieser Zeugen waren bereits kurz vor der Hauptverhandlung angerufen worden und anlässlich der Hauptverhandlung hat der Beschuldigte 1 die Befragung von weiteren drei Zeugen beantragt. In den im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträgen ist als siebte Zeugin E. , die Schwester des Vaters des Beschuldigten 1, neu hinzugekommen. Von Seiten der Schwester und der Mutter des Beschuldigten 1, welche unter den angerufenen Zeugen figurieren, liegt sodann eine schriftliche Erklärung zum behaupteten Alibi des Beschuldigten 1 in den Akten; diese wurde von der Verteidigung eingereicht (Urk. 26).
Die Vorinstanz hat die Beweisanträge des Beschuldigten 1 recht salopp abgelehnt (vgl. Urk. 41 S. 6 f.). Sie berief sich dabei darauf, dass der Beschuldigte 1 sein Alibi erst mehr als zwei Jahre nach der Tat geltend gemacht habe, wo er sich in den ersten Verhören kurz nach der Tat doch viel eher hätte daran erinnern müssen. Auch sah die Vorinstanz zwischen der ersten Erwähnung des Alibis durch den Beschuldigten 1 (am 7. November 2012; Urk. 7/12), wonach er wahrscheinlich in Deutschland gewesen sei, er könne dies aber nicht beweisen, und der Präsentation von mehreren Zeugen wenige Monate später (mit Eingabe vom 21. Februar 2013; Urk. 25) einen Widerspruch, der auf prozesstaktisches Vorgehen schliessen lasse. Des Weiteren sprach die Vorinstanz den angerufenen Zeugen, da diese ausschliesslich Familienmitglieder des Beschuldigten 1 sind, von vornherein die notwendige Glaubwürdigkeit ab und wies darauf hin, dass diese versucht sein könnten, das Alibi des Beschuldigten 1 aus Gefälligkeit zu bestätigen (Urk. 41 S. 7).
Die Kritik der Verteidigung des Beschuldigten 1 an der Argumentation des Einzelgerichts, dass damit in eine nicht zulässige antizipierte Beweiswürdigung verfallen würde, ist nicht unberechtigt. Das Aussageverhalten des Beschuldigten 1 bezüglich seines Aufenthaltsorts zum Tatzeitpunkt spricht entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht gegen ihn: Am 13. Dezember 2010 erstmals als
Beschuldigter befragt, sagte er, er wisse nicht, wo er am 1. Oktober 2010 gewesen sei, da dies so lange her sei (Urk. 7/1 S. 2). Am 17. Juli 2012 ein zweites Mal dazu befragt, wiederholte er, er habe keine Ahnung, was er am 1. Oktober 2010 gemacht habe; nun sei es bereits eineinhalb Jahre her (Urk. 7/2 S. 2). Die dritte Einvernahme fand erst am 7. November 2012 statt und, nachdem er ausdrücklich nach Beweisergänzungen gefragt worden war, antwortete der Beschuldigte 1: Ich war wahrscheinlich an diesem Tag in Deutschland, kann es aber heute nicht beweisen (Urk. 7/12 S. 3).
Dass zwischen dem Tatzeitpunkt und der ersten Befragung 2 ½ Monate und bis zur zweiten und dritten Befragung rund weitere eineinhalb bis zwei Jahre vergangen waren, hat nicht der Beschuldigte 1, sondern haben die Strafverfolgungsbehörden zu verantworten: In der ersten (polizeilichen) Befragung ist der Beschuldigte 1 zum ersten Mal mit dem konkreten Tatvorwurf konfrontiert worden und es ist ihm nicht zu verargen, dass er nicht spontan wusste, wo er zehn Wochen zuvor gewesen war. In der zweiten Befragung, eineinhalb Jahre später, bezog er sich darauf, dass er bereits in der ersten Befragung bei der Polizei nicht gewusst hatte, was er am 1. Oktober 2010 gemacht hatte, und wiederholte dieses Nichtwissen mit dem Hinweis, dass mittlerweile eineinhalb Jahre vergangen seien. Auch diese Aussage erscheint unverdächtig. Rund fünf Monate später in seiner dritten Einvernahme wurde er nach allfälligen Beweisergänzungsanträgen gefragt und in diesem Zusammenhang erwähnte er erstmals, dass er am Tattag wahrscheinlich in Deutschland gewesen sei, es aber heute nicht beweisen könne. Diese Erklärung des Beschuldigten 1 war zwar neu, er wurde jedoch nicht danach gefragt, wieso er dies nicht schon früher vorgebracht hätte. Auch lässt das vom Beschuldigten 1 verwendete Wörtchen heute offen, ob ein Beweis allenfalls nachgebracht werden kann. Erst im schriftlichen Beweisantrag seitens seines Verteidigers vom 21. Februar 2013 (Urk. 25) findet sich für das neue Vorbringen eine Erklärung; demnach habe sich für den Beschuldigten 1 das Alibi erst vor kurzer Zeit aus Gesprächen mit Familienmitgliedern ergeben.
Nun kann aber dieses späte Berufen auf ein allfälliges Alibi und das noch spätere Anrufen von entsprechenden Beweismitteln nicht einfach als prozesstaktisches Vorgehen abgetan werden, wie es die Vorinstanz gemacht hat (vgl. Urk. 41 S. 6 f.). Vielmehr ist zu beachten, dass dem im Untersuchungsverfahren erst 22bis 24-jährigen Beschuldigten 1, der zudem aus einem anderen Kulturkreis stammt, vom Vorderrichter nicht von Ungefähr unter anderem gestützt darauf, dass der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht gewisse Schwierigkeiten bereite, am 12. Februar 2013 ein amtlicher Verteidiger beigegeben worden ist (vgl. Urk. 22). Dass erst daraufhin die mögliche Exkulpation durch ein Alibi arte legis in den Prozess eingeführt worden ist, überrascht demnach nicht: Dass dies erst spät geschehen ist, ist in erster Linie auf die späte Bestellung des Verteidigers zurückzuführen und erlaubt nicht, das geltend gemachte Alibi unbesehen als Taktik und Schutzbehauptung abzuqualifizieren, wie es die Vorinstanz getan hat (Urk. 41 S. 6 f.).
Folglich wurde dem Beschuldigten 1 im Berufungsverfahren, vorgängig der Berufungsverhandlung, mittels schriftlicher Anregung vom 11. September 2013 vom Gericht Gelegenheit gegeben, das behauptete Alibi zu untermauern (vgl. Urk. 51). In der Folge reichte der Beschuldigte am 19. Dezember 2013 eine Kopie eines Videos des am 2. Oktober 2010 stattgefundenen Geburtstagsfestes von
F. (Tante des Beschuldigten 1) in I. (Deutschland) ein (Urk. 56), welches dem Gericht zudem an der Berufungsverhandlung im Original vorlag (Prot. II S. 14).
Anlässlich der Berufungsverhandlung wurde eine Auswahl der vom Beschuldigten 1 offerierten Zeugen befragt (vgl. Prot. II S. 6 - 22). Bei den drei befragten Zeugen handelt es sich um die Mutter, die Tante und den Cousin des Beschuldigten 1. Alle Zeugen wurden zur Wahrheit ermahnt und auf die Folgen eines wissentlichen falschen Zeugnisses gemäss Art. 307 StGB aufmerksam gemacht. Trotz Zeugnisverweigerungsrecht gemäss Art. 168 Abs. 1 lit. c StPO erklärte die Mutter des Beschuldigten 1, aussagen zu wollen. Hinsichtlich der allgemeinen Glaubwürdigkeit eines Zeugen im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft ist zu beachten, dass dieser kaum mehr relevante
Bedeutung zu kommt. Weitaus bedeutender für die Wahrheitsfindung als die allgemeine Glaubwürdigkeit ist die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage, welche durch methodische Analyse ihres Inhalts darauf überprüft wird, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben des Zeugen entspringen (BGE 133 I 33 E. 4.3 S. 45 mit Hinweisen).
Die Zeugin G. , Mutter des Beschuldigten 1, sagte aus, im Jahr 2010 ans Geburtstagsfest ihrer Schwägerin in Deutschland gefahren zu sein. Dazu hätten ihre Familie und die Familie der Schwester ihres Ehemannes einen kleinen Van gemietet. Ihr Neffe H. sei die gesamte Strecke gefahren. Er sei zu ihnen nach Luzern gekommen, habe dort mit Hilfe von A. den Van gemietet und sie seien dann alle zusammen nach Zürich gereist, um die Familie von
H. abzuholen. Dort hätten sie erst noch zu Mittag gegessen und seien dann nach ca. einer Stunde weitergefahren. In I. seien sie am Freitagabend um ca. 21 - 21.30 Uhr angekommen. A. sei auch an der Geburtstagsfeier in Deutschland dabei gewesen und sie sage dies nicht, um ihn zu schützen. Am Sonntag seien sie wieder zurück gereist und A. sei mit ihnen bis nach Luzern gefahren. Als Dankeschön hätten alle Gäste eine Video-CD erhalten, wobei sie auf Nachfrage bestätigte, dass es sich dabei um dasselbe Video handle, welches dem Gericht vorliege (Prot. II S. 7-14).
Die Zeugin E. , Tante des Beschuldigten 1, führte aus, im Jahr 2010 an die 50. Geburtstagsfeier ihrer jüngeren Schwester nach Deutschland gefahren zu sein. Ihr Sohn H. , welcher über einen Führerschein verfüge, habe für die Fahrt nach Deutschland einen Van in Luzern gemietet. Am Freitag gegen Mittag seien die Personen aus Luzern zu ihr nach Hause gekommen und sie hätten gegessen. Um ca. 13.30 / 14 Uhr seien sie von Zürich abgefahren. Im Van seien acht Personen gewesen; A. sei ebenfalls dabei gewesen. Die Feier habe dann am Samstag stattgefunden und sie seien am Sonntag zurück gereist, wobei auch A. dabei gewesen sei. In Zürich seien ihre Tochter, ihr Ehemann und sie ausgestiegen und die anderen seien weitergefahren. Sie hätten nicht am
30. September - dem eigentlichen Geburtstag ihrer Schwester gefeiert, da dieser Tag ein Wochentag gewesen sei und ihre Familien immer samstags feiern
würden. Sie habe eine CD von ihrer Schwester erhalten und H. habe diese dem Gericht abgegeben (Prot. II S. 15 - 17).
Der Zeuge H. , Cousin des Beschuldigten 1, führte aus, auf der Fahrt nach I. ans Geburtstagsfest seiner Tante im Jahr 2010 seien seine Familie und die Familie von A. gemeinsam im Auto gewesen. A. sei ebenfalls dabei gewesen. Er (H. ) sei gefahren, da er damals als einziger über einen Führerausweis verfügt habe. A. sei in Luzern eingestiegen, dann seien sie nach Zürich gefahren und von dort nach I. . Auch bei der Rückfahrt sei
A. dabei gewesen. Dies sage er nicht, um A. zu schützen. Am Freitag seien sie nach Deutschland gefahren und am Sonntag zurück. Das Auto habe er gemietet, A. sei jedoch dabei gewesen, da dieser den Autovermieter kenne. Den Mietpreis hätten beide Familien je hälftig bezahlt. Jeder habe eine CD von
F. erhalten, worauf auch A. zu sehen sei, ebenso wie auf den Fotos, welche sich ebenfalls auf der CD befinden würden (Prot. II S. 17 - 22).
Die Schilderungen der drei befragten Zeugen wirken lebensnah und in sich geschlossen. Übereinstimmend und glaubhaft bestätigten sie die Teilnahme des Beschuldigten 1 an der Reise vom 1. Oktober 2010 nach Deutschland. Die Mutter und die Tante des Beschuldigten 1 konnten sich beide ans gemeinsame Mittagessen in Zürich erinnern und der Cousin schilderte in Übereinstimmung mit den Aussagen der Mutter des Beschuldigten 1 wie er gemeinsam mit dem Beschuldigten 1 den Van für die Fahrt nach Deutschland gemietet hat. Alle drei erwähnten zudem, von F. eine CD mit Videos und Fotos des Geburtstagsfests erhalten zu haben. Auf dem eingereichten Video (Urk. 56) ist zu sehen, dass der Beschuldigte 1 an der Geburtstagsfeier teilgenommen hat, wie dies auch der Cousin ausführte. Eine Verwechslung mit einem Bruder kann ausgeschlossen werden, da die Mutter des Beschuldigten 1 auf Nachfrage bestätigte, nur einen Sohn zu haben (Prot. II S. 9). Der Geburtstag von F. fiel am 30. September 2010 auf einen Donnerstag. Es erscheint plausibel, dass für ein Familienfest die Feierlichkeiten auf das Wochenende verschoben wurden, da insbesondere auch Gäste aus dem Ausland eingeladen wurden. Damit kann
die Täterschaft des Beschuldigten 1 am gleichzeitigen Geschehen in Zürich ausgeschlossen werden, was zu einem Freispruch führen muss.
Durch die Falschidentifikation des Beschuldigten 1 als Täter bzw. seine Verwechslung mit einer andern Person ist die Glaubwürdigkeit des Privatklägers und der Wahrheitsgehalt seiner Aussagen bezüglich der Täterschaft so stark erschüttert, dass auch die Bezichtigung des Beschuldigten 2 als Täter grundsätzlich in Zweifel zu ziehen ist, zumal sich die Beweislage für dessen Täterschaft ohnehin als weniger stark erwiesen hat als beim Mitangeschuldigten. In dubio pro reo ist folglich auch der Beschuldigte 2 vom ihn betreffenden Anklagevorwurf freizusprechen.
Gemäss Art. 126 Abs. 1 lit. b StPO entscheidet das Gericht über die anhängig gemachte Zivilklage, wenn es die beschuldigte Person freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist. Ist Letzteres nicht der Fall, wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen (Art. 126 Abs. 2 lit. d StPO).
Die Vorinstanz verwies den Privatkläger mit seiner Zivilforderung auf den Zivilweg, weil das Schadenersatzbegehren nicht rechtsgenügend belegt worden war (Urk. 41 S. 38). Der Privatkläger machte geltend, seinen Autoschlüssel infolge des angeblichen Angriffs durch die Beschuldigten verloren zu haben bzw. dieser sei ihm entwendet worden. Vorliegend werden die Beschuldigten des Angriffs freigesprochen und der Schaden des verlorenen Autoschlüssels kann nicht durch sie verursacht worden sein. Der Sachverhalt ist spruchreif und die Zivilforderung des Privatklägers ist abzuweisen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Vorliegend obsiegten die Beschuldigten mit ihrer Berufung vollumfänglich. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten der Untersuchung, des erstinstanzlichen und des
obergerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Wird die beschuldigte Person freigesprochen, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte sowie auf Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen, die ihr aus ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind (Art. 429 Abs. 1 lit. a und b StPO). Mit Blick auf das vorliegende Verfahren erscheint der vom Beschuldigten 1 geltend gemachte Aufwand angemessen (vgl. Urk. 57 S. 15). Entsprechend ist ihm für das gesamte Verfahren eine Umtriebsentschädigung von Fr. 1'120.aus der Gerichtskasse zuzusprechen.
Dem Beschuldigten 2 ist für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 11'582.90 aus der Gerichtskasse zuzusprechen, wobei berücksichtigt wurde, dass die Berufungsverhandlung nur am Morgen und nicht, wie ursprünglich angenommen, auch am Nachmittag stattfand. Zusätzlich ist dem Beschuldigten 2, wie beantragt, eine Umtriebsentschädigung von
Fr. 1'500.aus der Gerichtskasse zuzusprechen (vgl. Urk. 59 S. 19).
Es wird erkannt:
a) Der Beschuldigte A. freigesprochen.
b) Der Beschuldigte B. freigesprochen.
ist eines Deliktes nicht schuldig und wird
ist eines Deliktes nicht schuldig und wird
Das Schadenersatzbegehren des Privatklägers D. wird abgewiesen.
Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 4'820.00 amtliche Verteidigung Beschuldigter 1
(Berufungsverfahren)
Die Kosten der amtlichen Verteidigung des Beschuldigten 1 in beiden Gerichtsinstanzen werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten 1 wird aus der Gerichtskasse eine Umtriebsentschädigung von Fr. 1'120.bezahlt.
Dem Beschuldigten 2 wird aus der Gerichtskasse eine Prozessentschädigung für das gesamte Verfahren von Fr. 11'582.90 sowie eine Umtriebsentschädigung von Fr. 1'500.entrichtet.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung des Beschuldigten 1 im Doppel, für sich und zuhanden des Beschuldigten 1
die Verteidigung des Beschuldigten 2 im Doppel, für sich und zuhanden des Beschuldigten 2
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Besondere Untersuchungen
den Privatkläger D. , [Adresse]
(Eine begründete Urteilsausfertigung - und nur hinsichtlich seiner eigenen Anträge [Art. 84 Abs. 4 StPO] wird dem Privatkläger nur zugestellt, sofern er dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangt.)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung des Beschuldigten 1 im Doppel, für sich und zuhanden des Angeklagten 1
die Verteidigung des Beschuldigten 2 im Doppel, für sich und zuhanden des Beschuldigten 2
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Besondere Untersuchungen
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Kantonspolizei Zürich, KIA-ZA, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)
die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA mittels Kopie von Urk. 13/2 und 14/2.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 20. Dezember 2013
Der Präsident:
Dr. Bussmann
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Mondgenast
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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