Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF210062 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 06.10.2021 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Organisationsmangel |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Handelsregister; Handelsregisteramt; Organisation; Rechtsanwalt; Gericht; Vollmacht; Generalversammlung; Vorinstanz; Verwaltung; Stellt; Zürich; Organisationsmangel; Verwaltungsrat; Welche; August; Streitwert; Organisationsmängel; Verfahren; Gestellt; Urteil; Vorliegend; Gesellschaft; Berufungsverfahren; Entscheid; Entsprechende; Auskunft; Müsse |
Rechtsnorm: | Art. 108 ZPO ; Art. 132 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 68 ZPO ; Art. 699 OR ; Art. 718 OR ; Art. 727a OR ; Art. 731b OR ; Art. 9 BV ; Art. 90 BGG ; Art. 939 OR ; |
Referenz BGE: | 138 III 294; 138 III 625; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF210062-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichterin lic. iur. A. Strähl sowie Ge- richtsschreiberin lic. iur. K. Würsch
in Sachen
A. AG,
Antragstellerin und Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,
betreffend Organisationsmangel
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Zürich vom 6. August 2021 (EO210140)
1.
Die A. AG, Antragsgegnerin und Berufungsklägerin (nachfolgend Be- rufungsklägerin), ist seit dem tt.mm.2010 im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Sie bezweckt im Wesentlichen den direkten oder indirekten, mehr- oder minderheitlichen Erwerb, die dauernde Verwaltung und die Veräusserung von Beteiligungen an in- und ausländischen Unternehmungen aller Art (act. 15).
Nachdem B. und C. ihre Löschung als Verwaltungsräte der Be- rufungsklägerin beim Handelsregisteramt des Kantons Zürich (nachfolgend Han- delsregisteramt) angemeldet und dieses die entsprechende Eintragung im Regis- ter vorgenommen hatte, gelangte das Handelsregisteramt mit Schreiben vom
März 2021 an die Berufungsklägerin. Es wies die Berufungsklägerin auf Art. 718 Abs. 3 und 4 OR hin, wonach die Gesellschaft durch eine Person mit
Wohnsitz in der Schweiz vertreten und mindestens ein Mitglied des Verwaltungs- rates zur Vertretung befugt sein müsse. Das Handelsregisteramt forderte die Be- rufungsklägerin auf, den bestehenden Organisationsmangel zu beheben und den gesetzmässigen Zustand innert 30 Tagen durch entsprechende Anmeldung wie- derherzustellen. Das Schreiben wurde von der Post retourniert mit dem Vermerk nicht abgeholt (act. 2/2). In der Folge meldete auch die Revisionsstelle D. AG ihre Löschung beim Handelsregisteramt an, welches die entsprechende Re- gistereintragung vornahm. Mit Schreiben vom 23. März 2021 wies das Handels- registeramt die Berufungsklägerin darauf hin, dass sie auch über eine im Han- delsregister eingetragene und durch die Eidgenössische Revisionsaufsichtsbe- hörde zugelassenen Revisionsstelle verfügen müsse, oder aber der Verzicht auf die eingeschränkte Revision im Sinne von Art. 727a Abs. 2 OR im Handelsregis- ter eingetragen sein müsse. Das Handelsregisteramt forderte die Berufungskläge- rin auf, die bestehenden Organisationsmängel innert 30 Tagen zu beheben. Auch dieses Schreiben des Handelsregisteramtes wurde von der Post retourniert mit dem Vermerk nicht abgeholt (act. 2/3). Mit Zuschrift vom 23. März 2021 gelang- te Rechtsanwalt Dr. iur. X. , unter Verweis auf eine vom (zwischenzeitlich zurückgetretenen) Verwaltungsrat unterzeichnete Vollmacht, an das Handelsregisteramt und ersuchte um eine Fristerstreckung bis zum 30. April 2021, damit ei- ne Generalversammlung zur Beseitigung des Organisationsmangels durchgeführt werden könne (act. 2/4). Das Handelsregisteramt gab dem Fristerstreckungsge- such bis zum 30. April 2021 statt (act. 2/5). Der Organisationsmangel wurde von der Berufungsklägerin nicht behoben. In der Folge überwies das Handelsregister- amt des Kantons Zürich die Angelegenheit mit Schreiben vom 30. Juni 2021 (Da- tum Poststempel: 1. Juli 2021) in Anwendung von Art. 939 Abs. 2 OR sowie
Art. 153 Abs. 3 HRegV dem Einzelgericht im summarischen Verfahren des Be- zirksgerichtes Zürich (fortan Vorinstanz; act. 1).
Mit Verfügung vom 2. Juli 2021 setzte die Vorinstanz der Berufungsklägerin Frist an, um den rechtmässigen Zustand wiederherzustellen (act. 3, insb. Disposi- tiv-Ziffern 3-4). Der Berufungsklägerin konnte die entsprechende Verfügung mit- tels Gerichtsurkunde an die Domiziladresse nicht zugestellt werden (Empfänger konnte unter der angegebenen Adresse nicht ermittelt werden). Daraufhin sandte die Vorinstanz die Verfügung mit Kurzbrief an Rechtsanwalt Dr. iur. X. , mit dem Ersuchen, falls er die Berufungsklägerin im Verfahren vertrete, eine entspre- chende Vollmacht zuzustellen (act. 4-5). Rechtsanwalt Dr. iur. X. nahm den Kurzbrief am 12. Juli 2021 entgegen (act. 6). Nachdem der Vorinstanz keine Vollmacht eingereicht und keine Behebung des Organisationsmangels zur Kennt- nis gebracht worden war, ordnete sie mit Urteil vom 6. August 2021 die Auflösung und Liquidation der Berufungsklägerin nach den Vorschriften über den Konkurs an und beauftragte das Konkursamt Riesbach-Zürich mit dem Vollzug. Die Ge- richtskosten setzte sie auf Fr. 1'000.00 fest und auferlegte sie der Berufungsklä- gerin. Das Urteil wurde Rechtsanwalt Dr. iur. X. zuhanden der Berufungs- klägerin zugestellt. Dieser nahm es am 9. August 2021 in Empfang (act. 7 =
act. 10 S. 3 und act. 8).
2.
Mit Eingabe vom 19. August 2021 (Datum Poststempel) erhob Rechtsanwalt Dr. iur. X. im Namen der Berufungsklägerin eine Berufung gegen das vor- instanzliche Urteil vom 6. August 2021. Er stellt die folgenden Rechtsmittelanträge (act. 11 S. 2):
1. Es sei das Urteil vom 6. August 2021 des Bezirksgerichtes Zürich mit der Geschäftsnummer EO210140 umfassend aufzuheben;
es sei der Berufungsklägerin eine angemessene Frist von
40 Tagen einzuräumen, um ihre Organmängel zu beseitigen;
eventualiter sei vom angerufenen Gericht selbst zu einer Gene- ralversammlung der Berufungsklägerin einzuladen;
eventualiter sei das Urteil vom 6. August 2021 des Bezirksgerich- tes zu kassieren und die Sache zur Neubeurteilung an die Vor- instanz zurückzuweisen;
unter Kosten und Entschädigung zulasten der Staatskasse.
Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 1-8). Der Rechtsmitteleingang wurde angezeigt (act. 16). Die Sache ist spruchreif.
3.
Gegen erstinstanzliche Endentscheide im summarischen Verfahren ist die Berufung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens Fr. 10'000.00 beträgt (Art. 308 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 ZPO).
Beim Begehren um Organisationsmängelbehebung handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit (OGerZH LF200049 vom 11. Dezember 2020,
E. IV/2. mit Verweis auf LF110011 vom 14. Februar 2011, E. 3.2). Weil in einem Organisationsmängelverfahren in jedem Fall - aufgrund der geltenden Offizial- maxime unabhängig von den konkreten Parteianträgen - die Auflösung der mit dem Organisationsmangel behafteten juristischen Person droht, ist der Streitwert im Grundsatz stets nach Massgabe des Gesamtwerts der betroffenen Gesell- schaft zu berechnen (vgl. OGerZH LF110011 vom 14. Februar 2011, ZR 110/2011 Nr. 30, E. 3.3.1; DIKE Komm ZPO-DIGGELMANN, 2. Aufl. 2016, Art. 91
N 54; SCHÖNBÄCHLER, Die Organisationsklage nach Art. 731b OR, 2013,
S. 412 ff.). Der konkrete Streitwert in einem Organisationsmängelverfahren ist pauschalisiert zu bestimmen, nämlich nach dem jeweils höchsten (bekannten) Wert aus den drei relevanten Kenngrössen von (i) nominellem Grundkapital, (ii) tatsächlichem Jahresumsatz und (iii) tatsächlich vorhandenen Aktiva (OGerZH LF200049 vom 11. Dezember 2020, E. IV./4.). In Bezug auf die Berufungsklägerin ist hier einzig das nominelle Grundkapital (Aktienkapital) bekannt. Dieses beläuft sich gemäss Auszug aus dem Handelsregister des Kantons Zürich auf
Fr. 668'507.06 (act. 15). Damit ist der für eine Berufung gegen den vorinstanzli- chen Entscheid erforderliche Streitwert ohne Weiteres gegeben.
Gemäss Art. 310 ZPO kann mit der Berufung (a) die unrichtige Rechtsan- wendung und (b) die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden. Die Berufung ist innerhalb der Rechtsmittelfrist schriftlich, begründet und mit Rechtsmittelanträgen versehen einzureichen (Art. 311 ZPO). Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Berufungsverfahren nur dann noch zu berücksichtigen, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz hatten vorgebracht werden können (Art. 317 Abs. 1 ZPO; vgl. dazu BGE 138 III 625). In prozessualer Hinsicht hat eine Partei, welche neue Tatsachen und/oder Beweismittel im Berufungsverfahren einführen will, der Rechtsmittelinstanz jeweils darzulegen, dass dies ohne Verzug erfolgt ist und weshalb es ihr trotz zumutbarer Sorgfalt nicht möglich gewesen war, die Tatsache und/oder das Beweismittel bereits vor erster Instanz vorzubringen (vgl. etwa ZK ZPO-REETZ/HILBER, 3. Aufl. 2016, Art. 317 N 49; siehe auch OGerZH LB110049
vom 5. März 2012, E.II.1.1 und E. II.1.2). Fehlt es an dergleichen Darlegungen, erweist sich die Berufung in Bezug auf die darin vorgetragenen Noven als unbe- gründet und bleiben diese insofern unbeachtlich.
4.
Rechtsanwalt Dr. iur. X. reicht drei Vollmachten ins Recht und macht geltend, zumindest bei Betrachtung derselben in Kombination, zur Erhebung der Berufung im Namen der Berufungsklägerin gehörig bevollmächtigt zu sein. Insbe- sondere zu beachten sei die Vollmacht der E. Ltd., welche 40% der Aktien der Berufungsklägerin halte und welcher gemäss Art. 699 Abs. 3 und 4 OR das
Recht zukomme, vom Verwaltungsrat die Einberufung der Generalversammlung zu verlangen resp. den Richter anzurufen, sofern der Verwaltungsrat dem Begeh- ren nicht nachkomme. Rechtsanwalt Dr. iur. X. folgert daraus sinngemäss die Befugnis zur Antragsstellung im Berufungsverfahren, umso mehr als ansons- ten vorliegend kein anderes Organ der Berufungsklägerin dazu in der Lage sei. Rechtsanwalt Dr. iur. X. bringt weiter vor, vom ehemaligen Verwaltungsrat B. zur Vertretung in einer ausserordentlichen Generalversammlung bevoll- mächtigt worden zu sein. Die Vollmacht müsse ausgelegt werden; B. habe in ihr den Wunsch des zurückgetreten Verwaltungsrates zum Ausdruck gebracht, dass er (Rechtsanwalt Dr. iur. X. ) sich um die Beseitigung des Organman- gels kümmern solle. Die Vollmacht der Berufungsklägerin selbst sei auch in die- sem Lichte zu sehen. Sie sei von der Grossaktionärin E. Ltd. unterzeichnet worden, welche wohl zurzeit als einzige etwas in Sachen Organisationsmangel bewegen könne (act. 11 S. 2 ff.).
Gemäss Art. 68 Abs. 3 ZPO hat sich der Prozessvertreter durch eine Voll- macht auszuweisen. An die Spezifizierung einer Prozessvollmacht werden wegen ihrer Tragweite strenge Anforderungen gestellt; sie muss eine Vollmacht sein, die über den Willen des Auftraggebers, sich in einem bestimmten Prozessverfahren vertreten zu lassen, keinen Zweifel lässt (vgl. OGerZH PE190018 vom 2. August 2019, E. 2.1.2. m.w.H.). Diesen Anforderungen genügt die vom ehemaligen Ver- waltungsrat der Berufungsklägerin, B. , unterzeichnete Vollmacht, welche zur Vertretung des Verwaltungsrates in der ausserordentlichen Generalversamm- lung ausgestellt wurde, nicht. Sie weist keinen sachlichen Bezug zum Organisa- tionsmängelverfahren auf. Insbesondere ist mangels Datumsangabe nicht be- kannt, wann und für welche Generalversammlung die Vollmacht erteilt wurde. In- sofern ist der Gegenstand der Bevollmächtigung auch keiner Auslegung zugäng- lich. Gemäss Handelsregister kam B. zudem vor seinem Rücktritt als Ver- waltungsrat keine Einzel-, sondern nur eine Kollektivunterschrift zu zweien zu. Ei- ne von ihm alleine erteilte Vollmacht würde nicht genügen (act. 13/1c). Die beiden anderen vorliegenden Vollmachten an Rechtsanwalt Dr. iur. X. wurden bei- de in Sachen Vertretung der A. AG im Konkursverfahren ausgestellt und von F. unterzeichnet. Einmal unterzeichnete Letzterer für die Berufungsklä-
gerin (act. 13/1a) und einmal für die E. SA (act. 13/1b). Es ist weder darge- tan noch ersichtlich, dass F. - selbst wenn die E. SA eine Grossakti- onärin wäre und er für diese zeichnungsberechtigt wäre - eine Vertretungsbefug- nis für die Berufungsklägerin zukäme. Die von einer (Gross-)Aktionärin der Beru- fungsklägerin an Rechtsanwalt Dr. iur. X. ausgestellte Vollmacht würde ihn allenfalls zur Rechtsmittelerhebung im Namen der Aktionärin ermächtigen. Ob ei- ner (Gross-)Aktionärin die Legitimation zur Berufungserhebung in eigenem Na- men betreffend einen im Organisationsmangelverfahren nach Art. 939 OR gefäll- ten Entscheid zukommt, muss vorliegend jedoch nicht weiter erörtert werden, wurde die Berufung vorliegend doch im Namen der Gesellschaft erhoben. Damit erübrigen sich auch Weiterungen zur von Rechtsanwalt Dr. iur. X. aus
Art. 699 Abs. 3 und 4 OR abgeleiteten Legitimation einer Aktionärin.
Nach dem Gesagten genügen die drei eingereichten Vollmachten (den hier gel- tenden Anforderungen) zur Vertretung der Berufungsklägerin im Berufungsverfah- ren nicht. Grundsätzlich sind Mängel wie eine fehlende Vollmacht innert einer ge- setzlichen Nachfrist zu verbessern, andernfalls die Eingabe als nicht erfolgt gilt (Art. 132 Abs. 1 ZPO). Vorliegend kann jedoch auf die Ansetzung einer entspre- chenden Nachfrist verzichtet werden: Einerseits verfügt die Berufungsklägerin gemäss Handelsregister über keine für sie zeichnungsberechtigte Person(en) und es wurde insbesondere in der Berufung nicht dargetan, dass dem nicht so wäre bzw. dieser Umstand behoben worden wäre. Andererseits erweist sich die Beru- fung bei inhaltlicher Prüfung sofort als offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet, was (vgl. nachfolgende Erwägungen) zu ihrer Abweisung führt, soweit auf sie ein- getreten werden kann.
5.
In der Sache führt Rechtsanwalt Dr. iur. X. im Wesentlichen aus, die zur Bestellung eines Verwaltungsrates und einer Revisionsstelle am 19. Mai 2021 durchgeführte Generalversammlung sei von Minderheitsaktionären massiv gestört worden und habe ohne Zustandekommen einer Wahl abgebrochen werden müs- sen (act. 11 S. 6). F. (Präsident der E. Ltd.) habe daraufhin umge- hend das Handelsregisteramt kontaktiert, welches ihm telefonisch glaubhaft zugesichert habe, es werde den Richter informieren, dass eine Generalversamm- lung einberufen werden solle. F. bzw. die E. Ltd. habe auf diese Aus- sage vertraut und auf die Einladung zur Generalversammlung gewartet. Rechts- anwalt Dr. iur. X. macht unter Bezugnahme auf Art. 9 BV geltend, dass sich die Aktionärin auf die falsche behördliche Auskunft habe verlassen dürfen und diese bindend sei. Sie habe sich an die zuständige Stelle gewandt, das Handels- registeramt habe eine Zusicherung abgegeben und es habe kein Grund bestan- den, an der Auskunft zu zweifeln. Auch sei ein Passivbleiben des Handelsregis- teramtes nicht erkennbar gewesen. Die Vorinstanz hätte berücksichtigen müssen, dass aus der falschen Auskunft keine Nachteile entstehen dürften, und sie hätte statt der Anordnung der Liquidation eine neue Frist zur Beseitigung der Organisa- tionsmängel ansetzen müssen. Die von der Vorinstanz getroffene Massnahme sei auch in Anbetracht der Sachlage nicht als verhältnismässig zu betrachten, da we- sentlich mildere, zielgerichtetere und bessere Massnahmen, wie die Ernennung der Organe durch das Gericht oder zumindest die Einberufung einer Generalver- sammlung durch öffentliche Ankündigung, zur Verfügung gestanden hätten
(act. 11 S. 7 und 9 ff.).
Im vorinstanzlichen Verfahren äusserte sich niemand für die Berufungsklägerin, auch Rechtsanwalt Dr. iur. X. nicht, welcher vom Verfahren und der vor- instanzlichen Fristansetzung Kenntnis hatte (act. 5-6). Die Vorbringen (zur durch- geführten Generalversammlung, zur behördlichen Auskunft, zum Antrag auf Er- nennung der Organe oder der Einberufung einer Generalversammlung durch öf- fentliche Ankündigung durch das Gericht) und die eingereichten Belege im Beru- fungsverfahren sind damit allesamt neu. Dass es trotz zumutbarer Sorgfalt nicht möglich gewesen wäre, die Tatsachenbehauptungen und Belege bereits vor Vo- rinstanz vorzubringen, wird nicht geltend gemacht. Sie stellen daher im Beru- fungsverfahren nicht zu berücksichtigende Noven dar (Art. 317 Abs. 1 ZPO; vgl. oben Erw. 3.). Der Vollständigkeit halber ist dennoch das Nachfolgende anzufü- gen:
Die behauptete Auskunft des Handelsregisteramtes - wenn dieses eine sol- che erteilt hätte - war der Vorinstanz mangels entsprechender Vorbringen nicht
bekannt. Das Handelsregisteramt ist zwar gemäss den seit 1. Januar 2021 neu in Kraft getretenen Bestimmungen des Obligationenrechts nicht (mehr) aktivlegiti- miert, ein Gesuch um Behebung von Organisationsmängeln einzureichen resp. die Ergreifung von Massnahmen durch das Gericht zu beantragen (vgl. DO- MENIG/GÜR, Organisationsmangelverfahren nach Art. 731b und Art. 939 OR, in: AJP 2021, S. 168 ff, S. 171). Es stellt nur noch Mängel in der vorgeschriebenen Organisation von Gesellschaften fest und überweist bei ausgebliebener Mangel- behebung innert Frist die Angelegenheit an das Gericht (Art. 939 Abs. 2 OR, ers- ter Satz). Auch wenn das Handelsregisteramt im gerichtlichen Verfahren keine Anträge mehr stellt und nicht mehr Partei ist, unterstützt es das Gericht bei der Sachverhaltsermittlung, indem es etwa die erforderlichen Akten an das Gericht überweist und seine Feststellungen mitteilt (Botschaft zur Änderung des Obligati- onenrechts [Handelsregisterrecht], BBl 2015 S. 3617 ff., 3650), worunter eine von der Gesellschaft erhaltene Information fallen würde, dass diese nicht mehr in der Lage ist, eine Generalversammlung einzuberufen und dies vom Gericht verlangt. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich jedoch zum einen nicht, dass dem Han- delsregisteramt eine solche Information vorlag; dem Gericht teilte es solches nicht mit. Zum anderen stellte die Vorinstanz Rechtsanwalt Dr. iur. X. die Verfü- gung vom 2. Juli 2021 zu, womit ihm bekannt war, dass das Handelsregisteramt kein Gesuch um Einberufung der Generalversammlung gestellt oder weitergelei- tet, sondern (nur) eine Überweisung der Sache an das Gericht vorgenommen hat- te und dass dieses die Fristansetzung zur Mangelbehebung mit der Androhung der Auflösung und Liquidation der Berufungsbeklagten nach den Konkursregeln im Säumnisfall verband (act. 3 und act. 5). Auch wenn die Auskunft somit im be- haupteten Sinn gegeben worden wäre, hätte darauf nach dem Gesagten nicht vertraut werden dürfen. Was die Rüge hinsichtlich der konkret angeordneten Massnahme (Liquidation der Berufungsklägerin nach den Konkursvorschriften) anbelangt, so ist festzuhalten, dass dem Gericht bei der Anordnung der erforderli- chen Massnahmen ein Ermessensspielraum zukommt, wobei ein Stufenverhältnis bzw. das Verhältnismässigkeitsprinzip gilt. Es trifft zu, dass die Auflösung der Ge- sellschaft ultima ratio darstellt, also letztmögliches Mittel, das zur Anwendung ge- langt, wenn mildere Mittel nicht sachgerecht bzw. nicht zielführend sind, was etwa
der Fall ist, wenn Verfügungen nicht zustellbar sind oder wenn sich die Gesell- schaft in keiner Art und Weise vernehmen lässt (BGer 4A_439/ 2020 vom
5. Oktober 2020 E. 4.2. mit Verweis auf BGE 138 III 294 E. 3.1.4; BGer 4A_354/2013 vom 16. Dezember 2013 E. 2.3. m.w.H.; vgl. auch VON DER CRONE, Aktienrecht, 2. Aufl. 2020, § 20 N 1812). Letztere Situation präsentierte sich der Vorinstanz, weshalb die gewählte (vorgängig angedrohte) Massnahme nicht zu beanstanden ist.
6.
Beim nicht streitigen Organisationsmangelverfahren, das vom Handelsregis- teramt gestützt auf Art. 939 OR an das Gericht überwiesen wird, handelt es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. dazu DOMENIG/GÜR, Organisationsmangelverfahren nach Art. 731b und Art. 939 OR, in: AJP 2021,
S. 168 ff, S. 172). Dementsprechend ist die Entscheidgebühr für das vorliegende Berufungsverfahren im Rahmen von § 8 Abs. 4 GebV OG (Fr. 100.- bis maximal Fr. 7'000.-) in Würdigung des Streitwerts, des Zeitaufwandes und der Schwierig- keit des Falles festzusetzen (§ 2 Abs. 1 lit. a, c und d sowie § 8 Abs. 4 i.V.m. § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG). Ausgehend von einem Streitwert in der Höhe von
Fr. 668'507.06 (vgl. dazu die vorstehenden Erwägungen zum Streitwert in
Erw. 3.2.) sowie unter Berücksichtigung des geringen Zeitaufwandes des Gerich- tes und der eher geringen Schwierigkeit des Falles erscheint es vorliegend ange- messen, die zweitinstanzliche Entscheidgebühr auf Fr. 400.00 festzusetzen.
Es rechtfertigt sich, da Rechtsanwalt Dr. iur. X. die Berufung ohne hin- reichende Vollmacht im Namen der Berufungsklägerin erhoben hat, die Ent- scheidgebühr in Anwendung von Art. 108 ZPO ihm aufzuerlegen. Parteientschä- digungen sind keine zuzusprechen.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 400.00 festgesetzt.
Die Kosten werden Rechtsanwalt Dr. iur. X. auferlegt.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an Rechtsanwalt Dr. iur. X. , an die Berufungs- klägerin sowie an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmit- telfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 668'507.06.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. K. Würsch versandt am:
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