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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils LF210062: Obergericht des Kantons Zürich

Die A. AG, eine Firma, wurde aufgefordert, Organisationsmängel zu beheben, aber sie hat dies nicht getan. Das Handelsregisteramt hat die Angelegenheit an das Einzelgericht überwiesen, welches die Liquidation der Firma angeordnet hat. Die Gerichtskosten wurden auf Fr. 1'000.00 festgesetzt. Die Berufungsklägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, aber die Vollmachten des Rechtsanwalts wurden als unzureichend angesehen. Die Berufung wurde abgewiesen, die Entscheidgebühr beträgt Fr. 400.00, und die Kosten wurden dem Rechtsanwalt auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts LF210062

Kanton:ZH
Fallnummer:LF210062
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LF210062 vom 06.10.2021 (ZH)
Datum:06.10.2021
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Organisationsmangel
Schlagwörter : Berufung; Berufungsklägerin; Recht; Handelsregister; Organ; Rechtsanwalt; Handelsregisteramt; Organisation; Gericht; Vollmacht; Generalversammlung; Verwaltung; Vorinstanz; Organisationsmangel; Verwaltungsrat; Frist; Streitwert; Urteil; Verfahren; Gesellschaft; Organisationsmängel; Entscheid; Berufungsverfahren; Kantons; Vertretung; Auskunft; Massnahme; Revision
Rechtsnorm:Art. 108 ZPO ;Art. 132 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 68 ZPO ;Art. 699 OR ;Art. 718 OR ;Art. 727a OR ;Art. 731b OR ;Art. 9 BV ;Art. 90 BGG ;Art. 939 OR ;
Referenz BGE:138 III 294; 138 III 625;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts LF210062

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LF210062-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichterin lic. iur. A. Strähl sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. K. Würsch

Urteil vom 6. Oktober 2021

in Sachen

A. AG,

Antragstellerin und Berufungsklägerin,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,

betreffend Organisationsmangel

Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Zürich vom 6. August 2021 (EO210140)

Erwägungen:

1.

    1. Die A. AG, Antragsgegnerin und Berufungsklägerin (nachfolgend Berufungsklägerin), ist seit dem tt.mm.2010 im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Sie bezweckt im Wesentlichen den direkten indirekten, mehroder minderheitlichen Erwerb, die dauernde Verwaltung und die Veräusserung von Beteiligungen an in- und ausländischen Unternehmungen aller Art (act. 15).

    2. Nachdem B. und C. ihre Löschung als Verwaltungsräte der Berufungsklägerin beim Handelsregisteramt des Kantons Zürich (nachfolgend Han- delsregisteramt) angemeldet und dieses die entsprechende Eintragung im Register vorgenommen hatte, gelangte das Handelsregisteramt mit Schreiben vom

      1. März 2021 an die Berufungsklägerin. Es wies die Berufungsklägerin auf Art. 718 Abs. 3 und 4 OR hin, wonach die Gesellschaft durch eine Person mit

        Wohnsitz in der Schweiz vertreten und mindestens ein Mitglied des Verwaltungsrates zur Vertretung befugt sein müsse. Das Handelsregisteramt forderte die Berufungsklägerin auf, den bestehenden Organisationsmangel zu beheben und den gesetzmässigen Zustand innert 30 Tagen durch entsprechende Anmeldung wie- derherzustellen. Das Schreiben wurde von der Post retourniert mit dem Vermerk nicht abgeholt (act. 2/2). In der Folge meldete auch die Revisionsstelle D. AG ihre Löschung beim Handelsregisteramt an, welches die entsprechende Registereintragung vornahm. Mit Schreiben vom 23. März 2021 wies das Handelsregisteramt die Berufungsklägerin darauf hin, dass sie auch über eine im Han- delsregister eingetragene und durch die Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde zugelassenen Revisionsstelle verfügen müsse, aber der Verzicht auf die eingeschränkte Revision im Sinne von Art. 727a Abs. 2 OR im Handelsregister eingetragen sein müsse. Das Handelsregisteramt forderte die Berufungsklägerin auf, die bestehenden Organisationsmängel innert 30 Tagen zu beheben. Auch dieses Schreiben des Handelsregisteramtes wurde von der Post retourniert mit dem Vermerk nicht abgeholt (act. 2/3). Mit Zuschrift vom 23. März 2021 gelangte Rechtsanwalt Dr. iur. X. , unter Verweis auf eine vom (zwischenzeitlich zurückgetretenen) Verwaltungsrat unterzeichnete Vollmacht, an das Handelsregisteramt und ersuchte um eine Fristerstreckung bis zum 30. April 2021, damit ei- ne Generalversammlung zur Beseitigung des Organisationsmangels durchgeführt werden könne (act. 2/4). Das Handelsregisteramt gab dem Fristerstreckungsgesuch bis zum 30. April 2021 statt (act. 2/5). Der Organisationsmangel wurde von der Berufungsklägerin nicht behoben. In der Folge überwies das Handelsregisteramt des Kantons Zürich die Angelegenheit mit Schreiben vom 30. Juni 2021 (Datum Poststempel: 1. Juli 2021) in Anwendung von Art. 939 Abs. 2 OR sowie

        Art. 153 Abs. 3 HRegV dem Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Zürich (fortan Vorinstanz; act. 1).

    3. Mit Verfügung vom 2. Juli 2021 setzte die Vorinstanz der Berufungsklägerin Frist an, um den rechtmässigen Zustand wiederherzustellen (act. 3, insb. Dispositiv-Ziffern 3-4). Der Berufungsklägerin konnte die entsprechende Verfügung mittels Gerichtsurkunde an die Domiziladresse nicht zugestellt werden (Empfänger konnte unter der angegebenen Adresse nicht ermittelt werden). Daraufhin sandte die Vorinstanz die Verfügung mit Kurzbrief an Rechtsanwalt Dr. iur. X. , mit dem Ersuchen, falls er die Berufungsklägerin im Verfahren vertrete, eine entsprechende Vollmacht zuzustellen (act. 4-5). Rechtsanwalt Dr. iur. X. nahm den Kurzbrief am 12. Juli 2021 entgegen (act. 6). Nachdem der Vorinstanz keine Vollmacht eingereicht und keine Behebung des Organisationsmangels zur Kennt- nis gebracht worden war, ordnete sie mit Urteil vom 6. August 2021 die Auflösung und Liquidation der Berufungsklägerin nach den Vorschriften über den Konkurs an und beauftragte das Konkursamt Riesbach-Zürich mit dem Vollzug. Die Gerichtskosten setzte sie auf Fr. 1'000.00 fest und auferlegte sie der Berufungsklägerin. Das Urteil wurde Rechtsanwalt Dr. iur. X. zuhanden der Berufungsklägerin zugestellt. Dieser nahm es am 9. August 2021 in Empfang (act. 7 =

act. 10 S. 3 und act. 8).

2.

    1. Mit Eingabe vom 19. August 2021 (Datum Poststempel) erhob Rechtsanwalt Dr. iur. X. im Namen der Berufungsklägerin eine Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil vom 6. August 2021. Er stellt die folgenden Rechtsmittelanträge (act. 11 S. 2):

      1. Es sei das Urteil vom 6. August 2021 des Bezirksgerichtes Zürich mit der Geschäftsnummer EO210140 umfassend aufzuheben;

        1. es sei der Berufungsklägerin eine angemessene Frist von

          40 Tagen einzuräumen, um ihre Organmängel zu beseitigen;

        2. eventualiter sei vom angerufenen Gericht selbst zu einer Generalversammlung der Berufungsklägerin einzuladen;

        3. eventualiter sei das Urteil vom 6. August 2021 des Bezirksgerichtes zu kassieren und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen;

        4. unter Kosten und Entschädigung zulasten der Staatskasse.

    2. Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 1-8). Der Rechtsmitteleingang wurde angezeigt (act. 16). Die Sache ist spruchreif.

3.

    1. Gegen erstinstanzliche Endentscheide im summarischen Verfahren ist die Berufung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens Fr. 10'000.00 beträgt (Art. 308 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 ZPO).

    2. Beim Begehren um Organisationsmängelbehebung handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit (OGerZH LF200049 vom 11. Dezember 2020,

      E. IV/2. mit Verweis auf LF110011 vom 14. Februar 2011, E. 3.2). Weil in einem Organisationsmängelverfahren in jedem Fall aufgrund der geltenden Offizialmaxime unabhängig von den konkreten Parteianträgen - die Auflösung der mit dem Organisationsmangel behafteten juristischen Person droht, ist der Streitwert im Grundsatz stets nach Massgabe des Gesamtwerts der betroffenen Gesellschaft zu berechnen (vgl. OGerZH LF110011 vom 14. Februar 2011, ZR 110/2011 Nr. 30, E. 3.3.1; DIKE Komm ZPO-DIGGELMANN, 2. Aufl. 2016, Art. 91

      N 54; SCHÖNBÄCHLER, Die Organisationsklage nach Art. 731b OR, 2013,

      S. 412 ff.). Der konkrete Streitwert in einem Organisationsmängelverfahren ist pauschalisiert zu bestimmen, nämlich nach dem jeweils höchsten (bekannten) Wert aus den drei relevanten Kenngrössen von (i) nominellem Grundkapital, (ii) tatsächlichem Jahresumsatz und (iii) tatsächlich vorhandenen Aktiva (OGerZH LF200049 vom 11. Dezember 2020, E. IV./4.). In Bezug auf die Berufungsklägerin ist hier einzig das nominelle Grundkapital (Aktienkapital) bekannt. Dieses beläuft sich gemäss Auszug aus dem Handelsregister des Kantons Zürich auf

      Fr. 668'507.06 (act. 15). Damit ist der für eine Berufung gegen den vorinstanzlichen Entscheid erforderliche Streitwert ohne Weiteres gegeben.

    3. Gemäss Art. 310 ZPO kann mit der Berufung (a) die unrichtige Rechtsanwendung und (b) die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden. Die Berufung ist innerhalb der Rechtsmittelfrist schriftlich, begründet und mit Rechtsmittelanträgen versehen einzureichen (Art. 311 ZPO). Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Berufungsverfahren nur dann noch zu berücksichtigen, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz hatten vorgebracht werden können (Art. 317 Abs. 1 ZPO; vgl. dazu BGE 138 III 625). In prozessualer Hinsicht hat eine Partei, welche neue Tatsachen und/oder Beweismittel im Berufungsverfahren einführen will, der Rechtsmittelinstanz jeweils darzulegen, dass dies ohne Verzug erfolgt ist und weshalb es ihr trotz zumutbarer Sorgfalt nicht möglich gewesen war, die Tatsache und/oder das Beweismittel bereits vor erster Instanz vorzubringen (vgl. etwa ZK ZPO-REETZ/HILBER, 3. Aufl. 2016, Art. 317 N 49; siehe auch OGerZH LB110049

vom 5. März 2012, E.II.1.1 und E. II.1.2). Fehlt es an dergleichen Darlegungen, erweist sich die Berufung in Bezug auf die darin vorgetragenen Noven als unbegründet und bleiben diese insofern unbeachtlich.

4.

    1. Rechtsanwalt Dr. iur. X. reicht drei Vollmachten ins Recht und macht geltend, zumindest bei Betrachtung derselben in Kombination, zur Erhebung der Berufung im Namen der Berufungsklägerin gehörig bevollmächtigt zu sein. Insbesondere zu beachten sei die Vollmacht der E. Ltd., welche 40% der Aktien der Berufungsklägerin halte und welcher gemäss Art. 699 Abs. 3 und 4 OR das

      Recht zukomme, vom Verwaltungsrat die Einberufung der Generalversammlung zu verlangen resp. den Richter anzurufen, sofern der Verwaltungsrat dem Begehren nicht nachkomme. Rechtsanwalt Dr. iur. X. folgert daraus sinngemäss die Befugnis zur Antragsstellung im Berufungsverfahren, umso mehr als ansonsten vorliegend kein anderes Organ der Berufungsklägerin dazu in der Lage sei. Rechtsanwalt Dr. iur. X. bringt weiter vor, vom ehemaligen Verwaltungsrat B. zur Vertretung in einer ausserordentlichen Generalversammlung bevollmächtigt worden zu sein. Die Vollmacht müsse ausgelegt werden; B. habe in ihr den Wunsch des zurückgetreten Verwaltungsrates zum Ausdruck gebracht, dass er (Rechtsanwalt Dr. iur. X. ) sich um die Beseitigung des Organmangels kümmern solle. Die Vollmacht der Berufungsklägerin selbst sei auch in diesem Lichte zu sehen. Sie sei von der Grossaktionärin E. Ltd. unterzeichnet worden, welche wohl zurzeit als einzige etwas in Sachen Organisationsmangel bewegen könne (act. 11 S. 2 ff.).

    2. Gemäss Art. 68 Abs. 3 ZPO hat sich der Prozessvertreter durch eine Vollmacht auszuweisen. An die Spezifizierung einer Prozessvollmacht werden wegen ihrer Tragweite strenge Anforderungen gestellt; sie muss eine Vollmacht sein, die über den Willen des Auftraggebers, sich in einem bestimmten Prozessverfahren vertreten zu lassen, keinen Zweifel lässt (vgl. OGerZH PE190018 vom 2. August 2019, E. 2.1.2. m.w.H.). Diesen Anforderungen genügt die vom ehemaligen Verwaltungsrat der Berufungsklägerin, B. , unterzeichnete Vollmacht, welche zur Vertretung des Verwaltungsrates in der ausserordentlichen Generalversammlung ausgestellt wurde, nicht. Sie weist keinen sachlichen Bezug zum Organisationsmängelverfahren auf. Insbesondere ist mangels Datumsangabe nicht bekannt, wann und für welche Generalversammlung die Vollmacht erteilt wurde. Insofern ist der Gegenstand der Bevollmächtigung auch keiner Auslegung zugänglich. Gemäss Handelsregister kam B. zudem vor seinem Rücktritt als Verwaltungsrat keine Einzel-, sondern nur eine Kollektivunterschrift zu zweien zu. Ei- ne von ihm alleine erteilte Vollmacht würde nicht genügen (act. 13/1c). Die beiden anderen vorliegenden Vollmachten an Rechtsanwalt Dr. iur. X. wurden bei- de in Sachen Vertretung der A. AG im Konkursverfahren ausgestellt und von F. unterzeichnet. Einmal unterzeichnete Letzterer für die Berufungsklä-

gerin (act. 13/1a) und einmal für die E. SA (act. 13/1b). Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass F. selbst wenn die E. SA eine Grossaktionärin wäre und er für diese zeichnungsberechtigt wäre eine Vertretungsbefug- nis für die Berufungsklägerin zukäme. Die von einer (Gross-)Aktionärin der Berufungsklägerin an Rechtsanwalt Dr. iur. X. ausgestellte Vollmacht würde ihn allenfalls zur Rechtsmittelerhebung im Namen der Aktionärin ermächtigen. Ob ei- ner (Gross-)Aktionärin die Legitimation zur Berufungserhebung in eigenem Namen betreffend einen im Organisationsmangelverfahren nach Art. 939 OR gefällten Entscheid zukommt, muss vorliegend jedoch nicht weiter erörtert werden, wurde die Berufung vorliegend doch im Namen der Gesellschaft erhoben. Damit erübrigen sich auch Weiterungen zur von Rechtsanwalt Dr. iur. X. aus

Art. 699 Abs. 3 und 4 OR abgeleiteten Legitimation einer Aktionärin.

Nach dem Gesagten genügen die drei eingereichten Vollmachten (den hier geltenden Anforderungen) zur Vertretung der Berufungsklägerin im Berufungsverfahren nicht. Grundsätzlich sind Mängel wie eine fehlende Vollmacht innert einer gesetzlichen Nachfrist zu verbessern, andernfalls die Eingabe als nicht erfolgt gilt (Art. 132 Abs. 1 ZPO). Vorliegend kann jedoch auf die Ansetzung einer entsprechenden Nachfrist verzichtet werden: Einerseits verfügt die Berufungsklägerin gemäss Handelsregister über keine für sie zeichnungsberechtigte Person(en) und es wurde insbesondere in der Berufung nicht dargetan, dass dem nicht so wäre bzw. dieser Umstand behoben worden wäre. Andererseits erweist sich die Berufung bei inhaltlicher Prüfung sofort als offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet, was (vgl. nachfolgende Erwägungen) zu ihrer Abweisung führt, soweit auf sie eingetreten werden kann.

5.

    1. In der Sache führt Rechtsanwalt Dr. iur. X. im Wesentlichen aus, die zur Bestellung eines Verwaltungsrates und einer Revisionsstelle am 19. Mai 2021 durchgeführte Generalversammlung sei von Minderheitsaktionären massiv gestört worden und habe ohne Zustandekommen einer Wahl abgebrochen werden müssen (act. 11 S. 6). F. (Präsident der E. Ltd.) habe daraufhin umgehend das Handelsregisteramt kontaktiert, welches ihm telefonisch glaubhaft zugesichert habe, es werde den Richter informieren, dass eine Generalversammlung einberufen werden solle. F. bzw. die E. Ltd. habe auf diese Aussage vertraut und auf die Einladung zur Generalversammlung gewartet. Rechtsanwalt Dr. iur. X. macht unter Bezugnahme auf Art. 9 BV geltend, dass sich die Aktionärin auf die falsche behördliche Auskunft habe verlassen dürfen und diese bindend sei. Sie habe sich an die zuständige Stelle gewandt, das Handelsregisteramt habe eine Zusicherung abgegeben und es habe kein Grund bestan- den, an der Auskunft zu zweifeln. Auch sei ein Passivbleiben des Handelsregisteramtes nicht erkennbar gewesen. Die Vorinstanz hätte berücksichtigen müssen, dass aus der falschen Auskunft keine Nachteile entstehen dürften, und sie hätte statt der Anordnung der Liquidation eine neue Frist zur Beseitigung der Organisationsmängel ansetzen müssen. Die von der Vorinstanz getroffene Massnahme sei auch in Anbetracht der Sachlage nicht als verhältnismässig zu betrachten, da wesentlich mildere, zielgerichtetere und bessere Massnahmen, wie die Ernennung der Organe durch das Gericht zumindest die Einberufung einer Generalversammlung durch öffentliche Ankündigung, zur Verfügung gestanden hätten

      (act. 11 S. 7 und 9 ff.).

      Im vorinstanzlichen Verfahren äusserte sich niemand für die Berufungsklägerin, auch Rechtsanwalt Dr. iur. X. nicht, welcher vom Verfahren und der vorinstanzlichen Fristansetzung Kenntnis hatte (act. 5-6). Die Vorbringen (zur durchgeführten Generalversammlung, zur behördlichen Auskunft, zum Antrag auf Er- nennung der Organe der Einberufung einer Generalversammlung durch öffentliche Ankündigung durch das Gericht) und die eingereichten Belege im Berufungsverfahren sind damit allesamt neu. Dass es trotz zumutbarer Sorgfalt nicht möglich gewesen wäre, die Tatsachenbehauptungen und Belege bereits vor Vorinstanz vorzubringen, wird nicht geltend gemacht. Sie stellen daher im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigende Noven dar (Art. 317 Abs. 1 ZPO; vgl. oben Erw. 3.). Der Vollständigkeit halber ist dennoch das Nachfolgende anzufügen:

    2. Die behauptete Auskunft des Handelsregisteramtes wenn dieses eine solche erteilt hätte war der Vorinstanz mangels entsprechender Vorbringen nicht

bekannt. Das Handelsregisteramt ist zwar gemäss den seit 1. Januar 2021 neu in Kraft getretenen Bestimmungen des Obligationenrechts nicht (mehr) aktivlegitimiert, ein Gesuch um Behebung von Organisationsmängeln einzureichen resp. die Ergreifung von Massnahmen durch das Gericht zu beantragen (vgl. DO- MENIG/GÜR, Organisationsmangelverfahren nach Art. 731b und Art. 939 OR, in: AJP 2021, S. 168 ff, S. 171). Es stellt nur noch Mängel in der vorgeschriebenen Organisation von Gesellschaften fest und überweist bei ausgebliebener Mangelbehebung innert Frist die Angelegenheit an das Gericht (Art. 939 Abs. 2 OR, erster Satz). Auch wenn das Handelsregisteramt im gerichtlichen Verfahren keine Anträge mehr stellt und nicht mehr Partei ist, unterstützt es das Gericht bei der Sachverhaltsermittlung, indem es etwa die erforderlichen Akten an das Gericht überweist und seine Feststellungen mitteilt (Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts [Handelsregisterrecht], BBl 2015 S. 3617 ff., 3650), worunter eine von der Gesellschaft erhaltene Information fallen würde, dass diese nicht mehr in der Lage ist, eine Generalversammlung einzuberufen und dies vom Gericht verlangt. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich jedoch zum einen nicht, dass dem Han- delsregisteramt eine solche Information vorlag; dem Gericht teilte es solches nicht mit. Zum anderen stellte die Vorinstanz Rechtsanwalt Dr. iur. X. die Verfügung vom 2. Juli 2021 zu, womit ihm bekannt war, dass das Handelsregisteramt kein Gesuch um Einberufung der Generalversammlung gestellt weitergeleitet, sondern (nur) eine Überweisung der Sache an das Gericht vorgenommen hatte und dass dieses die Fristansetzung zur Mangelbehebung mit der Androhung der Auflösung und Liquidation der Berufungsbeklagten nach den Konkursregeln im Säumnisfall verband (act. 3 und act. 5). Auch wenn die Auskunft somit im behaupteten Sinn gegeben worden wäre, hätte darauf nach dem Gesagten nicht vertraut werden dürfen. Was die Rüge hinsichtlich der konkret angeordneten Massnahme (Liquidation der Berufungsklägerin nach den Konkursvorschriften) anbelangt, so ist festzuhalten, dass dem Gericht bei der Anordnung der erforderlichen Massnahmen ein Ermessensspielraum zukommt, wobei ein Stufenverhältnis bzw. das Verhältnismässigkeitsprinzip gilt. Es trifft zu, dass die Auflösung der Gesellschaft ultima ratio darstellt, also letztmögliches Mittel, das zur Anwendung gelangt, wenn mildere Mittel nicht sachgerecht bzw. nicht zielführend sind, was etwa

der Fall ist, wenn Verfügungen nicht zustellbar sind wenn sich die Gesellschaft in keiner Art und Weise vernehmen lässt (BGer 4A_439/ 2020 vom

5. Oktober 2020 E. 4.2. mit Verweis auf BGE 138 III 294 E. 3.1.4; BGer 4A_354/2013 vom 16. Dezember 2013 E. 2.3. m.w.H.; vgl. auch VON DER CRONE, Aktienrecht, 2. Aufl. 2020, § 20 N 1812). Letztere Situation präsentierte sich der Vorinstanz, weshalb die gewählte (vorgängig angedrohte) Massnahme nicht zu beanstanden ist.

6.

    1. Beim nicht streitigen Organisationsmangelverfahren, das vom Handelsregisteramt gestützt auf Art. 939 OR an das Gericht überwiesen wird, handelt es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. dazu DOMENIG/GÜR, Organisationsmangelverfahren nach Art. 731b und Art. 939 OR, in: AJP 2021,

      S. 168 ff, S. 172). Dementsprechend ist die Entscheidgebühr für das vorliegende Berufungsverfahren im Rahmen von § 8 Abs. 4 GebV OG (Fr. 100.bis maximal Fr. 7'000.-) in Würdigung des Streitwerts, des Zeitaufwandes und der Schwierigkeit des Falles festzusetzen (§ 2 Abs. 1 lit. a, c und d sowie § 8 Abs. 4 i.V.m. § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG). Ausgehend von einem Streitwert in der Höhe von

      Fr. 668'507.06 (vgl. dazu die vorstehenden Erwägungen zum Streitwert in

      Erw. 3.2.) sowie unter Berücksichtigung des geringen Zeitaufwandes des Gerichtes und der eher geringen Schwierigkeit des Falles erscheint es vorliegend angemessen, die zweitinstanzliche Entscheidgebühr auf Fr. 400.00 festzusetzen.

    2. Es rechtfertigt sich, da Rechtsanwalt Dr. iur. X. die Berufung ohne hinreichende Vollmacht im Namen der Berufungsklägerin erhoben hat, die Entscheidgebühr in Anwendung von Art. 108 ZPO ihm aufzuerlegen. Parteientschä- digungen sind keine zuzusprechen.

Es wird erkannt:
  1. Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 400.00 festgesetzt.

  3. Die Kosten werden Rechtsanwalt Dr. iur. X. auferlegt.

  4. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung an Rechtsanwalt Dr. iur. X. , an die Berufungsklägerin sowie an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 668'507.06.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. K. Würsch versandt am:

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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