Zusammenfassung des Urteils PQ110013: Obergericht des Kantons Zürich
Es geht um einen Rechtsstreit vor dem Obergericht des Kantons Zürich, bei dem es um die Beistandschaft für eine pflegebedürftige 87-jährige Frau geht. Es herrscht Uneinigkeit zwischen den Geschwistern bezüglich des Beistandes und des Aufenthaltsortes der Frau. Nach verschiedenen rechtlichen Schritten und Beschwerden wurde letztendlich entschieden, dass die Beschwerde verspätet war und nicht darauf eingetreten wird. Die Gerichtskosten wurden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PQ110013 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 28.12.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Rechtsverweigerung i.S. Bezirksrat Winterthur / Rückweisung |
Schlagwörter : | Vormundschaft; Beschwerdeführerinnen; Bezirksrat; Vormundschaftsbehörde; Recht; Winterthur; Eingabe; Aufsicht; Beschluss; Frist; Entscheid; Kanton; Rechtsmittel; Kantons; Direktion; Bezirksrates; Zivil; Aufsichtsbeschwerde; Innern; Bundesgericht; Obergericht; Beiständin; Justiz; Stellung; Rechtsverweigerung; Urteil; Präsidialverfügung; Stellungnahme; Verfahren |
Rechtsnorm: | Art. 405 ZPO ;Art. 420 ZGB ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PQ110013-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur.
P. Diggelmann und Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach sowie Gerichtsschreiber lic. iur. T. Engler.
Beschluss vom 28. Dezember 2011
in Sachen
Beschwerdeführerinnen
1, 2 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
betreffend Rechtsverweigerung i.S. Bezirksrat Winterthur / Rückweisung
Erwägungen:
Die Beschwerdeführerin 1, geboren am tt.mm.1924, ist seit 22. August 2005 gestützt auf Art. 392 Ziff. 1 und Art. 393 Ziff. 2 ZGB umfassend verbeiständet (act. 4 S. 4 und act. 5 S. 1). Die Verbeiständung erfolgte mutmasslich auf eigenes Begehren (vgl. act. 3/20/10/10). Die Vormundschaftsbehörde C. übernahm mit Beschluss vom 27. Mai 2009 die Beistandschaft für die Beschwerdeführerin 1 von der Vormundschaftsbehörde D. zur Weiterführung und setzte die Amtsperson Frau E. als Beiständin ein (act. 3/10).
Die 87-jährige Beschwerdeführerin 1 ist pflegebedürftig und von Hilfe abhängig (act. 3/20/10/1 S. 1); der Grad ihrer Urteilsfähigkeit ist umstritten. Seit Jahren bestehen offenbar Spannungen zwischen der Beschwerdeführerin 2 und deren Bruder, vor allem auch was den Aufenthaltsort und den Betreuungsbedarf ihrer Mutter anbelangt (vgl. act. 3/20/10/1-13). Die Geschwister sind sich auch nicht einig über die Person des Beistandes. Während die Beschwerdeführerin 2 die Funktion der Beiständin neu für sich beanspruchen möchte, drängt der Bruder auf Beibehaltung von Frau E. als Beiständin (ebenda).
Die Vormundschaftsbehörde C. wollte mit Hilfe einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung den längerfristigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin 1 im Alterszentrum F. in C. bewirken. Ein Entlassungsgesuch der Beschwerdeführerin 1 hiess das Bezirksgericht Winterthur mit Urteil vom 21. Oktober 2010 gut. Die Beschwerdeführerin 1 hält sich seither bei ihrer Tochter, der Beschwerdeführerin 2, auf. Der Sohn der Beschwerdeführerin 1 sah sich angesichts dieser Situation veranlasst, sein Gesuch um Bevormundung der Mutter aufrechtzuerhalten (act. 5 S. 1 und S. 2 oben). Die Vormundschaftsbehörde C. verzichtete indes mit Beschluss vom 16. November 2010 auf die Errichtung einer Vormundschaft für die Beschwerdeführerin 1. Sie beauftragte aber die Beiständin
u.a. mit einer konsequenteren Regelung der Betreuung und der ärztlichen Versorgung der Beschwerdeführerin 1 (Ziff. 2 des Beschlusses; act. 5 S. 4). Gegen die letztere ihnen am 18. November 2010 zugestellte Anordnung (act. 3/3 S. 2
und act. 3/8 S. 2) erhoben die Beschwerdeführerinnen mit Eingabe vom 29. November 2010 (rechtzeitig) Beschwerde beim Bezirksrat Winterthur (act. 3/3). Sie ersuchten im Wesentlichen um Aufhebung der Beistandschaft durch die Amtsträgerin E. und um Besetzung dieses Amtes durch die Beschwerdeführerin 2 (act. 3/3 S. 1 ff.). Weiter verlangten sie die Aufhebung von Ziffer 2 des Beschlusses vom 16. November 2010 (Betreuungsregelung) und die Anweisung an die Vormundschaftsbehörde, ein Inventar über das Vermögen der Beschwerdeführerin 1 zu errichten. Eine weitere Eingabe in der gleichen Angelegenheit und mit zwei Anträgen inhaltlicher Natur liessen sie unter dem 22. Dezember 2010 dem Bezirksrat Winterthur zukommen (act. 3/2). Mit Präsidialverfügung vom 24. Januar 2011 trat der Bezirksrat Winterthur auf die Beschwerde zufolge fehlender Zustän- digkeit nicht ein (act. 3/8). Er erwog, dass für den Wechsel der Beistandschaft die Vormundschaftsbehörde zuständig sei und dieser Behörde auch die Aufsicht und Kontrolle über die Mandatsführung und -personen obliege. So habe auch die Beiständin in erster Instanz der Vormundschaftsbehörde Bericht zu erstatten, weshalb der Bezirksrat für die Anträge der Beschwerdeführerinnen sachlich nicht zuständig sei.
Gegen diesen abschlägigen Bescheid wandten sich die Beschwerdeführerinnen mit einer als Aufsichtsbeschwerde wegen Rechtsverweigerung überschriebenen Eingabe vom 15. Februar 2011 an die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich (act. 3/2). Sie rügten eine (angebliche) Untätigkeit des Bezirksrates und der Vormundschaftsbehörde C. und beantragten, der Bezirksrat sei anzuweisen, seiner Funktion als erste Aufsichtsbehörde in Vormundschaftssachen nachzukommen und stellten verschiedene Anträge in Bezug auf die Vormundschaftsbehörde C. (act. 3/2 S. 2 f.).
Die Eingabe wurde von der Direktion der Justiz und des Innern zunächst als Aufsichtsbeschwerde entgegengenommen (act. 3/14), und die Direktion setzte dem Bezirksrat Winterthur wie auch der Vormundschaftsbehörde C. Frist zur Vernehmlassung zur Aufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerinnen an (vgl. act. 4 und act. 3/19).
Nach Eingang der Stellungnahmen des Bezirksrates Winterthur vom 18. März 2011 (act. 3/19) und der Vormundschaftsbehörde C. vom 15. März 2011 (act. 4), in welchen beide Behörden die Abweisung der Aufsichtsbeschwerde beantragten, erachtete sich das Gemeindeamt des Kantons Zürich, welches namens der Direktion des Innern die Geschäfte der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde betreut, als nicht (mehr) zuständig, weshalb die Direktion der Justiz und des Innern mit Verfügung vom 24. März 2011 auf die Aufsichtsbeschwerde nicht eintrat und die Beschwerde samt Beilagen zuständigkeitshalber und zur Behandlung an die hiesige Instanz überwies (act. 2). Als Begründung wurde zusammengefasst angeführt, dass mit Inkrafttreten der Neuerungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes am 1. Juli 2010 die Beanstandung der formellen Rechtsverweigerung neu mit ordentlichem Rekurs bzw. im Zuge der Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung per 1. Januar 2011 mit Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich geltend zu machen sei (act. 2 S. 3).
Mit Beschluss vom 5. Mai 2011 erwog die Kammer in ihrer Hauptbegrün- dung, dass die Beschwerde verspätet sei (Prozess Nr. PQ110002, act. 24 S. 8, Erw. 3). Am 4. August 2011 reichten die Beschwerdeführerinnen gegen den Entscheid der Kammer vom 5. Mai 2011 Beschwerde in Zivilsachen ein. Das Bundesgericht, II. zivilrechtliche Abteilung, hiess die Beschwerde mit Urteil vom
22. September 2011 gut, hob den Entscheid wegen Verweigerung des (formellen) rechtlichen Gehörs auf und wies die Sache zur Fristansetzung zur Stellungnahme zu den Eingaben des Bezirksrates Winterthur vom 18. März 2011 (act. 3/19) und der Vormundschaftsbehörde C. vom 15. März 2011 (act. 4) und zur anschliessenden neuen Beurteilung an die Kammer zurück (act. 25).
4. Mit Präsidialverfügung vom 4. November 2011 wurde den Beschwerdeführerinnen eine Frist von zehn Tagen angesetzt, um zu den Eingaben des Bezirksrates Winterthur vom 18. März 2011 (act. 3/19) und der Vormundschaftsbehörde
C. vom 15. März 2011 (act. 4) Stellung zu nehmen (act. 26). Innerhalb der angesetzten Frist stellten die Beschwerdeführerinnen mit Eingabe vom 18. November 2011 (hierorts eingegangen am 21. November 2011) einen Antrag auf Sistierung des vorliegenden Verfahrens bis 31. Januar 2012 (act. 28; Sistierungsgesuch gemäss 126 ZPR), welcher Antrag mit Präsidialverfügung vom
22. November 2011 abgelehnt wurde; den Beschwerdeführerinnen wurde eine letztmalige Frist bis 5. Dezember 2011 zur freigestellten Stellungnahme zu den Eingaben des Bezirksrates Winterthur vom 18. März 2011 (act. 3/19) und der Vormundschaftsbehörde C. vom 15. März 2011 (act. 4) angesetzt wurde (act. 30). Die Stellungnahme ging fristgerecht am 6. Dezember 2011 hierorts ein (act. 32 S. 5 ff).
1. Am 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) in Kraft getreten. Diese findet auf das vormundschaftliche Verfahren keine unmittelbare Anwendung (Art. 1 lit. b ZPO; BSK ZPO-Vock, Art. 1 N 6). Im Kanton Zürich ist das Rechtsmittel gegen solche Entscheide im Gesetz über die Gerichtsund Behördenorganisation im Zivilund Strafprozess (GOG) geregelt (§ 187 ff. GOG; vgl. früher § 280a ff. ZPO/ZH), das ebenfalls seit dem 1. Januar 2011 in Kraft ist. Die angefochtene bezirksrätliche Präsidialverfügung wurde nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen, weshalb analog Art. 405 Abs. 1 ZPO neues Recht anwendbar ist.
Gemäss § 187 GOG sind gegen Entscheide der Bezirksräte in familienrechtlichen Angelegenheiten die Rechtsmittel der ZPO zulässig. Das Verfahren richtet sich nach Art. 308 ff. ZPO (Berufung Beschwerde). Die Rechtsmittelfrist beträgt (entsprechend Art. 420 Abs. 2 ZGB) 10 Tage (§ 188 Abs. 1 GOG). Gemäss Dispositiv-Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung des Präsidenten des Bezirksrates Winterthur vom 24. Januar 2011 wurden die Beschwerdeführerinnen dahingehend belehrt, dass sie innert 10 Tage ab Empfang des Entscheides Rekurs an das Obergericht erheben können (act. 3/8 S. 3). Art. 319 lit. c. ZPO hält sodann fest, dass Fälle von Rechtsverzögerung mit Beschwerde anfechtbar sind.
Damit ist die als Aufsichtsbeschwerde wegen Rechtsverweigerung eingereichte Eingabe der Beschwerdeführerinnen als Beschwerde im Sinne von
Art. 321 Abs. 1 i.V.m. Art. 319 lit. c ZPO zu behandeln (act. 3/2).
Wie erwähnt, ist die Beschwerde innert 10 Tagen ab Mitteilung des Entscheides zu erheben (§ 188 Abs. 1 GOG). Der Entscheid des Bezirksrates vom
24. Januar 2011 wurde den Beschwerdeführerinnen einen Tag später zugestellt (3/20/13 und auch 3/20/14). Die Rechtsmittelfrist wurde damit den Beschwerdeführerinnen formell am 25. Januar 2011 eröffnet, und die Frist zur Erhebung der Beschwerde ist demnach am Freitag, 4. Februar 2011 abgelaufen.
Die mit 15. Februar 2011 datierte Beschwerdeschrift wurde der Post am 16. Februar 2011 übergeben (act. 3/13). Ob die Eingabe an eine unzuständige Instanz zur Wahrung der für ein Rechtsmittel geltenden Frist genügt, braucht heute nicht entschieden zu werden. Auch wenn es so wäre, hätte die Postaufgabe der an die Direktion der Justiz und des Innern gerichteten Rechtsmittelschrift die zehntägige Frist nicht gewahrt. Die Beschwerde erfolgte daher verspätet. Es ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass für die Zuständigkeitsregeln auf die Erwägungen im Beschluss vom 5. Mai 2011 verwiesen wird (act. 24 S. 4 ff.).
Kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden, so sind die Rechtsmittelkosten den Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen. Massgebend ist das tatsächliche Streitinteresse, der Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falles. Die Gebühr beträgt zwischen Fr. 300.-- und Fr. 13'000.-- (§ 5 in Verbindung mit
§ 12 der Gerichtsgebührenverordnung vom 8. September 2010), wobei bei Verfahrenserledigung ohne Anspruchsprüfung eine Reduktion bis auf die Hälfte möglich ist (§ 10 Abs. 1 Gerichtsgebührenverordnung). Vorliegend rechtfertigt sich eine Gebühr von Fr. 500.--. Entschädigungen sind keine geschuldet.
Es wird beschlossen:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird auf Fr. 500.-festgesetzt.
Die Gerichtskosten werden den Beschwerdeführerinnen je zur Hälfte auferlegt, unter solidarischer Haftung je für den gesamten Betrag.
Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Beschwerdeführerinnen, an die Vormundschaftsbehörde C. , an den Bezirksrat Winterthur sowie - unter Rücksendung der eingereichten Akten an die Direktion der Justiz und des Innern (Gemeindeamt des Kantons Zürich), je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. T. Engler
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