Zusammenfassung des Urteils LB110023: Obergericht des Kantons Zürich
Die Klägerin und Berufungsklägerin hat vor dem Obergericht des Kantons Zürich eine Berufung gegen eine Verfügung des Einzelgerichts im summarischen Verfahren eingereicht. Die Klägerin verlangt Unterhaltsbeiträge vom Beklagten und fordert Auskunft über sein Vermögen. Das Gericht entscheidet, dass der Beklagte monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 2'000.- zahlen muss, rückwirkend ab dem 1. Mai 2010. Die Gerichtskosten werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Die Klägerin unterliegt in Bezug auf die Prozesskostenvorschuss- und Armenrechtsanträge und muss daher die Kosten tragen. Die Entscheidungsgebühr wird auf Fr. 3'000.- festgesetzt. Die Klägerin kann innerhalb von 30 Tagen Beschwerde beim Bundesgericht einreichen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LB110023 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 08.06.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Notweg, Ablösung Dienstbarkeit, Schonende Ausübung; Privates Wissen des Gerichts |
Schlagwörter : | Beklagten; Platten; Zugang; Grundstück; Wiese; Wiesenweg; Treppe; Interesse; Widerklage; Parteien; Bezirksgericht; Klage; Recht; Streit; Grundstücke; Berufung; Zimmer; Meter; Notweg; Löschung; Sicht; Klägers; Fotos; Garten; Rampe; üngliche |
Rechtsnorm: | Art. 151 ZPO ;Art. 57 ZPO ;Art. 694 ZGB ;Art. 736 ZGB ;Art. 737 ZGB ;Art. 738 ZGB ;Art. 91 ZPO ;Art. 94 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Art. 694 ZGB, Notweg. Der Durchgang, welcher im Grundbuch nicht als Notweg bezeichnet ist, wird im Streitfall nicht als Notweg behandelt (E. 3.1).
geringeres Interesse ist streng zu nehmen (E. 3.2);
durch Kies (E. 4).
verwertet werden (E. 3.2 Abs. 2) .
(Erwägungen des Obergerichts:)
Die im um das Jahr 1963 erstellte Siedlung Krug 1 umfasst zu Vieren gruppierte Einfamilienhäuser, die jeweils in quadratischer Anordnung einen Innenhof umfassen. Jedes Haus bildet für sich ein Rechteck, welches auf der einen Seite eine Ecke des Quadrates bildet und auf der anderen Seite an das nächste (Eck-)Haus stösst. Die Situation ergibt sich aus den Plänen act. 2/3/1 und 2/13/1. Die Parteien sind Nachbarn im am weitesten östlich und hangaufwärts liegenden Komplex. Die Beklagten bewohnen das entlang der Strasse liegende Haus (Krugstrasse ... auf Kat.Nr. A), welches die nordöstliche Ecke des Komplexes bildet, der Kläger das gegen Südosten angrenzende Haus Krugstrasse ... (auf Kat.Nr. B). Den Zugang des Grundstückes Kat.Nr. A zur Krugstrasse gewährt seit 1963 die unter SP 139 registrierte Dienstbarkeit (act. 2/3/3 Blatt 2; die Strasse nach ... meint die heutige Krugstrasse, vgl. den Plan act. 2/3/1 in Verbindung mit demjenigen act. 2/13/1 und dem Flurnamen Lee beim nur wenig unterhalb und westlich gelegenen P. 555 der Landeskarte 1:25'000).
Der Dienstbarkeitsweg wurde von den Beklagten verändert, und mit der Klage verlangte der Kläger die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Die Beklagten konterten mit der Klage auf Löschung der Dienstbarkeit, primär entschädigungslos, eventuell gegen Entschädigung, und sie verweisen dafür auf den nach Begründung der Dienstbarkeit angelegten Weg, der entlang der Grundstücke der Parteien zur Krugstrasse führt (zur Situation Plan act. 2/13/1).
1 Namen geändert
Das Bezirksgericht wies die Hauptklage ab und hiess den Eventualantrag der Widerklage gut, indem es die Löschung der Dienstbarkeit gegen Zahlung von Fr. 15'000.-anordnete. Die Beklagten finden sich damit ab, wogegen der Kläger mit der Berufung am Antrag auf Gutheissung der Klage und Abweisung der Widerklage auch im Eventualantrag festhält.
Die Parteivorträge im Berufungsverfahren wurden schriftlich erstattet. Am
16. November 2011 nahm der Referent des Obergerichts einen Augenschein (dazu die Fotodokumentation. Anlässlich des nachfolgenden Gesprächs einigten sich die Parteien darauf, gemeinsam nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, und für die dafür wünschbaren Abklärungen auch bei Dritten ersuchten sie um eine formlose Sistierung der Sache. Nachdem jeweils im Monatsrhythmus gemeldet wurde, die Vergleichsgespräche seien auf dem Weg, kam mit Schreiben vom 31. Mai 2012 die Mitteilung, die gütliche Einigung sei nicht gelungen.
2. Zutreffend hat das Bezirksgericht zuerst die Widerklage auf Löschung der Dienstbarkeit behandelt falls diese gutgeheissen wird, ist die Hauptklage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Weges gegenstandslos.
Der Kläger beharrt in der Berufung auf der Abweisung der Widerklage. Er rügt, dass das Bezirksgericht keine Beweise erhoben und sich auf eigenes Wissen gestützt hat, und er bestreitet im Einzelnen die Überlegungen des Bezirksgerichts zu den Möglichkeiten und zur Zumutbarkeit einer Erschliessung des berechtigten Grundstückes über den Wiesenweg resp. die Interessenlage und die Benachteiligung des belasteten Grundstücks durch die bestehende Dienstbarkeit. Die Beklagten erachten das angefochtene Urteil richtig. Eines Beweisverfahrens habe es nicht bedurft, die vom Kläger eventuell verlangte Rückweisung sei unnötig. Der Kläger und seine Frau benutzten den Wiesenweg mehrmals im Tag selber zum Spazieren mit ihren Hunden. Diesen Weg als ungeeignet zu bezeichnen, sei daher missbräuchlich. Wohl liege der Wiesenweg höher als der bisherige Zugang, aber bei Sicherung einer Treppe mit einem
Geländer werde auch ein neuer Zugang nicht schwieriger zu begehen sein als der bisherige.
Die Beklagten argumentieren für die Frage der allfälligen Löschung der Dienstbarkeit, diese beruhe auf Art. 694 ZGB (Notweg), und die seinerzeitige Wegenot sei mit der Erstellung des Wiesenweges im Jahr 1974 entfallen. Der Kläger bestreitet, dass die heutige Dienstbarkeit als Notweg errichtet wurde. Aus dem Grundbucheintrag und den Belegen ergibt es sich nicht; dort ist ohne weitere Spezifikation nur von einem jederzeitigen Fusswegrecht die Rede. Die Beklagten trugen vor, östlich der von der Dienstbarkeit betroffenen Grundstücke, also wo heute unter anderem der Wiesenweg verläuft, habe im Eigentum der Gemeinde stehendes eingezontes Agrarland gelegen. Warum das Grundstück
der Kläger nicht über dieses Land erschlossen werden konnte, wird im Verfahren nicht diskutiert und bleibt offen. Nahe liegt die Überlegung, dass die Gemeinde, als Baubewilligungsbehörde in einer starken Position, die heute bestehende Lösung favorisierte, welche ihre Optionen mit dem eigenen Land nicht tangierte. Ob es aus Sicht der heutigen Beklagten möglich gewesen wäre, einen Notweg über ihr Land zu verweigern mit der Begründung, er tangiere sie unzumutbar (so wie sie es heute vortragen), und eine Erschliessung des klägerischen Grundstückes über das Land der Gemeinde wäre für diese weniger einschneidend, steht dahin. Was es dabei für eine Rolle spielte, dass der Eigentümer der ganzen ursprünglichen Parzelle des heutigen Häuserquadrates der Gemeindepräsident war, ist ebenfalls nicht bekannt. Darüber muss aber nicht spekuliert werden. Die Fragestellung ist ein anschauliches Beispiel für die Richtigkeit der bundesgerichtlichen Praxis, welche die nachträgliche Deutung eines als privatrechtliche Dienstbarkeit eingetragenen Rechts als Notweg nicht zulässt (BGer 5C.201/2002 vom 11. Februar 2003 = ZBGR 85/2004 S. 306 ff., unter anderem mit Hinweis auf BK-Meier-Hayoz, Art. 680
N. 65, und die Besprechung des Entscheides durch Rey in ZbJV 141/2005
S. 296 f.).
Die Kriterien für eine Löschung der bestehenden Dienstbarkeit sind demnach dem Art. 736 ZGB zu entnehmen. Es ist zu prüfen, ob die bestehende Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat (Abs. 1), ob dieses Interesse im Vergleich zur Belastung unverhältnismässig viel
geringer ist, und gegebenenfalls, welche Entschädigung für die Ablösung angemessen ist (Abs. 2).
Das Bezirksgericht hat erkannt, dass der Fall von Art. 736 Abs. 2 ZGB vorliege. Die Beklagten und Widerkläger finden sich damit ab, dass dem Kläger ein wenn auch untergeordnetes Interesse zugebilligt wird. Der Punkt ist gleichwohl abzuhandeln, da die Erheblichkeit des Interesses eine rechtliche Frage ist (Art. 57 ZPO). Der Zugang zum Haus des Klägers verläuft heute eben und nimmt nur wenig Platz in Anspruch. Ein neuer Zugang über den Wiesenweg bedingte das Überwinden einer Höhendifferenz von rund zwei Metern, das Öffnen der heute bestehenden Hecke in der einen anderen Weise, und er nähme mehr vom Grundstück in Anspruch (dazu der Plan act. 13/1 und die Fotos 56/3, 56/9). Dass der Kläger und seine Frau mit ihren Hunden den Wiesenweg in südöstlicher Richtung begehen, wofür ein neuer Zugang über das Bord eine Verkürzung des Weges bedeutete, ist entgegen der Auffassung der Beklagten unerheblich. Es kommt nicht auf das Interesse des Klägers und seiner Familie, sondern auf das (objektivierte) Interesse des berechtigten Grundstücks an. Und aus dieser Sicht sind der ebene Zugang und die minimale Land-Beanspruchung wichtiger als der kürzere Weg ins Spaziergebiet. Die Anwendung von Art. 736 Abs. 1 ZGB scheidet aus.
Das Bezirksgericht hat die Abwägung der Interessen im Sinne von Art. 736 Abs. 2 ZGB unter anderem darauf gestützt, dass es in der Überbauung Krug zahlreiche Treppen gebe, welche ohne Nachteil begangen werden könnten, und dass das den Beklagten zur Benützung zugewiesene Atrium im Sommer der Hitze wegen kaum benützbar sei (Urteil S. 8 f.). Zu Recht kritisiert der Kläger das in prozessualer Hinsicht. Auch wenn ein Friedensrichter und eine ehemalige Bezirksrichterin in analogen Häusern wohnen und die am angefochtenen Urteil Mitwirkenden früher dort auf Besuch waren, ist das weder allgemein notorisch noch dem Gericht aus früherer amtlichen Tätigkeit bekannt, sondern geradezu ein Lehrbuchbeispiel für privates richterliches Wissen, welches nicht verwertet werden darf (statt Vieler KuKo ZPO-Schmid Art. 151 N. 4-6). Weiterungen sind allerdings nicht erforderlich, wie sich zeigen wird.
Die Beklagten begründeten den Anspruch auf Ablösung der Dienstbarkeit damit, dass das dem Kläger keinen Nachteil sogar einen Vorteil bringe, weil der Zugang über den Wiesenweg einfach zu bewerkstelligen sei und erst noch das Zufahren bis auf eine kürzere Distanz erlaube. Umgekehrt mache das Wegrecht den Garten des belasteten Grundstücks zum halböffentlichen Raum und führe dazu, dass 30% des Grundstückes ausgerechnet der einzige besonnte Teil - nicht frei und uneingeschränkt benutzbar seien, dass sie dort faktisch weder Tische und Stühle noch etwa ein Gartencheminée placieren könnten. Da der Weg nahe vom Schlafzimmerfenster (weil mit dem Bad direkt verbunden, eigne sich das Zimmer praktisch nur als Schlafraum: Plan act. 18/8) durchführe, werde die Privatsphäre empfindlich gestört (ein wirksamer Sichtschutz würde dem Zimmer unzumutbar viel Licht rauben), und zudem beeinträchtige die vom Kläger angebrachte Beleuchtung die Nachtruhe. Der Niveauunterschied zum Wiesenweg, weniger als ein Stockwerk hoch, sei nicht von Bedeutung; in der Überbauung gebe es viele solche Treppen, und auch im Haus-Inneren müsse der Kläger für den Zugang zum Obergeschoss eine Treppe bewältigen. Der Wiesenweg sei fest gewalzt, gut beleuchtet und werde anders als der Dienstbarkeitsweg vom Schnee geräumt, und er diene überdies auch anderen Liegenschaften als Zugang.
Die bestehende Dienstbarkeit stellt für das dienende Grundstück eine erhebliche Belastung dar. Der Dienstbarkeitsweg macht den östlichen Teil des Grundstückes als Garten zum Aufenthalt der Bewohner wenig geeignet; das ergibt sich schon aus den Plänen (z.B. act. 2/13/1), und wird durch die Fotos des Augenscheins bestätigt (z.B. act. 56/3). Immerhin bleibt es möglich, im nördlichen Teil einen Tisch mit Stühlen aufzustellen (act. 56/4 und /5); dieser Bereich ist wohl weniger besonnt, aber das ist nicht nur ein Nachteil: in der Berufung nehmen die Beklagten ausdrücklich die (prozessuale unzulässige) Feststellung des Bezirksgerichts auf, das Atrium sei im Sommer wegen der Hitze kaum nutzbar. Der Weg schränkt ferner die Privatsphäre im östlich gelegenen Parterre-Zimmer der Beklagten ein resp. verlangt eine weit gehende Abschirmung dieses Zimmers. Auch wenn ein Vorübergehender nicht extra den Kopf dreht, kann sich ein im Zimmer Befindlicher beobachtet fühlen; ob der Abstand vom Weg zur Fassade
einen, zwei gar drei Meter beträgt, macht keinen wesentlichen Unterschied (dazu die Fotos act. 56/5-7). Nachts im Winter, wenn es drinnen beleuchtet ist und draussen dunkel, ist der Einblick besonders gut möglich und kann das für Personen im Haus unangenehm sein. Den Beklagten ist auch darin zu folgen, dass ein wirksamer Sichtschutz dem Zimmer viel Licht nähme und daher unattraktiv ist. Immerhin sagen die Beklagten selber, dass das Zimmer praktisch nur als Schlafzimmer genutzt werden könne, weil es direkt mit dem Bad verbunden ist. Im Schlafzimmer pflegt man sich aber vor allem zum Schlafen aufzuhalten, und darum ist es weniger störend, wenn man Vorhänge Läden geschlossen hält als in einem eigentlichen Wohnoder Arbeitszimmer. Zum Anoder Auskleiden die Vorhänge zu schliessen, ist auch in räumlich weniger engen Verhältnissen als beim Zimmer der Beklagten üblich und zumutbar. Es mag sein, dass die Lampe des Klägers auf der Gartenmauer störend ins Schlafzimmer der Beklagten leuchtet. Das ist allerdings mit der Dienstbarkeit nicht notwendig verbunden. Geeignete Lampen, die nur den Boden beleuchten und nach der einen Seite hin abgeschirmt sind, könnten Abhilfe schaffen. - Wenn man auf das vom Bezirksgericht unzulässigerweise ins Spiel gebrachte Atrium eingehen wollte, wäre zu berücksichtigen, dass dieses auf dem Niveau des ersten (also des Wohn-
)Stocks liegt, einzig den Beklagten zugänglich ist und offenbar als Ersatz für die Gärten der anderen drei Häuser gedacht war (act. 56/15: Wand im Obergeschoss des Hauses des Klägers zum Atrium hin, act. 56/16 Sicht vom Wohnraum der Beklagten aus). Es ist ohne Weiteres glaubhaft, dass sich im Atrium im Sommer die Wärme stauen kann - dafür dürfte es dann aber auch für den Aufenthalt an einem milden Spätherbstoder Vorfrühlingstag besonders attraktiv sein.
Wenn dem Kläger der Zugang über das Grundstück der Beklagten nicht mehr möglich ist, bleibt seine Liegenschaft über den Wiesenweg zugänglich. Wie zuverlässig dieser im Winter geräumt wird, und ob der einwandfreie Zustand am Augenschein nur das momentane Optimum darstellt, kann offen bleiben. Dass man eine Liegenschaft an sich über Treppen erschliessen kann, ist selbstverständlich, und dass es in der Überbauung Krug mehrere Zugänge über grössere und kleinere Treppen gibt, weisen die Beklagten mit diversen Fotos nach. Das ist aber nicht die richtige Fragestellung. Es kommt darauf an, ob der
Wechsel vom ebenen Zugang zu einem über eine Treppe eine Rampe für das klägerische Grundstück nachteilig ist, und wenn ja, wie gewichtig. Und wie vorstehend (E. 3.1) erwogen, ist der Nachteil für das berechtigte Grundstück massgebend, nicht der für die heutigen Eigentümer. - Der Niveauunterschied zwischen dem Garten des berechtigten Grundstücks und dem Wiesenweg beträgt rund zwei Meter (act. 56/9; der Referent im hellen Hemd steht auf dem Wiesenweg). Das ist wohl weniger als ein ganzes Stockwerk. Die Beklagten weisen darauf hin, dass wer immer das Haus auf dem berechtigten Grundstück bewohnt, um in sein Obergeschoss zu gelangen auch eine Treppe überwinden muss. Ob es für eine gehbehinderte Person möglich wäre, nur das Erdgeschoss zu bewohnen, ist nicht bekannt. Auch wenn dem nicht so wäre, machte das den Nachteil nicht weniger gewichtig, dass der Zugang zum Haus ohne die streitige Dienstbarkeit nur noch über einen erheblichen Höhenunterschied möglich ist. Für das Transportieren von Lasten, für weniger mobile Gäste eben für in der Beweglichkeit eingeschränkte Bewohner ist das Überwinden der Höhenstufe vom zum Wiesenweg auf jeden Fall ein erheblicher Nachteil. Daran ändert nichts, dass man auch im Freien einen Treppenlift installieren lassen könnte; ein ebener Zugang ist allemal wesentlich bequemer. Dass man bis zu einer Treppe / Rampe auf dem Wiesenweg zufahren könnte und dann der Weg bis zur Haustüre als reine Distanz gemessen kürzer sein könnte als heute, macht den Nachteil nicht wett. Aktuell bietet die bestehende Hecke einen recht guten Sichtschutz und eine Abgrenzung zum Wiesenweg. Eine Treppe würde das beeinträchtigen, auch wenn sie der Kläger wohl im westlichen Bereich (das heisst auf der Höhe der Haustüre) anlegen liesse (Fotos act. 56/56/10-11) und nicht weiter östlich, wo der grössere und attraktivere Teil des Gartens liegt (Plan act. 2/13/1). Der Zugang vom Wiesenweg her würde auch für gehbehinderte Personen und für Transporthilfen wie einen Sackrolli einen Einkaufswagen möglich gemacht, wenn man statt einer Treppe eine Rampe seitlich durch das Bord hinunter anlegte. Das führte allerdings auf jeden Fall zu umfangreicheren Umgestaltungen. Es nähme im Bord mehr Platz in Anspruch und bedingte eine Sicherung des Bordes resp. der Rampe mit Stützmauern, wenn man einen lückenlosen Sichtschutz beibehalten wollte. Die Hecke resp. die Rampe in die jetzt
bestehende Wiese hinein zu verbreitern, würde die Wiese und damit die heute bestehende Grosszügigkeit des Gartens tangieren. Der zu befestigende Zugang vom Haus zu einer neuen Treppe Rampe bedingte sodann auf jeden Fall das Belegen von Raum, wo zur Zeit Rasen angelegt ist.
Beim Gegenüberstellen der Vorund Nachteile kann nicht ausser Acht bleiben, dass die Parteien die Grundstücke in Kenntnis der bestehenden Dienstbarkeit erwarben: der Kläger durfte, die Beklagten mussten nach Treu und Glauben damit rechnen, dass die Regelung auf Dauer gelte; Zugangswege, die sehr nahe an bewohnten Räumen vorbei führen, sind in dichten EinfamilienhausSiedlungen nichts Seltenes. Alles in allem ist das Interesse des Klägers am Beibehalten der Dienstbarkeit allerdings auch ohne diesen Gesichtspunkt nicht im Sinne des Gesetzes unverhältnismässig geringer als das Interesse der Beklagten an ihrer Ablösung. Die Widerklage ist daher abzuweisen, und die Höhe einer Ablösesumme ist nicht zu prüfen.
Damit bleibt die Hauptklage aktuell. Der Kläger verlangt die gerichtliche Feststellung, dass die um den November 2008 erfolgte Neugestaltung des Zugangsweges die Dienstbarkeit verletze, und die Verurteilung der Beklagten zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.
Die Parteien stimmen darin überein, dass für die Dienstbarkeit ein Landstreifen von einem Meter Breite beansprucht werden darf. Die Beklagten bestreiten dem Kläger dieses Recht nicht, und er macht nicht geltend, es werde ihm verweigert. Der Streit geht um die Ausgestaltung des Weges, konkret um den Belag. Anfänglich war der Weg mit einer doppelten Reihe quadratischer Steinplatten von 50 x 50 cm belegt, an welche seitlich Gras anschloss
(Fotos der Beklagten act. 18/2). Um den November 2008 gestalteten die Beklagten den Raum neu. Sie liessen die vorhandenen Büsche zurückschneiden resp. entfernen, sicherten die Böschung mit grossen Quadersteinen und belegten die Fläche durchgehend mit Kies, in dessen Mitte Platten in nur noch einer Reihe verlegt sind. Der Kläger zeigt mit Fotos, dass man mit einem Veloanhänger (als Handwägelchen), mit einem Schneepflug mit einem Rollstuhl, aber auch
wenn man einen Hund führt, seitlich über die einzelne Plattenreihe hinaus Platz braucht.
Das Wegrecht ist im Grundbuch nur mit dem Stichwort Fusswegrecht bezeichnet. Aus dem seinerzeitigen Vertrag von 1963 ergibt sich als Präzisierung, dass das Recht auf dem angelegten Plattenweg ausgeübt werden soll
. Das ist ein Hinweis dafür, dass der Weg in seiner ganzen Breite mit Platten
belegt sein soll. Allerdings lässt das einen gewissen Spielraum offen. So ginge es zu weit, die damals angelegten Platten tel quel als obligatorisch zu betrachten. Sie durch Platten doppelter halber Grösse zu ersetzen, wäre auf jeden Fall zulässig. Sodann brauchen solche Platten nicht notwendig vollständig bündig verlegt zu sein; auch wenn Zwischenräume bleiben, durch die Gras anderes Grünzeug wachsen kann, nimmt das dem Weg nicht den Charakter als Plattenweg (so war es vor der streitigen Umgestaltung). Die neue Gestaltung geht weiter, indem die Platten beidseits nun von Kies gesäumt werden. Unbefangen betrachtet bleibt der Weg damit aber gleichwohl ein Plattenweg: wer ihn zu Fuss begeht, kann problemlos (nur) auf den Platten auftreten. Richtig ist, wie der Kläger sagt, dass zwei Personen sich auf den Platten allein nicht kreuzen können. Das ist aber doch ein sehr untergeordnetes Problem auf der so kurzen Wegstrecke, und wenn man sich die minimale Breite des Weges von unstreitig nur einem Meter vergegenwärtigt, wäre das Kreuzen auch auf einem
Doppelplatten-Weg ohnehin schwierig. Das Schneeräumen ist in der neuen
Situation nicht ernsthaft erschwert, auch wenn die Schneefräse, welche der Kläger offenbar dafür verwendet, breiter ist als 50 cm. Dass die Hunde des Klägers und seiner Frau teils auf dem Kies auftreten, ist kein Nachteil - die Pfoten werden nicht nasser und nicht schmutziger als auf den Platten. Ein Handwagen ein Rollstuhl (was der Kläger auch bei seinem Fusswegrecht beanspruchen darf) haben auf den neuen Platten nicht Platz. Sie können allerdings auch auf Kies praktisch so gut rollen wie auf den Platten. Immerhin müssen die Belasteten
also zur Zeit die Beklagten sicher stellen, dass der Kies nicht in einer so dicken Schicht liegt, dass das sichere Gehen Rollen darauf im Sinne von Art. 737 Abs. 3 ZGB erschwert ist wie die Beklagten ja selber einräumen, müssen sie das Wegrecht auf einer Breite von einem Meter gewähren. Möglicherweise
bedingt das Gewährleisten einer ungehinderten Benutzung des heutigen Weges ein regelmässiges Walzen des Kieses anderen Unterhalt, und vielleicht führt das am Ende zu einem grösseren Aufwand als ihn die ursprünglichen doppelten Platten verursachten. Das ist aber heute nicht Thema des Verfahrens.
Offenbar wurden in der Überbauung die entsprechenden Wege seinerzeit alle mit der erwähnten Platten-Doppelreihe angelegt, und bis 2008 blieb es auch beim streitigen Weg dabei. Im Rahmen des Eintrages im Grundbuch kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit auch daraus ergeben, wie das Recht während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt wurde (Art. 738 Abs. 2 ZGB). Für die Frage, ob der Weg auch in Zukunft aus einer doppelten Plattenreihe bestehen muss, ob die (unstreitige) Breite von einem Meter teilweise auch mit festem Kies belegt sein darf, ergibt diese Regel allerdings kein eindeutiges Resultat. In guten Treuen haben die bisherigen Berechtigten annehmen dürfen, der Weg werde nicht unter die ursprüngliche Breite der doppelten Plattenreihe, also unter einen Meter, verschmälert. Für die Art des Belags, wenn die ursprünglichen Platten einmal alt wären und ersetzt werden müssten, ergibt sich daraus nichts Verbindliches.
Zu beachten ist neben Art. 738 Abs. 2 ZGB insbesondere auch Art. 737 Abs. 2 ZGB, der dem Berechtigten die möglichst schonende Ausübung seines Rechts auferlegt. Die vom Kläger beanstandeten Nachteile bei der Benützung des heutigen Weges sind alle untergeordneter Natur und ihm im Rahmen der möglichst schonende Ausübung des Wegrechts zumutbar.
Auch der im Rahmen von Ziff. 2 des Klagebegehrens gestellte Antrag auf Erlass eines Befehls zur Wiederherstellung ist daher abzuweisen. Auf das Feststellungsbegehren ist mangels eines gesonderten Rechtsschutz-Interesses nicht einzutreten.
Beide Seiten unterliegen mit ihren Begehren, und die Kostenfolgen sind entsprechend zu regeln.
Für die Bemessung der Kosten kommt es auf den Streitwert an. Diesen bezifferte der Kläger ursprünglich - nur für die Klage auf Feststellung resp. Wiederherstellung - nicht (Weisung act. 2/1 [in Verletzung von § 100 Ziff. 5 ZPO/ZH] und act. 2/2). Die Beklagten bezifferten den Streitwert ihrer Widerklage auf Löschung der Dienstbarkeit zunächst mit Fr. 5'000.--, und sie argumentierten, Hauptund Widerklage schlössen sich gegenseitig aus. Der Kläger konterte mit der Erklärung, eine Ablöse-Entschädigung würde Fr. 20'000.-- deutlich übersteigen und präzisierte darauf, er messe der Ablösung des Rechts einen Wert von Fr. 32'653.60 bei. Das übernahm die Einzelrichterin als Streitwert der ganzen Sache. Nach Überweisung der Sache ans Kollegialgericht beharrten die Beklagten darauf, der Streitwert liege unter Fr. 20'000.--, wogegen der Kläger an den Fr. 32'653.60 für die Widerklage allein festhielt, nebst Fr. 15'000.-für die Hauptklage. Das angefochtene Urteil nimmt als Streitwert Fr. 47'653.60 an.
In der Berufung wendet sich der Kläger gegen das Zusammenrechnen von Hauptund Widerklage, wogegen die Beklagten offenbar die Festsetzung durch das Bezirksgericht auch für die Berufung richtig finden.
Nach neuem Recht werden für das Bestimmen der Kosten wie früher - Klage und Widerklage zusammen gerechnet, wenn sie sich nicht gegenseitig ausschliessen (Art. 94 Abs. 2 ZPO; § 19 Abs. 2 ZPO/ZH). Die beiden Begehren können zwar nicht beide gutgeheissen, wohl aber beide abgewiesen werden, und die Streitwerte sind daher zu addieren. Bei den einzelnen Schätzungen galt früher, dass bei abweichenden Angaben der Parteien der höhere Betrag Recht machen solle (§ 22 Abs. 2 zweiter Satz ZPO/ZH), während das heute zur freien Schätzung durch das Gericht führt (Art. 91 Abs. 2 ZPO). Die Fr. 15'000.-als Wert der Klage (Wiederherstellung) sind plausibel und zu übernehmen. Für den Wert der Löschung der Dienstbarkeit sind die Kosten für das Erstellen einer neuen Treppe einer Rampe zwar ein Anhaltspunkt, aber offenkundig nicht ohne Weiteres richtig. Der Nachteil eines nicht mehr ebenen Zuganges ist von solchen Kosten unabhängig und kann weit darüber hinaus gehen. Daher ist die Bezifferung des Klägers für das Erstellen des neuen Zuganges (rund Fr. 32'600.--) als Streitwert zu übernehmen.
Die Entscheidgebühren für das Verfahren beider Instanzen sind festzusetzen auf je Fr. 5'300.-- und den Parteien je hälftig aufzuerlegen.
Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen.
Es wird beschlossen:
Auf Rechtsbegehren 1 der Klage (Feststellung) wird nicht eingetreten.
Sodann wird erkannt:
Die Klage wird im übrigen abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr für das Verfahren CG090017 des Bezirksgerichts wird festgesetzt auf Fr. 5'300.-- und den Parteien je zur Hälfte auferlegt, wobei die Beklagten für ihren Anteil solidarisch haften.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden festgesetzt auf Fr. 5'387.70 (Fr. 5'300.-- Entscheidgebühr und Fr. 87.70 Barauslagen Augenschein) und den Parteien je zur Hälfte auferlegt.
Zur Deckung der Gerichtskosten des Berufungsverfahrens wird der vom Kläger geleistete Barvorschuss von Fr. 4'200.-herangezogen; im Umfang von Fr. 1'506.15 wird dem Kläger der Rückgriff auf die ihm dafür solidarisch haftenden Beklagten eingeräumt, für die nicht gedeckten Fr. 1'187.70 stellt die Obergerichtskasse den dafür solidarisch haftenden Beklagten Rechung.
Obergericht, II. Zivilkammer Beschluss und Urteil vom 8. Juni 2012 Geschäfts-Nr.: LB110023-O/U
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