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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils LA230001: Obergericht des Kantons Zürich

In dem vorliegenden Fall geht es um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit zwischen einer Klägerin und einer Beklagten vor dem Obergericht des Kantons Zürich. Die Klägerin fordert unter anderem ausstehenden Lohn, Ferienentschädigung und BVG-Beiträge von der Beklagten. Das Bezirksgericht hatte die Klage abgewiesen, da die Beklagte keine Passivlegitimation hatte. Die Klägerin legte Berufung ein und kritisierte unter anderem, dass keine Hauptverhandlung stattfand. Das Obergericht hob das Urteil auf, da die fehlende Hauptverhandlung ein Verfahrensmangel darstellt. Es ordnete die Rückweisung des Falls an die Vorinstanz an. Es werden keine Gerichtskosten für das Berufungsverfahren erhoben, und die Klägerin erhält den Kostenvorschuss zurück. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

Urteilsdetails des Kantongerichts LA230001

Kanton:ZH
Fallnummer:LA230001
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LA230001 vom 03.08.2023 (ZH)
Datum:03.08.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Arbeitsrechtliche Forderung
Schlagwörter : Berufung; Vorinstanz; Recht; Entscheid; Beklagten; Passivlegitimation; Parteien; Urteil; Verfahren; Klage; Arbeitsvertrag; Hauptverhandlung; Gericht; Anspruch; Berufungsbeklagte; Entschädigung; Sachverhalt; Vertrag; Arbeitgeber; Berufungsklägerin; Affoltern; Berufungsbeklagten; Beurteilung; Akten; Betrag; Höhe; Endentscheid
Rechtsnorm:Art. 107 ZPO ;Art. 153 ZPO ;Art. 233 ZPO ;Art. 237 ZPO ;Art. 309 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 316 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 55 ZPO ;Art. 90 BGG ;Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:134 I 83; 138 III 374; 140 III 385; 140 III 450; 142 I 93; 142 III 413;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts LA230001

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LA230001-O/U

Mitwirkend: Oberrichter Dr. M. Kriech, Vorsitzender, Oberrichterin lic. iur.

Ch. von Moos Würgler und Ersatzoberrichterin lic. iur. N. Jeker sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. C. Faoro

Beschluss vom 3. August 2023

in Sachen

  1. ,

    Klägerin und Berufungsklägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt X1. und / Rechtsanwältin Dr. X2. ,

    gegen

  2. ,

    Beklagte und Berufungsbeklagte

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. ,

    betreffend arbeitsrechtliche Forderung

    Berufung gegen ein Urteil des Arbeitsgerichtes Affoltern im ordentlichen Verfahren vom 20. Januar 2023 (AN210001-A)

    Rechtsbegehren:

    (Urk. 2 S. 2f.)

    1. Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin unter dem Titel ürestanzlicher Lohnanspruch? den Betrag von CHF 96'092.67 netto (sämtliche

    SozialversicherungsbeitRüge sowie Quellensteuer bereits beRücksichtigt) nebst Zins zu 5% auf dem Betrag von

    • CHF 1'780.37 seit 01. November 2016

    • CHF 1'780.37 seit 01. Dezember 2016

      ? CHF 1'780.37 seit 01. Januar 2017

    • CHF 1'780.37 seit 01. Februar 2017

      ? CHF 1'780.37 seit 01. März 2017

      ? CHF 1'780.37 seit 01. April 2017

      ? CHF 1'780.37 seit 01. Mai 2017

      ? CHF 1'780.37 seit 01. Juni 2017

      ? CHF 1'780.37 seit 01. Juli 2017

      ? CHF 1'780.37 seit 01. August 2017

    • CHF 1'780.37 seit 01. September 2017

    • CHF 1'780.37 seit 01. Oktober 2017

    • CHF 1'730.37 seit 01. November 2017

    • CHF 1'880.37 seit 01. Dezember 2017

      ? CHF 1'730.37 seit 01. Januar 2018

    • CHF 1'766.52 seit 01. Februar 2018

      ? CHF 1'866.52 seit 01. März 2018

      ? CHF 1'866.52 seit 01. April 2018

      ? CHF 2'866.52 seit 01. Mai 2018

      ? CHF 1'766.52 seit 01. Juni 2018

      ? CHF 1'766.52 seit 01. Juli 2018

      ? CHF 1'666.52 seit 01. August 2018

    • CHF 1'982.21 seit 01. September 2018

    • CHF 1'982.21 seit 01. Oktober 2018

    • CHF 1'982.21 seit 01. November 2018

    • CHF 1'982.21 seit 01. Dezember 2018

      ? CHF 1'982.21 seit 01. Januar 2019

    • CHF 2'286.73 seit 01. Februar 2019

      ? CHF 2'286.73 seit 01. März 2019

      ? CHF 2'286.73 seit 01. April 2019

      ? CHF 2'286.73 seit 01. Mai 2019

      ? CHF 2'286.73 seit 01. Juni 2019

      ? CHF 2'286.73 seit 01. Juli 2019

      ? CHF 2'286.73 seit 01. August 2019

    • CHF 2'286.73 seit 01. September 2019

    • CHF 2'286.73 seit 01. Oktober 2019

    • CHF 2'286.73 seit 01. November 2019

    • CHF 2'286.73 seit 01. Dezember 2019

      ? CHF 2'286.73 seit 01. Januar 2020

    • CHF 2'160.33 seit 01. Februar 2020

      ? CHF 2'160.33 seit 01. März 2020

      ? CHF 2'160.33 seit 01. April 2020

      ? CHF 2'160.33 seit 01. Mai 2020

      ? CHF 1'860.33 seit 01. Juni 2020

      ? CHF 1'860.33 seit 01. Juli 2020

      ? CHF 1'860.33 seit 01. August 2020

    • CHF 4'247.30 seit 01. September 2020 zu bezahlen.

  1. Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin unter dem Titel öferien? den Betrag von CHF 23'038.87 netto (sämtliche SozialversicherungsbeitRüge sowie Quellensteuer bereits beRücksichtigt) nebst Zins zu 5% seit 01. September 2020 zu bezahlen.

  2. Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin unter dem Titel ?BVG? den Betrag von CHF 24'827.16 netto nebst Zins zu 5% auf dem Betrag von

    ? CHF 2'081.10 seit 01. Januar 2017

    ? CHF 5'450.40 seit 01 . Januar 2018

    ? CHF 6'860.43 seit 01. Januar 2019

    ? CHF 6'458.31 seit 01. Januar 2020

    • CHF 3'976.92 seit 01. September 2020 zu bezahlen.

  3. Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin eine Entschädigung in der Höhe von CHF 32'786.25 zzgl. Zins zu 5% seit 01. September 2020 zu bezahlen.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolge (zzgl. MwSt)

Urteil des Bezirksgerichtes Affoltern, Arbeitsgericht, vom 20. Januar 2023:

(Urk. 73 = Urk. 78)

  1. Die Klage wird infolge fehlender Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen.

  2. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf Fr. 5'910.

  3. Die Gerichtskosten werden der Klägerin auferlegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 11'820 verrechnet. Ein überschuss wird der Klägerin zurückerstattet.

  4. Die Kosten des Schlichtungsverfahrens des Friedensrichteramtes C. in der Höhe von Fr. 1'200 sind definitiv von der Klägerin zu tragen.

  5. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 10'837 (inkl. 7.7% MwSt) zu bezahlen.

  6. (Mitteilungssatz)

  7. (Rechtsmittelbelehrung)

BerufungsAnträge:

der Klägerin und Berufungsklägerin (Urk. 77 S. 2):

1. Es sei das Urteil des Bezirksgerichts Affoltern vom 20. Januar 2023 mit Aktenzeichen AN210001-A/U aufzuheben, die Passivlegitimation der Berufungsklägerin [recte: Berufungsbeklagten] festzustellen und die Sache zur weiteren Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

2. Eventualiter: Es sei das Urteil des Bezirksgerichts Affoltern vom

20. Januar 2023 mit Aktenzeichen AN210001-A/U aufzuheben und es sei die Sache zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolge (zzgl. MwSt.). der Beklagten und Berufungsbeklagten (Urk. 88 S. 2):

1. Es sei das Urteil des Bezirksgerichts Affoltern aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, eine Hauptverhandlung durchzuführen.

  1. Eventualiter für den Fall der Abweisung von Rechtsbegehren Ziff. 1 und für den Fall einer materiellen Prüfung der Passivlegitimation der Berufungsbeklagten sei das Urteil zu bestätigen, die Passivlegitimation der Berufungsbeklagten zu verneinen und die Berufung der Berufungsklägerin in Bezug auf die Passivlegitimation der Berufungsbeklagten abzuweisen.

  2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zusätzlich Mehrwertsteuer zu Lasten der Berufungsklägerin.

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte
      1. Die Parteien stehen sich in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit betreffend Lohnforderung, Ferienentschädigung, BVG-BeitRüge und Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung gegenüber. Die Klägerin und Berufungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) machte geltend, D. , den Sohn der Beklagten und Berufungsbeklagten (nachfolgend: Beklagte), welcher an Multipler Sklerose litt, ab Oktober 2016 gepflegt zu haben. Sie habe indessen weder den arbeitsvertraglich geschuldeten Lohn erhalten, noch seien korrekte Lohnanmeldungen bei den Sozialversicherungseinrichtungen den SteuerBehörden getätigt worden. So- dann sei sie für die nicht bezogenen Ferien zu entschädigen. Weil eine sog. Rachekündigung vorliege, verlangt die Klägerin zudem eine Entschädigung von fänf MonatsLöhnen.

      2. Mit Eingabe vom 24. März 2021 reichte die Klägerin unter Beilage der Klagebewilligung des Friedensrichteramtes C. vom 2. Dezember 2020 bei der Vorinstanz die vorliegende arbeitsrechtliche Klage ein und richtete diese ab initio sowohl gegen D. als auch gegen die Beklagte (Urk. 1; Urk. 3). Nachdem D. am 20. Dezember 2021 verstorben war, trennte die Vor-instanz die Ver-

        fahren und beschränkte dasjenige gegen die Beklagte auf die Frage der Passivlegitimation. Der weitere erstinstanzliche Prozessverlauf kann dem angefochtenen Entscheid vom 20. Januar 2023 entnommen werden (Urk. 78 S. 5ff.).

      3. Die Vorinstanz verneinte in ihrem Urteil vom 20. Januar 2023 die Passivlegitimation der Beklagten und wies die Klage dementsprechend ab (Urk. 78 S. 18).

      4. Gegen den Entscheid der Vorinstanz erhob die Klägerin am 22. Februar 2023 fristgereicht Berufung mit eingangs zitierten Begehren (Urk. 77 S. 2). Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen. Am 15. März 2023 wurde die Klägerin zur Leistung eines Kostenvorschusses in der Höhe von Fr. 6'000 verpflichtet, welchen sie fristgerecht leistete (Urk. 84 und 85).

      5. Mit Verfügung vom 19. April 2023 (Urk. 86) wurde der Beklagten First für die Berufungsantwort angesetzt. Die Berufungsantwort erging am 19. Mai 2023

        (Urk. 88; Urk. 91/1-2). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

      6. Am vorliegenden Entscheid wirkt Oberrichter Dr. M. Kriech anstelle des ferienhalber abwesenden KammerPräsidenten Oberrichter lic. iur. A. Huizinga mit.

    2. Formelles
      1. Die Klägerin verlangt mit ihrer Berufung eine Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils, die Feststellung der Passivlegitimation der Beklagten und Rückweisung der Sache zur weiteren Beurteilung an die Vorinstanz (Urk. 77).

      2. Die Rechtsmittelvoraussetzungen sind erfüllt: Anfechtungsobjekt der Berufung ist ein erstinstanzlicher Endentscheid im Sinne von Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO der nicht unter einen Ausnahmetatbestand gemäss Art. 309 ZPO fällt. Die Berufung wurde form- und fristgerecht erhoben (Art. 311 Abs. 1, Art. 142f. und Art. 145 Abs. 1 lit. a ZPO sowie Urk. 74 und Urk. 77) und die vor Vorinstanz unterlegene Klägerin ist zu deren Erhebung legitimiert. Unter dem Vorbehalt rechtsgenügen- der Begründung ist auf die Berufung einzutreten. Der zweitinstanzliche Entscheid kann aufgrund der Akten ergehen (Art. 316 Abs. 1 ZPO).

      3. Das Berufungsverfahren stellt keine Fortsetzung gar Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens dar, sondern ist nach der gesetzlichen Konzeption als eigenstündiges Verfahren ausgestaltet (BGE 142 III 413 E. 2.2.1 S. 414

      m.Hinw. auf die Botschaft zur Schweizerischen ZPO, BBl 2006 S. 7374). Es zeichnet sich dadurch aus, dass bereits eine richterliche Beurteilung des Rechtsstreits vorliegt. Sein Gegenstand wird durch die BerufungsAnträge und die BerufungsBegründung umrissen.

      Mit der Berufung können unrichtige Rechtsanwendung und unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsinstanz verfügt über eine vollständige überPrüfungsbefugnis der Streitsache, mithin über unbeschränkte Kognition bezüglich Tat- und Rechtsfragen (Art. 310 ZPO). In der schriftlichen BerufungsBegründung (Art. 311 Abs. 1 ZPO) ist hinreichend genau aufzuzeigen, inwiefern der erstinstanzliche Entscheid in den angefochtenen Punkten als fehlerhaft zu betrachten ist bzw. an einem der genannten Fehler leidet (BGE 138 III 374 E. 4.3.1; BGE 142 I 93 E. 8.2). Das obere kantonale Gericht hat sich abgesehen von offensichtlichen Mängeln grundsätzlich auf die Beurteilung der Beanstandungen zu beschränken, die in der Berufungsschrift in rechtsgenügender Weise erhoben werden (BGE 142 III 413 E. 2.2.4). In diesem Rahmen ist insoweit auf die Parteivorbringen einzugehen, als dies für die Entscheidfindung erforderlich ist (BGE 134 I 83 E. 4.1).

      Weiter ist zu beachten, dass das vorliegende (ordentliche) Verfahren mit Bezug auf die Feststellung des Sachverhalts der Verhandlungsmaxime unterliegt (Art. 55 ZPO). Es ist demnach Sache der Parteien, dem Gericht das für die Rechtsanwendung relevante Tatsachenfundament zu präsentieren, d.h. den entscheidwesentlichen Sachverhalt zu behaupten und die Beweismittel für ihre tatsächlichen Behauptungen anzugeben. Das Gericht darf seinem Entscheid nur behauptete (und unbestritten gebliebene bewiesene) Tatsachen zugrunde legen. Unbestrittene Tatsachen(-behauptungen) hat es (unter dem Vorbehalt von Art. 153 Abs. 2 ZPO) als erstellt zu betrachten.

    3. Materielles
  1. Vorinstanzlicher Entscheid

    Die Vorinstanz hielt fest, dass die Frage der Passivlegitimation beziehungsweise, ob die Beklagte am Arbeitsvertrag beteiligt sei nicht, eine doppelrelevante Tatsache darstelle. Die Prüfung dieser Prozessvoraussetzung erfolge daher im Rahmen der rechtlichen Würdigung des eingeklagten Anspruchs (Urk. 78

    S. 11 ff.).

    Der Arbeitsvertrag sei gemäss der Würdigung der Vorinstanz zwischen der Klägerin und D. abgeschlossen worden, wobei dieser von der Beklagten (seiner Mutter) vertreten worden sei. D. habe gemäss Darstellung beider Parteien sowie einer öffentlich beurkundeten Vollmacht seinen Willen Mändlich mitteilen, jedoch aufgrund seines körperlichen Zustandes nicht mehr schreiben können. Seine Urteilsfähigkeit sei dagegen unbestrittenermassen nicht eingeschränkt gewesen. Er habe sowohl der Beklagten als auch seinem Vater mittels öffentlicher Urkunde die Vollmacht erteilt, ihn bei der Regelung seiner persönlichen und fi- nanziellen Angelegenheiten zu Unterstützen, wozu gemäss Vollmacht auch Gehört habe, alles vorzukehren, was für eine hinreichende Unterkunft und Betreuung erforderlich sei (Urk. 78 S. 13f.).

    Als Vertreterin ihres Sohnes D. habe der Arbeitsvertrag daher von der Beklagten rechtmässig unterzeichnet werden können. Der in Frage stehende Vertrag vom 15. Januar 2017 sei gemäss Parteibezeichnung zwischen der Klägerin und D. (vertreten durch die Beklagte) abgeschlossen worden. Für die Klägerin habe dabei auch in Anwendung des Vertrauensprinzips ersichtlich sein müssen, dass die Beklagte den Arbeitsvertrag in Stellvertretung ihres Sohnes und nicht Selbständig im Sinne einer Arbeitgeberin unterzeichnet habe. Nicht von Bedeutung sei, dass sich die Rollen allenfalls im Nachhinein vermischt hätten, da es einzig auf das Verhalten der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankomme. Es werde auch kein simuliertes Geschäft geltend gemacht. Gemäss schweizerischer Dogmatik werde sodann nicht zwischen einem formellen und einem materiellen Arbeitgeber unterschieden. Arbeitgeber sei vielmehr jene Person, welche Anspruch auf Leistung des Arbeitnehmers habe und entsprechend aus dem Arbeitsvertrag verpflichtet sei (Urk. 78 S. 15f.).

    Die Beklagte sei damit nicht Partei des in Frage stehenden, mit der Klägerin zustande gekommenen Arbeitsvertrages geworden und daher für die vorliegende Forderung nicht passivlegitimiert (vgl. zum Ganzen Urk. 78 S. 13ff.).

  2. Standpunkt der Parteien

    1. Die Klägerin rägt mit ihrer Berufung, die Vorinstanz habe sowohl den Sachverhalt unrichtig festgestellt als auch das Recht falsch angewendet (Urk. 77

      Rz. 38). Sie habe nach dem Tod von D. die Verfahren getrennt und dasje- nige gegen die Beklagte auf die Frage der Passivlegitimation beschränkt, wobei sie das Urteil ohne Abnahme der beantragten Beweismittel, unter willkürlicher Abstellung auf auserlesene Sachverhaltsaspekte und insbesondere ohne Durchführung einer Hauptverhandlung gefällt habe (Urk. 77 Rz. 3f.). Indem die Vorinstanz ohne einen gemeinsamen Antrag der Parteien auf die Durchführung einer Hauptverhandlung verzichtet habe, habe sie sich in unzulässiger Weise über das anwendbare Verfahrensrecht hinweggesetzt (Urk. 77 Rz. 13).

      Die Vorinstanz sei sodann sachverhaltswidrig davon ausgegangen, dass der Klügerin der Inhalt des Arbeitsvertrages bekannt gewesen sei (Urk. 77 Rz. 17). Unter Völliger NichtbeRücksichtigung ihrer Ausführungen, wonach ihr nach Vertragsunterzeichnung während fast der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses weder der Arbeitsvertrag noch die Vollmacht je vorgelegen hätten, gehe die Vorinstanz aufgrund des Vertrauensprinzips davon aus, dass sie von diesen Schriftstücken Kenntnis gehabt habe. Dies ohne den Sachverhalt beweismässig erstellt zu haben.

    2. Die Beklagte führt in ihrer Berufungsantwort aus, der Klägerin sei insofern zuzustimmen, als die Vorinstanz keine Hauptverhandlung durchgefährt habe. Die Parteien hätten weder ausDrücklich noch stillschweigend auf die Durchführung einer solchen verzichtet. Aus diesem Grund sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen (Urk. 88 Rz. 7ff.).

  3. Würdigung

    1. Fehlende Hauptverhandlung

      Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt (Urk. 78 S. 11f.), beschlägt die Frage der Passivlegitimation materielles Recht. Als Passivlegitimation bezeichnet man die Berechtigung eines Klägers, das eingeklagte Recht dem mit der Klage in Anspruch genommenen Beklagten gegenüber geltend zu machen. Wird mit der Klage die falsche Person ins Recht gefasst, weil sich der Prozessgegenstand bilden- de Anspruch nicht gegen diesen Beklagten, sondern gegen einen Dritten richtet, geht dem ins Recht gefassten Beklagten die Passivlegitimation ab, weil es ihm an der materiell-rechtlichen Verpflichtung fehlt, im Prozess als Beklagter auftreten zu müssen. Das führt zur Abweisung der Klage durch Sachurteil (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 1979, S. 139 f.; Meier/Sogo, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich etc. 2010, S. 162 f.).

      Die Vorinstanz hat ihr Verfahren vorerst auf die Frage beschränkt, ob die Beklagte passivlegitimiert ist nicht, was die Frage der Sachlegitimation beschlägt. Die Entscheidung dieser Frage stellt im Falle der Verneinung der Passivlegitimation einen Endentscheid und im Falle der Gutheissung einen Zwischenentscheid dar. Das Gesetz setzt in Art. 237 Abs. 1 ZPO für den Erlass eines Zwischenentschei- des ausDrücklich voraus, dass bei gegenteiligem oberinstanzlichem Entscheid ein bedeutender Zeitoder Kostenaufwand gespart werden kann. Das trifft etwa dann zu, wenn durch den sofort möglichen Endentscheid der Oberinstanz ein langwieriges Beweisverfahren über weitere Anspruchsvoraussetzungen vermie- den werden kann, das sonst in Angriff genommen werden Müsste. Hinsichtlich der Beurteilung der Sachlegitimation ist ein Zwischenentscheid nicht undenkbar, wenn z.B. darüber entschieden werden muss, ob ein bestimmter Anspruch einem einzelnen Kläger einer Gesamthand zusteht bzw. ob ein bestimmter Anspruch von einem einzelnen Beklagten von einem Dritten geschuldet wird. Zum Institut des Zwischenentscheides soll aber im Sinne des Aufgefährten mit einer gewissen zurückhaltung gegriffen werden. grundsätzlich ist es damit nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Verfahren beschränkte und einen Entscheid betreffend die Passivlegitimation fällte (vorliegend einen Endentscheid, da sie die Passivlegitimation verneinte).

      Die Parteien haben indessen im Rahmen des ordentlichen Verfahrens Anspruch auf Durchführung einer Hauptverhandlung (BGE 140 III 450 E. 3.2). Das gilt insbesondere auch dann, wenn das Gericht einen (Zwischen-)Entscheid (wie hier die Klürung der Passivlegitimation) in Aussicht nimmt (vgl. Kriech, DIKE-Komm-ZPO, Art. 237 N 6). Vorliegend wurde weder eine Hauptverhandlung durchgefährt, noch ist den vorinstanzlichen Akten ein entsprechender Verzicht der Parteien gemäss Art. 233 ZPO irgendwelche Bemöhungen der Vorinstanz in Bezug auf einen solchen Verzicht zu entnehmen, was auch von der Beklagten bestätigt wird

      (Urk. 99 Rz. 7). Die Vorinstanz hätte daher vor Erlass des angefochtenen Entscheides eine Hauptverhandlung gemäss Art. 228ff. ZPO durchführen müssen. Indem sie auf eine solche verzichtete, hat sie das Recht unrichtig angewendet (Art. 310 lit. a ZPO). Die Berufung ist deshalb gutzuheissen und das Urteil der Vorinstanz vom 20. Januar 2023 ist aufzuheben. Der schwere Verfahrensmangel kann im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht geheilt werden, da die Berufungsinstanz keine erstinstanzliche Hauptverhandlung durchführen kann und den Parteien kein uneingeschränktes Novenrecht zusteht (Art. 317 ZPO). Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 318 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 ZPO), welche eine Hauptverhandlung durchzuführen und danach zu entscheiden haben wird, ob aufgrund der Vorbringen der Parteien ein Beweisverfahren als notwendig erscheint.

    2. Weitere Rügen der Klägerin

      1. Wie bereits ausgefährt, rägt die Klägerin weiter, die Vorinstanz sei sachverhaltswidrig davon ausgegangen, dass ihr der Inhalt des Arbeitsvertrages sowie die Vollmacht, welche D. seinen Eltern erteilt hatte, bekannt gewesen sei (Urk. 78 Rz. 17). Die Vorinstanz stätze sich dabei nahezu willkürlich ausschliesslich auf den formellen schriftlichen Arbeitsvertrag, ohne jedoch die von der Klägerin vorgebrachten Kernaspekte beweismässig zu erheben (Parteibefragung, Zeugeneinvernahmen; vgl. Urk. 77 Rz. 23).

        Der Erstkontakt sowie die Gespräche im Hinblick auf den Vertragsschluss mit der Klägerin seien von der Beklagten gefährt worden. Der Umstand, dass D. ihr Arbeitgeber sein solle, sei dabei nicht besprochen worden (Urk. 77 Rz. 25 mit Verweis auf die Replik, Urk. 52 Rz. 77). Bei Stellenantritt im Oktober 2016 sei so- dann noch kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorgelegen, sondern dieser sei erst im Januar 2017 unterschrieben und ihr danach gleich wieder entzogen worden. Dies mit dem Argument, dass sich die Beklagte um sämtliche administrativen Belange Kümmern würde und den Vertrag dafür benötige. Mangels Sprachkenntnissen habe sie damals nicht verstanden, was sie genau unterzeichnet habe, insbesondere nicht, dass in formaler Hinsicht D. ihr Vertragspartner sein sollte. Mangels Aushündigung einer Kopie habe sie sich auch zu einem späteren Zeitpunkt keine Kenntnis verschaffen können (Urk. 77 Rz. 26 mit Verweis auf die Klagebegrün- dung, Urk. 2 Rz. 47). Im Rahmen der KlageBegründung habe sie sodann vorgebracht, dass ihr keine Lohnabrechnungen, Lohnausweise Abrechnungen zur Quellensteuer abgegeben worden seien (Urk. 2 Rz. 42). während der gesamten 4-jährigen Anstellung sei sodann stets und ausnahmslos die Beklagte für die arbeitsvertraglichen Aspekte die einzige Ansprechperson gewesen (Urk. 77 Rz. 28 mit Verweis auf die KlageBegründung Urk. 2 Rz. 79). Aufgrund ihrer fehlenden Deutschkenntnisse sowie fehlender Ahnung betreffend Steuerwesen, Verkehr mit Behörden etc. sei sie der Beklagten diesbezüglich ausgeliefert gewesen (Urk. 77 Rz. 27 mit Verweis auf die Klage, Urk. 2 Rz. 47). Erst gegen Ende der Anstellung habe sie in Erfahrung gebracht, dass jeweils D. in der Korrespondenz als Arbeitgeber aufgefährt gewesen sei. Für sie selbst habe dieser aber keine Arbeitgeberfunktion gelebt, sondern sei einzig der Grund für ihre Anstellung gewesen (Urk. 77 Rz. 28). Zusammengefasst habe sie damit unter Verweis auf ihre Ausführungen in der KlageBegründung (Urk. 2) und Replik (Urk. 52) davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte ihre Arbeitgeberin sei (Urk. 77 Rz. 32). Der Umstand, dass die Vorinstanz die von ihr diesbezüglich offerierten Beweise nicht abge- nommen und in der Hauptsache einzig auf den formalen, ihr unbekannten schriftlichen Arbeitsvertrag abgestellt habe, habe sie die tatsächlichen Umstände grob

        missachtet. Der rechtserhebliche Sachverhalt sei schlicht nicht erhoben worden (Urk. 77 Rz. 32).

      2. Im Rahmen ihres Entscheides vom 20. Januar 2023 hatte sich die Vorinstanz nicht mit den Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt, wonach ihr zusammengefasst der Vertrag zum einen nicht vorgelegen habe und sie diesen zum anderen aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse auch nicht habe lesen können, beziehungsweise sie ihn aufgrund fehlender Ahnung betreffend die hiesigen Rechtsverhältnisse nicht verstanden habe. Die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin wurden auch in den Zusammenfassungen der Parteidarstellungen im vorinstanzlichen Urteil nicht erwähnt (Urk. 78 S. 8f.). Die Vorinstanz wird nach Durchführung der Hauptverhandlung auch in Bezug auf diese Vorbringen zu prüfen haben, ob ein Beweisverfahren durchzuführen sein wird, und sich mit diesen Vorbringen auseinanderzusetzen haben.

IV. Kosten- und Entschädigungsfolgen

Da ein prozessual fehlerhafter Entscheid aufgehoben wird, mit dem sich die Beklagte im Rechtsmittelverfahren auch nicht identifiziert hat, rechtfertigt es sich, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen (Art. 107 Abs. 2 ZPO). Die Beklagte ist daher auch nicht als unterliegend zu betrachten, so dass sie nicht zur Zahlung einer Parteientschädigung verpflichtet werden kann. Art. 107 Abs. 2 ZPO bietet überdies in solchen Fällen keine Grundlage, zulasten des Kantons Parteientschädigungen (Art. 95 Abs. 3 ZPO) zuzusprechen (Urwyler/Gr?tter, DIKE- Komm-ZPO, Art. 107 N 13; BGE 140 III 385, E. 4.1.).

Es wird beschlossen:

  1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Affoltern vom 20. Januar 2023 wird aufgehoben und die Sache wird zur Ergänzung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen sowie zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Für das Berufungsverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. Der von der Klägerin geleistete Kostenvorschuss von Fr. 6'000 wird ihr nach Eintritt der Rechtskraft zurückerstattet.

  3. Für das Berufungsverfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Obergerichtskasse sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

    Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

    Es handelt sich um eine vermögensrechtliche arbeitsrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 176'744.95.

    Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

    Zürich, 3. August 2023

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. C. Faoro versandt am:

lm

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