Zusammenfassung des Urteils PF180045: Obergericht des Kantons Zürich
Ein Mieter und Vermieter schlossen einen Vergleich, wonach das Mietverhältnis enden sollte. Der Mieter zahlte jedoch ausstehende Mietzinse nicht und wurde zur Räumung des Lagerraums aufgefordert. Der Mieter behauptete, dass der Vertrag mündlich verlängert wurde, was die Vermieterin bestritt. Das Gericht entschied zugunsten des Mieters, da die Vermieterin keine klaren Beweise vorlegte. Die Vermieterin muss das Ausweisungsbegehren im ordentlichen Verfahren geltend machen. Kosten wurden der Vermieterin auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PF180045 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 21.12.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ausweisung |
Schlagwörter : | Beklagten; Recht; Verfahren; Bewirtschafter; Ausweisung; Herrn; Vertragsverlängerung; Mietvertrag; Urteil; Mietverhältnis; Ausweisungsbegehren; Winterthur; Lagerraum; Mietzins; Parteien; Einzelgericht; Frist; Gesuch; Einwendungen; Vorinstanz; Bundesgericht; Obergericht; Oberrichter; Begehren; Illiquidität; Bewilligung; Rechtspflege |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 257 ZPO ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 138 III 123; 138 III 620; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PF180045-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin
lic. iur. E. Lichti Aschwanden und Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Bohli Roth
in Sachen
,
Beklagter und Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Eidgenossenschaft, Klägerin und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch armasuisse, Bereich Recht,
betreffend Ausweisung
Beschwerde gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur vom 9. Oktober 2018 (ER180038)
Der Beklagte und Beschwerdeführer (fortan Beklagter) mietete von der Klägerin und Beschwerdegegnerin (fortan Klägerin) einen Lagerraum im Gebäude 5, Box 13 an der B. -Strasse ... in C. . Der monatliche Mietzins beträgt Fr. 150.- (act. 1-2). Am 20. Juni 2017 schlossen die Parteien vor der Schlichtungsbehörde des Bezirkes Winterthur einen Vergleich, wonach das Mietverhältnis auf Ende Juni 2018 beendet werde. Eine Erstreckung sei nicht möglich. Sodann verpflichtete sich der Beklagte, die ausstehenden Mietzinse von Fr. 700.bis am 31. Dezember 2017 zu begleichen (act. 2/1). Da der Beklagte den Lagerraum am vereinbarten Termin nicht abgegeben hatte, gelangte die Klägerin am
uli 2018 (Poststempel) mit einem Ausweisungsbegehren an das Einzelgericht des Bezirksgerichts Winterthur. Dieses gab dem Begehren statt und befahl dem Beklagten mit Urteil vom 9. Oktober 2018, das Mietobjekt unverzüglich zu räumen und der Klägerin ordnungsgemäss zu übergeben, unter Androhung von Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall (act. 16 = act. 19).
Hiergegen erhob der Beklagte rechtzeitig Beschwerde und beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Auf das Ausweisungsbegehren sei wegen Illiquidität nicht einzutreten, und es sei der mündliche Mietvertrag vom 29. Juni 2018 anzuerkennen. Von Herrn D. , Chef-Bewirtschafter, sei eine Stellungnahme einzuholen (act. 20 S. 2).
Mit Verfügung vom 29. Oktober 2018 wurde dem Beklagten Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses in der Höhe von Fr. 225.für das zweitinstanzliche Verfahren angesetzt (act. 22). Daraufhin stellte der Beklagte ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege, da er mittellos und das Verfahren nicht aussichtslos sei. Zugleich bezahlte er den geforderten Vorschuss von Fr. 225.-, damit die Beschwerdeinstanz die Streitsache weiterbehandeln könne (act. 24 und 25/3, act. 26).
Am 21. November 2018 wurde dem Beklagten Frist angesetzt, um seine Ausführungen zur Bedürftigkeit zu ergänzen und mittels genau bezeichneten Unterlagen zu belegen. Weiter wurde der Klägerin Frist zur Erstattung der Beschwerdeantwort angesetzt (act. 27). Der Beklagte kam der Aufforderung innert Frist nach und ersuchte weiter um Erteilung der aufschiebenden Wirkung (act. 3032). Eine Beschwerdeantwort ging nicht ein.
Das Einzelgericht im summarischen Verfahren gewährt Rechtsschutz in klaren Fällen, wenn der Sachverhalt unbestritten sofort beweisbar und die Rechtslage klar ist. Die klagende Partei hat, wenn sie um Rechtsschutz in klaren Fällen ersucht, für die anspruchsbegründenden und strittigen Tatsachen den sofortigen Beweis zu erbringen. Fehlt es hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs an diesen Voraussetzungen, so ist auf das Begehren wegen Illiquidität nicht einzutreten (Art. 257 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO). Der klagenden Partei steht in diesem Fall die Klage im ordentlichen Verfahren offen. Für die Verneinung eines klaren Falls in tatsächlicher Hinsicht genügt es, wenn die beklagte Partei substantiierte und schlüssige Einwendungen vorträgt, die nicht sofort widerlegt werden können und die geeignet sind, die gerichtliche Überzeugung zu erschüttern. Offensichtlich unbegründete haltlose Einwendungen genügen nicht für die Verneinung eines klaren Falles bzw. um einen an sich bewiesenen Sachverhalt als illiquid erscheinen zu lassen. Ein Vorbringen ist nicht schon dann als haltlos anzusehen, wenn die Wahrheit der Ausführungen fraglich erscheint. Verlangt wird, dass das Vorbringen sich aufgrund der gesamten Umstände ohne Weiteres als unwahr erweist. Es muss zufolge klarer gegenteiliger Anhaltspunkte im höchsten Grad unwahrscheinlich wirken. Entsprechend ist nicht leichthin von Haltlosigkeit auszugehen (vgl. BGE 138 III 620 E. 5.1.1; BGer 4A_14/2017 vom 15. Februar
2017, E. 4.2; vgl. auch OGer ZH PF170018 vom 27. Juni 2017, E. 3.1 sowie OGer ZH LF160063 vom 11. November 2016, E. III./1.2; KUKO ZPO-Jent-Sørensen,
A., Art. 257 N 11 mit Hinweisen, ZK ZPO-Sutter-Somm/Lötscher, 3.A., Art. 257
N 5 ff.).
Klares Recht liegt sodann vor, wenn sich die Rechtsfolge im Rahmen bewährter Lehre und Rechtsprechung ohne weiteres ergibt und die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt (BGE 138 III 123 E. 2.1.2).
Die Vorinstanz erwog, das Mietverhältnis zwischen den Parteien habe gemäss Vereinbarung vom 20. Juni 2017 Ende Juni 2018 geendet. Für die Einwendungen des Beklagten, er habe mit dem Bewirtschafter D. mittels mündlicher Übereinkunft einen neuen Mietvertrag abgeschlossen, würden keine Belege vorliegen. Diese Darstellung sei deshalb nicht glaubhaft. Damit fehle es dem Beklagten an einer Berechtigung für die Benutzung des Lagerraums, weshalb dem Ausweisungsbegehren stattzugeben sei (act. 19 S. 3 ff.).
Dem hält der Beklagte beschwerdeweise im Wesentlichen entgegen, bei der Klägerin wisse die linke Hand nicht, was die rechte tue. Herr D. , der unterschriftsberechtigte Chef-Bewirtschafter der Klägerin in [Ortschaft], habe den Mietvertrag am 28./29. Juni 2018 mündlich verlängert und diese Vertragsverlängerung weder ihm noch dem Gericht gegenüber widerrufen. Es bleibe sodann unklar, wen die Klägerin mit Bewirtschafter meine. Die Zusage könne nur Herr
D. zurücknehmen, der Bewirtschafter E. von F. in Zürich sei hierzu nicht befugt. Da von Herrn D. bislang aber keine Stellungnahme eingeholt worden sei, sei der Fall nicht liquid. Weiter führt der Beklagte aus, er habe nach dem Prinzip von Treu und Glauben Fr. 1'000.an die Klägerin überwiesen und diesen Betrag bis anhin nicht zurückerhalten. Damit habe er seine Verpflichtungen eingehalten. Die Vertragsverlängerung sei somit immer noch in Kraft und die Ausweisung demnach ungültig (act. 20 und 24).
6.a) Vorab ist festzuhalten, dass der Beklagte die vor der Schlichtungsbehörde geschlossene Vereinbarung mit Vertragsende per 30. Juni 2018 nicht in Frage stellt. Er stellt sich aber auf den Standpunkt, Herr D. , ChefBewirtschafter der Klägerin, habe ihm den Mietvertrag mündlich verlängert. Er legt dar, dass er der Klägerin am 26. Juni 2018 Fr. 1'000.- (Fr. 900.- Mietzins [6 x Fr. 150.-] und Fr. 100.- Umtriebsentschädigung für frühere Inkassobemühungen) überwiesen habe. Mit Schreiben vom 28. Juni 2018 habe er Herrn D._ um eine Verlängerung des Mietvertrags für weitere sechs Monate bis Ende Dezember 2018 gebeten. Am 29. Juni 2018, ca. 11.00 Uhr habe ihm Herr D. telefonisch bestätigt, er sei einverstanden mit den Fr. 1'000.- und der neuen Mietdauer von sechs Monaten. Möglich sei, dass Herr E. und die Klägerin in Bern von der Vertragsverlängerung infolge eines internen Kommunikationsproblems keine Kenntnis erhalten hätten (act. 6-7).
Die Klägerin bestreitet die Verlängerung des Mietverhältnisses durch ihren Bewirtschafter. Der Beklagte stelle unwahre Behauptungen auf und versuche durch einseitiges Handeln ein Mietverhältnis zu erzwingen. Dafür sei ihrerseits längst keine Bereitschaft mehr vorhanden. Sie habe dem Beklagten die
Fr. 1'000.- umgehend zurückerstattet, was diesen nicht an einer erneuten Überweisung gehindert habe. Die zweite Rücküberweisung gestalte sich als schwierig, da die frühere Kontoverbindung nicht mehr bestehe (act. 10-11).
Die Schilderungen des Beklagten zur behaupteten mündlichen Vertragsverlängerung sind hinreichend bestimmt. Er legt sowohl den Inhalt des Telefongesprächs mit Herrn D. am 29. Juni 2018 als auch die Begleitumstände
sein Schreiben vom Vortag, Funktion und Telefonnummer von Herrn D. sowie die Uhrzeit des Gesprächs substantiiert und schlüssig dar. Die Klägerin ihrerseits stellt nicht in Abrede, dass das Gespräch zwischen dem Beklagten und Herrn D. am 29. Juni 2018 um 11.00 Uhr stattgefunden hat. Somit erübrigt sich auch die Einholung der Verbindungsdaten von der Telefongesellschaft (act. 6
S. 4). Nur der Inhalt des Telefonats, konkret die Zustimmung des Bewirtschafters zur Vertragsverlängerung ist strittig. Es scheinen aber verschiedene Bewirtschafter mit unterschiedlichen Befugnissen involviert. Die Klägerin bleibt hier unbestimmt. Namentlich macht sie nicht geltend, dass Herr D. zum Abschluss eines Mietvertrages über den Lagerraum bzw. zur Vertragsverlängerung nicht berechtigt gewesen wäre. Zwar deutet ihre umgehende Rückzahlung der vom Beklagten getätigten Überweisung von Fr. 1'000.- darauf hin, dass es zu keiner Vertragsverlängerung gekommen ist. Durch die einseitige Schaffung von Fakten - Nichträumung des Mietobjektes und Vorauszahlung des gesamten Mietzinses lässt sich sodann selbstredend kein Mietverhältnis aufrechterhalten verlängern. Dennoch kann nach dem Gesagten ein internes Missverständnis eine Kommunikationspanne bei der Klägerin nicht von vornherein ausgeschlossen werden. So ist durchaus denkbar, dass diese von einer Absprache zwischen Herrn D. und dem Beklagten nicht (rechtzeitig) erfahren hat.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorbringen des Beklagten nicht von vornherein als haltlos unerheblich erscheinen. Seine Einwendungen
können in tatsächlicher Hinsicht aufgrund der gesamten Umstände nicht sofort widerlegt werden. Dies genügt für die Verneinung eines klaren Falles im Sinne von Art. 257 ZPO. Denn anders als die Vorinstanz ausführt, muss die Darstellung des Beklagten weder glaubhaft noch durch Unterlagen belegt sein (act. 19 S. 5). Demzufolge ist die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Auf das Ausweisungsbegehren der Klägerin ist zufolge Illiquidität nicht einzutreten. Ihr bleibt die Möglichkeit, ihr Begehren auf dem Weg des ordentlichen Zivilprozesses geltend zu machen.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch des Beklagten um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandlos (act. 30).
7. Ausgangsgemäss sind die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Für das Beschwerdeverfahren sind umständehalber keine Kosten zu erheben. Damit wird auch das Gesuch des Beklagten um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos (act. 2425, act. 31-32).
Die Gesuche des Beschwerdeführers um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege werden abgeschrieben.
Mitteilung mit nachfolgendem Erkenntnis.
In Gutheissung der Beschwerde wird das Urteil des Einzelgerichts im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Winterthur vom 9. Oktober 2018 aufgehoben. Auf das Ausweisungsbegehren der Klägerin vom 12. Juli 2018 wird nicht eingetreten.
Die erstinstanzlichen Kosten von Fr. 100.werden bestätigt und der Klägerin auferlegt
Für das zweitinstanzliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.
Für das erstund zweitinstanzliche Verfahren werden keine Parteientschä- digungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin unter Beilage einer Kopie von act. 30 und 31, sowie an die Vorinstanz und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 900.-. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. S. Bohli Roth
versandt am:
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