Zusammenfassung des Urteils LF160059: Obergericht des Kantons Zürich
Es handelt sich um einen Fall vor dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, bei dem es um eine Räumungsklage und ein Verbot für die Beklagten geht, sich auf einem städtischen Grundstück niederzulassen. Die Berufungsklägerinnen, weiblich, haben das Urteil angefochten, da sie behaupten, nicht korrekt informiert worden zu sein. Das Gericht entscheidet, dass die Zustellung nicht korrekt war und die Urteile deshalb ungültig sind. Die Berufung wird gutgeheissen, die Kosten werden auf die Staatskasse genommen. Die Berufungsklägerinnen erhalten eine Entschädigung. Das Verfahren wird vereinigt und die Nichtigkeit des Urteils festgestellt. Die Gerichtsgebühr wird von der Klägerin bezogen und von den Beklagten ersetzt. Es wird festgehalten, dass die Berufungsklägerinnen keine der Kosten tragen müssen. Eine Beschwerde beim Bundesgericht ist möglich.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF160059 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 22.12.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Rechtsschutz in klaren Fällen |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Zustellung; Beklagte; Berufungsklägerinnen; Verfahren; Urteil; Winterthur; Beklagten; Recht; Entscheid; Verfügung; Bezirksgericht; Vorinstanz; Bezirksgerichtes; Obergericht; Entscheide; Polizei; Gericht; Stadt; Grundstück; Beklagter; Dispositiv; Ziffer; Geschäft; Publikation; Einzelgericht |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 136 ZPO ;Art. 138 ZPO ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 116 Ia 215; 122 I 97; 122 III 249; 127 II 32; 129 I 361; 137 I 273; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF160059-O/U, damit vereinigt LF160066
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden und Ersatzrichter lic. iur. H. Meister sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. I. Vourtsis-Müller.
in Sachen
A. ,
B. ,
Beklagte und Berufungsklägerinnen,
gegen
Stadt Winterthur,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Stadt Winterthur, Departement Finanzen, Rechtsanwältin lic.iur. X1. , diese vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X2. ,
betreffend
Rechtsschutz in klaren Fällen
Berufung gegen Verfügung und Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur vom 2. Oktober 2015 (ER150070)
1. Den Beklagten sei unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfalle zu befehlen, das städtische Grundstück Kat.-Nr. / am C. -Weg in Winterthur unverzüglich und vollständig zu räumen und
zu verlassen und die Parzelle der Klägerin in ordnungsgemässem Zustand
zurückzugeben.
Den Beklagten sei unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfalle zu verbieten, sich auf einem städtischen Grundstück ohne vorgängige Einwilligung der Stadt Winterthur niederzulassen und ihre Fahrzeuge und Einrichtungen abzustellen.
Der Vollzug der Zwangsvollstreckung sei dem Stadtammannamt Winterthur zu übertragen.
Alles unter Kostenfolgen zu Lasten der Beklagten.
1. Das Gesuch der Beklagten 1, 2, 6 und 7 um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
2.-3. (Mitteilungen, Rechtsmittel).
Die Beklagten werden verpflichtet, das Grundstück Kat.-Nr. / am
C. -Weg in Winterthur unverzüglich und vollständig zu räumen und zu verlassen und die Parzelle der Klägerin in ordnungsgemässem Zustand zurückzugeben, unter Androhung von Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall.
Den Beklagten wird verboten, sich auf einem Grundstück der Klägerin ohne vorgängige Bewilligung der Klägerin niederzulassen und ihre Fahrzeuge und Einrichtungen abzustellen.
Das Stadtammannamt Winterthurwird angewiesen, diesen Entscheid (nach Eintritt der Rechtskraft) auf erstes Verlangen der Klägerin, welches innert 60 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft zu stellen ist, zu vollstrecken, nötigenfalls unter Beizug der Polizei. Die Klägerin hat die Vollzugskosten vorzuschiessen, doch sind sie ihr von den Beklagten, unter solidarischer Haftung, zu ersetzen.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.wird von der Klägerin bezogen, ist ihr aber von den Beklagten, unter solidarischer Haftung, zu ersetzen.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 6.-7. (Mitteilungen, Rechtsmittel).
der Berufungsklägerin 1 (act. 20 sinngemäss):
Es sei hinsichtlich der Berufungsklägerin 1 (im vorinstanzlichen Verfahren Beklagte 15) die Nichtigkeit des Urteils des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur vom 2. Oktober 2015 zufolge unkorrekter Zustellung festzustellen, und es sei dieses Urteil aufzuheben.
Der Berufungsklägerin 1 sei eine Entschädigung von Fr. 300.zuzusprechen.
der Berufungsklägerin 2 (act. 27/20 sinngemäss):
Es sei hinsichtlich der Berufungsklägerin 2 (im vorinstanzlichen Verfahren Beklagte 14) die Nichtigkeit des Urteils des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur vom 2. Oktober 2015 zufolge unkorrekter Zustellung festzustellen, und es sei dieses Urteil aufzuheben.
Der Berufungsklägerin 2 sei eine Entschädigung von Fr. 250.zuzusprechen.
(Beklagter 1), E.
(Beklagte 2), F.
(Beklagter 3),
G. (Beklagte 4), H. (Beklagter 5), I. (Beklagte 6), J. (Beklagter 7), K. (Beklagte 8), L. (Beklagte 9), M. (Beklagter 10), N. (Beklagte 11), O. (Beklagter 12), P. (Beklagter
13), B.
(Beklagte 14 und Berufungsklägerin 2), A. (Beklagte 15
und Berufungsklägerin 1), Q.
(Beklagte 16), R.
(Beklagte 17),
S.
(Beklagte 18), T.
(Beklagter 19), U. (Beklagte 20) und
V.
(Beklagte 21) liessen sich nach Darstellung der Stadt Winterthur
(Klägerin und Berufungsbeklagte) am 17. Juli 2015 ohne deren Einwilligung
auf dem Areal W.
(Grundstück Kat.-Nr. / ) neben dem Campingplatz am W. nieder (vgl. act. 18 S. 5). Mit Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur vom 2. Oktober 2015 (act. 18) wurden die Beklagten verpflichtet, das Grundstück Kat.-Nr.
/ am C. -Weg in Winterthur unverzüglich und vollständig zu räumen und zu verlassen (Dispositiv Ziffer 1). Weiter wurde den Beklagten verboten, sich auf einem Grundstück der Klägerin ohne vorgängige Bewilligung der Klägerin niederzulassen und ihre Fahrzeuge und Einrichtungen abzustellen (Dispositiv Ziffer 2). Gegen diesen Entscheid erhoben die Beklagten 1, 2, 3, 6, 7, 8, 9, 11, 13, 16 und 17 Berufung. Das Obergericht erledigte das Berufungsverfahren mit Beschluss und Urteil vom 20. Juni 2016 (act. 23=act. 27/24).
b) Mit Schreiben vom 15. September 2016 (Poststempel 21. September
2016) wandte sich A.
(Berufungsklägerin 1) an das Obergericht und
verlangte die Revision des Entscheides des Bezirksgerichtes Winterthur vom 2. Oktober 2015 und des Entscheides des Obergerichtes vom 20. Juni 2016 (act. 20). Das Revisionsgesuch von B. (Berufungsklägerin 2) bezüglich dieser Entscheide ging am 28. September 2016 beim Bezirksgericht Winterthur ein (act. 27/20). Dieses leitete die Eingabe am 3. Oktober 2016 an das Obergericht weiter (act. 27/22). Das Obergericht nahm in der Folge die Eingabe der Berufungsklägerin 1 als Berufung gegen den vorinstanzlichen Entscheid entgegen und legte das Verfahren unter der Geschäfts-Nr. LF160059 an. Auch die Rechtsschrift der Berufungsklägerin 2 wurde als Berufung entgegen genommen und das Verfahren unter der Geschäfts-Nr. LF160066 angelegt. In beiden Verfahren wurde der Berufungsbeklagten Frist zur Beantwortung der Berufung angesetzt (Verfügung vom 19. Oktober 2016, act. 24 bzw. act. 27/25), wobei diese in der Folge darauf verzichtete (act. 26 bzw. act. 27/27).
a) Beide Berufungsklägerinnen fechten das gleiche vorinstanzliche Urteil vom 2. Oktober 2015 des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur an (LF160059 act. 19; LF160066 act. 27/19).
Wie bereits erwähnt hat das Obergericht mit Beschluss und Urteil vom
20. Juni 2016 (act. 23 = act. 27/24) in der gleichen Sache gegen andere Beklagte einen Entscheid gefällt. Beide Berufungsklägerinnen machten geltend, das Urteil der Vorinstanz sei mangels korrekter Zustellung der Gerichtsurkunden an sie nichtig. Zur Vereinfachung des Verfahren sind die beiden Verfahren zu vereinigen (Art. 125 lit. c ZPO). Das Geschäft LF160066 (Berufung von B. ) ist mit dem vorliegenden Geschäft LF160059 (Berufung von A. ) zu vereinigen und unter der Nr. LF160059 weiterzuführen. Das Geschäft LF160066 ist als dadurch erledigt abzuschreiben.
b) Entsprechend den Angaben in der Berufungsschrift zu den Personalien (act. 27/20) ist im Rubrum der Vorname der Berufungsklägerin 2 von B'. auf B. abzuändern.
a) Nach Eingang der Eingabe der Stadt Winterthur betreffend Räumungsbefehl (act. 1) setzte die Vorinstanz den 21 Beklagten mit Verfügung vom
28. Juli 2015 eine Frist zur Stellungnahme zum Ausweisungsbegehren an (act. 4). Obwohl, bis auf die hier nicht interessierenden Beklagten 4 und 12, alle Beklagten mit einer Wohnadresse auf dem Rubrum aufgeführt waren, ordnete die Vorinstanz für alle Beklagten die polizeiliche Zustellung dieser Verfügung an die Zustelladresse C. -Weg in Winterthur an und stellte ein entsprechendes Rechtshilfegesuch an die Stadtpolizei Winterthur
(act. 4 Dispositiv Ziffer 4 i.V.m. act. 5). Die Verfügung konnte u.a. beiden Berufungsklägerinnen durch die Polizei an der betreffenden Örtlichkeit nicht zugestellt werden (act. 10). Die Vorinstanz publizierte ihnen (sowie weiteren Beklagten) gegenüber diese Verfügung am tt.mm.2015 im Amtsblatt unter Hinweis darauf, dass der Entscheid bei der Vorinstanz bezogen werden könne (act. 11). Die Zustellung des Endentscheides erfolgte gegenüber beiden Berufungsklägerinnen (und weiteren Beklagten) am tt.mm.2015 durch Publikation im Amtsblatt (act. 19 = act. 27/19 Dispositiv Ziffer 6 und act. 13). Für die Berufungsklägerinnen lief die Berufungsfrist somit am Montag, tt.mm.2015, ab.
Die Berufungsklägerinnen haben nach ihrer Darstellung erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgelöst durch einen Zeitungsartikel des Landboten vom tt. Juli 2016, auf den sie per Zufall gestossen seien von den Publikationen im Amtsblatt erfahren (act. 20 bzw. act. 27/20). Sie führten aus, sie fänden es unerhört, dass sie öffentlich erwähnt würden, ohne dass jemals ein Zustellversuch an ihre Meldeadresse erfolgt sei. Da sie daher erhebliche Tatsachen über sich erst im Nachhinein erfahren und vorher nie etwas vom ganzen Fall, Verfahren und Urteil gehört hätten, hätten sie auf das Urteil des Bezirksgerichtes nicht reagieren können (act. 20 S. 1 bzw. act. 27/20 S. 1-2).
b) Ob ein Rechtsmittel rechtzeitig eingereicht worden ist, hängt davon ab, ob die Zustellung des Entscheides rechtmässig erfolgte und die Rechtsmittelfrist eingehalten wurde. Die Berufungsklägerinnen bestreiten die korrekte Zustellung des Endentscheides.
Von der Rechtmässigkeit der Publikation des Entscheids vom 2. Oktober 2015 hängt sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der Berufung ab. Eine solche zweifach erhebliche doppelt relevante Tatsache wird nur in einer Prüfungsstation untersucht. Die betroffene Zulässigkeitsvoraussetzung wird nicht geprüft, sofern sie wie vorliegend schlüssig behauptet wurde. Die Klärung der entsprechenden rechtlichen Frage erfolgt im Rahmen der materiellen Beurteilung, und es wird ein Sachentscheid gefällt
(KUKO ZPO-Domej, 2. Aufl. 2014, Art. 60 N 6 f.; Hoffmann-Nowotny, Doppelrelevante Tatsachen in Zivilprozess und Schiedsverfahren, Zürich/St. Gallen 2016, N 83 ff., N 187 ff. und N 211 ff.; BGE 122 III 249; BGE 137 III
32 Erw. 2.3, BGer, 4A_31/2011 vom 11. März 2011, Erw. 2). In prozessualer
Hinsicht ist somit nicht vorgängig zu prüfen, ob die Berufungsklägerinnen die Berufung rechtzeitig eingereicht haben, sondern es ist ihnen gegenüber ein Sachentscheid zu fällen. Auf die Berufung ist deshalb einzutreten.
Sinngemäss rügen die Berufungsklägerinnen ihr rechtliches Gehör sei verletzt worden. Aufgrund Recherchen, welche sie nach dem Presseartikel vom tt. Juli 2016 getätigt hätten, hätten sie von der Publikation des angefochtenen Ausweisungsentscheides und deren zu Grunde liegenden Verfahren erfahren. Vorgängig hätten sie nie etwas zugestellt bekommen. Die Zustellungen der Gerichtsunterlagen an sie seien nicht korrekt bzw. gar nicht erfolgt, obwohl sie über einen festen Wohnsitz, wo sie angemeldet seien, verfügt hätten (act. 20, act. 27/20).
a) Das Gericht hat Vorladungen, Verfügungen und Entscheide sowie Eingaben der Gegenpartei den betroffenen Personen zuzustellen (Art. 136 ZPO). Die Zustellung von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden erfolgt durch eingeschriebene Postsendung auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung (Art. 138 Abs. 1 ZPO). Im Kanton Zürich fallen nebst der eingeschriebenen Postsendung insbesondere die Zustellung durch Angehörige des Gerichts, den Gemeindeammann die Polizei in Betracht (§ 121 Abs. 1 GOG). Die Zivilprozessordnung sieht in Art. 141 Abs. 1 auch die Zustellung durch Publikation im kantonalen Amtsblatt im Schweizerischen Handelsamtsblatt vor, nämlich dann, wenn der Aufenthaltsort der Adressatin des Adressaten unbekannt ist und trotz zumutbarer Nachforschungen nicht ermittelt werden kann (lit. a), eine Zustellung unmöglich ist mit ausserordentlichen Umtrieben verbunden wäre (lit. b) eine Partei mit Wohnsitz Sitz im Ausland entgegen der Anweisung des Gerichts kein Zustellungsdomizil in der Schweiz bezeichnet hat (lit. c). Vorliegend interessiert vor allem die Anwendbarkeit von Art. 141 Abs. 1 lit. b ZPO. In der Regel
darf erst von einer Unmöglichkeit ausgegangen werden, wenn entsprechende Versuche des Gerichts tatsächlich gescheitert sind, beispielsweise wenn der Zustellungsempfänger eine Zustellung vereitelt, indem er weder die eingeschriebene Postsendung abholt, noch zuhause persönlich angetroffen werden kann (KUKO ZPO-Weber, 2. Aufl. 2014, Art. 141 N 2; Lukas Huber,
DIKE-Komm ZPO, 2. Aufl. 2016, Art. 141 N 12 f.; BSK ZPOGschwend/Bornatico, 2. Aufl. 2013, Art. 141 N 3). Es braucht drei formelle Versuche auf zwei verschiedenen Wegen damit von einer Unmöglichkeit der Zustellung ausgegangen werden darf (vgl. dazu OGerZH PF150044 vom
2. September 2015). Auch die Unzumutbarkeit der ordentlichen Zustellung, also wenn diese mit ausserordentlichen zeitlichen, personellen finanziellen Umständen verbunden wäre, muss sich konkret abzeichnen. Immerhin darf sich das Gericht in beiden Fällen auf allgemeinoder gerichtsnotorische Tatsachen stützen. In der Lehre werden als Beispiele Bürgerkriegswirren, eine gänzlich fehlende staatliche Struktur des Landes, die permanente Weigerung eines Regimes, Rechtshilfe zu leisten, der Umstand, dass Rechtshilfebegehren zwar entgegen genommen, aber in der Folge erst nach Jahren gar nicht bearbeitet werden, genannt (KUKO ZPO-Weber,
2. Aufl. 2014, Art. 141 N 2; ZK ZPO-Staehelin, 3. Aufl. 2016, Art. 141 N 2;
BK ZPO-Frei, Art. 141 N 12; Lukas Huber, DIKE-Komm ZPO, 2. Aufl. 2016,
Art. 141 N 18 ; BSK ZPO-Gschwend/Bornatico, 2. Aufl. 2013, Art. 141 N 3). Daraus erhellt, dass die Wahl der ordentlichen Zustellungsart durchaus im Ermessen des Gerichtes liegt. Die Publikation gestützt auf den Auffangtatbestand gemäss Art. 141 Abs. 1 lit. b ZPO darf hingegen als ultima ratio nur zur Anwendung gelangen, wenn die genannten Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Die Vorinstanz versuchte, wie bereits erwähnt, den beiden Berufungsklägerinnen die Verfügung vom 28. Juli 2015 samt Klageschrift zunächst mit Hilfe der Polizei am C. -Weg in Winterthur zuzustellen. Aus den gescheiterten Zustellversuchen kann aber nicht geschlossen werden, dass eine ordentliche Zustellung an die Berufungsklägerinnen gänzlich unmöglich gewesen wäre. Daran ändert auch nichts, dass auf dem Polizeiposten die
Verfügungen für die betreffenden Personen für ein paar Tage zur Einsicht aufgelegt wurden (vgl. act. 10 S. 10). Die Polizei hinterlässt im Gegensatz zur eingeschriebenen Postsendung dem Zustellungsempfänger nach erfolglosem Zustellversuch keinerlei Hinweise auf diesen. Trifft die Polizei den Zustellempfänger nicht an, muss davon ausgegangen werden, dass dieser auch keine Kenntnis des Zustellversuches hat, unabhängig davon, ob die Polizei letztlich nur einmal mehrere Male vor Ort war. Vor diesem Hintergrund kann nicht grundsätzlich angenommen werden, die Zustellempfänger hätten sich bewusst den wenn auch wiederholten - Zustellungsversuchen durch die Polizei entzogen und die Zustellung dadurch unmöglich gemacht. Vor der Annahme der Unmöglichkeit der Zustellung hätte die Vorinstanz einen dritten formellen Zustellversuch auf einem anderen Weg als dem bisher gewählten vornehmen müssen. Die Berufungsklägerinnen wurden im Rubrum der Verfügung vom 28. Juli 2015 mit ihren Meldeadressen aufgeführt (vgl. act. 4). Damit wäre es nahe gelegen, eine postalische Zustellung an diese Meldeadressen zu versuchen.
Nach dem oben Ausgeführten hätte demnach die Vorinstanz vor der Publikation der Zwischenverfügung vom 28. Juli 2015 und des Endentscheides weitere Arten der ordentlichen Zustellung an die Berufungsklägerinnen (erfolglos) versuchen müssen, damit die ordentliche Zustellung im Sinne von Art. 141 Abs. 1 lit. b ZPO als unmöglich zu gelten hat. Es gibt nämlich keine Hinweise dafür, dass die Unmöglichkeit von Zustellungen an die Berufungsklägerinnen allgemeinoder gerichtsnotorisch ist bzw. dass die übrigen ordentlichen Zustellungsarten mit konkreten ausserordentlichen Umtrieben verbunden wären. Im Gegenteil muss zumindest die Vornahme zusätzlicher Zustellversuche mittels eingeschriebener Postsendung gegen Empfangsbestätigung angesichts der Meldeadresse der Berufungsklägerinnen in der Schweiz (vgl. Rubrum von act. 4) und unter Berücksichtigung des dabei verhältnismässig geringen administrativen, personellen und finanziellen Aufwandes als zumutbar und auch möglich erachtet werden. Aus diesen Grün- den erweisen sich sowohl die Publikation der Verfügung vom 28. Juli 2015 als auch diejenige des Endentscheides vom 2. Oktober 2015 bezüglich der
Berufungsklägerinnen als unzulässig. In der Folge gelten die beiden Entscheide mangels gehöriger Zustellung als nicht mitgeteilt und damit ungültig (BSK ZPO-Gschwend/Bornatico, 2. Aufl. 2013, Art. 136 N 10). Sie entfalten keine Rechtswirkungen, was von Amtes wegen zu beachten ist (BSK ZPOGschwend/Bornatico, 2. Aufl. 2013, Art. 136 N 10 und N 12 sowie Art. 138
N 26; BGE 116 Ia 215 Erw. 2, BGE 122 I 97 Erw. 3, BGE 127 II 32 Erw. 3g
sowie BGE 137 I 273 Erw. 3.1 mit Verweisen auf weitere jüngere Entscheide).
Grundsätzlich wäre eine fehlerhafte Zustellung des Endentscheides zu verbessern, indem die Zustellung zu wiederholen ist. Da den Berufungsklägerinnen jedoch bereits die Verfügung vom 28. Juli 2015 nicht zugestellt worden ist, sie deshalb am Verfahren, von welchem sie keine Kenntnis erhalten hatten, nicht teilnehmen konnten, ist das Urteil vom 2. Oktober 2015 mit einem derart schwerwiegenden Verfahrensmangel behaftet, dass es nichtig erscheint (BSK ZPO-Gschwend/Bornatico, 2. Aufl. 2013, Art. 138 N 26; BGE 129 I 361 Erw. 2.1 f.; BGer 5P.330/2005 vom 17. Novem-
ber 2005, BGE 137 I 273 Erw. 3.1 mit Verweisen auf weitere jüngere Entscheide).
a) In Gutheissung der Berufungen ist deshalb auch bezüglich der beiden Berufungsklägerinnen die Nichtigkeit des Urteils vom 2. Oktober 2015 festzustellen. Grundsätzlich wäre die Sache zur erneuten Zustellung der Verfügung vom 28. Juli 2015 an die Berufungsklägerinnen und Wiederholung des weiteren Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen, wobei angesichts des nun bestehenden Prozessrechtsverhältnisses nach Art. 138 Abs. 3 ZPO verfahren werden könnte.
b) Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war einerseits die Räumungsklage gegen alle Beklagten und andererseits der Erlass eines Verbotes gegenüber diesen Personen, sich auf einem städtischen Grundstück ohne Einwilligung niederzulassen und ihre Fahrzeuge sowie Einrichtungen abzustellen. Im Urteil vom 20. Juni 2016 gelangte das Obergericht zum Schluss, dass sich die Rechtsbegehren Ziff. 1 und Ziff. 2 der Berufungsbeklagten rechtlich als illiquid erweisen (act. 23 = act. 27/24 Erw. 13 c-d). Eine Rückweisung an die Vorinstanz hat unter diesen Umständen zu unterbleiben.
a) Obsiegen die Berufungsklägerinnen, ist auch die erstinstanzliche Regelung der Kostenund Entschädigungsfolgen, soweit diese davon betroffen sind, aufzuheben, wobei kein Anlass besteht, die Kostenfestsetzung (Fr. 500.-) gemäss Dispositiv Ziffer 4 des angefochtenen Entscheides (act. 19 = act. 27/19 S. 13) zu ändern. Sie ist zu bestätigen.
Im obergerichtlichen Urteil vom 20. Juni 2016 wurde festgehalten, von den 21 vor Vorinstanz ins Recht gefassten Personen hätten elf Personen das erstinstanzliche Urteil angefochten und obsiegt. Die Berufungsbeklagte unterliege somit im erstinstanzlichen Verfahren zu rund 50%. Auch wenn nun noch zwei weitere Personen das erstinstanzliche Urteil erfolgreich angefochten haben, erscheint es nach wie vor gerechtfertigt, die Berufungsbeklagte die Kosten der Vorinstanz im Umfang von 50% tragen zu lassen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Im Umfang von 50% kann sie von den nichtanfechtenden Beklagten Ersatz verlangen. Es entfällt aber die Ersatzpflicht und Solidarhaftung der beiden Berufungsklägerinnen. Im Gegensatz zum ersten obergerichtlichen Verfahren in dieser Sache (LF150056) hat die Berufungsbeklagte keine Berufungsantworten eingereicht und sich damit mit dem angefochtenen Entscheid nicht identifiziert. Die Kosten des Berufungsverfahrens können ihr daher nicht auferlegt werden. Sie sind auf die Staatskasse zu nehmen.
Die Berufungsklägerin 2 verlangt für das obergerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 250.-, die Berufungsklägerin 1 eine solche von Fr. 300.-. Eine Entschädigung von je Fr. 100.erscheint unter Berücksichtigung des Aufwandes der Berufungsklägerinnen angemessen. Auch die Entschädigungen gehen zu Lasten der Staatskasse.
Das Berufungsverfahren Geschäfts-Nr. LF160066 wird mit dem vorliegenden Berufungsverfahren Geschäfts-Nr. LF160059 vereinigt und unter dieser Nummer weitergeführt; das Verfahren LF160066 wird als dadurch erledigt abgeschrieben.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Erkenntnis.
In Gutheissung der Berufung wird hinsichtlich der Berufungsklägerinnen (vorinstanzlich Beklagte 14 und 15) die Nichtigkeit des Urteils des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur vom
Oktober 2015 festgestellt und dieses aufgehoben.
Die erstinstanzliche Entscheidgebühr (Dispositiv Ziffer 3) wird bestätigt.
In Abänderung von Dispositiv Ziffer 4 des erstinstanzlichen Urteils wird die Gerichtsgebühr von Fr. 500.von der Klägerin bezogen, ist ihr aber im Umfang von Fr. 250.von den Beklagten 4, 5, 10, 12 und 18-21 (vgl. Rubrum des erstinstanzlichen Urteils) zu ersetzen. Die Beklagten 14 und 15 (Berufungsklägerinnen) haben keine der im Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur vom 2. Oktober 2015 erwähnten Kosten (Dispositiv Ziffern 3-4) zu tragen. Eine Solidarhaftung für diese Beklagten entfällt.
Die Kosten für das Berufungsverfahren werden auf die Staatskasse genommen.
Den Berufungsklägerinnen 1 und 2 wird für das obergerichtliche Verfahren eine Entschädigung von je Fr. 100.zu Lasten der Kasse des Bezirksgerichtes Winterthur ausgerichtet.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsklägerinnen unter Beilage des Doppels von act. 26 bzw. act. 27/27, an die Obergerichtskasse sowie - unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten an das Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Winterthur, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert
30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert übersteigt Fr. 30'000.-.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. I. Vourtsis-Müller versandt am:
23. Dezember 2016
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