Zusammenfassung des Urteils SB110289: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um einen Angeklagten, der wegen Drohung, Tätlichkeiten und Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung angeklagt war. Das Bezirksgericht Dietikon hatte den Angeklagten schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe belegt. Der Angeklagte legte Berufung ein und wurde schliesslich vom Vorwurf der Drohung und Tätlichkeiten freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens wurden auf die Gerichtskasse genommen. Der Angeklagte erhielt eine Umtriebsentschädigung von Fr. 300.-. Das Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Zürich gefällt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB110289 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 08.07.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Drohung etc. und Widerruf |
Schlagwörter : | Angeklagte; Geschädigte; Angeklagten; Geschädigten; Aussage; Einvernahme; Aussagen; Staatsanwaltschaft; Gericht; Polizei; Urteil; Drohung; Sinne; Untersuchung; Busse; Recht; Zeuge; Berufung; Tätlichkeit; Geldstrafe; Zürich-Sihl; Dispositiv; Vorinstanz; Hause |
Rechtsnorm: | Art. 126 StGB ;Art. 180 StGB ;Art. 192 StGB ;Art. 292 StGB ;Art. 46 StGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Donatsch, Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, 2007 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr. SB110289-O/U/kw
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Spiess, Vorsitzender, lic. iur. Th. Meyer und lic. iur. Burger sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. Schlegel
Urteil vom 8. Juli 2011
in Sachen
A.
Angeklagter und Appellant
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis,
vertreten durch Leitende Staatsanwältin lic. iur. Wiederkehr Anklägerin und Appellatin
betreffend Drohung etc. und Widerruf
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis vom 6. Juli 2010 (Urk.
17) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Der Angeklagte ist schuldig
der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 2 StGB
der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 2 StGB
des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB.
Der Angeklagte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.-, wovon 2 Tage durch Haft erstanden sind, sowie mit einer Busse von Fr. 300.-.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt. Die Busse ist zu bezahlen.
Bezahlt der Angeklagte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.
Der Angeklagte wird verpflichtet, der Geschädigten B. Fr. 800.als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 1'500.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 48.00 Kanzleigebühren Untersuchung Fr. 47.10 Publikationskosten
Fr. 152.40 Auslagen Untersuchung Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Angeklagten auferlegt, aber sofort und definitiv abgeschrieben.
Verfügung der Vorinstanz:
Der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 25. Mai 2007 gewährte bedingte Vollzug bezüglich einer Geldstrafe von 14 Tagessätzen zu Fr. 100.wird widerrufen; die Geldstrafe wird demnach vollzogen.
Berufungsanträge:
Des Verteidigers des Angeklagten: (Urk. 50)
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der Drohung und Tätlichkeiten freizusprechen.
Auf die Zivilforderungen der Geschädigten sei nicht einzutreten.
Die Kosten des Verfahrens, inkl. der amtlichen Verteidigung, seien auf die Staatskasse zu nehmen, und dem Appellanten sei eine angemessene Entschädigung zu entrichten.
Der Vertreterin der Staatsanwaltschaft: (Urk. 42; schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Das Gericht erwägt:
a) Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene Urteil des Bezirksgerichtes Dietikon vom 30. November 2010 liess der Angeklagte mit Eingabe vom
10. Dezember 2010 rechtzeitig Berufung anmelden. Er liess den Schuldspruch wegen Drohung und Tätlichkeiten im Sinne von Art. 180 Abs. 2 lit. a StGB beziehungsweise Art. 126 Abs. 2 lit. b StGB sowie die Verpflichtung zur Bezahlung einer Genugtuung an die Geschädigte anfechten. Ebenso wurde der Widerruf des bedingten Vollzuges einer mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom
ai 2007 ausgefällten Geldstrafe von 14 Tagessätzen zu Fr. 100.-angefochten (Urk. 36). Die Beanstandungen gingen am 1. April 2011 beim Gericht ein (Urk. 39). Die Staatsanwaltschaft beantragte mit Eingabe vom 6. April 2011 die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 42). Beweisanträge wurden keine gestellt.
b) Nicht angefochten blieb der Schuldspruch wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 192 StGB und die vorinstanzliche Kostenaufstellung. Diese Elemente des vorinstanzlichen Urteils sind somit in Rechtskraft erwachsen, was vorab mit Beschluss festzustellen ist.
Der Angeklagte war zur vorinstanzlichen Hauptverhandlung unentschuldigt nicht erschienen, weshalb die Vorinstanz das Urteil gestützt auf § 195 Abs. 1 ZH-StPO aufgrund der Akten sowie der Vorbringen der amtlichen Verteidigung fällte (Prot. I S. 3 f.; Urk. 44 S. 3).
Von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung wurde der Angeklagte auf sein Ersuchen hin aufgrund gesundheitlicher Probleme dispensiert (Urk. 49).
Seit 1. Januar 2011 stehen die Schweizerische Strafprozessordnung und als entsprechendes Ausführungsgesetz das kantonale Gesetz über die Gerichtsund Behördenorganisation im Zivilund Strafprozess (GOG) in Kraft. Gemäss Art. 453 Abs. 1 der Schweizerischen Strafprozessordnung werden Rechtsmittel gegen Entscheide, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden sind, nach bishe-
rigem Recht beurteilt. Im vorliegenden Berufungsprozess gelangen somit die Normen der bisherigen kantonalen Strafprozessordnung (ZH-StPO) und des kantonalen Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) zur Anwendung.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, zu nicht mehr genauer eruierbaren Zeitpunkten zwischen dem 21. und 24. Februar 2009 seine Ehefrau B. (nachfolgend Geschädigte) in der gemeinsamen Wohnung am :::::.weg Nr . in C. mehrfach mit den Worten, er werde sie umbringen, auf der Stelle töten und ihren Körper auseinandernehmen, bedroht zu haben. Dadurch habe die Geschädigte zu zittern begonnen und Angst bekommen, was der Angeklagte auch gewusst und gewollt habe. In der Folge habe der Angeklagte die Geschädigte mit den Händen an den Oberarmen gepackt und ihr insgesamt zweimal mit der Faust an den Kopf geschlagen, wodurch er ihr Schmerzen im Bereich beider Oberarme und Schultern sowie am Kopf zufügte, was der Angeklagte zumindest in Kauf genommen habe (Urk. 17 S. 2).
Der Angeklagte bestritt während des gesamten Untersuchungsverfahrens den ihm vorgeworfenen Sachverhalt (Urk. 9 S. 3). Als Beweismittel liegen im Wesentlichen die Aussagen der Geschädigten und des Zeugen D. (Urk. 2 bis
9) sowie der Bericht des Spitals L: über die ärztliche Behandlung der Geschädigten vom 27. Februar 2009 (Urk. 10/2) bei den Akten. Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich der Sachverhalt erstellen lässt.
Die Vorinstanz hat die Aussagen der Geschädigten, des Angeklagten und des Zeugen D. zutreffend wiedergegeben beziehungsweise zusammengefasst. Auf die entsprechenden Ausführungen in den vorinstanzlichen Erwägungen kann vorab verwiesen werden (Urk. 44 S. 4 bis 7; § 161 GVG).
Zusammengefasst machte die Geschädigte in der polizeilichen Befragung vom 25. Februar 2009 geltend, sie sei am betreffenden Tag direkt von der Schule (Sprachkurs) nach Hause gekommen. Ihr Mann wisse, dass sie immer gleich von
der Schule nach Hause komme. Er habe den Vorwurf, sie habe kein Brot eingekauft, nur deshalb vorgebracht, weil er sie damit habe provozieren wollen. Wegen diesem Brot hätten sie verbal gestritten. Dabei habe er ihr unerwartet die Faust auf den Kopf geschlagen (Urk. 2 S. 2). Er habe sie von hinten und von vorne ganz fest mit beiden Armen umklammert, weil er nicht gewollt habe, dass sie flüchte. Dabei habe er ihr mit voller Wucht zweimal mit der Faust auf den Kopf geschlagen. Diese Schläge hätten bei ihr Angst ausgelöst und sie habe gezittert. Irgendwie habe sie ihn mit dem Bein auf die Seite stossen können. Der Angeklagte leide unter Multiple Sklerose und brauche jeden Tag einen neuen Katheter, weshalb er an seiner Blase sehr empfindlich sei. Er habe sie insgesamt dreimal mit dem Tod bedroht. Einmal am Montag und zweimal am Dienstag, bevor sie in die Schule gegangen sei. Er habe ihr gesagt, dass er sie umbringen werde, wenn sie sich von ihm trennen sollte. Am Dienstag, 24. Februar 2009, ungefähr um 18.30 Uhr, habe der Angeklagte sie im Schlafzimmer festgehalten, indem er sich vor die Schlafzimmertüre gesetzt habe. Sie habe aus dem Fenster um Hilfe gerufen, weshalb der Nachbar auf sie aufmerksam worden sei. Sie habe dem Nachbarn gegenüber Zeichen gemacht, dass er die Polizei anrufen solle, was er jedoch zunächst nicht verstanden habe. Als der Angeklagte dann kurz aus dem Zimmer gegangen sei, habe sie die Gelegenheit genutzt, um dem Nachbarn zu sagen, dass er die Polizei kontaktieren solle (Urk. 2 S. 3 ff.).
Im Rahmen der Zeugeneinvernahme vom 7. September 2009 bestätigte die Geschädigte ihre bei der Polizei zu Protokoll gegebene Schilderung der Vorfälle vom 23./24. Februar 2009 teilweise, machte jedoch auch neue Aussagen. Sie sei am betreffenden Abend von der Sprachschule gekommen, wo sie einen Deutschkurs besuche. Der Angeklagte sei aufgeregt und aggressiv gewesen. Sie habe nicht einmal Zeit gehabt, Mantel und Schuhe auszuziehen. Er habe ihr mit der Faust zweimal gegen den Kopf geschlagen. Er habe so stark geschlagen, dass sie das Gefühl gehabt habe, sie werde bewusstlos. Nach ein paar Tagen habe sie immer noch Kopfschmerzen gehabt. Sie habe sich in der Schule nicht mehr konzentrieren können. Sie sei deshalb ins Spital gegangen, wo man sie in der Röhre untersucht habe (Urk.5 S. 3). Der Angeklagte habe sie geschlagen, weil sie kein Brot eingekauft habe. Ausserdem habe der Angeklagte Drohungen ausgesprochen. Er würde sie töten, wenn sie ihn verlassen würde. Er habe gesagt, er würde ihren ganzen Körper auseinandernehmen. Sie habe vor Angst gezittert und ihre Muskeln seien ganz angespannt gewesen. Mit seinen Gehstöcken und einem Seil habe er ausserdem die Wohnungseingangstüre versperrt. Sie sei dann in den Korridor und anschliessend ins Schlafzimmer geflohen, doch der Angeklagte sei immer wieder wie ein Stier, wie ein Wahnsinniger auf sie losgegangen. Sie habe am ganzen Körper blaue Flecken davongetragen, dies sei zudem auch im ärztlichen Zeugnis ersichtlich. Später habe sie dann den Nachbarn D. um Hilfe gerufen. Auf Frage ergänzte die Geschädigte, dass sämtliche Vorfälle am Montag, 23. Februar 2009 und nicht am 24. Februar 2009 stattgefunden hätten (Urk. 5
S. 4 ff.).
Der Nachbar D. wurde von der Staatsanwaltschaft am 2. Juni 2010 als Zeuge einvernommen. In Anwesenheit des Angeklagten gab er folgendes zu Protokoll: Er sei ehemaliger Nachbar des Angeklagten. Die Geschädigte wohne nach wie vor nebenan. Er führe weder zum Angeklagten noch zur Geschädigten ein freundschaftliches Verhältnis, habe jedoch keinen Streit mit den beiden. Zum Tatgeschehen führte der Zeuge aus, am 24. Februar 2009 nach dem Abendessen sämtliche Fenster in seiner Wohnung geöffnet zu haben. Als er aus dem Kinderzimmerfenster Richtung Bahngleise geschaut habe, habe er einen schwachen Hilfeschrei vernommen. Er habe dann die Geschädigte entdeckt, welche ihrerseits aus ihrem Schlafzimmerfenster geblickt habe. Sie habe verzweifelt und ernst gewirkt und um Hilfe gerufen. Auf seine Frage, was los sei, habe sie die Hand ans Ohr gehalten. Er habe sich darauf hin erkundigt, ob er die Polizei rufen solle, was sie bejaht und er dann auch getan habe. Die Geschädigte, vielleicht sei es auch die Polizei gewesen, habe ihm dann nachträglich erzählt, dass der Angeklagte die Geschädigte bedroht und im Schlafzimmer festgehalten habe. Gesehen habe er dies jedoch nicht (Urk. 8 S. 1 ff.).
Der Angeklagte sagte in der polizeilichen Einvernahme vom 25. Februar 2009, die Geschädigte sei eine Lügnerin. Kaum mache sie den Mund auf, fange sie an zu lügen. Er habe sie nicht angefasst. Als sie noch in der Schule gewesen sei, habe er sie telefonisch aufgefordert, Brot und Panadol nach Hause zu brin-
gen. Das habe sie aber nicht getan. Als sie nach Hause gekommen sei, hätten sie wegen dem Brot und wegen der Frage, ob er schon gekocht habe, eine verbale Auseinandersetzung gehabt. Er habe sich vom Sofa erhoben und sie habe ihn in die Genitalien treten wollen. Er habe sie jedoch abwehren können. Daraufhin habe er seine Lekistöcke an die Türe gestellt. Er habe überhaupt gar nichts getan (Urk. 3). In der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 24. April 2009 sagte der Angeklagte im Wesentlichen aus, dass er sich nicht erklären könne, weshalb die Polizei am 24. Februar 2009 in seine Wohnung ausgerückt sei. Es habe nie einen Streit und schon gar keine Handgreiflichkeiten mit der Geschädigten gegeben. Er, der Angeklagte, habe lediglich seine zwei Gehstöcke neben der Wohnungseingangstüre gestellt, um einen Spaziergang zu machen. Die Geschädigte sei darob nervös geworden. Er wisse aber nicht weshalb. Auf Frage, ob der Angeklagte die Geschädigte mit dem Tode bedroht habe, erklärte dieser, er habe ihr lediglich ciao gesagt, sonst sei es zu keinem Gespräch gekommen. Die Geschädigte sei dann zum Fenster gelaufen. Später sei die Polizei erschienen. Auf die Frage, wie er reagieren würde, wenn seine Frau die Scheidung verlangen würde, antwortete der Angeklagte: Dann gibt es Krieg! (Urk. 4 S. 1 ff.).
Am 7. September 2009 fand eine weitere staatsanwaltschaftliche Einvernahme des Angeklagten statt, anlässlich derer die Stellungnahme des Angeklagten zu den Aussagen der Geschädigten erfolgte. Dabei führte der Angeklagte aus, es stimme überhaupt nicht, was seine Frau gesagt habe. Es sei lachhaft (Urk. 6
S. 1 f.). Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Schlusseinvernahme vom 2. Juni 2010 blieb der Angeklagte bei seinen Bestreitungen (Urk. 9 S. 1 ff.).
Im ärztlichen Befund von Dr. med. Z. vom 27. November 2009 wurde festgehalten, dass die Geschädigte am 27. Februar 2009 wegen starker Kopfschmerzen die Notfallstation des Spitals L: aufsuchte. Gegenüber dem untersuchenden Arzt habe sie angegeben, dass sie vom Angeklagten am 24. Februar 2009 mehrfach, davon zwei Mal am Kopf, geschlagen worden sei. Die Geschädigte habe anlässlich der ärztlichen Untersuchung grosse Angst vor ihrem Mann gezeigt und sei sehr niedergeschlagen gewesen. Bei der ärztlichen Untersuchung seien Druckpunkte im Bereich beider Oberarme und Schultern sowie des
Schädelskeletts festgestellt worden. Es seien jedoch keine Blutergüsse sichtbar gewesen. Der von der Geschädigten geschilderte Unfallhergang klinge kausal (Urk. 10/2).
Die Vorinstanz hat die allgemeinen Grundsätze und Regeln der Beweiswürdigung, insbesondere der Würdigung von Aussagen, zutreffend dargelegt. Ebenso hat sie die Glaubwürdigkeit der Geschädigten, des Angeklagten und des Zeugen D. richtig eingestuft. Auf die entsprechenden Ausführungen kann vollumfänglich verwiesen werden (Urk. 44 S. 7 bis 9; § 161 GVG).
a) Bei den Aussagen der Geschädigten fällt auf, dass sie bezüglich des Zeitpunkts, an welchem die Todesdrohungen stattgefunden haben sollen, zwei verschiedene Aussagen machte. In der polizeilichen Einvernahme sagte sie, der Angeklagte habe sie dreimal mit dem Tode bedroht, einmal am Montag und zweimal am Dienstag (Urk. 2 S. 3). Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme meinte sie dann, der Angeklagte habe sie nur am Montag und nicht am Dienstag bedroht (Urk. 5 S. 6). Zwar liegt zwischen den beiden Einvernahmen ein Zeitraum von einem halben Jahr (25. Februar 2009 und 7. September 2009). Da es bei diesen Todesdrohungen jedoch um einen Teil des Kerngeschehens geht, wäre zu erwarten gewesen, dass sich die Geschädigte daran noch hätte erinnern können und konstant ausgesagt hätte.
Was das Tatvorgehen anbelangt, so sagte die Geschädigte in der polizeilichen Einvernahme, der Angeklagte hätte sie im Zimmer festgehalten, indem er im selben Zimmer am Boden vor der Türe gesessen sei (Urk. 2 S. 4). In der Staatsanwaltschaftlichen Einvernahme meinte sie dann, der Angeklagte habe mit seinen Stöcken und einem Seil die Haustüre und auch das Schlafzimmer versperrt
(Urk. 5 S. 3). Die Geschädigte hat folglich auch betreffend diesen Sachverhaltsteil zwei verschiedene Versionen geschildert, wie sie vom Angeklagten am Verlassen des Schlafzimmers gehindert worden sein soll. Erstaunlich ist, dass der Angeklagte ein Seil zum Absperren der Zimmertüre gehabt haben soll. So wie die Geschä- digte schilderte, eskalierte der Streit spontan nachdem sie von der Sprachschule nach Hause gekommen war und kein Brot mitgebracht hatte (Urk. 5 S. 3). Dass der Angeklagte zufällig ein Seil griffbereit gehabt haben soll, verwundert.
Gemäss der Geschädigten, hatte sie am ganzen Körper blaue Flecken (Urk. 5 S. 3 f.). Diese Aussage deckt sich so nicht mit dem Arztbericht, in welchem lediglich festgehalten wurde, die Geschädigte habe Schmerzen im Bereich
beider Oberarme und der Schultern gehabt. Überdies habe sie an Kopfschmerzen gelitten. Im Bereich des Schädelskelettes, der Oberarme und der Schultern hätten Druckpunkte bestanden. Es seien jedoch keine Blutergüsse sichtbar gewesen (Urk. 10/2). Laut dem Ärztlichen Leiter der Notfallstation des spitals, klinge der von der Geschädigten geschilderte Unfallhergang kausal. Das heisst aber auch, dass ein anderer Tatbzw. Unfallhergang ebenfalls hätte kausal sein können. Es ist ausserdem zu beachten, dass der ärztliche Befund (Kopfund Druckschmerzen) praktisch ausschliesslich auf der Schilderung durch die Geschädigte basiert, da offenbar keine optisch wahrnehmbaren Spuren vorhanden waren. Aufgrund des ärztlichen Zeugnisses lässt sich somit nicht beweisen, dass die Geschädigte geschlagen worden war.
Es fällt auf, dass die Geschädigte die Auseinandersetzung mit dem Angeklagten, in deren Folge es zu den Drohungen und Tätlichkeiten gekommen sein soll, in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 7. September 2009
(Urk. 5) dramatischer darstellte als in der unmittelbar nach dem Vorfall stattgefundenen polizeilichen Einvernahme vom 25. Februar 2009 (Urk. 2). Während sie in der polizeilichen Einvernahme noch sagte, die Schläge des Angeklagten hätten bei ihr Angst ausgelöst und sie habe gezittert (Urk. 2 S. 3), sagte sie in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme, die Schläge seien so stark gewesen, dass sie befürchtet hätte, ohnmächtig zu werden (Urk. 5 S. 3). In der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme sagte sie auch zum ersten Mal, der Angeklagte habe ihr gedroht, ihren Körper auseinander zu nehmen (Urk. 5 S. 3 und S. 6). Zu erwarten gewesen wäre, dass die Geschädigte in der unmittelbar auf das Ereignis folgenden polizeilichen Einvernahme, als sie noch stark unter dem Eindruck des soeben Vorgefallenen stand, eher drastischere Schilderungen zu Protokoll gegeben hätte, als in der ein halbes Jahr später erfolgten staatsanwaltschaftlichen Einvernahme. Das Aussageverhalten der Geschädigten war jedoch gerade umgekehrt, was gewisse Zweifel weckt.
Wie sich aus der Aussage des einvernehmenden Polizeibeamten ergab, wurde die Polizei schon verschiedentlich zur Wohnung des Angeklagten und der Geschädigten gerufen (Urk. 2 S. 1). Anscheinend gab es mehrfach zumindest verbale Auseinandersetzungen, in deren Folge die Polizei alarmiert wurde. Trotzdem hat sich die Geschädigte bis zum vorliegend zu beurteilenden Vorfall nicht definitiv vom Angeklagten getrennt (heute befindet sie sich anscheinend in der Scheidung; Prot. II S. 4). Dass die Geschädigte trotz der gemäss ihren Aussagen unerträglichen Umstände so lange beim Angeklagten blieb, mag verschiedene Gründe habe, weckt jedoch gleichzeitig auch Zweifel daran, ob die Situation zu Hause tatsächlich so schlimm war, wie sie sie darzustellen versuchte. Überdies hat die Geschädigte bestätigt, dass es teilweise auch ihr Mann war, welcher die Polizei gerufen hatte. Sie verneinte zwar, dass er sich dazu gezwungen gesehen habe, weil sie ihn angegriffen habe (Urk. 5 S. 4). Allerdings muss der Angeklagte einen Grund gehabt habe, wieso er die Polizei alarmierte. Hätte sich die Geschä- digte nicht in irgendeiner Art und Weis, zumindest verbal aggressiv geäussert, wäre es wohl kaum dazu gekommen.
Bemerkenswert ist auch, dass die Geschädigte am Tag nach dem Vorfall in der Sprachschule, wo sie Deutsch lernte, ihrer Lehrerin erzählte, was am Abend zuvor bei ihr zu Hause passiert war, anschliessend aber wieder zum Angeklagten zurückkehrte, da sie der Meinung war, die Situation hätte sich wieder beruhigt (Urk. 2 S. 4). Dieses Verhalten wirft die Frage auf, ob sich die Geschädigte tatsächlich bedroht fühlte.
Der Angeklagte litt bereits im Zeitpunkt des vorliegend zu beurteilenden Vorfalls an MS. Auch wenn seine Krankheit damals noch nicht so weit fortgeschritten war, wie heute, erscheint es doch erstaunlich, dass er in der Lage gewesen sein soll, die Geschädigte in einem Zimmer festzuhalten (Urk. 2 S. 4). Wie die Geschädigte ausführte, musste der Angeklagte bereits damals einen Katheter tragen und war deshalb insbesondere im Bereich der Blase sehr empfindlich (Urk. 2
S. 3). Dass er in diesem Zustand wie die Geschädigte sagte wie ein Wahnsinniger auf sie losging (Urk. 5 S. 3), erscheint eher unwahrscheinlich. Es fragt sich auch, wie der Angeklagte die Geschädigte von hinten hätte packen und festhalten
können (Urk. 5 S. 3). Das Risiko, dass die Geschädigte dabei an seinen Katheter gekommen wäre und sich dieser verschoben hätte, wäre doch beachtlich gewesen.
Insgesamt betrachtet, sind die Aussagen der Geschädigten mit verschiedenen Widersprüchen behaftet und erscheinen teilweise wenig plausibel. Die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen ist entsprechend reduziert.
Die Aussagen des Angeklagten beschränkten sich im Wesentlichen auf das Bestreiten der ihm vorgeworfenen Handlungen. Teilweise verstrickte auch er sich in Widersprüche. So führte er beispielsweise anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 25. Februar 2009 aus, er habe sich am massgeblichen Abend mit der Geschädigten zunächst verbal gestritten, worauf diese ihm in die Genitalien habe treten wollen, was er mit der Hand habe abwehren können. Überhaupt sei die Geschädigte ihm gegenüber immer wieder gewalttätig geworden und nicht umgekehrt (Urk. 3 S. 1 ff.). Bei der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom
24. April 2009 gab der Angeklagte hingegen zu Protokoll, die Geschädigte und er hätten an dem fraglichen Abend gar nicht gestritten, sie hätten nicht einmal viel gesprochen (Urk. 4 S. 2). In den folgenden Einvernahmen beschränkte sich der Angeklagte dann im Wesentlichen darauf, die Aussagen der Geschädigten als unwahr zu bestreiten (Urk. 6 und 9).
Aufgrund der Widersprüche und auch der Einsilbigkeit, mit welcher der Angeklagte Auskunft gab, muss die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen als gering eingestuft werden. Es erweckt den Eindruck, als hätte er dadurch, dass er den Streit kategorisch abstritt respektive die Aussagen der Geschädigten pauschal als unwahr bezeichnete, jegliche Schuld von sich weisen wollen.
Der als Zeuge einvernommene Nachbar D. hat den zu beurteilenden Vorfall nicht selber beobachtet. Er habe lediglich gesehen, dass die Geschä- digte am Fenster gestanden und halblaut um Hilfe geschrien habe (Urk. 8 S. 2), wobei er zu Beginn nicht verstanden habe, dass die Geschädigte ihn aufgefordert habe, die Polizei zu alarmieren. Wäre die Geschädigte tatsächlich so in Angst und Schrecken versetzt worden, wäre anzunehmen, dass sich dies entsprechend in
ihrer Körpersprache ausgedrückt hätte. Von sich aus angefügt hat der Zeuge überdies, dass er aufgrund früherer Situationen um die Probleme im Haushalt der Geschädigten und des Angeklagten gewusst habe (Urk. 8 S. 3).
7. Die Würdigung der Aussagen des Angeklagten und der Geschädigten hat ergeben, dass sich beide teilweise in Widersprüche verstrickten. Die Glaubhaftigkeit der Aussagen beider Parteien ist entsprechend reduziert. Ausser ihren Ausführungen existieren keine weitern aussagekräftigen Beweismittel. Der Zeuge D. konnte den Vorgang nicht beobachten und der Arztbericht basiert auf den Aussagen der Geschädigten bzw. deren Schilderungen gegenüber dem Arzt. Somit lässt sich der in Ziffer 1 der Anklageschrift geschilderte Sachverhalt nicht rechtsgenügend erstellen. Der Angeklagte ist infolgedessen vom Vorwurf der Drohung und der Tätlichkeiten freizusprechen.
Bereits in Rechtskraft erwachsen ist der Schuldspruch betreffend Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB. Was die diesbezügliche Strafzumessung anbelangt, so kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden (Urk. 44 S. 13; § 161 GVG). Das Verschulden des Angeklagten bezüglich dieses Delikts wiegt leicht, kam es doch durch den von ihm begangenen Verstoss gegen das Rayonverbot zu keiner Konfrontation mit der Geschädigten. Die von der Vorinstanz ausgesprochene Busse von Fr. 300.ist in dieser Höhe trotz des Freispruchs von der Tätlichkeit im Sinne von Art. 126 StGB zu bestätigen, erscheint sie doch dem Verschulden des Angeklagten angemessen und trägt sie auch seinen finanziellen Verhältnissen gebührend Rechnung. Die Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall schuldhafter Nichtbezahlung der Busse ist gestützt auf Art. 106 Abs. 2 ZH-StPO auf drei Tage festzusetzen. Davon sind zwei Tage Untersuchungshaft anzurechnen, wodurch sich die Busse auf Fr. 100.reduziert.
Aufgrund des Freispruchs betreffend Drohung (Art. 180 Abs. 2 StGB), ist auf den Antrag der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl betreffend Widerruf des bedingten Vollzugs der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl ausgefällten Geldstrafe (Nr....., Urk. 22) nicht einzutreten (vgl. Art. 46 Abs. 1 StGB).
Da der Angeklagte vom Vorwurf der Drohung und der Tätlichkeit freigesprochen wird, ist auf die Zivilforderungen der Geschädigten (Urk. 32) nicht einzutreten (Schmid in: Donatsch/Schmid [Hrsg.], Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Bd. II, Zürich 2007, N 62 zu § 192 StPO).
Die vorinstanzliche Kostenauflage wie auch die Abschreibung der Kosten (Dispositivziffer 7) ist zu bestätigen.
Im Berufungsverfahren erfolgt die Auflage der Kosten und die Zusprechung einer Entschädigung in der Regel im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Verfahrensbeteiligten (§ 396a ZH-StPO). Der Angeklagte obsiegt mit seinen Anträgen vollumfänglich, weshalb die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen sind.
Antragsgemäss ist dem Angeklagten für die Untersuchung eine Umtriebsentschädigung von Fr. 300.-zuzusprechen.
Das Gericht beschliesst:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom
30. November 2010 bezüglich Dispositivziffern 1 al. 3 (Schuldspruch betreffend Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB) und 6 (Kostenaufstellung) in Rechtskraft erwachsen ist.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Das Gericht erkennt:
Der Angeklagte wird vom Vorwurf der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 2 StGB und der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 2 lit b StGB freigesprochen.
Der Angeklagte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 300.-.
Bezahlt der Angeklagte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, wovon zwei Tage bereits durch Untersuchungshaft erstanden sind. Die Busse reduziert sich damit
auf Fr. 100.-.
Auf den Antrag der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl betreffend Widerruf der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 25. Mai 2007 ausgefällten Geldstrafe wird nicht eingetreten.
Auf die Zivilforderungen der Geschädigten B. wird nicht eingetreten.
Die erstinstanzliche Kostenabschreibung (Dispositivziffer 7) wird bestätigt.
Dem Angeklagten wird für die Untersuchung eine Umtriebsentschädigung von Fr. 300.aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden auf die Gerichtskasse genommen.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
den amtlichen Verteidiger im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten
die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis
die Geschädigte B. , im Dispositivauszug (Ziffer 5) (Geschädigten wird eine vollständige Ausfertigung dieses Entscheides
nur auf Verlangen zugestellt [§ 186 Abs. 2 des kantonalen Gerichtsverfassungsgesetzes].)
in vollständiger Ausfertigung an
den amtlichen Verteidiger im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten
die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl im Dispositivauszug (Ziffer 5) betreffend Aktenzeichen Nr......
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung allfälliger Daten
die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
II. Strafkammer
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Oberrichter lic. iur. Spiess lic. iur. Schlegel
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.