Zusammenfassung des Urteils NP210025: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um eine Klage wegen Persönlichkeitsverletzung, bei der die Klägerin verlangte, dass der Beklagte seine Überwachungskamera demontiert und alle Aufnahmen von ihr löscht. Das Bezirksgericht trat jedoch nicht auf die Klage ein und entschied, dass die Klägerin die Gerichtskosten tragen muss. Die Klägerin erhob daraufhin Berufung und argumentierte, dass die Zuständigkeit an das Kollegialgericht überwiesen werden sollte. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied teilweise zugunsten der Klägerin und wies den Fall zur Überweisung an das Bezirksgericht zurück. Die Gerichtskosten wurden nicht erhoben, und es wurden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | NP210025 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 13.07.2021 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Persönlichkeitsverletzung |
Schlagwörter : | Klage; Berufung; Bezirksgericht; Einzelgericht; Recht; Gericht; Klagebewilligung; Beklagten; Entscheid; Kollegial; Streit; Verfügung; Vorinstanz; Persönlichkeit; Natur; Einzelrichterin; Zuständig; Friedensrichterin; Spruchkörper; Parteien; Verfahren; Zuständigkeit; Kollegialbehörde; Sinne |
Rechtsnorm: | Art. 15 DSG ;Art. 243 ZPO ;Art. 63 ZPO ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 138 II 346; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: NP210025-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichter Dr. M. Sarbach sowie Gerichtsschreiber MLaw R. Jenny
Urteil vom 13. Juli 2021
in Sachen
,
Klägerin und Berufungsklägerin
gegen
,
Beklagter und Berufungsbeklagter betreffend Persönlichkeitsverletzung
Rechtsbegehren:
(act. 1)
1. Der Beklagte sei zu verpflichten, seine Überwachungskamera abzumontieren.
Der Beklagte sei zu verpflichten, alle Aufnahmen von der Klägerin auf der Überwachungskamera zu löschen.
Der Beklagte sei zu verpflichten, die Klägerin nur mit ihrer schriftlichen Zustimmung zu filmen.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beklagten.
Verfügung des Bezirksgerichtes:
(act. 12)
Auf die Klage wird nicht eingetreten.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf Fr. 600.-. Weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Die Gerichtskosten werden der klagenden Partei auferlegt.
Dem Beklagten wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien (an den Beklagten unter Beilage einer Kopie von act. 2), je als Gerichtsurkunde.
Eine Berufung gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammer, Postfach, 8021 Zürich, erklärt wer- den. In der Berufungsschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.
Berufungsanträge:
der Klägerin und Berufungsklägerin (act. 10):
1. Die Verfügung vom 2. März 2021 im Bezug auf FV210034 sei für nichtig zu erklären und aufzuheben.
Es sei gerichtlich festzustellen, dass auf die Klagebewilligung des Friedensrichteramt Kreis ... es steht, dass das Bezirksgericht (Einzelgericht) für diese Klage unzuständig sei.
Es sei gerichtlich festzustellen, dass das Friedensrichteramt Kreis ... das falsche zuständige Gericht auf die Klagebewilligung geschrieben hat.
Das Friedensrichteramt Kreis ... sei gerichtlich anzuweisen, eine korrigierte Klagebewilligung mir zuzustellen.
Das Bezirksgericht sei gerichtlich anzuweisen, die Klage einzutreten.
Das Einzelgericht sei gerichtlich anzuweisen, die Klage das Kollegial Gericht zu überweisen.
6. Alles unter Kosten zu Lasten der Staatskasse.
des Beklagten und Berufungsbeklagten:
---
Erwägungen:
Die Klägerin und Berufungsklägerin (nachfolgend Klägerin) hatte vor Vorinstanz mit Eingabe vom 22. Februar 2021 unter Beilage der Klagebewilligung vom 28. Oktober 2020 eine Klage gegen den Beklagten und Berufungsbeklagten (nachfolgend Beklagter) eingereicht (act. 1-act. 3). Die Geschäftskontrolle wies die Klage direkt der von der Klägerin auf der Klage genannten Bezirksrichterin als Einzelrichterin, und damit dem Einzelgericht im vereinfachten Verfahren zu
(Art. 243 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 24 lit. a GOG), zu (act. 2).
Das Einzelgericht trat im Folgenden auf die Klage ohne Weiterung nicht ein. Es kam zum Schluss, dass die von der Klägerin verlangte Verpflichtung des Beklagten, die Überwachungskamera zu entfernen, die behaupteten Aufnahmen zu löschen und sie, die Klägerin, nur mit ihrer schriftlichen Zustimmung zu filmen (vgl.
act. 1), Ansprüche aus Persönlichkeitsschutz (Art. 28 ff. ZGB) und Datenschutz (Art. 2 Abs. 1 lit. a DSG) darstellen. Das Datenschutzgesetz ergänze und konkretisiere den bereits durch das Zivilgesetzbuch (Art. 28 ff. ZGB) gewährleisteten Persönlichkeitsschutz (BGE 138 II 346 E. 10.1; 136 II 508 E. 6.3.2 S. 523; 127 III
481 E. 3a/bb). Gegen widerrechtliche Verletzungen der Persönlichkeit stehe die Klage nach Art. 28 f. ZGB offen. Weiter erwog die Vorinstanz, dass die Klage zur Durchsetzung der Persönlichkeitsrechte nach Art. 28 f. ZGB bzw. Art. 15 Abs. 1 DSG nicht vermögensrechtlicher Natur sei (vgl. BGer 4A_576/2015 vom 29. März 2016, E. 1.1). Nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten, die wie vorliegend - nicht in den Anwendungsbereich von Art. 243 Abs. 2 ZPO fallen würden, seien im ordentlichen Verfahren (Art. 219 ff. ZPO) zu behandeln. Zuständig sei das Kollegialgericht. Demzufolge trat das Einzelgericht mangels sachlicher Zuständigkeit auf die Klage nicht ein.
Gegen diesen Entscheid erhob die Klägerin rechtzeitig die vorliegend zu be- urteilende Berufung mit den oben wiedergegebenen Anträgen sowie einer kurzen Begründung (act. 6, act. 10). Die Akten der Vorinstanz wurden beigezogen (act. 1-8). Es wurde dem Beklagten mit Verfügung vom 17. Mai 2021 Frist angesetzt, um die Berufung beschränkt auf das Thema der unterbliebenen Überweisung durch die Vorinstanz an das Kollegialgericht zu beantworten (act. 13, act. 14/2). Der Beklagte liess sich innert Frist nicht vernehmen. Das Verfahren ist spruchreif.
Die Klägerin beanstandet die Ausführungen der Vorinstanz nicht, wonach vorliegende Streitsache nicht vermögensrechtlicher Natur sei und deshalb nach Massgabe der einschlägigen Gesetzesbestimmungen in den Zuständigkeitsbereich der Kollegialbehörde gehört (vgl. auch E. 4. hinten). Gemäss der Klägerin hätte es die Vorinstanz aber nicht bei einem Nichteintreten auf die Klage bewen- den lassen dürfen, sondern sie hätte die Streitsache an die Kollegialbehörde ihres Gerichts überweisen müssen.
Die schweizerische ZPO kennt anders als einst die kantonale ZPO/ZH - das Institut der Prozessüberweisung im Fall fehlender Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht. Tritt ein Gericht auf eine Klage nicht ein, weil es zu deren Behandlung unzuständig ist, hat es im Grundsatz mit dem Nichteintretensentscheid sein Bewenden. Danach ist es Sache der klagenden Partei, die ihr notwendig erscheinenden weiteren Schritte vorzunehmen (vgl. Art. 63 ZPO).
Die Klägerin weist nun unter Hinweis auf die Klagebewilligung darauf hin, dass die zuständige Friedensrichterin für die Beurteilung der Klage das Bezirksgericht als Einzelgericht im Sinne des § 24 GOG für sachlich zuständig erachtete (vgl. act. 1
S. 1). Die Klägerin macht geltend, es könne ihr aus der irrtümlichen Einschätzung der Friedensrichterin kein Nachteil erwachsen. Habe sie im Vertrauen auf eine falsche Bezeichnung den sachlich unzuständigen Spruchkörper innerhalb des zuständigen Gerichts angerufen, dann sei es an diesem Gericht die Sache von Amtes wegen dem zuständigen Spruchkörper zuzuweisen (act. 10).
Dieser Einwand trifft zu. Das angerufene Gericht hätte bei den gegebenen Umständen dafür sorgen sollen, dass die Klage an den zuständigen Spruchkörper überwiesen wird. Keine Binnenüberweisung erfolgt dann, falls eine Eingabe bewusst an die falsche Instanz gerichtet wird, wobei fraglich erscheint, ob überhaupt eine eigentliche Prozessüberweisung vorliegt, wenn die Zuweisung an den zuständigen Spruchkörper innerhalb des gleichen Gerichts erfolgt (verneinend ZK ZPO-Sutter-Somm/Hedinger, 3. Aufl. 2016, Art. 63 N 8). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Wohl hat die Klägerin die Klage (unter Einreichung der Klagebewilligung) direkt an die betreffende Einzelrichterin gerichtet. Die Geschäftskontrolle des Bezirksgerichts teilte den Fall im Folgenden dann auch der betreffenden Einzelrichterin zu; der Grund dafür ist der Kammer nicht bekannt. Es ist indes davon auszugehen, dass die Klägerin mit der Adressierung an die betreffende Einzelrichterin nicht dartun wollte, dass sie für die Beurteilung ihrer Klage das Bezirksgericht als Einzelgericht im Sinne des § 19 GOG in Verbindung mit § 24 GOG als zuständig erachtete, sondern sie nahm die ihr ausgestellte, auf das Bezirksgericht (Einzelgericht) lautende Klagebewilligung zum Anlass, die Klage an die ihr bekannte Einzelrichterin zu richten (vgl. act. 1 und act. 2). Die Klägerin führte dazu aus, dass die Friedensrichterin auf die Klagebewilligung geschrieben habe,
dass das Einzelgericht zuständig sei, weshalb sie die Klage an Frau C. geschickt habe. Sie habe gewusst, dass sie als Einzelrichterin tätig sei (act. 10 S. 2).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Friedensrichterin nicht anzuweisen, eine korrigierte Klagebewilligung auszustellen, fehlt es doch hierzu an einem Rechtsschutzinteresse. Aus dem gleichen Grund ist auch nicht die Verfügung vom 2. März 2021, wie beantragt, für nichtig zu erklären (act. 10).
Es stellt sich dem Gericht immer wieder die Frage, ob ein Streit vermögensrechtlicher nicht vermögensrechtlicher Natur ist. Die Abgrenzung ist zuweilen nicht einfach. Nach unbestrittener Dogmatik und Rechtsprechung ist ein Streit dann vermögensrechtlich, wenn der Rechtsgrund des Anspruchs letzten Endes im Vermögensrecht ruht, mit der Klage also letztlich und überwiegend ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird (vgl. BGer 5A_459/2014 vom 29. Juli 2014 E. 4.1.; O- GerZH LF130075 vom 24. Feb. 2014; OGerZH NP150002 vom 27. April 2017).
Weist ein Streit vermögensrechtliche wie auch nicht vermögensrechtliche Aspekte auf, ist darauf abzustellen, ob das geldwerte das ideelle Interesse der klagenden Partei überwiegt (statt vieler: Staehelin/Staehelin/Grolimund, Zivilprozessrecht, 3. Auflage, S. 232 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Als vermögensrechtlich ist ein Streit schon dann einzustufen, wenn der Entscheid unmittelbar finanzielle Auswirkungen zeitigt, auch wenn der Anspruch nicht in Geld ausgedrückt werden kann (BSK BGG, 3. Auflage, Art. 51 N 12). Umgekehrt gelten Ansprüche als nicht vermögensrechtlich, die ihrer Natur nach nicht in Geld ausgedrückt werden können, weil das im Streit liegende Recht nicht dem Vermögen der klagenden Partei zuzurechnen ist zu diesem keinen engen rechtlichen Bezug hat.
Bei der vorliegenden Klage handelt es sich, soweit es um die im Vordergrund stehende Verletzung der Persönlichkeit durch das Erstellen von Aufnahmen bzw. Filmen der Klägerin geht, um eine solche nicht vermögensrechtlicher Natur. Die Friedensrichterin sah möglicherweise die mit der Klage verlangte Genugtuungssumme von Fr. 1'000.-als für die Beurteilung der Frage im Vordergrund. Klagen wegen Verletzung der Persönlichkeit sind indessen nach ständiger Rechtsprechung nicht vermögensrechtlicher Natur, wenn und soweit die Unterlassungs-,
Beseitigungs- und Feststellungsbegehren selbständige Bedeutung haben und nicht bloss als Motiv für die Schadenersatz- und Genugtuungsbegehren (BGer 5A_459/2014 vom 29. Juli 2014, E. 4.1.). Vorliegend kommen den Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren selbständige und vornehmliche Bedeutung zu, und das vermögensrechtliche Rechtsbegehren tritt in den Hintergrund. Dazu passt, dass die Klägerin ihre ursprünglichen Rechtsbegehren gemäss Schlichtungsgesuch in der Klagebegründung erweiterte um das vermögensrechtliche Begehren auf Bezahlung einer Geldsumme (act. 2 S. 1). Der Schluss des Bezirksgerichts, die vorliegende Klage sei nicht vermögensrechtlicher Natur, ist nicht zu beanstan- den. Dies führt zur Zuständigkeit des Kollegialgerichtes, weshalb das Bezirksgericht zu Recht einen Nichteintretensentscheid fällte (vgl. Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Antrag auf Überweisung der Klage an die Kollegialbehörde im Sinne von § 19 GOG gutzuheissen ist. Der Prozess ist entsprechend an das Bezirksgericht Zürich zu überweisen. Im Übrigen sind die Anträge der Klägerin abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist und soweit sie nicht gegenstandslos geworden sind.
Obwohl die Klägerin lediglich mit ihrem Antrag (Ziffer 6) auf Überweisung an den zuständigen Spruchkörper des angerufenen Gerichts obsiegt und im Übrigen mit ihrer Berufung unterliegt, soweit auf diese überhaupt einzutreten ist, sind ihr umständehalber für das Berufungsverfahren keine Kosten aufzuerlegen. Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen. Der Klägerin nicht, da sie weitgehend unterliegt, dem Beklagten nicht, da er sich mit dem angefochtenen Entscheid nicht identifizierte.
Es wird erkannt:
In teilweiser Gutheissung der Berufung und in Aufhebung von Dispositivziffer 2 der Verfügung des Bezirksgerichts, Einzelgericht, vom 2. März 2021 (Kos-
ten erstinstanzliches Verfahren), wird der Prozess an das Bezirksgericht Zürich überwiesen zwecks Zuteilung des Prozesses an die Kollegialbehörde.
Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird, und die Verfügung des Bezirksgerichts, Einzelgericht, vom 2. März 2021, bestätigt.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz.
Es wird nach keiner Seite eine Umtriebsentschädigung zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, sowie an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein.
Nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Vorsitzende:
lic. iur. E. Lichti Aschwanden
Der Gerichtsschreiber:
MLaw R. Jenny
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