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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB110323: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 30. September 2011 in einem Fall von Nötigung und grober Verletzung der Verkehrsregeln entschieden. Der Beschuldigte wurde schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 70.- sowie einer Busse von Fr. 1'500.- verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben, die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine höhere Freiheitsstrafe und Busse gefordert, während die Verteidigung einen Freispruch von der Nötigung beantragt hatte.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB110323

Kanton:ZH
Fallnummer:SB110323
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB110323 vom 30.09.2011 (ZH)
Datum:30.09.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Nötigung etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Verkehrs; Geldstrafe; Freiheitsstrafe; Verteidigung; Busse; Gericht; Urteil; Staatsanwaltschaft; Nötigung; Vollzug; Berufung; Tagessätze; Lichthupe; Lieferwagen; Vorinstanz; Verbindung; Gericht; Sinne; Verletzung; Verkehrsregeln; Tagessätzen; Über; Probezeit; Lieferwagens; Verhältnisse; Fahrer; Kantons
Rechtsnorm:Art. 10 VRV ;Art. 12 VRV ;Art. 135 StPO ;Art. 181 StGB ;Art. 32 SVG ;Art. 34 SVG ;Art. 42 StGB ;Art. 428 StPO ;Art. 45 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 7 VRV ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:134 IV 60;
Kommentar:
Sutter-Somm, Freiburghaus, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung ZPO, Art. 326 OR ZPO URG, 2013

Entscheid des Kantongerichts SB110323

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB110323-O/U/rc

Mitwirkend: die Oberrichter lic.iur. Spiess, Präsident, lic.iur. Ruggli und lic.iur. et phil. Glur sowie der Gerichtsschreiber lic.iur. Hafner

Urteil vom 30. September 2011

in Sachen

Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis,

vertreten durch Leitende Staatsanwältin lic. iur. Wiederkehr,

Anklägerin und Erstberufungsklägerin

gegen

  1. ,

    Beschuldigter und Zweitberufungskläger

    amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

    betreffend Nötigung etc.

    Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Dietikon vom 17. März 2011 (DG100027)

    Anklage:

    Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 15. April 2010 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 10).

    Urteil der Vorinstanz :

    1. Der Angeklagte ist schuldig

      • der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB

      • der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG in Verbindung mit:

        • Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 4a Abs. 1 lit. d, teilweise in Verbindung mit Abs. 5 VRV (mehrfache Geschwindigkeitsüberschreitung)

        • Art. 34 Abs. 3 und 4 SVG, Art. 35 Abs. 2, 3 und 4 SVG, Art. 10 Abs. 2 VRV, Art. 12 Abs. 1 VRV (mehrfach zu geringer Abstand) sowie

        • Art. 34 Abs. 2 SVG, Art. 7 Abs. 1 VRV Art. 78 SSV (Sicherheitslinie und Sperrfläche)

      • der Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Abs. 5 VRV (Geschwindigkeitsüberschreitung).

    2. Der Angeklagte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 70.- und einer Busse von

      Fr. 1‘500.-.

    3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt.

    4. Die Geldstrafe wird vollzogen. Die Busse ist zu bezahlen.

    5. Bezahlt der Angeklagte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen.

    6. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

      Fr. 3'500.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 60.00 Kosten der Kantonspolizei Zürich Fr. Kanzleikosten Untersuchung

      Fr. 2'095.50 Auslagen Untersuchung

      Fr. amtliche Verteidigung Untersuchung

      Fr. amtliche Verteidigung.

      Über die weiteren Kosten stellt die Gerichtskasse Rechnung.

    7. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Angeklagten auferlegt.

Berufungsanträge:

  1. der Vertreterin der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis: (Urk. 49 S. 1)

    1. In Abänderung von Ziff. 2 des Urteilsdispositives des Bezirksgerichtes Dietikon vom 17. März 2011 sei der Beschuldigte zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten sowie einer Busse von Fr. 2'000.-zu verurteilen.

    2. In Abänderung von Ziff. 3 des Urteilsdispositives sei die Freiheitsstrafe vollumfänglich zu vollziehen.

  2. des Verteidigers des Beschuldigten: (Urk. 50 S. 2)

    1. Es sei in Abänderung des vorinstanzlichen Urteils des Bezirksgerichts Dietikon vom 17. März 2011 der Beschuldigte vom Vorwurf der Nötigung gemäss Art. 181 StGB von Schuld und Strafe vollumfänglich freizusprechen.

    2. Es sei die Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu CHF 70.bedingt auszusprechen und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten angemessen auf Tagessätze von CHF 10.bis höchstens CHF 25.zu reduzieren.

    3. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge zuzüglich 8% MWST zulasten des Staates.

      Erwägungen:

      1. Prozessuales
        1. Am 15. April 2010 klagte die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis den Beschuldigten an wegen Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB, mehrfacher grober Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 4a Abs. 1 lit. d, teilweise in Verbindung mit Abs. 5 VRV, Art. 34 Abs. 3 und 4 SVG, Art. 35 Abs. 2, 3 und 4 SVG, Art. 10 Abs. 2 VRV, Art. 12

          Abs. 1 VRV und Art. 34 Abs. 2 SVG, Art. 7 Abs. 1 VRV Art. 78 SSV sowie Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Abs. 5 VRV (Urk. 10). Mit Urteil vom 17. März 2011 sprach das Bezirksgericht Dietikon den Beschuldigten dieser Delikte schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 70.- und einer Busse von Fr. 1‘500.-. Dabei wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Ansetzung einer Probezeit von 4 Jahren aufgeschoben (Urk. 35).

        2. Gegen das Urteil vom 17. März 2011, das ihr am 24. März 2011 schriftlich er- öffnet wurde (Urk. 29/1), liess die Staatsanwaltschaft am 25. März 2011 rechtzeitig Berufung anmelden (Urk. 30). Am 4. Mai 2011 reichte die Staatsanwaltschaft die Berufungserklärung nach (Urk. 36). Dem Beschuldigten wurde das Urteil am

        23. März 2011 schriftlich eröffnet (Urk. 29/2). Am 4. April 2011 meldete er ebenfalls die Berufung an (Urk. 31). Mit Schreiben vom 23. Mai 2011 folgte seine Berufungserklärung mit den oben erwähnten Anträgen (Urk. 37). Auf Anschlussberufung wurde beiderseits verzichtet (Urk. 41 und 44).

        1. Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist auf das Strafmass, die Strafart sowie den teilbedingten Vollzug beschränkt (Urk. 36). Der Beschuldigte verlangt einen Freispruch vom Vorwurf der Nötigung, den bedingten Vollzug der ausgesprochenen Geldstrafe und einen tieferen Tagessatz (Urk. 37).

        2. Der Beschuldigte stellte ferner den Antrag, es sei die Videosequenz im Rahmen der Berufungsverhandlung zu visionieren und es sei der Lenker des damals vorausfahrenden Lieferwagens zu eruieren und einzuvernehmen (Urk. 37 S. 5 f.; Prot. II S. 5 ff.). Von einer Visionierung war abzusehen, da die betreffende Sequenz dem Gericht bestens bekannt ist. Auf den weiteren Antrag, den Fahrer des erwähnten Lieferwagens zu eruieren und einzuvernehmen, wird im Rahmen der rechtlichen Würdigung einzugehen sein.

        3. Der Schuldspruch der Vorinstanz betreffend SVG-Vergehen und -Übertretung (Dispositivziffer 1, al. 2 und 3) und das vorinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffern 6 und 7) wurden nicht angefochten und sind demnach rechtskräftig geworden. Dies ist vorab festzustellen.

      2. Sachverhalt:

        Der Sachverhalt gemäss Anklageschrift Ziffer 1 wird vom Beschuldigten anerkannt, wobei er jedoch geltend macht, er habe zwar viermal die Lichthupe betätigt, dies aber innerhalb einer Sekunde, weshalb es als einmaliges Betätigen anzusehen sei (Urk. 37 S. 3). Auf dem Video ist aber klar erkennbar, dass die Lichthupe viermal, mit einer kurzen Pause zwischen dem zweiten und dritten Mal, betätigt wurde (Urk. 4/1 Position 06:55:08). Der Sachverhalt gemäss Anklageschrift ist demnach auch mit Bezug auf das mehrfache Betätigen der Lichthupe erstellt.

      3. Rechtliche Würdigung
        1. Die Verteidigung macht längere Ausführungen über die Frage, ob das Betätigen der Lichthupe während einer Sekunde die Intensität für eine nötigende Handlung nach Art. 181 StGB aufweise (Urk. 37 S. 3 ff.; Urk. 50 S. 3 ff.)). Sie übersieht dabei, dass das Verhalten, das dem Beschuldigten vorgeworfen wird, sich nicht nur auf das Betätigen der Lichthupe beschränkt, sondern auch und vor allem das sehr nahe Auffahren zum vorderen Fahrzeug mitumfasst (Urk. 10). Auch die Vorinstanz ging hievon aus (Urk. 35 S. 8 ff.).

          Gemäss erstelltem Sachverhalt schloss der Beschuldigte auf der Überholspur im B. -Tunnel bei einer Geschwindigkeit von 110 km/h bis auf 2 Meter zum vor ihm fahrenden Lieferwagen auf, ehe er die Lichthupe betätigte. Durch den äusserst geringen Abstand bei dieser Geschwindigkeit wurde das Risiko einer Auffahrkollision schon bei geringfügigem Abbremsen des vorderen Fahrzeugs massiv erhöht insbesondere in den beengten Verhältnissen eines Tunnels ohne Pannenstreifen. Unter diesen Umständen verstärkte das Betätigen der Lichthupe den durch den viel zu geringen Abstand auf den Fahrer des Lieferwagens ausgeübten Druck noch zusätzlich und es kann nicht mehr als einfaches Signal angesehen werden. Der Fahrer des Lieferwagens hatte in dieser Situation keine andere

          Wahl, als sofort zu reagieren, um sich der vom Beschuldigten geschaffenen Gefahr zu entziehen. Damit lag eine Zwangssituation vor, die das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung eindeutig überschritt und somit den Tatbestand von Art. 181 StGB erfüllt.

          Die Verteidigung macht ferner geltend, es sei mangels entsprechender Einvernahmen nicht erwiesen, dass der Fahrer des Lieferwagens sich durch den Beschuldigten in einen Zwangszustand versetzt gefühlt habe und er nicht zufällig ohnehin einen Spurwechsel hätte vornehmen wollen. Indem die Vorinstanz trotz

          unvollständigem Beweisverfahren eine Zwangssituation angenommen habe, habe sie den Grundsatz in dubio pro reo verletzt (Urk. 37 S. 6).

          Das Vorbringen der Verteidigung, Umzugslieferwagen seien normalerweise gefüllt, was die Sicht nach hinten und damit auf die Lichthupe des Beschuldigten verhindere (Prot. II S. 8), überzeugt nicht. Angesichts der Uhrzeit des Vorfalles ist nicht anzunehmen, dass ein allfälliger Zügelwagen bereits gefüllt war, sondern dass er erst auf dem Weg zu einem Einsatz war.

          Dass der Fahrer des Lieferwagens durch das Verhalten des Beschuldigten zum Wechsel der Fahrspur veranlasst wurde, zeigt jedoch bereits dessen hektische Reaktion. Der Lieferwagen wich nach der Lichthupe des Beschuldigten fluchtartig und unter sofortiger Betätigung des Blinkers auf die rechte Fahrbahn aus. Angesichts der Gefahr, die der Beschuldigte geschaffen hatte, war keine andere Reaktion möglich und der Situation angemessen. Auch die Verteidigung geht zumindest in ihren Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der Nötigung davon aus, dass der Fahrer des Lieferwagens als Reaktion auf das Lichthupen des Beschuldigten die Überholspur freigab (Urk. 37 S. 4). Die Wahrscheinlichkeit, dass der Spurwechsel nur rein zufällig vorgenommen worden sein könnte, ist situationsbedingt so gering, dass erhebliche und unüberwindliche Zweifel an der Ursächlichkeit des Handelns des Beschuldigten für den Spurwechsel des vorausfahrenden Lenkers ausgeschlossen werden können. Für eine von der Verteidigung aufgeworfene Beweisergänzung (Urk. 37 S. 5 f.) besteht demnach keine Veranlassung.

          Der objektive Tatbestand der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB ist folglich erfüllt.

        2. Der Beschuldigte handelte eingestandenermassen (Urk. 3 S. 3 und Urk. 37

          S. 4; Prot. I S. 11 S. 15) in der Absicht, den Lenker des vor ihm fahrenden Lieferwagen dazu zu zwingen, die Überholspur freizugeben, und damit vorsätzlich. Auch der subjektive Tatbestand der Nötigung gemäss Art. 181 StGB ist somit erfüllt.

        3. Das Argument der Verteidigung, der Beschuldigte habe den Fahrer des Lieferwagens berechtigterweise mit der Lichthupe aufgefordert, die Überholspur freizugeben, da dieser das Rechtsfahrgebot missacht habe, verfängt nicht. Wie bereits festgehalten betätigte der Beschuldigte nicht nur die Lichthupe, sondern schloss vor allem in grober Verletzung der Verkehrsregeln äusserst nahe auf das vorausfahrende Fahrzeug auf. Bereits dies war rechtswidrig, zumal im Z. -Tunnel eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gilt und der Beschuldigte bereits mit 110 km/h unterwegs war. Selbst wenn das geplante Überholen grundsätzlich rechtmässig gewesen wäre, wäre es schliesslich vollkommen unverhältnismässig gewesen, hierfür eine Gefahr für Leib und Leben hervorzurufen.

        Der Beschuldigte ist demnach der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB schuldig zu sprechen.

      4. Strafzumessung
        1. Grobe Verkehrsregelverletzung und Nötigung als schwerste Delikte werden mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren mit Geldstrafe geahndet. Der Beschuldigte ist demnach mit einer Geldoder Freiheitsstrafe, allenfalls verbunden mit einer Busse, zu belegen, die gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB wegen Deliktsmehrheit angemessen zu erhöhen ist. Für die Übertretung des Strassenverkehrsgesetzes ist daneben in jedem Fall eine Busse auszufällen.

        2. Die Staatsanwaltschaft macht zur Begründung ihres eingangs erwähnten Antrags geltend, die Vorinstanz habe das schwere Verschulden, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten zu wenig berücksichtigt und eine zu milde Strafe ausgesprochen (Urk. 36 S. 1). Die Verteidigung bringt zur Strafzumessung im Wesentlichen vor, die finanziellen Verhältnisse seien bei der Bemessung der Höhe der Tagessätze nicht nur unzureichend berücksichtigt worden. Die Einschätzung des Einkommens sei zu optimistisch in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Firma des Beschuldigten. Es müsse davon

          ausgegangen werden, dass er knapp in der Lage sei, das monatliche Existenzminimum für seine Familie zu erwirtschaften (Urk. 37 S. 6 f.).

        3. Die Vorinstanz hat das objektive und subjektive Tatverschulden betreffend der Verkehrsregelverletzungen korrekt und detailliert dargelegt. Im Einklang mit ihren entsprechenden Erwägungen, auf welche vollumfänglich verwiesen werden kann (Urk. 35 S. 15 f. und 18; Art. 82 Abs. 4 StPO), ist das diesbezügliche Tatverschulden in objektiver und subjektiver Hinsicht als schwer zu beurteilen. In Anbetracht der objektiven und subjektiven Tatschwere und unter Einbezug der mehrfachen Tatbegehung wäre für die insgesamt neun groben Verkehrsregelverletzungen eine Strafe von 9 Monaten angemessen. Für die einfache Verkehrsregelverletzung durch Geschwindigkeitsüberschreitung ist eine Busse auszufällen.

        4. Zur Nötigung ist auszuführen, dass der Beschuldigte eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben verschiedener Personen schuf, um seinen Fahrstil durchzusetzen. Er handelte aus nichtigen und egoistischen Motiven; ein nachvollziehbarer Grund für das Überholmanöver ist nicht ersichtlich. Angesichts des regen Verkehrs und der engen Verhältnisse im Tunnel nahm er in Kauf, nicht nur sich selbst und den Lenker des vorausfahrenden Lieferwagens, sondern auch weitere Verkehrsteilnehmer hinter und neben ihm zu gefährden. Er handelte damit äusserst rücksichtslos. Diesbezüglich ist das objektive und subjektives Tatverschulden als schwer einzustufen.

          Für die Nötigung ist die Einsatzstrafe dementsprechend zu erhöhen, wobei zu beachten ist, dass die Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer bereits im Rahmen der groben Verkehrsregelverletzung sanktioniert wird.

        5. Die Vorinstanz hat das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten zutreffend wiedergegeben. Auf die entsprechenden Erwägungen ist vorab zu verweisen (Urk. 35 S. 13). Zu ergänzen bleibt, dass der Beschuldigte seinen eigenen Angaben zufolge ein monatliches Nettoeinkommen von rund

          Fr. 5'600.-erzielt (Urk. 43/1). Seine Ehefrau hat ein Zusatzeinkommen von netto

          Fr. 700.monatlich. Die Wohnungsmiete beträgt Fr. 1'565.pro Monat (Urk. 42). Der Beschuldigte weist gemäss Betreibungsregisterauszug Schulden in der Höhe

          von ca. Fr. 50'000.auf (Urk. 43/1) und verfügt über kein Vermögen. Aus den persönlichen Verhältnissen und dem Vorleben lassen sich weder Straferhöhungsnoch Strafminderungsgründe ableiten.

        6. Am 21. Januar 2002 wurde der Beschuldigte vom Bezirksstatthalteramt Arlesheim wegen Entwendung zum Gebrauch sowie Fahrens ohne Führerausweis zu fünf Tagen Gefängnis bedingt und einer Busse von Fr. 500.- unter Widerruf einer mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 11. Mai 1999 ausgesprochenen Vorstrafe bestraft (Beizugsakten Strafgericht Basel-Landschaft, Nr. 32004 S. 1149). Mit Strafbefehl vom 5. September 2007 verurteilte ihn die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland wegen mehrfacher grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 50.-, wobei 30 Tage als bedingt vollziehbar ausgesprochen wurden (Beizugsakten Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, 2007/3170, Urk. 6). Am 23. Februar 2009 bestrafte ihn das Bezirksamt Zofingen wegen einfacher sowie mehrfacher grober Verletzung der Verkehrsregeln mit einer unbedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 70.sowie zu einer Busse von Fr. 100.- (Beizugsakten Bezirksamt Zofingen, ST.2008.3579).

          Diese drei einschlägigen Vorstrafen des Beschuldigten (Urk. 47) und der durch zwei Verwarnungen aus den Jahren 2003 und 2006 wegen übersetzter Geschwindigkeit zusätzlich getrübte automobilistische Leumund (Urk. 24 S. 2) sind straferhöhend im Ausmass von mehreren Monaten zu berücksichtigen. Insbesondere die beiden noch nicht lange zurückliegenden mehrfachen groben Verletzungen der Verkehrsregeln fallen hier stark ins Gewicht. Nur leicht strafmindernd ist das Teilgeständnis des Beschuldigten zu werten, da das ihm vorgeworfene Verhalten bereits durch die Videoaufnahmen nachgewiesen war. Strafmindernd wirkt sich schliesslich die gezeigte Einsicht und Reue und das freiwillige Absolvieren des Lernprogramm für risikobereite Verkehrsteilnehmer START 75 aus (Urk. 25). Diese Strafminderungen vermögen die Straferhöhung wegen der Vorstrafen jedoch nur teilweise aufzuwiegen.

        7. Zusammengefasst erweist sich für die zu beurteilenden Delikte eine Strafe von 12 Monaten angemessen. Angesichts der Vorstrafen des Beschuldigten ist allerdings davon auszugehen, dass er sich durch eine weitere Geldstrafe nicht genügend beeindrucken liesse, um sich künftig wohl zu verhalten. Es ist demnach eine Freiheitsstrafe auszufällen.

          Unter Hinweis auf die nachfolgenden Erwägungen zum Vollzug ist die auszufällende Freiheitsstrafe aus spezialpräventiver Sicht mit einer unbedingten Geldstrafe gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB zu verbinden. Eine solche Verbindungsgeldstrafe ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bloss akzessorisch, weshalb sie nicht über einen Denkzettel hinausgehen darf und mit der unbedingten Strafe kombiniert eine schuldangemessene Sanktion ergeben muss (BGE 134 IV 60 E. 7.3.2). Dies wurde vom Bundesgericht dahingehend präzisiert, dass die Verbindungsgeldstrafe 20% der gesamten Strafe nicht überschreiten darf (BGE 6B_912/2008 E. 3.4.2 und 3.4.3).

          Vorliegend ist daher eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten verbunden mit einer zu vollziehenden Geldstrafe von 60 Tagessätzen auszufällen.

          Die von der Vorinstanz festgelegte Busse in Höhe von Fr. 1'500.ist dem Verschulden und den Verhältnissen des Beschuldigten angemessen. Die von der Vorinstanz bei einer Bussenhöhe von Fr. 1'500.für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen entspricht der Gerichtspraxis und ist daher zu bestätigen.

        8. Zur Höhe des Tagessatzes ist auszuführen, dass der Beschuldigte gemäss eigenen aktuellen Angaben (Urk. 42 und 43/2 und 43/5) über ein jährliches NettoEinkommen von rund Fr. 67'000.verfügt. Nach Abzug der Steuern, der Unterhaltskosten für seine vier Kinder und für die Ehefrau - die über ein eigenes Einkommen von über Fr. 8'000.pro Jahr verfügt sowie der Kosten für die Krankenkasse erweist sich der von der Vorinstanz festgelegte Tagessatz von Fr. 70.als angemessen im Sinne der Praxis des Bundesgerichtes (BGE 134 IV 60) und ist zu bestätigen. Verlustscheine und laufende Betreibungen ändern daran nichts.

      5. Vollzug
        1. Das Gericht schiebt den Vollzug einer Strafe in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht als notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB).

        2. In objektiver Hinsicht sind die Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges gegeben, da der Beklagte heute nicht zu einer Strafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wird und auch in den letzten fünf Jahren nicht zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen verurteilt wurde.

        3. In subjektiver Hinsicht ergeben sich grosse Bedenken. Der Beschuldigte ist einschlägig und mehrfach vorbestraft. Die heute zu beurteilenden Delikte beging er nicht einmal einen Monat, nachdem er am 23. Februar 2009 vom Bezirksamt Zofingen wegen mehrfacher grober und einfacher Verletzung der Verkehrsregeln mit einer unbedingt vollziehbaren Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 70.bestraft worden war. Gleichzeitig war eine teilbedingte Geldstrafe vom 5. September 2007, wiederum wegen mehrfacher grober Verletzung der Verkehrsregeln, widerrufen worden. Der Beschuldigte hatte demnach bereits einmal eine Probezeit nicht bestanden. Trotz der ausgefällten unbedingten Geldstrafe liess er sich aber nicht von weiterer einschlägiger Delinquenz abhalten.

        Für ihn spricht, dass er seither das Lernprogramm START 75 für risikobereite Verkehrsteilnehmer absolviert hat (Urk. 25). Auch kam eine verkehrspsychologische Eignungsuntersuchung vom 25. November 2010 zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit für weitere Verkehrsauffälligkeiten reduziert worden sei (Urk. 24 S. 7). Eine positive Entwicklung des Beschuldigten ist somit erkennbar.

        Der Beschuldigte zeigte Einsicht, Reue und Lernbereitschaft. Zudem droht ihm im Falle erneuter Delinquenz sowohl der Vollzug der heute auszusprechenden Freiheitsstrafe als auch eine zusätzliche und wegen seiner Vorstrafen wohl längere Freiheitsstrafe. Schliesslich würde im Falle erneuter einschlägiger Straftaten wieder ein Entzug des Führerausweises mit einschneidenden Folgen für seine berufliche Tätigkeit verfügt werden. Eine gute Prognose kann dem Beschuldigten aber angesichts der erwähnten Vorstrafen trotzdem nur noch gestellt werden, wenn ihm zusätzlich zu einer bedingten Freiheitsstrafe noch eine zu vollziehende Geldstrafe auferlegt wird. Die für die Übertretung auszufällende Busse reicht als Denkzettel nicht aus.

        Unter Einbezug dieser Verbindungsgeldstrafe kann noch angenommen werden, der Beschuldigte werde sich künftig wohl verhalten. Der Vollzug der Freiheitsstrafe von 10 Monaten ist demnach aufzuschieben während die Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu vollziehen ist. Aufgrund der verbleibenden Bedenken ist die Probezeit auf 4 Jahre anzusetzen.

      6. Kosten

Die Berufung des Beschuldigten bleibt erfolglos, während die Berufung der Staatsanwaltschaft teilweise gutgeheissen wird. Ausgangsgemäss sind daher die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung zu 3/5 dem Beschuldigten aufzuerlegen und im Restbetrag auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Bezüglich der Kosten der amtlichen Verteidigung bleibt gegenüber dem Beschuldigten die Rückforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom

    17. März 2011 (DG100027) bezüglich Dispositivziffern 1 al. 2 und 3 (Schuldspruch wegen mehrfacher grober und wegen einfacher Verkehrsregelverletzung), sowie 6 und 7 (Kostendispositiv) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist ferner schuldig der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 10 Monaten Freiheitsstrafe, einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 70.sowie mit einer Busse von Fr. 1'500.-

    .

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt. Der Vollzug der Geldstrafe wird nicht aufgeschoben. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen.

  4. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.- ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. amtliche Verteidigung (noch ausstehend)

  5. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten zu 3/5 auferlegt und im Restbetrag auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt vorbehalten.

  6. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten

    • die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten

    • die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A

  7. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 30. September 2011

Der Präsident:

Oberrichter lic.iur. Spiess

Der Gerichtsschreiber:

lic.iur. Hafner

Zur Beac htung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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