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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:PN070195
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PN070195 vom 16.11.2007 (ZH)
Datum:16.11.2007
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Sachliche Zuständigkeit der Zivilgerichte im Bereich des Bundesgesetzes über die Berufsbildung (Art. 60 BBG)
Schlagwörter : Recht; Berufsbildung; Verbindlich; Berufsbildungsfonds; Allgemeinverbindlicherklärung; Bundes; Privatrechtlich; Verband; Beschwerde; Privatrechtliche; Nichtig; Betrieb; Verfahren; Vorinstanz; Entscheid; öffentlich-rechtlich; Verbands; Hinw; Berufsverband; Angefochten; Arbeitgeber; Gesamtarbeitsverträge; Interesse; Verfügung; öffentlich-rechtliche; Angefochtene; Bildung; Zuständigkeit; Erklärte
Rechtsnorm: Art. 23 BV ; Art. 28 BV ; Art. 356b OR ; Art. 63 BV ; Art. 69 ATSG ; Art. 71 ZGB ;
Referenz BGE:104 Ia 413; 98 II 205; 98 II 208;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr. PN070195/U/Wi

III. Zivilkammer

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. iur. R. Klopfer, Vorsitzender,

Dr. iur. A. Brunner und Dr. iur. G. Daetwyler

sowie die juristische Sekretärin lic. iur. V. Girsberger

Zirkular-Erledigungsbeschluss vom 16. November 2007

in Sachen

X.,

Klägerin und Beschwerdeführerin vertreten durch Rechtsanwalt (...)

gegen

B. AG,

Beklagte und Beschwerdegegnerin vertreten durch Rechtsanwältin (...)

betreffend Forderung

Nichtigkeitsbeschwerde gegen eine Verfügung des Einzelrichters im ordentlichen Verfahren am Bezirksgericht Dielsdorf vom 15. Januar 2007

Das Gericht erwägt:

I.
  1. Mit Klage vom 31. Oktober 2006 beantragte die Beschwerdeführerin, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 1'552.-- nebst Zins zu 5% seit 2. Februar 2006 (...) zu bezahlen; zudem sei der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 11857 des Betreibungsamts (...) vollumfänglich aufzuheben. Die Beklagte verlangte die vollumfängliche Abweisung der Klage, mit der Begründung, sie schulde der Klägerin in Anwendung von Art. 60 Abs. 6 BBG keine Beiträge an deren Berufsbildungsfonds.

    Mit Verfügung vom 15. Januar 2007 (versandt 14. August 2007) trat der Einzelrichter im ordentlichen Verfahren des Bezirks Dielsdorf auf die Klage nicht ein, mit der Begründung, der streitige Anspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur.

  2. Mit Nichtigkeitsbeschwerde vom 11. September 2007 beantragte die Klägerin und Beschwerdeführerin, der Entscheid des Einzelrichters vom 15. Januar 2007 sei vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Vorinstanz hat am 13. September 2007 auf Vernehmlassung verzichtet.

Mit Beschwerdeantwort vom 12. Oktober 2007 wurde innert erstreckter Frist die Abweisung des Rechtsbegehrens und Bestätigung der angefochtenen Verfügung vom 15. Januar 2007 beantragt.

II.

1. Die Nichtigkeitsbeschwerde i.S. von §§ 281 ff. ZPO ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, das im Gegensatz zur Berufung nicht auf eine freie Nachprüfung des angefochtenen Entscheids in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zielt, sondern nur eine Überprüfung daraufhin gestattet, ob der angefochtene Entscheid an einem Nichtigkeitsgrund leide. Es kann daher lediglich geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid beruhe zum Nachteil des Nichtigkeitsklägers auf einer Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes (Ziff. 1), einer aktenwidrigen oder willkürlichen tatsächlichen Annahme (Ziff. 2) oder einer Verletzung klaren materiellen Rechts (Ziff. 3). Wesentliche Verfahrensgrundsätze sind auch die Vorschriften über die Prozessvoraussetzungen (§§ 108 ff. ZPO), weshalb ein Entscheid, der eine Prozessvoraussetzung zu Unrecht bejaht oder verneint, an einem Nichtigkeitsgrund leidet, insbesondere auch der Erledigungsentscheid, in welchem sich das Gericht zu Unrecht als sachlich unzuständig erklärt (FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3.A. Zürich 1997, N 19 f. zu § 281 ZPO m. Hinw. auf ZR 76 Nr. 24; GULDENER, Die Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen nach Zürcherischem Recht, Zürich 1942, § 11 Ziff. I.2, S. 95 zu § 344 Ziff. 1 altZPO). Nichtig ist der unrichtige Entscheid betreffend sachliche Zuständigkeit, wenn der Gerichtsstand (teil-)zwingend ist, d.h. die Zuständigkeit nicht ausnahmsweise durch Einlassung der beklagten Partei begründet werden konnte (VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8.A. Bern 2006, § 23 Rz 103, § 24 Rz 105a). Mit der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts wird notwendigerweise zugleich die Verletzung eines Rechtssatzes geprüft (GULDENER, a.a.O., § 10 D.1, S. 89 f.).

3. Die Beschwerdeführerin trägt vor, die Vorinstanz begründe ihren Nichteintretensentscheid mit der Unzulässigkeit der gewählten Prozessart (§ 108 ZPO), indem sie sich unter Hinweis auf BGE 2A.249/2002 auf den Rechtsstandpunkt stelle, bei der Sammlung der Fondsbeitragszahlungen handle es sich um einen öffentlich-rechtlichen Sachverhalt, weshalb der streitige Anspruch nicht vom Zivilrichter zu entscheiden sei. Damit ist ausreichend dargelegt, dass ein Nichtigkeitsgrund wegen Nichteintretens trotz sachlicher Zuständigkeit gegeben sei, so dass eine Überprüfung des angefochtenen Entscheids des Sachrichters erfolgen kann (§ 288 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. § 290 ZPO). Im Bereich von § 281 Ziff. 1 ZPO - Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes - steht der Kassationsinstanz freie Prüfung zu (FRANK/STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N 15 zu § 281 Ziff. 1 ZPO; GULDENER, a.a.O., § 10 D.1, S. 89; BGE 104 Ia 413, 104 II 122 E. 3 zu Art. 4 altBV).

III.
  1. Die Vorinstanz hat ihre sachliche Zuständigkeit mit der Begründung verneint, die Berufsbildungsfonds bildeten einen festen Bestandteil der Finanzierung der Berufsbildung. Art. 60 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung (BBG) vom 13. Dezember 2002 sei gestützt auf Art. 63 Abs. 1 BV zur Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe erlassen worden und verfolge öffentliche Interessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sei die Abgrenzung zwischen zivilund öffentlichrechtlichen Streitigkeiten mithilfe der Kriterien der sog. Interessen-, Funktionsund Subordinationstheorie vorzunehmen, wobei keiner Methode ein Vorrang zukomme. Es sei im Einzelfall zu prüfen, welches Abgrenzungskriterium den konkreten Gegebenheiten am besten gerecht werde (m. Hinw. auf BGE 2A.249/2002; 120 II 412 E. 1b; 101 II 366 E. 2b). Der Gesetzgeber habe die Wirtschaft mittels der „Organisationen der Arbeitswelt“ (Art. 60 Abs. 1 BBG) in die Finanzierung der Berufsbildung einzubinden gesucht, wenn auch nur auf freiwilliger Basis. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) würden die Berufsbildungsfonds der Aufsicht des Bundes unterstellt, womit die von den Berufsverbänden verfassten Reglemente an die Stelle von Verordnungsrecht des Bundes treten würden. Das Rechtsverhältnis von (Lehr-)Betrieb und Berufsverband werde damit grundsätzlich öffentlich-rechtlich geprägt, d.h. die Rechte und Pflichten wür- den nicht (mehr) in einem zivilrechtlichen Vertrag, sondern im öffentlichrechtlichen Fondsreglement gründen. Art. 60 BBG weise aber auch isoliert betrachtet hoheitlichen Charakter auf, da die streitigen Beiträge nicht in den

    Regelungsbereich des Obligationenrechts fielen. Das Obligationenrecht erfasse nämlich nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. zwischen Lehrmeister und Lehrling, soweit es nicht durch öffentliches Recht bestimmt werde (m. Hinw. auf BK-REHBINDER, OR 344 N 3 bzw. BSKREHBINDER/PORTMANN, OR 344 N 2 ff.; BGE 2A.249/2002; act. 2).

  2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihr Reglement sei mit Bundesratsbeschluss vom 13. April 2005 gestützt auf Art. 60 Abs. 3 BBG allgemein verbindlich erklärt worden. Die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) sei ein Rechtsetzungsakt eigener Art, welchem der Gesetzgeber eine privatrechtliche Konzeption zugrunde lege, weil es sich lediglich um die Ausdehnung des persönlichen Geltungsbereichs eines von privatrechtlichen Verbänden abgeschlossenen Vertrags handle (m. Hinw. auf BBl 1954 I 129, 171 und BGE 98 II 205, 208). Eine öffentlich-rechtliche Konzeption hätte nämlich zur Folge, dass die Verbände aufgrund der AVE zu staatlichen Organen umgewandelt und der Führung und Kontrolle des Staats unterstellt würden (m. Hinw. auf FENT, Begriff, Gegenstand, allgemeine Voraussetzungen und Wirkungen der AVE nach dem Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen [AVEG], Diss. Freiburg 1999, S. 46-49). Dies würde eine erhebliche Einschränkung der Verbandsautonomie bedeuten und führte zur ungleichen Behandlung von Reglementen mit und ohne Allgemeinverbindlicherklärung. Die Klägerin sei ein privatrechtlich konstituierter Verein i.S. von Art. 60 ff. ZGB und keine öffentlich-rechtliche Kör- perschaft. Demzufolge sei auch das erwähnte Reglement privatrechtlicher Natur, unabhängig davon, dass es sich auf Art. 60 BBG stütze. Denn die Verpflichtung einzelner Betriebe zu Solidaritätsbeiträgen habe zur Voraussetzung, dass zuvor ein Berufsverband von sich aus einen entsprechenden Fonds geschaffen habe; es sei mithin nie der Bund, welcher den Fonds gründe (m. Hinw. auf BBl 2000, 5686). Eine Übertragung von Hoheitsrechten auf den jeweiligen Verband sei also nicht bezweckt. Diese Rechtsauffassung werde durch Ziff. 8.11 des Handbuchs für die AVE von Berufsbildungsfonds gemäss Art. 60 BBG des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie (BBT) untermauert, wonach Ansprüche auf dem

zivilen Gerichtsweg durchzusetzen seien. In dem von der Vorinstanz zitierten BGE 2A.249/2002 gehe es um die Kostenübernahme von obligatorischen Lehrlingskursen durch den Arbeitgeber, weshalb die Kursreglemente gestützt auf Art. 16 BBG als stellvertretendes bundesrechtliches Verordnungsrecht qualifiziert würden. Die freiwillige Schaffung und Äufnung von Berufsbildungsfonds durch Organisationen der Arbeitswelt sei ein damit nicht vergleichbarer Tatbestand. Denn die Fondsmittel dienten der Klägerin gemäss Ziff. 2 des Reglements der Finanzierung von Zusatzdienstleistungen zur staatlich gesicherten Grundausbildung (Lehre), z.B. zur Realisierung von Berufsentwicklungsprojekten. Das Bundesgericht habe überdies in BGE 2A.249/2002, E. 2.4 offen gelassen, ob die Vorinstanzen als Verwaltungsund Verwaltungsjustizbehörden für die Beurteilung der streitigen Forderung überhaupt zuständig waren.

4. Die Beschwerdegegnerin erachtet die eingeklagte Forderung als materiell unbegründet, weshalb für sie letztendlich nicht ausschlaggebend sei, ob eine ziviloder öffentlich-rechtliche Gerichtsinstanz die Streitigkeit entscheiden werde. Der angefochtene Entscheid sei für sie aber nachvollziehbar. Nach Art. 60 Abs. 3 BBG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 des Bundesratsbeschlusses über die AVE des Reglements Berufsbildungsfonds der Klägerin werde jeder Betrieb verpflichtet, seinen Beitrag zu zahlen, womit es sich nicht um eine freiwillige, vertraglich vereinbarte Zahlung, sondern eigentlich um eine Vorzugslast handle (m. Hinw. auf HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allg. Verwaltungsrecht, 5.A. Zürich 2006, Rz 2647 ff.). Art. 62 BBG sehe sodann als Rechtsmittelbehörden keine Zivilgerichte vor. Eine Anwendung der Praxis zur AVE von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) sei für die Erhebung eines solchen Beitrags unter Umständen weniger sachgerecht, da keine Freiwilligkeit der Rechtsbeziehung vorliege bzw. die Allgemeinverbindlicherklärung von GAV lediglich den Vertragsinhalt regle, den Parteien jedoch keinen Kontrahierungszwang auferlege, wie das hier im übertragenen Sinne der Fall sei. Einer privatrechtlichen Organisation könnten öffentliche Aufgaben auch übertragen werden, ohne dass sie eine öffentlich-rechtliche Körperschaft werden müsse. Hinsichtlich der zitierten Ziff. 8.11 des Handbuchs des BBT sei zu

bemerken, dass der Wille des Gesetzgebers, nicht des Eidg. Volksdepartements, bei der Auslegung der Bestimmungen über die Berufsbildungsfonds von Bedeutung sei. Der von der Beschwerdeführerin zitierte BGE 2A.249/2002 sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, weil zwischen Verband und Betrieb kein gleichberechtigt ausgehandeltes, sondern durch die allgemeinverbindlich erklärte Beitragspflicht nach Art. 60 BBG ein hoheitliches Verhältnis vorliege.

IV.
  1. Nach Abs. 1 des Art. 60 BBG „können“ Organisationen der Arbeitswelt, die für Bildung, Weiterbildung sowie Prüfungen zuständig sind, eigene Berufsbildungsfonds zur Förderung der Berufsbildung schaffen und äufnen. Sie umschreiben den Förderungszweck ihres Berufsbildungsfonds, wobei sie insbesondere die „Betriebe ihrer Branche“ in der „berufsspezifischen Weiterbildung“ unterstützen sollen (Abs. 2). Die Gründung eines Berufsbildungsfonds, wie desjenigen der Klägerin, seine Zwecksetzung und seine Finanzierung erfolgen aber auf privatrechtlicher Rechtsgrundlage d.h. auf Art. 60 ff. ZGB. Die Mitgliedschaft ist für die Betriebe der Branche freiwillig (Art. 23 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 BV [Vereinigungsund Koalitionsfreiheit]). Erst wenn der Berufsverband eine Allgemeinverbindlicherklärung gemäss Art. 60 Abs. 3 BBG beantragen will, ist er gezwungen sicherzustellen, dass seine Statuten die „Bildung und Weiterbildung“ i.S. von Art. 60 Abs. 1 BBG als Verbandszweck nennen und sein Berufsbildungsfonds das Erfordernis von Art. 60 Abs. 2 BBG sowie die in Art. 60 Abs. 4 lit. a bis d aufgezählten spezifischen Mindestvoraussetzungen erfüllt. Die Allgemeinverbindlicherklärung bewirkt dann unmittelbar eine Ausdehnung der Beitragspflicht der Verbandsmitglieder auf alle Betriebe der Branche, also auch auf Nichtmitglieder des Berufsverbands, die keine Mitgliedschaft wünschen, was einen Eingriff in die Vereinigungsund Koalitionsfreiheit darstellt (Art. 23 Abs. 3 BV; Art. 28 Abs. 1 BV). Derartige Eingriffe in ein Freiheitsrecht haben stets den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten. Art. 60 BBG begrenzt daher die Beitragspflicht insofern, als der Bundesrat die Kompetenz erhält, die maximale Höhe des Beitrags - gegebenenfalls nach Branchen differenziert - festzulegen (Abs. 5). Die dem zuständigen Bundesamt erteilte Aufsichtskompetenz gemäss Art. 60 Abs. 7 BBG soll sicherstellen, dass die zwangsweise erhobenen Beiträge dem Förderungszweck gemäss verwendet werden, weshalb Rechnungslegung und Revision in einer Verordnung geregelt werden (Art. 60 Abs. 7 Satz 2). Zudem dürfen Betriebe, die sich bereits

    mittels Verbandsbeitrag an der Berufsbildung beteiligen, in einen Berufsbildungsfonds einbezahlen oder sonst nachweisbar angemessene Bildungsoder Weiterbildungsleistungen erbringen“, nicht zu weiteren Zahlungen in allgemein verbindlich erklärte Bildungsfonds verpflichtet werden (Abs. 6). Adressaten dieser Bestimmung sind also - im Gegensatz zu Abs. 5 und 7 - die allgemein verbindlich erklärten Bildungsfonds.

  2. Diese aufsichtsrechtliche Ordnung könnte dafür sprechen, dass die gestützt auf Art. 60 Abs. 6 BBG eingeforderten Bildungsbeiträge mittels Verfügungen festzusetzen sind, welche mit verwaltungsrechtlicher Beschwerde angefochten werden könnten (Art. 61 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 BBG). Dieser Auffassung folgt offenbar die Vorinstanz. Art. 60 BBG enthält nun aber keine Ermächtigung der (nach wie vor) privatrechtlich organisierten Berufsverbän- de zum Erlass von Verfügungen, wie dies z.B. Art. 69 ATSG im Sozialversicherungsrecht (auch) für die privatrechtlich organisierten Versicherer vorsieht. Art. 61 BBG regelt als einzige Bestimmung des 1. Abschnitts des

    9. Kapitels (Überschrift: Rechtsmittel) die Zuständigkeit und das Verfahren für die verwaltungsrechtlichen Rechtsmittel. Er bezieht sich damit auf sämtliche vorangehenden Kapitel, nicht bloss auf das 8. Kapitel, welches die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Berufsbildung und die Berufsbildungsfonds zum Gegenstand hat. Aus Art. 61 BBG muss also für Streitigkeiten betreffend die Erhebung der Beiträge bei den Unternehmen einer Branche gemäss Art. 60 Abs. 6 BBG nicht auf einen Ausschluss der Zivilgerichte geschlossen werden.

  3. Das Bundesgericht hat zu Art. 16 BBG (2. Kapitel: Berufliche Grundbildung) erwogen, diese Bestimmung sei hoheitlicher Natur, weil sie die Berufsverbände verpflichte, zusammen mit den Kantonen Einführungskurse für Absolventen von Berufslehren anzubieten und der Besuch dieser Kurse für alle Lehrlinge obligatorisch sei. Die Kostentragung in der beruflichen Grundbildung beschlage das grundsätzlich öffentlichrechtlich geprägte Verhältnis zwischen Lehrbetrieb und den mit der Durchführung der Kurse betrauten Berufsverbänden (BGE 2A.249/2002, E. 2.3, E. 3 Abs. 1). Der Schwerpunkt des Lehrvertrags selbst liegt im öffentlichen Recht, so dass für privatrechtliche Vereinbarungen nur wenig Raum bleibt (BK-REHBINDER, OR 344 N 3). Im Unterschied zum Lehrvertrag handelt es sich bei der „berufsspezifischen Weiterbildung“ gemäss Art. 60 Abs. 2 BBG aber um eine grundsätzlich privatautonome Tätigkeit von Berufsverbänden (vorne E. IV.1), deren Kosten mit Beiträgen der Verbandsmitglieder gedeckt werden, jedenfalls so lange als der Berufsbildungsfonds nicht - auf eigenen Antrag des Verbands -allgemeinverbindlich erklärt worden ist (vgl. Art. 71 ZGB und Art. 3 Ziff. 1 der Statuten der Klägerin).

  4. Auf die Allgemeinverbindlicherklärung eines Berufsbildungsfonds sind gemäss Art. 60 Abs. 3 Satz 2 BBG die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) vom 28. September 1956 „sinngemäss“ anzuwenden. Damit wird einmal auf die Verfahrensvorschriften der Art. 8 ff. AVEG, d.h. auf Zustän- digkeit und Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung verwiesen. Die Verweisung kann aber zwanglos auch auf deren Rechtswirkungen bezogen werden: Nach Lehre und Rechtsprechung verlieren die Gesamtarbeitsverträge (GAV) durch die AVE ihre zivilrechtliche Natur nicht und enthalten auch für Dritte nicht öffentliches Recht, sondern objektives Zivilrecht, weshalb der Entscheid über streitige Ansprüche, wie in allen privatrechtlichen Angelegenheiten, dem Zivilrichter vorbehalten bleibt (IMBODEN/RHINOW/ KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 3 B.III m. Hinw. auf BGE 98 II 208 E. 1). Während Gegenstand der AVE von Gesamtarbeitsverträgen von Privaten abgeschlossene Verträge gemäss Art. 322 f. OR sind (BGE 98 II

    208 E. 1), deren normative Inhalte (Löhne, Arbeitszeit, Ferien, Lohnfortzahlung bei Krankheit etc.) für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die einen

    Einzelarbeitsvertrag i.S. von Art. 319 ff. OR abgeschlossen haben, bildet Gegenstand der Allgemeinverbindlicherklärung von Berufsbildungsfonds die Finanzierung der berufsspezifischen Weiterbildung durch privatwirtschaftliche Unternehmer und Arbeitgeber bzw. deren Verbände (Art. 60 Abs. 1 und 2 BBG). Wie bei den GAV sollen auch bei Berufsbildungsfonds die sog. Aussenseiter, d.h. Nichtmitglieder des Berufsverbands, durch die AVE zur Teilnahme an einer privatrechtlichen freiwilligen Institution verpflichtet werden. Ein Unternehmen kann frei entscheiden, ob es einem Berufsverband beitreten (Koalitionsfreiheit) oder Beiträge an einen Berufsbildungsfonds leisten will (Vertragsfreiheit), solange keine Allgemeinverbindlicherklärung i.S. von Art. 60 BBG erfolgt ist. Dieser Sachverhalt ist durchaus mit der privatrechtlichen arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehung i.S. von Art. 319 ff. OR vergleichbar, wo es dem Arbeitgeber ebenfalls freisteht, einem Arbeitgeberverband beizutreten oder sich einem Gesamtarbeitsvertrag anzuschliessen (Art. 356b Abs. 1 OR), die normativen Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrags jedoch als Folge der Allgemeinverbindlicherklärung für ihn von Gesetzes wegen unmittelbar verbindlich werden, sobald die von ihm abgeschlossenen Einzelarbeitsverträge vom Geltungsbereich des GAV erfasst werden (Art. 4 Abs. 1 und 2 AVEG).

  5. Die Ausgestaltung der Berufsbildungsangebote bleibt auch nach der Allgemeinverbindlicherklärung eines Berufsbildungsfonds der Privatautonomie der Berufsverbände überlassen, d.h. der Eingriff beschränkt sich auf deren Finanzierung, die zweifellos im öffentlichen Interesse liegt (BGE 2A.24972002 E. 2.1). Auch der Arbeitnehmerschutz und der Schutz der Arbeitgeber vor Wettbewerbsverzerrungen liegt aber im öffentlichen Interesse. Die Interessentheorie eignet sich im Bereich allgemeinverbindlich erklärter, bis anhin privatrechtlich geregelter Rechtsverhältnisse, nicht als Abgrenzungskriterium zum öffentlichen Recht, weil Allgemeinverbindlicherklärungen gemäss Art. 2 Ziff. 2 AVEG nur zulässig sind, wenn sie dem

    „Gesamtinteresse“ nicht zuwiderlaufen und die „berechtigten Interessen anderer Wirtschaftsgruppen und Bevölkerungskreise“ nicht beeinträchtigen, mithin ein öffentliches Interesse an der AVE besteht. Die Rechtsbeziehung

    der Vertragsparteien allgemeinverbindlich erklärter Gesamtarbeitsverträge bleiben aber nach dem Willen des Gesetzgebers privatrechtlicher Natur (vorne E. IV.4). Die analoge Anwendung des Bundesgesetzes über die AVE von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) führt für die Frage, ob allgemeinverbindlich erklärte Berufsbildungsfonds dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, zum Ergebnis, dass das Kriterium der Subordination der Sache am besten gerecht wird (vgl. vorne E. III.1), wonach die bis anhin privatrechtlich ausgestaltete Rechtsbeziehung, bei welcher sich die Betriebe und die Berufsverbände als gleichgeordnete Rechtssubjekte gegenüberstehen, nicht in eine öffentlich-rechtliche Beziehung der Überund Unterordnung umgewandelt werden soll. Denn die Allgemeinverbindlicherklärung bewirkt auch im Bereich der Berufsbildungsfonds eine Ausdehnung der Verbandsmacht auf Nichtmitglieder und führt damit zu einem nicht unerheblichen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit. Deshalb sind die Allgemeinverbindlicherklärungen auch an strenge Voraussetzungen gebunden (vgl. PORTMANN/STÖCKLI, Kollektives Arbeitsrecht, Zürich/Basel 2004,

    S. 29, § 4 Ziff. III., N 110; ZÜRCHER KOMMENTAR, Art. 356b N 147 zum

    Gesamtarbeitsvertrag).

  6. Die Streitigkeiten, die zwischen einem Berufsverband und einem Nichtmitglied nach der Allgemeinverbindlicherklärung bei der Beitragserhebung gemäss Art. 60 Abs. 3 BBG entstehen, sind aus den dargelegten Gründen wie bis anhin die Streitigkeiten mit einem Verbandsmitglied im kontradiktorischen Verfahren von einem Zivilgericht zu entscheiden (vgl. Beschluss der

    III. ZK vom 20. September 2007 i.S. VSSM gegen S. [PN070168]). Damit ist die definitive Rechtsöffnung (vgl. vorne E. I.1) nicht aufgrund einer rechtskräftigen Verfügung des klagenden Berufsverbands i.S. von Art. 80 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG zu erteilen bzw. zu verweigern, sondern aufgrund eines Zivilurteils.

  7. Die Vorinstanz ist aus den dargelegten Gründen zur Beurteilung der von der Klägerin in Betreibung gesetzten Forderung im Betrage von Fr. 1'552.-- (zuzüglich Zinsen und Kosten) sachlich zuständig.

V.
  1. In Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde ist die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur materiellen Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

  2. (Kosten)

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