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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:RY220006
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RY220006 vom 02.09.2022 (ZH)
Datum:02.09.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Beistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB / Revision
Schlagwörter : Entscheid; Beschwerde; Revision; Verfahren; Urteil; Kammer; Gericht; Partei; Beistandschaft; PQ-act; BR-act; Eingabe; Bundesgericht; Beweismittel; Tatsachen; Verfahrens; Freiwilligen; Rechtsmittel; Verfahren; Revisionsbegehren; Bezirksrat; Zitiert; Uster; Revisionsgr; Erwachsenenschutz; Wäre; Gerichtsbarkeit; Früheren; Prüfen; Aufzuheben
Rechtsnorm: Art. 256 ZPO ; Art. 329 ZPO ; Art. 395 ZGB ; Art. 443 ZGB ; Art. 450f ZGB ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:146 III 284;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RY220006-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichter Dr. M. Sarbach sowie Gerichtsschreiberin MLaw N. Gautschi

Urteil vom 2. September 2022

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

betreffend Beistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB / Revision

Urteil der Kammer vom 8. August 2022; Proz. PQ220035 (Beschwerde gegen ein Urteil des Bezirksrates Uster vom 4. Mai 2022; VO.2022.2, Entscheid der KESB Dübendorf vom 14. Dezember 2021)

Erwägungen:

  1. Mit Entscheid vom 14. Dezember 2021 der Kindes- und Erwachsenen- schutzbehörde Dübendorf (nachfolgend KESB) wurde für A. eine Vertre- tungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung nach Art. 394

    i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB errichtet. Dagegen wandte sich A. zuerst per E- Mail vom 13. Januar 2022 an die KESB (BR-act. 1) sowie nach entsprechender Fristsetzung durch den Präsidenten des Bezirksrates Uster mit schriftlicher Ein- gabe vom 27. Januar 2022 an den Bezirksrat Uster (nachfolgend Vorinstanz) mit dem sinngemässen Begehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, da er der Beistandschaft nicht bedürfe (BR-act. 7). Die Vorinstanz holte eine Vernehm- lassung bei der KESB ein (BR-act. 10) und wies die Beschwerde nach erfolgter Stellungnahme von A. zur Vernehmlassung der KESB (BR-act. 13) mit Ur- teil vom 4. Mai 2022 ab (BR-act. 15).

  2. Gegen diesen Entscheid erhob A. mit Eingabe vom 4. Juni 2022 (Da- tum Poststempel) rechtzeitig Beschwerde bei der Kammer und beantragte darin sinngemäss, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben und auf die Errichtung einer Beistandschaft (ungerechtfertigte Zwangs-Bevormundung) zu verzichten (PQ-act. 2 passim). Das Beschwerdeverfahren wurde unter der Verfahrensnum- mer PQ220035 angelegt. Nach Beschwerdeeingang wurde die für A. zu- ständige Sozialarbeiterin, B. , um einen Bericht betreffend die Lage seit 18. Februar 2022 (KESB-act. 74) ersucht (PQ-act. 8A). Der am 5. Juli 2022 einge- gangene Bericht wurde daraufhin Herrn A. zur freigestellten Stellungnahme zugestellt (PQ-act. 11). Dieser liess sich mit Eingabe von 27. Juli 2022 verneh- men (PQ-act. 13). Mit Urteil vom 8. August 2022 im Verfahren PQ220035 wies die Kammer die Beschwerde ab (PQ-act. 15 = act. 4, nachfolgend zitiert als act. 4).

  3. Mit Eingabe vom 19. August 2022 (Datum Poststempel) gelangte A. an die Kammer und bat um Revision des Urteils, mit der ausdrücklichen Ergän- zung, er wolle nicht vor Bundesgericht ziehen (act. 2 S. 2).

    Die Akten des Verfahrens PQ220035 (act. 5/1-16, zitiert als PQ-act.) inklu- sive der dortigen Akten der vorinstanzlichen Verfahren (act. 5/8/1-10, act. 5/8/1219, zitiert als BR-act., sowie act. 5/8/11/1-74, zitiert als KESB-act.) wurden beigezogen. Weitere prozessleitende Anordnungen wurden nicht getroffen. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

  4. Beschwerde-Entscheide aus dem Erwachsenenschutz können nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung revidiert werden (Art. 450f ZGB, § 40 EG KESR).

    Die Revision kann abgesehen von hier ohnehin nicht einschlägigen Fällen von einer Partei verlangt werden, welche nachträglich erhebliche Tatsachen er- fährt oder entscheidende Beweismittel findet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte (Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO), oder wenn ein Strafverfahren erge- ben hat, dass durch ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Nachteil der betref- fenden Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde (Art. 328 Abs. 1 lit. b ZPO). Das Gesuch ist innert 90 Tagen seit der Entdeckung des Revisionsgrundes schriftlich und begründet zu stellen (Art. 329 ZPO). Die Revision kann nur für rechtskräftige Entscheide verlangt werden. Zunächst sind daher die zur Verfügung stehenden ordentlichen Rechtsmittel auszuschöpfen.

    Eine Partei muss die Revision verlangen, und sie muss sie begründen. Das impliziert, dass die Partei mindestens sinngemäss auch den Revisionsgrund (Tat- sachen, Beweismittel, Straftat) nennen muss. Dass die Organe und auch die Beschwerdeinstanzen des Erwachsenenschutzrechts die massgeblichen Umstände von Amtes wegen zu erforschen haben, widerspricht dem nicht. So kann ein ver- meintlich oder tatsächlich unrichtiger Entscheid von den Beschwerdeinstanzen auch nicht von Amtes wegen aufgehoben werden, wenn niemand rechtzeitig ein Rechtsmittel ergriffen hat. Immerhin könnte und müsste die Instanz der zuständi- gen Behörde Mitteilung machen, wenn der Erlass oder die Aufhebung einer Schutzmassnahme geprüft werden sollte (Art. 443 ZGB).

    1. Der Kammer ist kein Strafverfahren bekannt, welches einen kriminellen Ein- fluss auf das Urteil vom 8. August 2022 festgestellt hätte, und A. macht denn auch keine Hinweise oder auch nur Andeutungen in diese Richtung. Dieser Revisionsgrund scheidet ohne Weiteres aus.

    2. A. begründet sein Revisionsbegehren damit, dass sich sein Gesund- heitszustand offensichtlich während des laufenden (Rechtsmittel-)Verfahrens enorm verbessert habe, was u.a. schon daraus ersichtlich sei, dass er sein Ver- fahren selbst geführt und alle Eingabefristen eingehalten habe, was die entspre- chende Abholung und Öffnung der Post voraussetze (act. 2 S. 1).

      Damit ein Revisionsbegehren gemäss Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO gutgeheis- sen werden kann, ist verlangt, dass die um Revision ersuchende Partei nachträg- lich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel findet, die sie im früheren Verfahren nicht vorbringen konnte, wobei es sich um Tatsachen und Beweismittel handeln muss, die vor dem Entscheid entstanden sind. Solcherlei macht A. nicht geltend, und es wäre auch nicht ersichtlich, worin diese Tat- sachen oder Beweismittel bestehen würden.

  5. Mit seinem Anliegen, das ergangene Urteil zu überprüfen liesse sich die Eingabe auch als Gesuch um Wiederwägung auffassen. Zu prüfen ist daher, ob der Entscheid über die Anordnung einer Beistandschaft seines verwaltungsähnli- chen Charakters wegen einer Wiedererwägung zugänglich wäre, wie dies ja für die Akte der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt (Art. 256 Abs. 2 ZPO und dazu ZK ZPO-KLINGLER, 3. Aufl. 2016, Art. 256 N 7). Der Begriff der freiwilligen Ge- richtsbarkeit zeichnet sich aus durch eine bemerkenswerte Unschärfe, doch ist auf jeden Fall erforderlich, dass es sich (a) um ein nicht streitiges Verfahren han- delt, welches (b) Wirkungen auf dem Bereich des Privatrechts entfaltet, mithin in diesem Sinne eine Zivilsache darstellt (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schwei- zerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7257). Beides ist bei der Errich- tung einer Beistandschaft grundsätzlich der Fall, und tatsächlich werden denn im Schrifttum teils auch die Akte eigentlicher Eingriffsverwaltung oder Fürsorge im Rahmen von erwachsenenschutzrechtlichen Massnahmen zur freiwilligen Ge- richtsbarkeit gezählt (so ZK ZPO-FELLER/BLOCH, Art. 19 N 15). Auch Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind indes einer nachträglichen Abänderung durch das Gericht oder die erlassende Behörde nur zugänglich, soweit dem nicht das Ge- setz oder die Rechtssicherheit entgegen stehen (Art. 256 Abs. 2 i.f. ZPO). Die Rechtssicherheit erfordert, dass – aufschiebende Wirkung in einem Rechtsmittelverfahren vorbehalten – möglichst bald Klarheit darüber besteht, ob eine Person verbeiständet ist oder nicht. Der vorliegende Entscheid der Kammer betreffend Errichtung einer Beistandschaft unterliegt wohl der Beschwerde an das Bundes- gericht, doch hat diese keine aufschiebende Wirkung, vielmehr wird der Entscheid mit seiner Ausfällung formell rechtskräftig und vollstreckbar (BGE 146 III 284

    E. 2.3.4; vgl. schon OGer ZH PS120220, Beschluss vom 20. November 2012). Eine Wiedererwägung kommt daher nicht in Frage. A. hätte daher Beschwerde ans Bundesgericht erheben müssen, hätte er das Urteil vom 8. August 2022 anfechten wollen.

  6. Es bleibt an dieser Stelle der Klarheit halber festzuhalten, dass der Kammer keineswegs entgangen ist, dass sich der Gesundheitszustand von A. im Verlauf des Verfahrens verbessert zu haben scheint, da es ihm – ohne anwaltli- che Vertretung handelnd – gelang, im Rechtsmittelverfahren jeweils die Fristen einzuhalten, wie bereits im Urteil vom 8. August 2022 festgehalten (act. 4 E. 4.2.3.). Ebenfalls bereits festgehalten wurde, dass es ihm offenbar in letzter Zeit von der Schmerzsituation her besser geht und er sich bei Gesprächen im Gegen- satz zu früheren Phasen gut zu artikulieren wusste (act. 4 E. 4.4. m.w.H.). Die KESB wird daher zu prüfen haben, ob gegebenenfalls – ein Vertrauensverhältnis zur für ihn zuständigen Sozialarbeiterin vorausgesetzt – die Beistandschaft im Falle einer weiteren Besserung des Zustands von A. zugunsten einer frei- willigen Zusammenarbeit auf Stufe Sozialhilfe aufzuheben wäre. Nachdenklich stimmt indes, dass A. aktuell in der Wahrnehmungsfähigkeit gewisse Defizi- te aufzuweisen scheint: Im Urteil der Kammer wurde ihm etwa ausführlich darge- legt, dass die Sozialbehörde zur Begleichung der Hypothekarzinse seiner Woh- nung nur berechtigt ist, wenn ihr die relevanten vertraglichen Grundlagen vorlie- gen, und es wurde ihm – da ihm das offensichtlich entgangen war – überdies dar- gelegt, um welche Dokumente es sich dabei handelt, und ebenso, dass es nicht ausreicht, seine Hilfe beim Ausrechnen des korrekten Betrages anzubieten (act. 4

    E. 4.2.2.). Gleichwohl verweist er in seiner Beilage zum Revisionsgesuch unbeirrt darauf, wie der Zins zu berechnen wäre und dass er ja diesbezüglich seine Hilfe angeboten habe, offenbar ohne die Ausführungen des Gerichts zur Kenntnis ge- nommen zu haben (act. 3 S. 2, Stichwort Hypothek).

  7. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Revisionsbegehren man- gels Revisionsgrund abzuweisen ist.

  8. Umständehalber ist von einer Entscheidgebühr abzusehen. Eine Parteient- schädigung wurde nicht beantragt, sie käme bei diesem Verfahrensausgang aber auch nicht in Frage.

Es wird erkannt:

  1. Das Revisionsbegehren wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

  2. Für diesen Entscheid werden keine Kosten erhoben und es wird keine Par- teientschädigung ausgerichtet.

  3. Schriftliche Mitteilung an A. persönlich, an die Kindes- und Erwachse- nenschutzbehörde Dübendorf sowie an den Bezirksrat Uster, je gegen Emp- fangsschein.

  4. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw N. Gautschi

versandt am:

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